Urteil des BSG vom 22.11.2011

Arbeitslosengeld II - Sonderbedarf - mehrtägige Klassenfahrt - schulrechtliche Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg - internationaler Schüleraustausch

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 22.11.2011, B 4 AS
204/10 R
Arbeitslosengeld II - Sonderbedarf - mehrtägige Klassenfahrt
- schulrechtliche Bestimmungen des Landes Baden-
Württemberg - internationaler Schüleraustausch
Leitsätze
Die Aufwendungen für einen Schüleraustausch mit einer Schule
im Ausland sind als Leistung für eine mehrtägige Klassenfahrt
vom Jobcenter zu erbringen, wenn deren Durchführung den
bundesrechtlichen Rahmen nicht überschreitet und sich im
Rahmen der landesschulrechtlichen Bestimmungen hält
(Fortführung von BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R =
BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1).
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010
und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8.
Januar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009
geändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom
1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einem
Aufenthalt in den USA im Rahmen eines Schüleraustausches mit
einer High School in Pinetop-Lakeside (Arizona) vom 1.10. bis
31.10.2009.
2
Der 1992 geborene Kläger ist Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft,
bestehend aus seinen Eltern, seiner Schwester und ihm. Die
Bedarfsgemeinschaft bezog in dem oben benannten Zeitraum
(Bescheid vom 17.9.2009 in der Fassung der Bescheide vom 14.10.
und 30.10.2009)
sowie vom 1.4. bis 30.9.2009 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II
(Bescheide vom 17.3., 21.5., 18.6., 18.8. und 16.9.2009). Der Kläger
war zum Zeitpunkt des Austausches Schüler der 12. Klasse an dem
biotechnologischen Gymnasium der H Er wurde von der Schule
wegen guter Leistungen und besonderem Engagement ausgewählt,
an dem Schüleraustausch teilzunehmen. Die Kosten - insgesamt
1650 Euro, darin enthalten 350 Euro Taschengeld - übernahmen,
nachdem der Beklagte die Gewährung als Leistung nach § 23 Abs 3
Satz 1 Nr 3 SGB II (Klassenfahrt) abgelehnt hatte
(Bescheid vom 6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.7.2009),
ehemalige Geschäftsfreunde seines Vaters. Die Schulden soll der
Kläger durch Arbeit begleichen.
3
Das SG Freiburg hat die Klage auf Übernahme der Kosten
abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.1.2010) und das LSG Baden-
Württemberg hat die Berufung des Klägers hiergegen
zurückgewiesen (Urteil vom 22.6.2010). Zur Begründung hat das LSG
im Wesentlichen ausgeführt, zum einen seien die Aufwendungen für
Taschengeld während des Austausches nicht von den Leistungen
umfasst, die nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu gewähren seien.
Nur die eigentlichen Kosten der Klassenfahrt seien zu tragen. Zum
Zweiten scheitere der Anspruch bereits daran, dass es sich bei dem
Schüleraustausch nicht um eine Klassenfahrt handele. Das baden-
württembergische Schulrecht kenne den Begriff der Klassenfahrt als
eigenständigen, rechtlich ausgefüllten Begriff nicht. Das Gericht habe
daher den in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II verwendeten Begriff der
"Klassenfahrt" unabhängig von den schulrechtlichen Vorschriften in
Baden-Württemberg selbst auszulegen. Im Ergebnis liege eine
"Klassenfahrt" nur dann vor, wenn sich die "Klasse" auch im Sinne
des die Klasse ersetzenden Kursverbandes oder der Jahrgangsstufe
auf eine mehrtägige Fahrt begebe. Bei einer freiwilligen, von dem
konkreten fachbezogenen Klassen- oder Unterrichtsverband
unabhängigen Teilnahme an einer mehrtägigen Veranstaltung liege
hingegen keine "Klassenfahrt" vor. Bedarfe durch derartige
Veranstaltungen würden nicht von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II
erfasst. Dies gelte insbesondere deswegen, weil nur ein Teil der
Schüler der Klasse des Klägers an dem Schüleraustausch
teilgenommen habe, ausgewählt nach schulischen Leistungen und
sozialem Engagement - die Mehrheit der Schüler hiervon jedoch
ausgeschlossen gewesen sei.
