Urteil des BSG vom 26.04.2018

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - Urlaubsabgeltung während dauerhafter Arbeitsunfähigkeit - rentenschädlicher Hinzuverdienst

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 26.4.2018, B 5 R 26/16 R
ECLI:DE:BSG:2018:260418UB5R2616R0
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit -
Urlaubsabgeltung während dauerhafter Arbeitsunfähigkeit -
rentenschädlicher Hinzuverdienst
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. August 2016
aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Rente des Klägers wegen
voller Erwerbsminderung wegen Hinzuverdienstes sowie die
Erstattung der dadurch entstandenen Überzahlung.
2
Der 1965 geborene Kläger war seit 1.5.1985 bei der P GmbH
(Arbeitgeber - AG) beschäftigt. Seit dem 9.3.2009 war der Kläger
durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete
durch Kündigung des AG zum 30.11.2010. Die Beklagte bewilligte
dem Kläger ausgehend von einem "Leistungsfall" vom 1.4.2009
zunächst mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.4.2010 Rente
wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.11.2009 bis
31.3.2011 iHv 907,60 Euro ab Juni 2010. Für die Zeit ab dem
1.4.2010 stellte die Beklagte zudem die für die Berechnung der
Hinzuverdienstgrenzen maßgeblichen Entgeltpunkte (EP) des
Klägers mit 3,1934 sowie die maßgebliche Bezugsgröße bei
Beschäftigung in den alten Bundesländern mit 2555,00 Euro fest.
Daraus ergaben sich folgende Hinzuverdienstgrenzen für die Rente
wegen voller Erwerbsminderung: bei Auszahlung iHv vier Vierteln
400,00 Euro, iHv drei Vierteln 1387,50 Euro, iHv zwei Vierteln
1876,60 Euro und iHv einem Viertel 2284,56 Euro. Auf den
Weiterbewilligungsantrag vom 10.11.2010 gewährte die Beklagte mit
weiterem Bescheid vom 25.11.2010 die Rente wegen voller
Erwerbsminderung über den 31.3.2011 hinaus bis 31.3.2013.
Anschließend wurde die Rente auf Dauer zuerkannt
(Bescheid vom 24.1.2013). Im Dezember 2010 nahm die Beklagte
Kenntnis von Meldungen des Arbeitgebers über Einmalzahlungen an
den Kläger mit Auszahlung im November 2010 (Urlaubsabgeltung für
2010: 5251,41 Euro) und im Dezember 2010 (Urlaubsabgeltung für
2009: 4226,53 Euro).
3
Mit Bescheid vom 1.4.2011 und Widerspruchsbescheid vom
23.8.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 20.4.2010 teilweise
auf, soweit der Zahlbetrag für die Monate November und Dezember
2010 betroffen war, stellte eine Überzahlung iHv 1815,20 Euro fest
und forderte diese zurück. Die vom Arbeitgeber an den Kläger im
November 2010 bzw im Dezember 2010 ausgezahlten Beträge
(5251,41 Euro bzw 4226,53 Euro) für geleistete Überstunden sowie
Urlaubsabgeltungen seien als Hinzuverdienst nach § 96a SGB VI zu
berücksichtigen und denjenigen Kalendermonaten zuzuordnen, für
welche sie bescheinigt worden seien.
4
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.1.2015). Im
Berufungsverfahren hat die Beklagte die entstandene Überzahlung im
Blick auf das fehlende Überschreiten des doppelten Betrages der
Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
in Höhe eines Viertels im Dezember 2010 auf 1589,13 Euro reduziert
und der Kläger das entsprechende Teilanerkenntnis angenommen.
Das LSG hat das Urteil des SG geändert und den Bescheid vom
1.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2011
vollständig aufgehoben (Urteil vom 26.8.2016). Zwar handele es sich
bei den streitigen Einmalzahlungen um Arbeitsentgelte iS des § 96a
SGB VI, die dem Kläger nach Rentenbeginn zugeflossen seien, doch
seien sie nicht als Arbeitsentgelte "aus einer Beschäftigung" im Sinne
der Norm anzusehen und daher rentenunschädlich. Die
Beschäftigung im hier maßgeblichen leistungsrechtlichen Sinn habe
mit dem spätestens bei Rentenbeginn eingetretenen faktischen
Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund krankheitsbedingter
dauernder Arbeitsunfähigkeit ihr Ende gefunden. Dieses faktische
Ruhen sei dem (hier nicht vorliegenden) rechtlichen gleichzustellen.
