Urteil des BSG vom 22.11.2011

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - kein Anspruch auf Zusicherung der Angemessenheit der Aufwendungen für eine bereits bewohnte Unterkunft - auch keine analoge Anwendung des § 22 Abs 2 SGB 2 aF- Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke - keine

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 22.11.2011, B 4 AS
219/10 R
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - kein Anspruch
auf Zusicherung der Angemessenheit der Aufwendungen für
eine bereits bewohnte Unterkunft - auch keine analoge
Anwendung des § 22 Abs 2 SGB 2 aF- Fehlen einer
planwidrigen Regelungslücke - keine
Kostensenkungsobliegenheit iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2
bei widersprüchlichem Verhalten des
Grundsicherungsträgers
Leitsätze
Für eine bereits angemietete und bewohnte Unterkunft können
SGB 2-Leistungsberechtigte von dem Grundsicherungsträger
keine isolierte Zusicherung der Angemessenheit der
Unterkunftskosten beanspruchen.
Tenor
Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Dezember
2010 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten
zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren von dem Beklagten die Erteilung einer
Zusicherung über die Angemessenheit der Nettokaltmiete für eine
bereits angemietete Wohnung.
2
Die 1971 geborene Klägerin zu 1 und ihre 1999 und 2004 geborenen
Kinder (Kläger zu 2 und 3) beziehen seit Juli 2006 laufend Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Aufgrund
eines im gleichen Monat geschlossenen Mietvertrags bewohnen sie
eine 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 67,18 qm, für
welche die monatliche Grundmiete in Höhe von 395,70 Euro zum
1.10.2007 auf 473,62 Euro erhöht wurde; als Nebenkosten sind 70
Euro monatlich, als Heizkosten 30 Euro monatlich (bzw ab April 2009
65 Euro monatlich) und als Müllgebühren 14,98 Euro monatlich zu
entrichten.
3
Mit Schreiben vom 4.6.2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin,
dass als angemessene Kosten der Unterkunft nur ein Betrag in Höhe
von höchstens 421,50 Euro (Kaltmiete) anerkannt werden könne. Die
gegenwärtige Miete übersteige diesen Betrag um 52,12 Euro. Die
unangemessenen Unterkunftskosten könnten in der Regel längstens
für sechs Monate übernommen werden. Eine volle Tragung der
Aufwendungen über diesen Zeitraum hinaus sei nur bei Nachweis der
Unmöglichkeit einer Kostensenkung möglich. In einer
"Kostenzusage" vom selben Tag erklärte sich der Beklagte bereit, bei
der Anmietung einer Wohnung eine Kaltmiete bis maximal 421,50
Euro als angemessen anzuerkennen.
4
Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger vom 27.6.2008, die
tatsächlichen Kosten der Unterkunft auch nach Ende des im
Schreiben vom 4.6.2008 genannten Sechsmonatszeitraums in voller
Höhe als Bedarf im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II anzuerkennen, ab
(Bescheid vom 4.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008).
5
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.11.2009). Das LSG
hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.12.2010). Zur
Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das
Begehren der Kläger sei nur auf die Verpflichtung des Beklagten
gerichtet, eine verbindliche Zusicherung zur Anerkennung der
aktuellen Nettokaltmiete als angemessen abzugeben. Die Berufung
sei nicht begründet. Soweit über Zeiträume seit dem Antrag auf
Zusicherung bereits Bewilligungsbescheide ergangen seien, habe
sich das Begehren erledigt. Bezogen auf die Erteilung einer
Zusicherung für zukünftige Zeiträume seien die Klagen als
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gemäß § 54 Abs
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gemäß § 54 Abs
1 Satz 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Umstand,
dass der Beklagte intern von einem weiteren "Mietprüfungsverfahren"
absehe, habe nicht zur Erledigung des Rechtsstreits geführt und das
Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht entfallen lassen. Das SG
habe die Klagen aber zu Recht als unbegründet angesehen, weil die
Kläger weder Anspruch auf die Erteilung einer Zusicherung mit dem
begehrten Inhalt noch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung
hierüber hätten. Sie könnten ihr Begehren nicht auf § 22 Abs 2 SGB II
stützen, weil diese Vorschrift nur einen bevorstehenden Abschluss
über eine neue Unterkunft erfasse. Regelungen zu den Leistungen
für Unterkunft und Heizung für eine bereits angemietete und
bewohnte Unterkunft enthielten allein § 22 Abs 1 Sätze 1 und 3 SGB
II, ohne dass eine Zusicherung gesetzlich vorgesehen sei. Eine
analoge Anwendung des § 22 Abs 2 (oder Abs 2a und 3) SGB II sei
nicht möglich. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor.