4
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine
Verletzung von § 23 Abs 3 SGB II. Zur Begründung hat er ausgeführt,
die restriktive Auslegung des Begriffs "Klassenfahrt" durch das LSG
werde durch systematische Überlegungen, die Gesetzesbegründung
und den Sinn und Zweck der Norm widerlegt. Die strenge
Pauschalierung des SGB II gebiete eine weite Auslegung der
Tatbestände, die eine Ausnahme hiervon normierten. Dies werde
durch die Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 31 Abs 1
Nr 3 SGB XII bestätigt. Dort werde die Klassen- mit der Schulfahrt
gleichgesetzt, was belege, dass eine Klassenfahrt nicht nur dann
gegeben sei, wenn die "Klasse auf Fahrt" sei. Die Norm diene dem
Zweck, eine Ausgrenzung schulpflichtiger hilfebedürftiger Kinder zu
vermeiden. Der Kläger wäre im Falle der Nichtteilnahme an dem
Schüleraustausch jedoch einer Ausgrenzung ausgesetzt worden. Es
komme entgegen der Auffassung es LSG nicht darauf an, dass die
Teilnahme an dem Schüleraustausch freiwillig erfolgt sei. Auch in
diesem Fall sei eine Nichtteilnahme wegen hinreichender finanzieller
Mittel ausgrenzend. Ebenso wenig sei entscheidend, dass nur eine
begrenzte Zahl von Schülern den Austausch habe machen können.
Innerhalb der Vergleichsgruppe bleibe der Ausschluss aus
finanziellen Gründen ausschließend. Nur durch die Finanzierung der
Teilnahme könne zudem Chancengleichheit gewährleistet werden.
5
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni
2010 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8.
Januar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Mai 2009 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 zu
ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom
1. Oktober bis 31. Oktober 2009 1300 Euro zu zahlen.
6
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7
Er hält die Ausführungen des LSG in der vom Kläger angefochtenen
Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
8 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.
9 Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erstattung der ihm für eine
mehrtägige Klassenfahrt in Gestalt der Teilnahme an dem
Schüleraustausch mit der High School in Pinetop-Lakeside (Arizona)
vom 1.10. bis 31.10.2009 entstandenen Kosten in Höhe von 1300
Euro gegen den Beklagten. Entgegen der Auffassung des LSG
handelt es sich bei diesem Schüleraustausch um eine mehrtägige
Klassenfahrt iS von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dies folgt aus
den landesschulrechtlichen Bestimmungen Baden-Württembergs,
mit denen die bundesrechtliche Rahmenregelung des § 23 Abs 3
Satz 1 Nr 3 SGB II auszufüllen war.
10
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch des
Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II auf Erstattung der
Kosten, die ihm durch den Schüleraustausch vom 1.10. bis
31.10.2009 entstanden sind. Der Beklagte hat mit Bescheid vom
6.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
16.7.2009 einen Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige
Klassenfahrt verneint. Mit dem 14. Senat des BSG geht der
erkennende Senat davon aus, dass es sich zum einen bei dem
Anspruch auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt gemäß §
23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II um einen Individualanspruch
desjenigen handelt, der den entsprechenden Bedarf geltend macht
(BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-
4200 § 37 Nr 2)
. Zum Zweiten kann der Anspruch isoliert gerichtlich durchgesetzt
werden
(BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9;
BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-
4200 § 37 Nr 2; so auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R -
BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1 und Erstausstattung BSG
vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200
§ 23 Nr 2; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23
Nr 4 sowie BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - zur
Veröffentlichung vorgesehen).
Dementsprechend hat der Kläger seine Klage durch Antragstellung
vor dem SG in zulässiger Weise auf die Übernahme der Kosten für
den Schüleraustausch beschränkt
(zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitstoffs auf Leistungen
für Sonderbedarfe vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R -
SozR 4-4200 § 7 Nr 15; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R -
BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2; BSG vom 13.11.2008 - B
14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1).
Zum Dritten verfolgt der Kläger in zulässiger Weise den Anspruch
auf Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt, nachdem der
Schüleraustausch bereits durchgeführt worden ist und er den hierfür
erforderlichen Geldbetrag von Geschäftsfreunden seines Vaters zur
Verfügung gestellt bekommen hat, als Kostenerstattungsanspruch
gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage weiter.