5
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine
Verletzung des § 96a Abs 1 SGB VI. Die an den Kläger gezahlten
Einmalzahlungen (Urlaubsabgeltungen) resultierten aus einem
Beschäftigungsverhältnis iS des § 96a Abs 1 SGB VI. Dem
Gesetzgeber sei es bei der Einführung der Hinzuverdienstgrenzen
nicht nur darum gegangen, der Arbeit auf Kosten der Gesundheit der
Versicherten entgegenzuwirken. Vielmehr habe die
Lohnersatzfunktion der Renten wegen Erwerbsminderung im
Vordergrund gestanden. Der Gesetzgeber wolle Hinzuverdienst auch
dann berücksichtigt wissen, wenn dem keine tatsächlich ausgeübte
Beschäftigung zugrunde liege, wie das Beispiel der Lohnfortzahlung
zeige. Mit der Neuregelung der Hinzuverdienstgrenzen im
Flexirenten-Gesetz vom 8.12.2016 (BGBl I 2838) habe der
Gesetzgeber die Formulierung "aus einer Beschäftigung" aus § 96a
SGB VI zum 1.7.2017 gestrichen. Damit werde klargestellt, dass es
auf eine tatsächlich ausgeübte Beschäftigung nicht ankomme
(vgl BT-Drucks 18/9787, S 39). Ausschließlich entscheidend sei, dass
Einkünfte iS von § 14 SGB IV vorlägen. Damit bekenne sich der
Gesetzgeber eindeutig zur Lohnersatzfunktion der Rente wegen
Erwerbsminderung. Es komme lediglich darauf an, dass
Arbeitsentgelt aus einem nach Rentenbeginn noch bestehenden
Beschäftigungsverhältnis mit der Rente zusammentreffe. Die
Formulierung in § 96a Abs 1 SGB VI "… aus einer Beschäftigung …"
sei nicht dahingehend zu verstehen, dass das Arbeitsentgelt
zeitgleich neben der Rente wegen Erwerbsminderung erzielt werden
müsse, um es anzurechnen.
6
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26.
August 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das
Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21. Januar 2015
zurückzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung
der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung der
Sache an das LSG begründet (vgl § 170 Abs 2 SGG). Der Senat
kann eine Sachentscheidung nicht treffen, weil aufgrund der
bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG bereits nicht
festgestellt werden kann, ob hinsichtlich der Rentenansprüche des
Klägers für November und Dezember 2010 gegenüber den
entsprechenden Regelungen im Bescheid vom 20.4.2010 eine
relevante Änderung der Verhältnisse eingetreten ist
(§ 48 Abs 1 S 1 SGB X).
10
1. Der angegriffene Bescheid vom 1.4.2011 verlautbart, bestätigt
durch den Widerspruchsbescheid vom 23.8.2011 und nach
Annahme des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 26.8.2016,
neben den Änderungen des Verwaltungsakts über den monatlichen
Rentenzahlbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung im
Bescheid vom 20.4.2010 für die Monate November und Dezember
2010 die Feststellung einer Überzahlung iHv zuletzt 1589,13 Euro
und ein entsprechendes Zahlungsgebot an den Kläger
(Urteil des Senats vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - BSGE 112, 74 ff =
SozR 4-1300 § 45 Nr 10, jeweils RdNr 14 mit Hinweis auf BSG SozR
3-1200 § 42 Nr 9 S 33)
. Das maßgebliche Begehren des Klägers (§ 123 SGG) ist auf die
Aufhebung aller drei Verwaltungsakte (§ 31 SGB X) im Wege der
zulässigen objektiven Häufung (§ 56 SGG) von drei isolierten
Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) gerichtet
(Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - aaO).
11
2. Rechtsgrundlage für die teilweise rückwirkende Aufhebung des
Bescheids vom 20.4.2010 hinsichtlich der monatlichen
Zahlungsansprüche für die Monate November und Dezember 2010
ist § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 und S 3 SGB X iVm § 96a Abs 1, Abs 1a und
Abs 2 Nr 2, 3 SGB VI, letztere in der bis 31.12.2012 geltenden
Fassung (im Folgenden: aF).
12
Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für
die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit
Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit
Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - binnen
Jahresfrist nach § 48 Abs 4 S 1 und 2 iVm § 45 Abs 4 S 2 SGB X -
aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des
Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das
zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben
würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt hierbei in
den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen aufgrund der
besonderen Teile dieses Gesetzbuchs auf einen zurückliegenden
Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums,
vorliegend also der Monatsbeginn
vorliegend also der Monatsbeginn
(vgl § 48 Abs 1 S 3 SGB X iVm § 100 Abs 1 S 1, 2 SGB VI, letzterer
in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur
Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer
Gesetze vom 27.12.2003, BGBl I 3019; vgl auch BSG Urteil vom
10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 22 f)
. Ergänzend bestimmt § 100 Abs 1 S 2 SGB VI
(in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2004 geltenden Fassung des
Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27.12.2003, BGBl I
3019)
, dass im Falle des § 96a SGB VI - also bei Zusammentreffen einer
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Hinzuverdienst - die
Regelung in § 100 Abs 1 S 1 SGB VI zum Zeitpunkt des
Wirksamwerdens einer Änderung der Rentenhöhe anzuwenden ist.