Während § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II die Möglichkeit enthalte, für eine
bereits bewohnte Unterkunft auch unangemessene Kosten zu
übernehmen, solange eine Senkung der Unterkunftskosten nicht
möglich oder zumutbar sei, diene § 22 Abs 2 SGB II der Warnung und
Aufklärung vor unangemessenen Kosten im Fall eines
Wohnungswechsels. Damit berücksichtige der Gesetzgeber, dass in
beiden Konstellationen keine vergleichbare Interessenlage vorliege,
sondern relevante Unterschiede bestünden. Einer Planungssicherheit
für das Eingehen einer neuen Verbindlichkeit bedürfe derjenige nicht,
der eine solche bereits im Vorfeld begründet habe. Ein Anspruch auf
die begehrte Zusicherung erwachse den Klägern auch nicht aus § 34
Abs 1 SGB X in Verbindung mit § 22 Abs 1 SGB II, weil das Gesetz
die Erteilung einer Zusicherung für eine bereits angemietete
Wohnung ausschließe. Das Begehren der Kläger sei im Kern nicht
auf die Erteilung einer Zusicherung, sondern auf die verbindliche
Feststellung der Angemessenheit ihrer Aufwendungen für die
Unterkunft gerichtet. Aufgabe der Verwaltung sei es, über den geltend
gemachten (Leistungs-)Anspruch, nicht jedoch über das Vorliegen
oder Fehlen von Leistungsvoraussetzungen zu entscheiden. Bei dem
begehrten Inhalt der behördlichen Erklärung ("ihre derzeitige
Nettokaltmiete bis auf Weiteres als angemessen i.S.d. § 22 Abs 1
SGB II anzuerkennen") handele es sich nur um ein Teilelement des in
§ 22 Abs 1 SGB II geregelten Leistungsanspruchs.
6
Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 22 Abs 1
und Abs 2 SGB II sowie von § 34 SGB X. § 22 Abs 2 SGB II sei
unmittelbar anwendbar. Die Voraussetzungen für die Anmietung der
aktuellen Wohnung könnten jederzeit durch Kündigung und erneute
Bewerbung um die Wohnung geschaffen werden. Die Annahme des
Berufungsgerichts, die Behörde könne in den "nicht ausdrücklich von
§ 22 SGB II erfassten Konstellationen" die streitgegenständliche
Zusicherung nicht erteilen, sei nicht nachvollziehbar. Soweit das LSG
in diesem Zusammenhang mit dem Zweck der gesetzlich geregelten
Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II argumentiere, verkenne es,
dass neue Verbindlichkeiten und wirtschaftliche Risiken zwar durch
den Abschluss eines Mietvertrags, jedoch genauso durch das
Aufrechterhalten eines Mietvertrags begründet werden könnten. Der
Beklagte habe Ermessen gar nicht ausgeübt, weil er irrtümlich davon
ausgegangen sei, dass er die streitgegenständliche Zusicherung
nicht erteilen dürfe. Schließlich gehe das Berufungsgericht zu Unrecht
davon aus, dass sie nicht eine Zusicherung, sondern die Feststellung
eines Tatbestandsmerkmals begehrten. Der Gesetzgeber habe durch
§ 22 Abs 2 SGB II unmissverständlich deutlich gemacht, dass ein
Erfordernis der Zusicherung für künftige Aufwendungen der
Unterkunft bestehe. Der Anspruch auf eine Zusicherung hänge schon
deshalb nicht von der Frage ab, ob sich die Zusicherung auf eine
bereits bewohnte Wohnung richte oder auf eine solche, die erst
bezogen werden solle, weil ein Anspruch auf Zusicherung
unabhängig von der konkret anzumietenden Wohnung bestehe
("abstrakte Zusicherung"). Wenn - wie hier - ein berechtigtes Interesse
an der Erteilung einer Zusicherung bestehe, gehe das BSG von einer
Ermessensreduzierung auf Null aus.