11
Der Kläger hat die Höhe des von ihm geltend gemachten Anspruchs
zudem im Revisionsverfahren zulässig auf 1300 Euro beschränkt. Er
begehrt nur noch die Übernahme der eigentlichen Kosten für den
Schüleraustausch (zusammengesetzt aus 740 Euro für die
Flugtickets, Eintritte pp von 160 Euro, Jugendherberge/Hotel 300
Euro, anteilige Kosten für Mietwagen und Kraftstoff von 100 Euro =
1300 Euro). Er macht die Übernahme des von der Schule und dem
Auswärtigen Amt veranschlagten Taschengeldes in Höhe von 350
Euro nicht mehr geltend. Insoweit ist die zurückweisende
Berufungsentscheidung mithin rechtskräftig geworden.
12
2. Der Kläger ist leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 SGB II. Er hat -
von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der
Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung des
Schüleraustausches Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
gleichwohl insbesondere nicht hilfebedürftig gewesen sein könnte,
sind nach den Feststellungen des LSG nicht ersichtlich. Eine
Prüfung nach § 23 Abs 3 Satz 3 SGB II erübrigt sich daher.
13
3. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Betrag von 1300
Euro, den er darlehensweise von den Geschäftsfreunden seines
Vaters erhalten hat, für den Schüleraustausch in der Zeit vom 1.10.
bis 31.10.2009 nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu erstatten.
Nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II
(in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954)
sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der
schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung
umfasst. Sie werden gesondert erbracht
(§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II). Der hier durchgeführte
Schüleraustausch ist eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der
schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg iS
des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.
14
a) Die bundesrechtliche Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB
II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine
mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der
Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch
die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. Zwar hat das
LSG festgestellt, dass der Begriff der "Klassenfahrt" in den
schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg
nicht ausdrücklich definiert werde. Der Senat ist hieran gebunden.
Das LSG hat insoweit nicht reversibles Landesrecht ausgelegt
(§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; zur Anwendung und Überprüfung von
Landesrecht durch das BSG siehe BSG vom 24.1.2008 - B 3 KR
17/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 7; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R
20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1; BSG vom
13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23
Nr 1; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR
4-2500 § 106 Nr 27; BSG vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - zur
Veröffentlichung vorgesehen; vgl auch Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7).
Dies führt entgegen der Auffassung des LSG jedoch nicht dazu,
dass der im Bundesrecht verwendete Begriff der "mehrtägigen
Klassenfahrt" hier ohne Heranziehung der schulrechtlichen
Vorschriften des Landes Baden-Württemberg, gleichsam
ausschließlich nach bundesrechtlichen Maßstäben zu bewerten
wäre
(vgl zur Ausfüllung des Begriffs der mehrtägigen Klassenfahrt durch
die landesrechtlichen Schulgesetze BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS
36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1)
. Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht
verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den
schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine
mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln
ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen
begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt. Der
bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht überschritten werden, das
Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde
nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür
regional übernommen werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut
des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II, findet seine Stütze jedoch auch
in der Gesetzesbegründung, dem systematischen Zusammenhang
in der Gesetzesbegründung, dem systematischen Zusammenhang
sowie dem Sinn und Zweck von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II.
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Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II sind die
dortigen Leistungen unter den Bedingungen zu übernehmen, dass
es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt im
Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt. Die
Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt und
schulrechtliche Bestimmungen gibt damit einerseits bundesrechtlich
vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch
eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur
einem Schüler und für mehr als einen Tag
(vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 1/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 9)
durchgeführt wird und einer "Fahrt", also einer Veranstaltung, die
außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der
Wortlautverbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach
schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu
bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im
Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II regional "üblich" ist.
Bieten die schulrechtlichen Bestimmungen keinerlei
Rechtsgrundlage für die Durchführung der Veranstaltung bzw die
Höhe der Aufwendungen hierfür oder überschreitet ihre
Durchführung (dem Grunde nach) den bundesrechtlichen Rahmen,
lösen die dadurch entstehenden Kosten keinen Leistungsanspruch
nach dem SGB II aus. Die Aufwendungen sind vom
Grundsicherungsträger mithin nur dann zu übernehmen, wenn die
Veranstaltung den Vorgaben entspricht, die die bundesrechtliche
Rahmenbestimmung vorgibt und für die im Landesrecht eine
Grundlage vorhanden ist.