Danach wird bei einer für die Rentenhöhe bedeutsamen Änderung
der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse die Rente in neuer
Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die
Änderung wirksam ist. Bezogen auf die Anrechnung von
Hinzuverdienst bedeutet dies gemäß § 96a Abs 1 S 2 SGB VI in der
seit 1.1.2004 geltenden Fassung iVm § 48 Abs 1 S 3 SGB X, dass
bei einem Überschreiten der monatlichen Hinzuverdienstgrenzen im
Laufe eines Kalendermonats die Rente bereits von Beginn des
betreffenden Monats an in angepasster Höhe zu leisten ist. Denn §
96a Abs 1 S 2 SGB VI stellt auf das Arbeitsentgelt "im Monat" ab, um
für diesen Monat des Zusammentreffens mit der Rente das
Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze
festzustellen. Unerheblich ist insoweit, zu welchem Zeitpunkt im
Monat (am Anfang, in der Mitte oder am Ende) das Arbeitsentgelt als
"rentenschädlicher" Hinzuverdienst erzielt wird. Als Zeitpunkt der
Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs 1 S 3 SGB X stets
der Beginn des Anrechnungszeitraums und hier somit der
Monatsbeginn
(BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14
RdNr 23)
.
13
3. Gemäß § 96a Abs 1 S 1 SGB VI aF wird eine Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die
Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nach Abs 1
Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nach Abs 1
S 2 aaO nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen
Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Abs 2
genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges
Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der
Hinzuverdienstgrenze nach Abs 2 im Laufe eines jeden
Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die Hinzuverdienstgrenze
beträgt bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller
Höhe 400 Euro (§ 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI) bzw bei einer Rente
wegen voller Erwerbsminderung iHv drei Vierteln das 0,17fache, in
Höhe der Hälfte das 0,23fache, in Höhe eines Viertels das 0,28fache
der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der EP
(§ 66 Abs 1 Nr 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor
Eintritt der vollen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 EP
(§ 96a Abs 2 Nr 3 SGB VI aF). Abhängig vom erzielten
Hinzuverdienst wird eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in
voller Höhe, iHv drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines
Viertels, geleistet (Abs 1a Nr 2). Wird daher jeweils (nur) die
maßgebliche monatliche Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen
voller Erwerbsminderung in voller Höhe bzw für diese Rente iHv drei
Vierteln oder der Hälfte überschritten, hat dieser materiell-rechtliche
einzelanspruchsvernichtende Übersicherungseinwand wegen
rentenschädlichen Hinzuverdienstes gegen monatliche
Zahlungsansprüche aus dem Recht auf Rente eine Herabsetzung
des monatlichen Zahlungsanspruchs auf den Wert der nächst
niedrigeren monatlichen Hinzuverdienstgrenze zur Folge, während
jeglicher Anspruch entfällt, wenn auch die Hinzuverdienstgrenze für
den kleinsten vom Gesetz vorgesehenen Rententeil von einem
Viertel überschritten ist. Der materiell-rechtliche
Übersicherungseinwand, der stets von Amts wegen zu prüfen ist,
ermächtigt und verpflichtet den Rentenversicherungsträger zugleich,
diesen Einwand geltend zu machen, nämlich ggf durch teilweise
Aufhebung entgegenstehender Verwaltungsakte und durch
Feststellung des völligen oder anteiligen Untergangs des jeweiligen
Zahlungsanspruchs
(vgl bereits BSG vom 6.3.2003 - B 4 RA 8/02 R - SozR 4-2600 § 313
Nr 2 RdNr 22)
. Dagegen ist eine "Neuberechnung" der Rente, dh eine abermalige
Bestimmung des Werts des Stammrechts der Rente ("Höhe der
Bestimmung des Werts des Stammrechts der Rente ("Höhe der
Rente"), weder veranlasst noch zulässig
(vgl entsprechend zu § 97 SGB VI Urteil des Senats vom 27.5.2014
- B 5 R 6/13 R - BSGE 116, 64 ff = SozR 4-2600 § 97 Nr 2, jeweils
RdNr 13)
.
14
4. Im Rahmen des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF ist zur Feststellung,
ob die Hinzuverdienstgrenze des S 1 aaO durch Arbeitsentgelt …
"aus einer Beschäftigung" überschritten wird, grundsätzlich der für
einen Monat entstandene Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer
parallel zum Rentenbezug bestehenden Beschäftigung dem
Grenzbetrag aus der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für
denselben Kalendermonat gegenüberzustellen, dessen
Überschreiten sich nach Maßgabe von Abs 1a aaO als
"rentenschädlich" auswirkt. Aus einer Beschäftigung stammt
erzieltes Arbeitsentgelt zunächst denkbar nur dann, wenn es "aus
einer Beschäftigung … im Zeitraum des Rentenbezuges stammt"
(BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14
RdNr 26)
, rechtlich also einer Beschäftigung zugeordnet werden kann, die
während des Rentenbezuges (fort-)bestanden hat.