7
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 16.
Dezember 2010 und des Sozialgerichts Freiburg vom 5. November
2009 sowie den Bescheid vom 4. Juli 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2008 aufzuheben und den
Beklagten zu verurteilen, ihnen gemäß § 34 SGB X iVm § 22 Abs 2
SGB II zuzusichern, dass ihre derzeitige Nettokaltmiete als
angemessen im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II anerkannt werde,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag vom 27. Juni
2008 auf Erlass einer Zusicherung erneut zu entscheiden und dabei
Ermessen nach Maßgabe der Rechtsauffassung des
Revisionsgerichts auszuüben.
8
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
9
Er macht geltend, es liege kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) vor,
weil die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe übernommen
würden.
Entscheidungsgründe
10
1. Die zulässigen Revisionen der Kläger sind nicht begründet
(§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).Die Vorinstanzen sind zu Recht davon
ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom
4.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2008
rechtmäßig ist. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf
Erteilung einer Zusicherung mit dem Inhalt, die tatsächlichen Kosten
der Unterkunft als angemessen anzuerkennen, noch auf eine
ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber.
11
2.a) Die Kläger haben ihr Begehren zu Recht ausschließlich mit
einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Erteilung der
Zusicherung verfolgt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Bei der Zusicherung
iS von § 34 SGB X handelt es sich um die Zusage, einen
bestimmten Verwaltungsakt mit einem bestimmten Inhalt später zu
erlassen (vgl Legaldefinition in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X)und damit
um einen mit einer Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt.
Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich auch bei
einer auf die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und
Umzugskosten gerichteten Zusicherung iS von § 22 Abs 3 Satz 1
SGB II um einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt iS
von §§ 31, 34 SGB X
(BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - FEVS 62, 6 ff). Auch
die Zusicherung iS von § 22 Abs 2 SGB II in der Fassung des
Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für
Arbeitsuchende vom 20.7.2006
(BGBl I, 1706; ab 1.4.2011: § 22 Abs 4 SGB II)ist ein Verwaltungsakt
(BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f;
Lauterbach in Gagel, SGB II, § 22 RdNr 101, Stand Juni 2011;
Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 69;
Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 123).
Dies gilt in gleicher Weise für die Ablehnung einer beantragten
Zusicherung, weil der Inhalt, der zugesichert werden soll, nicht
zugesichert werden kann. Die Verwaltungsentscheidung beinhaltet
regelmäßig und auch hier zugleich die Feststellung, dass der
Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat,
also nach den Kriterien des § 31 SGB X einen Verwaltungsakt
(BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f; BSG
Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113, 114 = SozR
4-2600 § 46 Nr 1 S 3 mwN).
Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zugleich die -
gegenüber einer subsidiären Feststellungsklage - vorrangige
Klageart, weil in diesem Verfahren hier auch über die Sach- und
Rechtsfragen zu entscheiden ist, die einer Feststellungsklage
zugrunde liegen könnten
(vgl zB BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3, S 16 mwN).
12
b) Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass unter
Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger nach § 34 SGB X iVm
§ 22 Abs 1 SGB II bzw aufgrund unmittelbarer oder analoger
Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II ein Anspruch auf Zusicherung
oder zumindest auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über
die begehrte Zusicherung gegeben sein kann. Die Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage ist auch nicht unzulässig geworden
(vgl zur Prüfung dieser prozessualen Voraussetzung in jeder Lage
des Verfahrens von Amts wegen: BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S
93)
. Unzulässig ist ein Rechtsmittel insbesondere dann, wenn ein
sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr
besteht, weil die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren
ihm offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile
mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden
kann
(vgl BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3 S 14; BSG Beschluss vom
5.10.2009 - B 13 R 79/08 R - SozR 4-1500 § 171 Nr 1 RdNr 12; vgl
zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses in der besonderen
Fallgestaltung einer beantragten Zusicherung auf Übernahme
"abstrakt angemessener Unterkunftskosten" ohne konkrete neue
Wohnung, Umzug während des sozialgerichtlichen Verfahrens und
anhängigen Sozialgerichtsverfahren zur Höhe der KdU für die neu
bezogene Wohnung BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R -
RdNr 14 f, SGb 2011, 325 f).