16
Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in der
Gesetzesbegründung. Danach sind die Worte "mehrtägige
Klassenfahrt" im bundesrechtlichen Rahmen ein Synonym für eine
mehr als einen Tag dauernde schulische Veranstaltung, die näher
durch die schulrechtlichen Vorschriften bestimmt werden soll. Weder
erfolgt danach mit der Formulierung im Normtext eine Begrenzung
der Leistungen für solche Aufwendungen, die der "Klasse auf Fahrt"
entstehen
(vgl hierzu LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 25.9.2008 - L 8 AS
38/08; Bayerisches LSG vom 10.5.2007 - L 11 AS 178/06 - FEVS
59, 76)
noch darf das Landesrecht bei der konkreten Bestimmung des
Inhalts der Leistung außer Betracht gelassen werden. In der
Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr
3 SGB II im SGB XII
(§ 32 Abs 1 Nr 3 SGB XII im Entwurf - zwischen dem 1.1.2005 und
31.12.2010 § 31 Abs 1 Nr 3 SGB XII)
kommt dies deutlich zum Ausdruck, wenn dort anstelle des Begriffs
der "Klassenfahrt" der der "Schulfahrt" verwendet wird
(vgl BT-Drucks 15/1514 S 60).
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Aus der systematischen Stellung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II
folgt zudem zwingend, dass der bundesrechtliche Rahmen nur
durch die jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften ausgefüllt werden
kann. Die Leistung ist regional determiniert. Die Berechnung der
pauschalierten Regelleistung der §§ 19, 20 SGB II beinhaltet keine
Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt
(vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 32 SGB XII-Entwurf). § 23 Abs 3
Satz 1 2. Halbsatz SGB II stellt dies nochmals ausdrücklich klar. Aus
diesem Grund sind Leistungen hierfür vom SGB II-Leistungsträger
gesondert zu erbringen. Die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt
sind jedoch anders als solche für Erstausstattungen nach § 23 Abs
3 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II in tatsächlich entstandener Höhe zu
übernehmen. In der Begründung zu § 32 SGB XII-Entwurfsfassung
wird dies damit gerechtfertigt, dass "Schulfahrten" ein wichtiger
Bestandteil der Erziehung "durch die Schulen" seien
(BT-Drucks 15/1514 S 60). Damit wird der unterschiedlichen
rechtlichen Umsetzung der schulpolitischen Vorstellungen in den
einzelnen Bundesländern Rechnung getragen, die insbesondere
durch die verfassungsrechtlich ausschließliche Zuständigkeit der
Länder für die Schulgesetzgebung
(BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvL 8/84, 1 BvL 16/84 - BVerfGE 75, 40)
bedingt sind. Daraus ergibt sich, wie das BVerfG erkannt hat, eine
weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit der Länder bei der
Festlegung der Schulorganisation, aber auch der
Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände
(BVerfG vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 - BVerfGE 53, 185, 195 f =
Juris RdNr 33).
In der Folge hiervon sind die schulischen Bedarfe dem Grunde und
der Höhe nach durch die regionalen Verhältnisse bestimmt. Dem
trägt § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II durch die Bezugnahme auf die
schulrechtlichen Vorschriften Rechnung.
18
Nur durch die Zugrundelegung der schulrechtlichen Regelungen als
Maßstab für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige
Klassenfahrt kann folglich auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs
3 Satz 1 Nr 3 SGB II Rechnung getragen werden. Durch die
Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an einer
"Klassenfahrt" sollen nach der Gesetzesbegründung zum heutigen,
insoweit mit dem hier anzuwendenden gleichlautenden Recht
(§ 28 Abs 2 SGB II, BGBl I 2011, 850), negative Auswirkungen auf
die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Phase des
Schulbesuchs durch das Fernbleiben von schulischen
Gemeinschaftsveranstaltungen vermieden werden
(BT-Drucks 17/3404 S 104). Ihre Teilhabe soll auch insoweit
gewährleistet sein. Welche schulischen Veranstaltungen es sind,
deren Besuch zu gewährleisten ist, um die beschriebenen negativen
Auswirkungen zu vermeiden, bestimmt sich jedoch nach dem
jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen
Bestimmungen geprägte Realität des Schulalltags rechtfertigt daher
die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch staatliche
Transferleistungen, also derjenigen, die nach den jeweiligen
pädagogischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern
"üblich" sind.