Einmalzahlungen, die einem Versicherten nach Rentenbeginn bei
ruhendem Arbeitsverhältnis und einer zu diesem Zeitpunkt bereits
unterbrochenen oder beendeten Beschäftigung (im
leistungsrechtlichen Sinne) noch zufließen, sind daher kein
("rentenschädlicher") Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI
(BSG aaO, RdNr 12, 45). Auf die beitragsrechtliche Zuordnung
einmalig gezahlten Arbeitsentgelts nach § 23a Abs 2 SGB IV kommt
es im Rahmen der rentenrechtlichen Hinzuverdienstregelung nicht
an (vgl BSG aaO).
15
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt vorliegend
eine während des Rentenbezuges bestehende Beschäftigung in
Betracht, der die streitigen Einmalzahlungen potenziell zugerechnet
werden können. Anders als im Fall des rechtlichen Ruhens (
BSG vom 10.7.2012 aaO)bestand die Beschäftigung des Klägers
bei seinem Arbeitgeber noch während des Rentenbezuges fort und
endete erst aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
den Arbeitgeber zum 30.11.2010. Das durchgehende Vorliegen von
Arbeitsunfähigkeit hat die leistungsrechtliche Beschäftigung im
gerade vorliegend zugrunde zu legenden Sinn nicht unterbrochen
oder beendet.
16
Das Verständnis des typisierenden Sachverhalts der Beschäftigung,
an den die einschlägigen Regelungen jeweils ausdrücklich
anknüpfen ("Beschäftigungsverhältnis"), nimmt auch im
Zusammenhang des § 96a Abs 1 SGB VI seinen Ausgang zunächst
bei § 7 Abs 1 SGB IV
(vgl BSG Urteil vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 §
96a Nr 14 RdNr 39 mwN)
. Beschäftigung ist hiernach die nicht selbstständige Arbeit,
insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine
Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers
(§ 7 Abs 1 S 2 SGB IV). Beschäftigung im Sinne der zweigliedrigen
Umschreibung des § 7 Abs 1 SGB IV ist damit abhängige Arbeit in
Vollzug eines entsprechenden rechtlichen Rahmens, insbesondere
eines Arbeitsverhältnisses
(vgl Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar
zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 7 SGB IV RdNr 11).
17
Dem Beschäftigungssachverhalt kommt nach der ständigen
Rechtsprechung sowohl der für das Leistungs- als auch der für das
Beitragsrecht zuständigen Senate des BSG in der
Sozialversicherung ein dem jeweiligen Anwendungszusammenhang
angepasster (funktionsdifferenter) Inhalt zu
(s exemplarisch zur versicherungspflichtigen Beschäftigung bereits
BSG vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10
undBSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 R 1/15 R - Juris RdNr 27 mwN).
Hieran hat sich durch das Inkrafttreten des wesentlich auf das
Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen
(§ 1 Abs 3, § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB IV) § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nichts
geändert. Nach dieser Vorschrift sind die Voraussetzungen
idealerweise erfüllt, wenn der rechtlichen Verpflichtung zur
Arbeitsleistung durch deren reale Erbringung genügt wird, doch
genügt zur Begründung von Versicherungspflicht aufgrund einer
(entgeltlichen) Beschäftigung ua auch, wenn der Dienstverpflichtete
bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher
bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher
Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von
seiner - damit als grundsätzlich weiter bestehend vorausgesetzten -
Leistungspflicht befreit ist
(BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 27/07 R - BSGE 101, 273 ff =
SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 17).
Insbesondere erfährt der Beschäftigungssachverhalt im
Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung Modifikationen
aufgrund seiner Funktion als Anspruchsvoraussetzung für
Leistungen bei Arbeitslosigkeit
(BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 128 f =
SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f; BSG Urteil vom 5.2.1998 - B 11 AL
55/97 R - Juris RdNr 14 f; BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03
R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 15; BSG Urteil vom 9.2.2006 - B
7a AL 58/05 R - Juris RdNr 14; BSG Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL
31/06 R - SozR 4-4300 § 118 Nr 1 RdNr 27; BSG Urteil vom
24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 21; BSG
Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 27/07 R - BSGE 101, 273 = SozR 4-
2400 § 7 Nr 10, RdNr 24).
Dort kommt daher in Betracht, dass die Beschäftigung durch
Freistellung des Arbeitnehmers
(BSG Urteil vom 24.7.1986 - 7 RAr 4/85 - BSGE 60, 168-176 = SozR
4100 § 117 Nr 16, Juris RdNr 16)
oder ungeachtet des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses und
möglicherweise abweichender Erklärungen der
Arbeitsvertragsparteien "faktisch" ihr Ende findet, weil der
Arbeitgeber seine Verfügungsmöglichkeit über die Arbeitskraft des
arbeitsunfähigen Arbeitnehmers tatsächlich nicht mehr wahrnimmt
(BSG Urteil vom 9.9.1993 - 7 RAr 96/92 - BSGE 73, 90 ff = SozR 3-
4100 § 101 Nr 4; BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE
73, 126 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5, Juris RdNr 16).