Hier besteht nur für diejenigen Leistungszeiträume nach dem
Schreiben des Beklagten vom 4.6.2008, für die er bereits die
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe
übernommen hat, kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Im Übrigen
sieht der Beklagte nach einem internen Vermerk vom 5.10.2009
zwar von einem weiteren Mietprüfungsverfahren ab, weil die - nach
Aktenlage von der Stadt F als Vermieterin zum 1.10.2007 von
395,70 Euro auf 473,62 Euro erhöhte - tatsächliche monatliche
Grundmiete die als angemessen angesehenen Kosten der
Unterkunft unter zusätzlicher Berücksichtigung einer
Unterkunft unter zusätzlicher Berücksichtigung einer
"Bagatellgrenze" von 41 Euro nur um 8,87 Euro übersteigt. Eine
entsprechende Mitteilung an die Kläger ist aber nicht erfolgt. Das
LSG hat daher zu Recht darauf verwiesen, dass die an die Kläger
gerichtete Kostensenkungsaufforderung weiter Bestand hat und von
dem Beklagten nicht zurückgenommen worden ist. Gegenteiliges
hat er auch im Revisionsverfahren nicht behauptet.
13
3.a) Die Revisionen der Kläger sind jedoch nicht begründet. Das
LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu
Recht zurückgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die
Erteilung einer Zusicherung über die Angemessenheit der aktuellen
Nettokaltmiete. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder unmittelbar
aus § 22 Abs 2 SGB II noch aus § 34 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II.
Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf eine
ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Zusicherung
ist nicht gegeben. Die Zusicherung kann auch nicht im Wege einer
analogen Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II erteilt werden.
14
b) Einen Anspruch auf Zusicherung der Angemessenheit der
aktuellen Unterkunftskosten können die Kläger zunächst nicht
unmittelbar aus § 22 Abs 2 SGB II (nunmehr: § 22 Abs 4 SGB II)
ableiten. Diese Norm bestimmt, dass der erwerbsfähige
Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue
Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher
örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für
die neue Unterkunft einholen soll (Satz 1). Der kommunale Träger ist
gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 SGB II zur Zusicherung nur verpflichtet,
wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue
Unterkunft angemessen sind; der für den Ort der neuen Unterkunft
örtlich zuständige kommunale Träger ist zu beteiligen. § 22 Abs 2
Satz 2 SGB II setzt nach seinem Wortlaut neben der Erforderlichkeit
eines tatsächlich stattfindenden Umzugs ausdrücklich die
beabsichtigte Anmietung bzw den Bezug einer neuen Unterkunft im
Sinne eines nach Lage der Wohnung und den aufzuwendenden
Kosten bestimmten und konkretisierten Wohnungsangebots voraus
(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 104, Stand September
2009)
und normiert damit zwei tatbestandliche Voraussetzungen für die
Abgabe der Zusicherung. Eine isolierte Feststellung der
Angemessenheit der Kosten einer bereits bewohnten Unterkunft ist
gesetzlich nicht vorgesehen. Vom Wortlaut des § 22 Abs 2 SGB II
wird auch nicht die fernliegende Möglichkeit erfasst, dass die
bisherige Wohnung gekündigt und dann erneut angemietet wird.
15
c) Auch nach § 34 Abs 1 SGB X iVm § 22 Abs 1 SGB II besteht kein
Anspruch auf Zusicherung der (weiteren) Übernahme der bisherigen
Unterkunftskosten bzw eine ermessensfehlerfreie Entscheidung
hierüber. § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass eine von der
zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten
Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen
(Zusicherung) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedarf. Als
ein der Bewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt kann mit einer
Zusicherung daher grundsätzlich nur dasjenige geregelt werden,
was auch durch einen nachfolgenden Verwaltungsakt nach
Maßgabe der fachgesetzlichen Ermächtigungen nach § 22 SGB II
zum Erlass eines Verwaltungsaktes konkret erfasst werden könnte.