19
b) Bedenken, dass der hier durchgeführte Schüleraustausch den
eingangs aufgezeigten bundesrechtlichen Rahmen überschritten
haben könnte, bestehen nicht. Der Schüleraustausch hier ist eine
mehrtägige - nach den Feststellungen des LSG - von der Schule
organisierte und durchgeführte Veranstaltung, an der mehrere
Schüler teilgenommen haben. Unter Berücksichtigung des
Teilhabeziels der Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II stellt
ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch,
selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus
finanziellen Gründen dar. Die Ausgrenzung erfolgt innerhalb der
Gruppe der zur Teilnahme ausgewählten Schüler und soll von ihren
Wirkungen her ebenso vermieden werden, wie bei der Betroffenheit
der Gesamtheit der Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe.
Soweit das LSG auf die Entscheidungen des Hessischen VGH
(VGH Hessen vom 22.3.2004 - 10 TG 743/04 - FEVS 56, 33) und
des BVerwG
(BVerwG vom 28.3.1996 - 5 C 32/95 - BVerwGE 101, 37) zu
einmaligen Leistungen für schulische Bedarfe nach dem BSHG
(Schüleraustausch und Aufwendungen im Rahmen einer freiwilligen
Arbeitsgemeinschaft) zurückgreift, sind diese mit der heutigen
Rechtslage nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Das BSHG
kannte keine spezielle Leistung für "mehrtägige Klassenfahrten".
Rechtsgrundlage war vielmehr § 21 BSHG. Nach § 21 Abs 1a Nr 3
BSHG waren einmalige Leistungen ua für die Beschaffung von
besonderen Lernmitteln für Schüler zu gewähren. Der Anspruch war
danach - selbst unter Beachtung der vom BVerwG bereits
bedachten "Ausgrenzungsproblematik"
(s BVerwG vom 9.2.1995 - 5 C 2/93 - BVerwGE 97, 376) - eng mit
Bedarfen aufgrund des Unterrichts verknüpft und nicht zur Deckung
von Aufwendungen durch außerunterrichtliche Veranstaltungen
geeignet.
20
Auch die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den
Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des
bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre. Wie der 14. Senat
des BSG bereits entschieden hat, hat der Träger der
Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer
mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen
Höchstbetrag zu übernehmen, wenn die Veranstaltung im Rahmen
der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht
selbst keine Kostenobergrenze vorsieht
(BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-
4200 § 23 Nr 1)
. Der erkennende Senat folgt dem. Hierbei ist zum einen zu
berücksichtigen, dass das Gesetz selbst keine bundesrechtliche
Begrenzung der zu übernehmenden Aufwendungen vornimmt,
weder durch eine Umschreibung etwa mit dem Begriff der
"Angemessenheit", noch, wie zuvor bereits dargelegt, einer
Pauschalierung. Zum Zweiten ist die Übernahme der tatsächlichen
Kosten - soweit rechtlich zulässig durch die Schule veranlasst - die
materielle Seite des "Teilhabegedankens". In der
Gesetzesbegründung zu § 28 SGB II idF der Neubekanntmachung
vom 13.5.2011 (BGBl I 850),in den der bisherige § 23 Abs 3 Satz 1
Nr 3 SGB II wörtlich übernommen worden ist, wird insoweit betont,
dass die Regelung dazu diene, die reale und gleichberechtigte
Teilnahme durch Übernahme der Kosten in tatsächlicher Höhe zu
gewährleisten (BT-Drucks 17/3404 S 104). Dies wird durch § 28 Abs
2 Satz 1 Nr 2 SGB II iVm § 19 Abs 3 Satz 3 sowie § 19 Abs 2 Satz 2
SGB II iVm § 6b BKGG nochmals bestärkt. Leistungen für eine
mehrtägige Klassenfahrt sind nach der Neufassung des SGB II
(Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850)auch denjenigen
zu erbringen, deren Bedarf ausschließlich ein solcher für Teilhabe
und Bildung ist bzw denjenigen, die Kinderzuschlag oder Wohngeld
beziehen, die also keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II
haben.
21
c) Damit ist zu entscheiden, ob die Veranstaltung im
schulrechtlichen Rahmen des Landes Baden-Württemberg einer
mehrtägigen Klassenfahrt entspricht. Das ist hier der Fall. Bei dem
danach heranzuziehenden Landesschulrecht handelt es sich, wenn
die Vorinstanz über dessen Bestehen und Inhalt befunden hat, zwar
um irrevisibles Recht, dessen Auslegung das BSG grundsätzlich
bindet
(s nur BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 110 = SozR
4-2500 § 106 Nr 27; vgl auch BSG vom 1
3.10.1992 - 4 RA 24/91-BSGE 71, 163
= SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R -
BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1).