Die gehäufte Verwendung des Begriffs der leistungsrechtlichen
Beschäftigung im Zusammenhang mit dem Recht der
Arbeitslosenversicherung darf indes nicht dazu führen, dass von
einer - gegenüber dem Deckungsverhältnis der Sozialversicherung
stets eigenständigen (§ 1 Abs 3 SGB IV) - Beschäftigung im
leistungsrechtlichen Sinne vergröbernd allein im Blick auf die
spezifischen Belange dieses Versicherungszweiges gesprochen
wird. Vielmehr handelt es sich bei der "Beschäftigung im
leistungsrechtlichen Sinne" um eine Sammelbezeichnung für die
leistungsrechtlichen Sinne" um eine Sammelbezeichnung für die
Gesamtheit der im Leistungsrecht der Sozialversicherung
(§ 1 Abs 1 SGB IV)in unterschiedlichen
Bedeutungszusammenhängen in Betracht kommenden
Verständnismöglichkeiten. Ihnen ist lediglich gemeinsam, dass auch
die Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne nicht mit dem
Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist
(vgl BSG Urteil vom 24.7.1986 - 7 RAr 4/85 - BSGE 60, 168, 170 =
SozR 4100 § 117 Nr 16 S 72; BSG Urteil vom 9.2.2006 - B 7a AL
58/05 R - Juris RdNr 14 mwN)
und an das Element des Vollzuges der abhängigen Arbeit, also
hinsichtlich der Frage, inwieweit es auf deren tatsächliche
Erbringung ankommt, gegenüber dem Deckungsverhältnis
(vgl hierzu Berchtold, aaO, RdNr 24) nach Maßgabe des
spezifischen leistungsrechtlichen Zusammenhangs jeweils
eigenständige Anforderungen gestellt werden.
18
Das LSG ist zunächst bei der Beurteilung der Frage, ob ein
Arbeitsentgelt "aus einer Beschäftigung" auf eine für den
betreffenden Monat zu leistende Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit als Hinzuverdienst iS von § 96a Abs 1 SGB VI
anzurechnen ist, zutreffend von einem leistungsrechtlichen
Verständnis der Beschäftigung im Gegensatz zur Verwendung im
Beitragsrecht ausgegangen. Ebenfalls zutreffend hat es dabei den
Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung auch vor dem
rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses für möglich erachtet. Das
Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass im Zusammenhang des
§ 96a SGB VI die Beschäftigung - anders als ggf in der
Arbeitslosenversicherung - ihr Ende nicht bereits mit dem "faktischen
Ruhen" des Arbeitsverhältnisses findet. Entgegen der Auffassung
des LSG bestand vorliegend die Beschäftigung des Klägers
unabhängig von dessen dauernder Arbeitsunfähigkeit seit dem
9.3.2009 auch im streitigen Monat November 2010 während des
Rentenbezuges fort. Für den im konkreten
Anwendungszusammenhang maßgeblichen Begriff der
Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn genügt ungeachtet der
schuldrechtlich angeordneten Leistungsfreistellung
(§ 275 Abs 1 BGB, § 326 Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB)und ungeachtet
des Fehlens einer tatsächlichen Arbeitserbringung das Fortbestehen
der nicht suspendierten arbeitsvertraglichen Hauptpflichten aus dem
fortbestehenden Arbeitsvertrag. Der Senat schließt sich insofern im
Ergebnis der nach Zulassung der vorliegenden Revision
ergangenen Entscheidung des 13. Senats im Urteil vom 6.9.2017
(B 13 R 21/15 R RdNr 50 ff) an. Für weitergehende ausdrückliche
oder konkludente Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien, aus
denen sich ein rechtliches Ruhen des Arbeitsverhältnisses ergeben
könnte (Urteil des 13. Senats vom 6.9.2017, aaO, RdNr 65), fehlt es
vollständig an Anhaltspunkten.
19
§ 96a SGB VI soll verhindern, dass der Versicherte durch Rente und
Hinzuverdienst aus einer Beschäftigung oder selbstständigen
Tätigkeit ein höheres Gesamteinkommen erzielen kann, als vor dem
Tätigkeit ein höheres Gesamteinkommen erzielen kann, als vor dem
Eintritt des Versicherungsfalls versichert war ("Übersicherung").
Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht
(vgl Urteil des Senats vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - BSGE 112, 74
ff = SozR 4-1300 § 45 Nr 10, RdNr 22; BSG Urteil vom 10.7.2012 - B
13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 27 mwN)
. Sinn und Zweck des § 96a SGB VI erschöpfen sich folglich nicht
darin, nur das neben der Rente durch tatsächliche Arbeit auf Kosten
der Restgesundheit erzieltes Entgelt "abzuschöpfen". Die Regelung
verhindert vielmehr in Fällen der vorliegenden Art typisierend jede
übermäßige Begünstigung aus einer Erwerbstätigkeit, die neben
dem Rentenbezug fortgeführt/aufgenommen wird, obwohl hierdurch
gerade die entfallene Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit in
nennenswertem Umfang nachzugehen und der unterstellte Verlust
an sonst beitragsbelastetem Erwerbseinkommen nach Maßgabe
des relativen Werts der Vorleistung für die Versicherung in vollem
Umfang kompensiert werden soll
(vgl zur EU-Rente BSG Urteil vom 6.3.2003 - B 4 RA 8/02 R - SozR
4-2600 § 313 Nr 2 - Juris RdNr 50)
. Anders als in der Arbeitslosenversicherung, wo das frühzeitige
Ende der Beschäftigung den Risikobereich der Versicherung
grundsätzlich zugunsten der Versicherten erweitert und damit den
Leistungsbezug erst ermöglicht, ist vorliegend eine zusätzliche
Begünstigung von bereits im Leistungsbezug stehenden Personen
durch den unbegrenzt anrechnungsfreien Bezug von
Entgeltbestandteilen grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Vielmehr
sprechen - unter Berücksichtigung der Bezugnahme auf den
umfassenden Begriff des Arbeitsentgelts in § 14 SGB IV - die
Entgeltersatzfunktion der Rente und die Verhinderung einer
Übersicherung für die Berücksichtigung auch solcher
Entgeltansprüche, die mit der Arbeitsleistung nicht in einem
synallagmatischen Verhältnis stehen. Auch diesen
Entgeltansprüchen kommt nämlich gerade in Zeiten der fehlenden
tatsächlichen Erbringung von Arbeit dieselbe Entgelt ersetzende und
Unterhalt sichernde Funktion zu wie der funktionsgleichen Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl zu § 61 AVG
BSG Urteil vom 22.7.1987 - 1 RA 33/86 - BSGE 62, 77 ff = SozR
2200 § 1284 Nr 2, Juris RdNr 16).
20
5. Damit liegt eine während des Rentenbezuges bis zum 30.11.2010
ausgeübte Beschäftigung vor, der während des Rentenbezuges
erzielte Entgelte grundsätzlich zugeordnet werden können. Bei den
in Frage stehenden Urlaubsabfindungen handelt es sich auch um
Arbeitsentgelt (nachfolgend a). Es fehlt jedoch an Feststellungen zur
Bestimmung der konkret erzielten Arbeitsentgelte und deren
jeweiliger rechtlicher Zuordnung zu den einzelnen in Frage
stehenden Monaten des Rentenbezuges (nachfolgend b).
21
a) Die Vorinstanzen sind in Übereinstimmung mit der späteren
Rechtsprechung des 13. Senats
(Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 21/15 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 16
RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen)
zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den allein in Frage
stehenden Urlaubsabgeltungen insgesamt um Arbeitsentgelt aus
einer Beschäftigung iS von § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF iVm § 14
SGB IV handelt. Der erkennende Senat schließt sich dem an.
22
Von der weiten Begriffsbestimmung in § 14 Abs 1 S 1 SGB IV
werden unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf die
Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher
Form sie geleistet und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung
oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden, ausdrücklich auch
einmalige Einnahmen aus einer Beschäftigung erfasst. Diese weite
Begriffsbestimmung umfasst alle Einnahmen, die dem Versicherten
in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen.
Hierunter fallen auch Zuwendungen, denen ein Anspruch des
Arbeitgebers auf eine konkrete Arbeitsleistung nicht gegenübersteht,
wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder das Urlaubsgeld
(vgl BSG Urteil vom 7.3.2007 - B 12 KR 4/06 R - SozR 4-2400 § 14
Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 14/98 R - BSGE
83, 266, 267 = SozR 3-2400 § 14 Nr 17 S 38)
. In Betracht kommen auch einmalige Einnahmen, die - wie hier die
Urlaubsabgeltung - nicht für die Arbeit in einem einzelnen
Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden
(vgl die Definition des § 23a Abs 1 S 1 SGB IV)und ihrem Zweck
nach nicht - wie sog echte Abfindungen - allein auf den Zeitraum
nach Beendigung der Beschäftigung bezogen sind
(vgl etwa BSG vom 7.3.2007 - B 12 KR 4/06 R - SozR 4-2400 § 14
Nr 8 RdNr 15 mwN)
.