Bezogen auf die Kosten einer aktuell bewohnten Unterkunft betrifft
dies die tatsächliche Erbringung von SGB II-Leistungen in einer
bestimmten Höhe unter Berücksichtigung sämtlicher für den
Leistungsanspruch nach Grund und Höhe maßgebenden Faktoren,
nicht die Feststellung der Angemessenheit der Aufwendungen der
Unterkunft als einer der Anspruchsvoraussetzungen für einen
(höheren) Leistungsanspruch. Auch wenn eine gerichtliche
Überprüfung ergäbe, dass der Beklagte die abstrakte
Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zutreffend beurteilt hat,
wäre ua nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in der Fassung des
Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für
Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) weiter zu prüfen, ob
die tatsächlichen Kosten nicht gleichwohl weiterhin zu tragen sind,
weil es den Klägern nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen
Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die
Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs
Monate
(vgl zur insofern notwendigen einzelfallbezogenen Beurteilung BSG
Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254, 257 f =
SozR 4-4200 § 22 Nr 3).
16
Einem Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung über die
Angemessenheit der aktuellen Nettomiete bzw einer
Neubescheidung des Antrags vom 27.6.2008 steht weiter entgegen,
dass § 22 Abs 2 SGB II als gegenüber § 34 Abs 1 SGB X
abschließende Sonderregelung bestimmt, unter welchen
Voraussetzungen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung in der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
Zusicherungen möglich sein sollen
(vgl Urteil des Senats vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - RdNr 1 - SGb
2011, 325 f; zum Ausschluss von Zusicherungen nach § 34 SGB X,
wenn das Fachrecht eine vorzeitige Bindung der Verwaltung
verbietet: Rüfner in Wannagat/Eichenhofer, § 34 SGB X RdNr 16,
Stand Februar 1992; vgl auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs,
7. Aufl 2008, § 38 VwVfg RdNr 13, 172).
Der Verwaltungsakt der Zusicherung soll nach dem
Gesetzeswortlaut des § 22 Abs 2 SGB II, dem Willen des
Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 15/1516 S 57) und der Systematik
des § 22 SGB II (vgl hierzu näher unter 4b)nur kumulativ zu den
Voraussetzungen der Erforderlichkeit eines beabsichtigen Umzugs
und zur Angemessenheit der künftigen Unterkunftskosten eingeholt
werden können.
17
4.a) Das LSG ist dementsprechend zu Recht davon ausgegangen,
dass eine analoge Anwendung des § 22 Abs 2 SGB II auf die
begehrte Zusicherung der Übernahme der aktuellen tatsächlichen
Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft und Heizung nicht
möglich ist. Insofern fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Ob eine planwidrige Lücke innerhalb des
Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne des Fehlens
rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte
erwartet werden - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von
der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden
Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch
gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung
(vgl nur Urteil des Senats vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE
107, 217 RdNr 8 ff)
. Insofern sprechen - wie bereits erörtert - der gesetzlich
ausdrücklich normierte Anspruch des Leistungsberechtigten auf
eine Zusicherung nur zu den Aufwendungen für eine neue
Unterkunft sowie die Gesetzbegründung dafür, dass weitere
(isolierte) Vorklärungen zur Höhe des Leistungsanspruchs für
Kosten der Unterkunft nicht erfolgen sollen.
18
b) Wie bereits das LSG hervorgehoben hat, ergibt sich aber auch
aus der Systematik des § 22 SGB II, dass eine Regelungslücke im
Hinblick auf die Möglichkeit der Zusicherung der Angemessenheit
der Unterkunftskosten einer bereits bewohnten Wohnung nicht
besteht. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang von §
22 Abs 2 SGB II und § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II und der Abgrenzung
des Zusicherungsverfahrens von dem Streit über die Höhe der von
dem Grundsicherungsträger zu tragenden Kosten der Unterkunft
und Heizung nach den Regelungen des § 22 Abs 1 Sätze 1 und 3
SGB II.