Von diesem Grundsatz ist in der Rechtsprechung des BSG jedoch
dann eine Ausnahme anerkannt, wenn das LSG
entscheidungserhebliche landesrechtliche Vorschriften
unberücksichtigt gelassen hat
(s nur BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 =
SozR 4-3250 § 33 Nr 1).
So liegt der Fall hier. Mit der Feststellung des LSG, dass das baden-
württembergische Schulrecht keine Definition des Begriffs der
"mehrtägigen Klassenfahrt" enthalte, hat es zugleich die Anwendung
der landesrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen und
ausschließlich Bundesrecht angewendet. Der Senat ist mithin nicht
gehindert, unter Auslegung der landesschulrechtlichen
Bestimmungen festzustellen, dass der durchgeführte
Schüleraustausch danach einer mehrtägigen Klassenfahrt
gleichgestellt wird. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der
schulrechtlichen Normen zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen
und den dazu ergangenen schulrechtlichen
Kompetenzzuweisungen sowie dem ausdrücklich formulierten Ziel
der schulrechtlichen Regelungen.
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Systematisch differenziert das baden-württembergische Schulrecht,
soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch
sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen
Veranstaltungen. Auf Grundlage des die Rechte und Pflichten der
Schulkonferenz regelnden § 47 Abs 5 Schulgesetz für Baden-
Württemberg (SchulG) ergibt sich, dass die dort beispielhaft
genannten Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte beide
außerunterrichtliche Veranstaltungen sind. Die Bestimmung der
Grundsätze über die Durchführungen dieser außerunterrichtlichen
Veranstaltungen sowie ihre Genehmigung obliegen nach § 47 Abs 5
Nr 5 SchulG sowie § 45 Abs 2 SchulG iVm § 2 Abs 1 Nr 11 KonfO
BW 1993 (GBl 1984, 423; 1993, 515) jedoch der Gesamtlehrer- und
Schulkonferenz sowie dem Schulleiter. Das heißt, das baden-
württembergische Schulrecht delegiert in dem gesetzlich gesteckten
Rahmen die Frage, ob und welche außerunterrichtlichen
Veranstaltungen durchgeführt werden, an die einzelne Schule.
Maßstab für die vom LSG diskutierte Ausgrenzungsproblematik ist
mithin die Entscheidung der einzelnen Schule insoweit. Nach den
Feststellungen des LSG muss davon ausgegangen werden, dass
die Schule des Klägers hier den Schüleraustausch als ihrem
pädagogischen Konzept entsprechend beschlossen hat.
23
Diese Entscheidung der Schule hält sich auch im Rahmen der
schulrechtlichen Regelungen des Landes Baden-Württemberg. Der
baden-württembergische Landesgesetzgeber unterscheidet vom
pädagogischen Konzept her nicht zwischen
"Landschulheimaufenthalt" und "Schüleraustausch". So werden
Lehr- und Studienfahrten sowie Schullandheimaufenthalte, aber
auch der Schüleraustausch beispielhaft als außerunterrichtliche
Veranstaltungen gewertet, die einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung
der gesamten Persönlichkeit des Schülers darstellten
(Mitteilung des Rechnungshofs vom 24.6.2009im
Landtag von Baden-Württemberg, Drucks 14/4710 S 1, 3). Nach der
Verwaltungsvorschrift "Außerunterrichtliche Veranstaltungen der
Schulen" vom 6.10.2002 sollen sie gleichermaßen geeignet sein zur
Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts und zur
Entfaltung und Stärkung der Gesamtpersönlichkeit des einzelnen
Schülers. Die Ziffern I.1. bis 9. der Verwaltungsvorschrift stellen unter
4. Lehr- und Studienfahrten sowie Veranstaltungen im Rahmen der
politischen Bildung, 5. Schullandheimaufenthalte und 8.
Schüleraustausch beispielhaft nebeneinander.