23
Nach diesen Maßstäben sind die Leistungen zur Urlaubsabgeltung
als Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV anzusehen
(vgl auch BSG Urteil vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600
§ 96a Nr 14 RdNr 31, 33 mwN)
. Der Anspruch auf Urlaub ist - insofern unabhängig davon, ob der
Mindesturlaub oder ein darüber hinausgehender Anspruch betroffen
ist
(BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 21/15 R - SozR 4-2600 § 96a Nr
16 RdNr 27, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) -
rechtlich und sprachlogisch grundsätzlich nur dann "abzugelten",
wenn er "wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder
teilweise nicht mehr gewährt werden kann". Der während der
Beschäftigung entstandene und bis zu deren Ende fortbestehende
(Primär-)Anspruch auf Urlaub wandelt sich danach mit der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(vgl BAG Urteil vom 9.8.2011 - 9 AZR 365/10 - BAGE 139, 1 - 14,
Juris RdNr 17; vgl bereits BSG Urteil vom 26.1.1967 - 3 RK 44/64 -
BSGE 26, 68, 70 = SozR Nr 21 zu § 160 RVO - Juris RdNr 21)
in einen nach Grund und Höhe vom Urlaubsanspruch abhängigen
(akzessorischen) sekundären Abgeltungsanspruch in Geld um,
ohne dass es dafür noch einer weiteren Handlung des Arbeitgebers
oder Arbeitnehmers bedarf
(vgl BAG Urteil vom 5.12.1995 - 9 AZR 871/94 - BAGE 81, 339 -
(vgl BAG Urteil vom 5.12.1995 - 9 AZR 871/94 - BAGE 81, 339 -
Juris RdNr 23)
. Obwohl der Urlaubsabgeltungsanspruch regelmäßig die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, ist er damit - erst
recht nach Aufgabe der sog Surrogattheorie des BAG
(vgl BAG Urteil vom 19.6.2012 - 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64 ff) -
vergangenheitsbezogen und aufgrund seines engen inneren und
zeitlichen Zusammenhangs mit dem Urlaubsanspruch nicht etwa
(allein) der Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
zuzuordnen. Für die Einordnung als Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB
IV ist dabei auch nicht entscheidend, ob der
Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit dem Ende des
Arbeitsverhältnisses oder eventuell bereits vorher rechtlich entsteht
bzw ausgezahlt wird
(BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 21/15 R - SozR 4-2600 § 96a Nr
16 RdNr 27, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Ebenso ist unerheblich, dass das im Dezember 2010 abgegoltene
Urlaubsjahr 2009 nur anteilig innerhalb der erst mit dem 1.11.2009
beginnenden Rentenbezugszeit liegt. Weder der Urlaub noch
dessen Abgeltung werden nämlich im Urlaubsjahr "erdient".
Vielmehr erfolgt die Abgeltung in Geld gerade, weil der Urlaub im
Jahr seiner Entstehung und darüber hinaus nicht gewährt werden
konnte (BSG aaO RdNr 48).
24
b) Eine exakte Zuordnung der Urlaubsabgeltungen ist jedoch
erforderlich, wo es um den die im Rahmen von § 96a SGB VI
ausdrücklich ("im Monat") gebotene exakte monatliche
Gegenüberstellung des erzielten (Brutto-)Arbeitsverdienstes als
"Hinzuverdienst" und der jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen geht
(vgl bereits BSG Urteil vom 17.12.2002 - B 4 RA 23/02 R - SozR 3-
2600 § 96a Nr 1 - Juris RdNr 19; BSG Urteil vom 6.3.2003 - B 4 RA
8/02 - SozR 4-2600 § 313 Nr 2 - Juris RdNr 36 f).
25
aa) Insofern bedarf es hinsichtlich der im November 2010 erfolgten
Zahlung von Urlaubsabgeltung iHv 5251,41 Euro für das
Kalenderjahr 2010 zunächst einer Unterscheidung danach,
inwieweit diese Zahlung der Abgeltung des gesetzlichen
Mindesturlaubs dient und welche ggf darüber hinausgehenden
Ansprüche mit ihr abgegolten werden sollen. Der Mindesturlaub für
2010 (§ 3 BUrlG) war im November 2011 noch nicht verfallen
(§ 7 Abs 3 S 3 BUrlG) und konnte gemäß § 7 Abs 4 BUrlG erst mit -
nicht: nach - der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am
30.11.2010 abgegolten werden. Die insofern entgegen dem
gesetzlichen Verbot (§ 13 Abs 1 BUrlG, § 134 BGB) erfolgte
vorzeitige Auszahlung während des noch laufenden
Arbeitsverhältnisses ist - wie dargelegt - der während des
Rentenbezuges fortbestehenden Beschäftigung zuzuordnen und mit
der Auszahlung im November 2010 diesem Monat des
Rentenbezuges rechtlich als "erzielter" Hinzuverdienst zuzuordnen.
Erfolgt nämlich eine verbotswidrige Zahlung des Arbeitgebers vor
dem Ende des Arbeitsverhältnisses, kommt es aus der
maßgeblichen Sicht des Sozialrechts für diesen "Sonderfall"
(BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 21/15 R - SozR 4-2600 § 96a Nr
16 - Juris RdNr 37 - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen)
auf den Monat der Zahlung an. Für rechtswidrige Einmalzahlungen,
die - wie vorliegend - einerseits nach der zwingenden gesetzlichen
Anordnung des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV
("…gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht
…")
als Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung zu berücksichtigen sind,
andererseits jedoch einem bestimmten Zeitraum, in dem sie als
Erwerbseinkommen gleichzeitig neben einer geminderten
Erwerbsfähigkeit erwirtschaftet wurde, jedoch nicht zugeordnet
werden können, steht ein anderer Zeitpunkt rechtlich von vornherein
nicht zur Verfügung. Wenn und soweit daher der dem Kläger im
November 2010 zugeflossene Betrag der Urlaubsabgeltung den
gesetzlichen Mindesturlaub für 2010 betrifft, konnte er wertend der
noch laufenden Beschäftigung und diesem Monat zugeordnet
werden.
26
Soweit dagegen von der Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 2010
im November 2010 (auch) Urlaub über den Mindesturlaub hinaus
erfasst war, kann es nach den bisherigen Feststellungen allein auf
die Entstehung eines entsprechenden Anspruchs ankommen. Ein
Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI liegt nämlich vor,
wenn das Arbeitsentgelt - unabhängig vom Zeitpunkt seines
Zuflusses - der Zeit des Rentenbezuges "rechtlich zugeordnet"
werden kann
(so ausdrücklich bereits BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 33/16 R -
SozR 4-2600 § 96a Nr 17 RdNr 36 mit Hinweis auf Urteil vom
6.9.2017 - B 13 R 21/15 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 16, zur
Veröffentlichung in BSGE vorgesehen)
. Eine rechtliche Zuordnung zur Zeit des Rentenbezuges kommt -
jedenfalls bei Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung, die ihrer Art nach
keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden können und daher
einer zusätzlichen Berücksichtigung ihres Erwerbsgrundes
("für" bestimmte Zeiträume der Beschäftigung) von vornherein
entgegenstehen - allein nach dem Zeitpunkt der Entstehung auf der
Grundlage einer während des Rentenbezuges fortbestehenden
Beschäftigung in Betracht. Würde dagegen auch hier auf den
Zeitpunkt des Zuflusses abgestellt, stünde schon dessen mögliche
zeitliche Zufälligkeit
(BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 33/16 R - SozR 4-2600 § 96a Nr
17 RdNr 44)
dem Gebot der exakten monatlichen Gegenüberstellung von
Erwerbseinkommen und Hinzuverdienstgrenze(n) unter Anwendung
des Vormonatsprinzips entgegen und würden zudem bewusste
Manipulationen ermöglicht. Das Berufungsgericht wird daher
festzustellen haben, wann genau ein Anspruch auf Abgeltung über
den Mindesturlaub hinausgehenden zusätzlichen Urlaubs nach den
im Wesentlichen in Betracht kommenden einzelarbeits- und
tarifvertraglichen Regelungen entstanden ist
(vgl zur Möglichkeit eigenständiger Regelungen insofern etwa BAG
Urteil vom 18.10.2011 - 9 AZR 303/10 und vom 16.7.2013 - 9 AZR
914/11 - jeweils Juris)
.
27
bb) Ebenso ist hinsichtlich der im Monat Dezember 2010
zugeflossenen Beträge zu unterscheiden. Soweit die Abgeltung des
Mindesturlaubs für das Kalenderjahr 2009 betroffen ist, ist der - hier
ebenfalls maßgebliche - gesetzliche Anspruch dessen Abgeltung
zwingend mit - nicht nach - dem Ende des Arbeitsverhältnisses am
30.11.2010 entstanden (§ 7 Abs 4 BUrlG). Er wäre damit entgegen
dem Vorgehen der Beklagten ebenfalls dem Monat November
zuzuordnen
(vgl etwa BAG Urteil vom 9.8.2011 - 9 AZR 352/10 - Juris RdNr 19,
21).
Darüber hinaus bleibt auch hier zu ermitteln und festzustellen, ob
und inwieweit der im Dezember erfolgten Zahlung ein Anspruch auf
Abgeltung von Mehrurlaub zugrunde liegt und welchem Monat
dieser nach Maßgabe seiner Entstehung zuzuordnen ist. Auch
insofern ist ggf unerheblich, wenn der Zeitpunkt der
Anspruchsentstehung erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses
liegt.
28
6. Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen wegen Zahlung der
Urlaubsabgeltung eine wesentliche Änderung eingetreten ist, kommt
es für die streitige rückwirkende Aufhebung des Rentenbescheides
vom 1.4.2011 maßgeblich darauf an, ob in der Person des Klägers
die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X vorgelegen
haben. Das LSG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus
folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.
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Im Streit ist nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom
26.8.2016 ein Betrag iHv 1589,13 Euro. Die Beklagte hat die
Rückforderung auf § 50 Abs 2 S 2 SGB X gestützt. Da eine
Erstattungspflicht des Klägers in der geltend gemachten Höhe nur
dann besteht, wenn der Rentenbescheid vom 1.4.2011 für den
Zeitraum vom 1.11.2010 bis 31.12.2010 zu Recht aufgehoben
worden ist, kann auch hierüber noch nicht abschließend
entschieden werden. Demnach war das Berufungsurteil auch
insoweit aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG
vorbehalten.