19
Da das Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer Zusicherung nach § 22
Abs 2 SGB II an sich für die Höhe eines Anspruchs auf Übernahme
der Kosten für die Unterkunft nicht konstitutiv ist
(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 27; BSG Urteil vom
30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22
Nr 40, RdNr 17)
, ist deren Sinn und Zweck darin zu sehen, bei einem Umzug
während des SGB II-Leistungsbezugs die
leistungseinschränkenden Konsequenzen des § 22 Abs 1 Satz 2
SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706)zu
meiden. Hiernach werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der
bisher zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich die
angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach
einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen. Bei einem Streit über die
Erforderlichkeit eines Umzugs kann der Leistungsberechtigte mit der
Einholung einer Zusicherung im Vorfeld eines Umzugs das Risiko
einer Begrenzung der Kostentragung auf die Unterkunftskosten der
bisherigen Wohnung vermeiden. Insofern berücksichtigt das
Zusicherungsverfahren auch, dass sich die Angemessenheit einer
während des Leistungsbezugs nach dem SGB II neu angemieteten
Wohnung - wegen der Begrenzungsregelung des § 22 Abs 1 Satz 2
SGB II - teilweise nach engeren Kriterien als die Angemessenheit
einer bereits bewohnten Unterkunft beurteilt. Dem
Leistungsberechtigen soll eine Planungssicherheit verschafft und
eine Notlage bei nur teilweiser Anerkennung der Aufwendungen für
eine neue Unterkunft als Bedarf vermieden werden
(Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 102, Stand IX/09;
Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 103, Stand
6/2011).
20
Bei einer Uneinigkeit zwischen SGB II-Träger und
Leistungsberechtigtem - über die angemessenen Aufwendungen für
eine aktuell bereits bewohnte Unterkunft - sollen dagegen keine
isolierten gerichtlichen Vorabklärungen der Angemessenheit der
Unterkunftskosten in einem gesonderten Zusicherungsverfahren
erfolgen und erst danach Aktivitäten des Hilfebedürftigen um eine
preisgünstigere Unterkunft einsetzen. Hält der Empfänger von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über
die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit
hierüber - ggf im einstweiligen Rechtsschutz - unmittelbar bei der
Frage auszutragen, welche tatsächlichen Aufwendungen der
Unterkunft im Sinne von § 22 Abs 1 SGB II als angemessen bzw -
trotz Unangemessenheit - nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II weiterhin
zu übernehmen sind
(BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 =
SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40)
. Dies betrifft - wie hier - auch Fallgestaltungen von Mieterhöhungen.
21
c) Im Rahmen dieses Verfahrens ist - bei ggf unangemessen hohen
Unterkunftskosten - auch zu prüfen, ob den Leistungsberechtigen
eine Kostensenkungsobliegenheit trifft. Zwar ist die für die subjektive
Möglichkeit einer Absenkung der Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung erforderliche Kenntnis des Hilfebedürftigen von
notwendigen Kostensenkungsmaßnahmen regelmäßig
anzunehmen, wenn der Grundsicherungsträger in einem
entsprechenden Schreiben den von ihm als angemessen
angesehenen Mietpreis angeben hat
(BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 78/09 R - BSGE 106, 155 = SozR
4-4200 § 22 Nr 36, RdNr 15; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS
19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 16; BSG
Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-
4200 § 22 Nr 19, RdNr 40 aaO).
Wegen der ggf weitreichenden Folgen bis zum Verlust der bisher
innegehabten Wohnung als Lebensmittelpunkt müssen aber auch
irreführende Angaben bzw ein ggf widersprüchliches Verhalten des
Grundsicherungsträgers berücksichtigt werden
(vgl zur weiteren Bewilligung der tatsächlichen Unterkunftskosten
trotz Kostensenkung BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R -
SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 28; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4
AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 41;
BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 =
SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 15)
. Ein solches widersprüchliches Verhalten des
Grundsicherungsträgers kann die Kenntnis der
Leistungsberechtigten von der Obliegenheit der Kostensenkung und
damit die subjektive Möglichkeit zur Kostensenkung bzw deren
Zumutbarkeit entfallen lassen. Insofern wird hier - hinsichtlich eines
Anspruchs auf weitere Übernahme der tatsächlichen
Unterkunftskosten - zu würdigen sein, dass der Beklagte die Kläger
nach Aktenlage letztmalig im Februar 2009 zur Kostensenkung
aufgefordert hatte und in der Folgezeit durchgehend die
tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne weitere
Hinweise übernommen hat.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.