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Auch die hier erforderlich gewordenen Aufwendungen für den
Schüleraustausch überschreiten den landesschulrechtlichen
Rahmen nicht. Insoweit finden sich keine konkreten Vorgaben in
den baden-württembergischen Regelungen. In der bereits
benannten Verwaltungsvorschrift heißt es unter Ziffer II. 6. lediglich:
"Die für Schüler entstehenden Kosten sind so niedrig wie möglich zu
halten, müssen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen der
Veranstaltung stehen und dürfen die Eltern nicht in unzumutbarem
Maße belasten." Auch hier gilt, dass die Verantwortung und
Entscheidungshoheit insoweit auf die einzelne Schule delegiert ist,
die durch ihre Gremien im konkreten Fall beschlossen hat, dass der
betreffende Austausch zu dem benannten Betrag durchgeführt
werden sollte. Hinweise darauf, dass der Betrag von 1300 Euro für
eine immerhin vierwöchige Reise in die USA diesen Vorgaben
widersprechen könnte, finden sich nach den Feststellungen des
LSG nicht. Der zu zahlende Betrag ist nach der allgemeinen
Lebenserfahrung auch eher niedrig, denn zu hoch.
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4. Ein Anspruch des Klägers nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II
scheidet nicht schon deswegen aus, weil er sich nach
Antragstellung mit Hilfe von ehemaligen Geschäftsfreunden seines
Vaters den zur Teilnahme an dem Schüleraustausch erforderlichen
Geldbetrag selbst beschafft hat. Die Zahlung der Geschäftsfreunde
des Vaters sollten nach den Feststellungen des LSG die fehlende
Unterstützung durch den Beklagten lediglich substituieren, sodass
sie dem Kläger dann wegen einer Rechtswidrigkeit der
Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden können
(vgl für die Sozialhilfe BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -
SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11; BVerwGE 90, 154).
Der Kläger ist zudem nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG verpflichtet, den zur Verfügung gestellten
Betrag abzuarbeiten. Wegen dieser Verpflichtung zum Abarbeiten -
in der Art eines Darlehensvertrags
(vgl zum Darlehensvertrag BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R -
BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30) -
war der zur Verfügung gestellte Geldbetrag nach den Feststellungen
des LSG auch nicht zum Verbleib beim Kläger gedacht. Jedenfalls
dann, wenn eine Entscheidung des Trägers der Grundsicherung die
Übernahme der begehrten Aufwendungen rechtswidrig abgelehnt
hatte und der Leistungsberechtigte sich den erforderlichen
Geldbetrag zur Finanzierung der Teilnahme an dem Austausch
selbst beschafft hat, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in
Betracht. Insoweit folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung
des 14. Senats zu der im Sozialversicherungsrecht geltenden Pflicht
zur Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht
verweigerter Sachleistung, als allgemein gültigem Rechtsprinzip
(vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 =
SozR 4-4200 § 22 Nr 41; BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R -
BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8 = juris RdNr 36)
. An die Stelle der ursprünglich begehrten Übernahme der
Aufwendungen für die Teilnahme an dem Schüleraustausch treten
dann die Schulden, die gegenüber den Dritten eingegangen worden
sind (s auch BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R).
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5. Die Kosten sind dem Kläger nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II
von dem Beklagten auch in der nunmehr im Revisionsverfahren auf
die reinen Teilnahmekosten von 1300 Euro beschränkten Höhe zu
erstatten. Mit dem 14. Senat geht der erkennende Senat davon aus,
dass der Bedarf für eine "mehrtägige Klassenfahrt" nicht bereits
deswegen zu verneinen ist, weil der Kläger auch ohne diese
Leistung teilgenommen hat
(vgl BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR
4-4200 § 37 Nr 2)
. Dahinstehen konnte, ob der Kläger verpflichtet war, für eine
Bedarfsdeckung durch Dritte, also etwa einen Förderverein zu
sorgen, denn ein solcher existiert nach den bindenden
Feststellungen des LSG an der Schule des Klägers nicht
(vgl hierzu auch BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE
102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1).
Auch die vorläufige Bedarfsdeckung aufgrund der Finanzierung des
Schüleraustausches durch ehemalige Geschäftsfreunde des Vaters
des Klägers steht dem Leistungsanspruch, wie bereits oben
dargelegt, nicht entgegen.
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6. Der Beklagte hat dem Kläger nach § 193 SGG die
außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Der Kläger
hatte zwar bis zum Revisionsverfahren einen Betrag von 1650 Euro
eingeklagt. Nach der Entscheidung des LSG, das die
Aufwendungen für das Taschengeld in Höhe von 350 Euro als nicht
erstattungsfähig gewertet hat, hat der Kläger sein Begehren auf den
ihm nunmehr zugesprochenen Betrag von 1300 Euro beschränkt.
Dies kann ihm kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen.