Urteil des BSG vom 03.05.2018

Urteil vom 03.05.2018

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.5.2018, B 3 KR 10/17 R
ECLI:DE:BSG:2018:030518UB3KR1017R0
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 3.5.2018 - B 3
KR 9/16 R.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2017
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung eines Festbetrags für
Arzneimittel durch den beklagten Spitzenverband Bund der
Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) ab 1.4.2014.
2 Die Klägerin betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen und bringt
in verschiedenen Packungsgrößen und Stärken levothyroxinhaltige
zu der Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" gehörende, zur
Behandlung von Schilddrüsenleiden zugelassene Fertigarzneimittel
in den Verkehr. Der Beklagte hatte den Festbetrag für diese Gruppe
zuletzt zum 1.4.2012 angepasst und beabsichtigte auf der Basis des
zum Berechnungsstichtag 1.10.2013 vorliegenden Preis- und
Produktstandes sowie der Verordnungsdaten gemäß § 84 Abs 5
SGB V den Festbetrag auf 3,35 Euro für die angenommene
Standardpackung abzusenken. Bei Zugrundelegung dieses
Betrages seien 23,53 % der Packungen und 22,08 %
(Schreibfehler im Urteil des LSG "22,06 %") der Verordnungen zum
Festbetrag verfügbar.
3
Im hierzu durchgeführten Stellungnahmeverfahren wies die Klägerin
auf aktuelle Lieferschwierigkeiten einiger Hersteller und ein
zunehmendes Risiko für die Versorgungssicherheit hin sowie
darauf, dass Levothyroxin als stoffwechselaktives Hormon sehr
exakt dosiert werden müsse und nicht unkontrolliert ausgetauscht
werden könne.
4 Am 3.2.2014 beschloss der Beklagte - wie vorgesehen - die
Festbetragsanpassung ab 1.4.2014 und veröffentlichte dies im
Bundesanzeiger (BAnz AT 10.2.2014 B4).
5 Dagegen hat die Klägerin Klage beim LSG Berlin-Brandenburg
erhoben: Die Festbetragsabsenkung verstoße gegen § 35 SGB V
und bedeute für sie einen Jahresverlust in Höhe von 2 403 604,49
Euro. Der neu festgesetzte Festbetrag gefährde die
Versorgungssicherheit, weil nicht alle Wirkstärken berücksichtigt
worden seien, obwohl wegen der geringen therapeutischen Breite
des Wirkstoffs ein Ausweichen auf andere Wirkstärken für einen
großen Teil der Patienten nicht möglich sei. Der Beklagte habe die
Festbetragsfestsetzung nicht lediglich auf die Verordnungszahlen
des Jahres 2012 stützen dürfen, weil es danach vermehrt zu
Lieferengpässen gekommen sei, die einem Versorgungsengpass
gleich kämen. Entsprechende Hinweise der Klägerin habe der
Beklagte nicht in die Entscheidung einbezogen.
6
Das LSG hat die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei klagebefugt,
obwohl der Zweck des § 35 SGB V nicht auf den Schutz der
Interessen der pharmazeutischen Industrie gerichtet sei, denn eine
Verletzung eigener Rechte (iS von Art 12 iVm Art 3 GG) sei nicht
ausgeschlossen. Die Klage sei aber unbegründet. Der Beklagte
habe die zur Anpassung des Festbetrags erforderlichen Daten zum
Berechnungsstichtag 1.10.2013 korrekt ermittelt. Die darauf
basierende Einschätzung einer veränderten Marktlage sowie die
Prognose einer weiterhin gewährleisteten Versorgungssicherheit
seien nicht zu beanstanden. Eine Beeinträchtigung der
Verfügbarkeit eines bestimmten Fertigarzneimittels sei nicht
zwangsläufig mit einem Versorgungsengpass gleichzusetzen. Denn
ein Arzneimittelwechsel sei - trotz der Aufnahme von Levothyroxin in
die Substitutionsausschlussliste (§ 129 Abs 1a SGB V) - unter
ärztlicher Kontrolle möglich. Die tatsächliche Entwicklung habe die
Prognose des Beklagten bestätigt: 2014 seien 69,08 % der
Packungen und 33,74 % der Verordnungen und 2015 67,01 % der
Packungen und 38,87 % der Verordnungen zum Festbetrag
verfügbar gewesen. Arzneimittel mit Wirkstärken, die seit der
Festbetragsanpassung nicht mehr zum Festbetrag erhältlich seien,
biete die Klägerin selbst nicht an; daher könne sich eine Verletzung
ihrer Rechte nicht ergeben. Schließlich sei die Klägerin auch nicht in
ihren Beteiligungsrechten verletzt (Urteil vom 24.2.2017).
7
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die
Vorgaben aus § 35 Abs 3 und Abs 5 SGB V. Das
Festbetragsanpassungsverfahren sei schon willkürlich eingeleitet
worden. Entscheidend für die dafür erforderliche veränderte
Marktlage sei die Preisdynamik. Seit der letzten
Festbetragsanpassung seien Preissenkungen lediglich von vier von
15 Herstellern und nur für 23 von 196 verfügbaren Handelsformen
erfolgt. Der Beklagte habe demgegenüber eine Marktdynamik
ausschließlich auf die Zunahme der Umsätze und
Verordnungszahlen gestützt. Zudem habe der Beklagte ihre (der
Klägerin) Hinweise auf die Lieferengpässe nicht in die Entscheidung
einbezogen, wodurch nicht nur die Versorgungssicherheit gefährdet,
sondern auch ihr Anhörungsrecht verletzt worden sei. Die
Festbetragsabsenkung stütze sich wesentlich auf Arzneimittel, die
nur eingeschränkt verfügbar gewesen seien. Insoweit habe der
Beklagte zumindest den Sachverhalt vollständig aufklären müssen,
was in den Akten nicht dokumentiert sei. Schließlich bewirke die
Festbetragsabsenkung, dass drei Wirkstärken nicht weiter zum
Festbetrag erhältlich seien. Die Versorgungsbedürfnisse der
Patienten verlangten aber eine enge Spreizung der Wirkstärken.
Dies müsse bei der Festsetzung der Festbeträge berücksichtigt
werden, schon weil der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die
Festbetragsgruppen lediglich wirkstoffbezogen bilde.
8 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24.
Februar 2017 sowie den Beschluss des Beklagten vom 3. Februar
2014 zur Festbetragsanpassung der Festbetragsgruppe
"Levothyroxin-Natrium" aufzuheben.
9 Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
10
Er bezieht sich auf die Begründung im angegriffenen Urteil und führt
ergänzend aus, bei Einleitung des Verfahrens hätten lediglich
vereinzelte Hinweise auf Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln mit
dem Wirkstoff Levothyroxin-Natrium bestanden. Weder die von der
Klägerin angegebenen Quellen noch seine (des Beklagten) weiteren
Recherchen hätten konkrete Anhaltspunkte für längerfristige
Lieferschwierigkeiten bezüglich der Fertigarzneimittel ergeben, die
20 % der Verordnungen und der Packungen ausmachten, die zum
Festbetrag verfügbar sein müssten. Die in den Quellen der Klägerin
genannten Engpässe hätten nicht den gesamten Wirkstoff, sondern
nur einzelne Wirkstärken und ein zeitlich absehbares Ende
betroffen. Das Gesetz stelle nicht auf die Verfügbarkeit aller
Wirkstärkenausprägungen eines Arzneimittels oder Wirkstoffs ab,
sondern als Untergrenze auf 20 % der Verordnungen und der
Packungen. Andernfalls würde die gesetzliche Intention, Anreize für
Preissenkungen zu setzen, nicht wirksam umgesetzt. Anlass zur
Verfahrenseinleitung sei eine veränderte Marktlage gewesen, die
sich aus einer erhöhten Anzahl von Arzneimitteln sowie eines
weiteren pharmazeutischen Unternehmens seit Inkrafttreten der
letzten Festbetragsanpassung ergeben habe. Zudem sei es zu
Umsatz- und Verordnungssteigerungen und damit weiteren
Zuwächsen gekommen, die auf Wirtschaftlichkeitsreserven
hinwiesen. Er (der Beklagte) habe sich mit der Stellungnahme der
Klägerin hinreichend auseinandergesetzt, ihre Argumente
aufbereitet und sei in der Beratungsunterlage ausdrücklich auch auf
die genannten Lieferengpässe eingegangen.
Entscheidungsgründe
11
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet
(§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
12
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen
Anspruch auf Aufhebung des Festbetrags-Beschlusses des
Beklagten zur Festbetragsgruppe"Levothyroxin-Natrium" vom
3.2.2014 hat. Denn die Klägerin wird durch diese
Festbetragsfestsetzung des Beklagten nicht in eigenen Rechten
verletzt.
13
1. Einer notwendigen Beiladung des GBA nach § 75 Abs 2 Fall 1
SGG bedurfte es nicht, denn es gibt schon keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Festbetragsfestsetzung in Bezug auf die vom GBA
durchzuführende erste Stufe des Verfahrens rechtswidrig sein
könnte.
14
Die Festbetragsfestsetzung folgt der Normstruktur von § 35 SGB V
(hier und im Folgenden - soweit nicht anders gekennzeichnet - idF
des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der
gesetzlichen Krankenversicherung
setz - GKV-VStG> vom 22.12.2011, gültig bis 31.12.2016, BGBl I
2983)
entsprechend einem zweistufigen Verfahren. Während der GBA in
den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V
bestimmt, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge
festgesetzt werden und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde
zu legen sind (vgl § 35 Abs 1 und 2 SGB V - "erste Stufe"), setzt der
beklagte GKV-Spitzenverband die Festbeträge auf dieser Grundlage
in einer zweiten Stufe des Verfahrens im Wege einer
Allgemeinverfügung fest
(vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 S 1 SGB V).
15
Zwar sind gesonderte Klagen gegen einzelne Bestandteile der
Festsetzung der Festbeträge nach § 35 Abs 7 S 4 SGB V
unzulässig. Die Klägerin hat daher zu Recht die
Festbetragsfestsetzung insgesamt gerichtlich angegriffen. Sie erhebt
jedoch keine Einwände gegen die auf der ersten Stufe liegende
Festbetrags-Gruppenbildung durch den GBA nach § 35 Abs 1 S 1
bis 3 SGB V oder gegen die Ermittlung der rechnerischen mittleren
Tages- oder Einzeldosen oder der anderen geeigneten
Vergleichsgrößen nach § 35 Abs 1 S 5 SGB V, sondern wendet sich
lediglich gegen die Festsetzung des Festbetrags durch den
beklagten GKV-Spitzenverband nach § 35 Abs 3, Abs 5 und Abs 6
SGB V.
16
2. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden
Sachurteilsvoraussetzungen der Klage sind gegeben.
17
a) Die auf die Aufhebung von Festbetragsfestsetzungen gerichtete
Klage ist eine ohne Vorverfahren statthafte Anfechtungsklage
(§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 S 3 SGB V). Nach § 29
Abs 4 Nr 3 SGG entscheidet hierüber im ersten Rechtszug das LSG
Berlin-Brandenburg. Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich
Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung nach § 31 S 2
SGB X
(vgl BVerfGE 106, 275, 298 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 17; BSGE
94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8; BSGE 107, 261 = SozR 4-
2500 § 35 Nr 5, RdNr 11)
. Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch der
Klägerin auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung bzw -
anpassung vom 8.10.2012
(BAnz AT 17.10.2012 B2, mWv 1.12.2012).Die Klage ist fristgemäß
innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der
Allgemeinverfügung erhoben worden (vgl § 87 Abs 1 S 1 SGG).
18
b) Die Klägerin ist auch klagebefugt, dies allerdings nur insoweit, als
sie Arzneimittel mit Wirkstoffen auf den Markt bringt, die zu der
Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" gehören. Die
Klagebefugnis setzt nach § 54 Abs 1 S 2 SGG voraus, dass die
Klägerin behauptet, durch den angefochtenen Verwaltungsakt
beschwert zu sein. Das ist vorliegend der Fall, obwohl die Klägerin
nicht Adressatin der in der Form der Allgemeinverfügung
ergangenen Festbetragsfestsetzung war
(vgl dazu BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13; BSGE
107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13; BVerfGE 106, 275, 299
= SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18).
Festbeträge begrenzen nämlich den Sachleistungsanspruch der
Versicherten und sind daher in erster Linie an diese sowie daneben
an Vertragsärzte adressiert, deren Therapiefreiheit eingeengt wird
und die durch entsprechende Verordnungs- und Hinweispflichten
belastet werden. Pharmazeutische Unternehmer sind
demgegenüber nicht Adressaten einer Festbetragsfestsetzung,
denn Festbeträge legen die Preise für Arzneimittel nicht fest. Die
Auswirkungen von Festbeträgen auf die Berufsausübung
pharmazeutischer Unternehmer sind ein bloßer Reflex, ohne
berufsregelnde Tendenz
(stRspr; vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18;
BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13 f; BSGE 114,
217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13).
Mit den Festbeträgen sollen wettbewerbliche Elemente in einen
Markt eingeführt werden, auf dem diese Elemente fehlen, weil die
krankenversicherten Patienten zwar als Nachfrager von
Arzneimitteln auftreten, aber mit den unmittelbaren Kosten dafür
nicht belastet werden. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung
nicht belastet werden. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung
bereits auf seine Zweifel hingewiesen, ob Arzneimittelherstellern bei
nicht patentgeschützten Arzneimitteln eine Klagebefugnis gegen
eine gesetzeswidrige Festbetragsfestsetzung zusteht, wenn nur ihre
wirtschaftlichen Interessen betroffen sind
(vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15). Hätte der
Gesetzgeber den Arzneimittelherstellern insoweit eine umfassende
Klagebefugnis einräumen wollen, wäre vor dem Hintergrund der
diesbezüglich umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung
(vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSG <3. Senat> E
93, 296 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2, RdNr 15; BSG <1. Senat> E 107,
261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 14; BSG <1. Senat> E 114, 217
= SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13)
eine gesetzliche Klarstellung zu erwarten gewesen.
19
aa) Allerdings hat der Senat die Vorschrift zur
Festbetragsfestsetzung in § 35 SGB V zur Gewährleistung eines
effektiven Grundrechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG)
verfassungskonform dahin ausgelegt, dass Arzneimittelhersteller
jedenfalls dann zur Anrufung der Gerichte befugt sind, wenn geltend
gemacht wird, dass die Festbetragsgruppenbildung oder
Festbetragsfestsetzung sie in ihren spezifischen Grundrechten
verletze (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15). Art 12
Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG schützen Unternehmer im Rahmen ihres
Rechts auf Teilhabe am Wettbewerb zwar nicht vor der Veränderung
von Wettbewerbsbedingungen
(BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18) oder vor der
Zulassung von Konkurrenten, wohl aber vor sachlich nicht
gerechtfertigter staatlicher Begünstigung von Konkurrenten
(BVerfGE 82, 209, 223). Im Hinblick auf ein Recht auf fairen
Wettbewerb können staatliche Maßnahmen, die auf eine
Veränderung des Verhaltens von Unternehmern im Wettbewerb
zielen oder den Wettbewerb der Unternehmer untereinander
verfälschen, im Einzelfall die Berufsfreiheit beeinträchtigen
(BVerfGE 86, 28, 37; BSGE 87, 95, 97 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 S 3;
BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 23 ;
vgl auch BSG <1. Senat> E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5,
RdNr 17).
20
bb) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den pharmazeutischen
Unternehmern auf einfachgesetzlicher Ebene ein Beteiligungsrecht
im Sinne eines Rechts zur Stellungnahme eingeräumt, die in die
Entscheidung einzubeziehen ist
(§ 35 Abs 2 SGB V sowie § 35 Abs 3 S 3 iVm Abs 2 SGB V). Im
Übrigen aber ist der Entscheidung des BVerfG zur
Verfassungsmäßigkeit von § 35 SGB V vom 17.12.2002
(BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2), die zur
Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel ergangen ist, kein Hinweis
auf einen drittschützenden Gehalt dieser Norm zugunsten von
Arzneimittelherstellern zu entnehmen
(vgl auch BSG <1. Senat> E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5,
RdNr 14)
.
21
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klagebefugnis
pharmazeutischer Unternehmer auf die von der
Festbetragsfestsetzung betroffenen, von ihnen auf den Markt
gebrachten Medikamente begrenzt. Nach den unangegriffenen
Feststellungen des LSG bringt die Klägerin keine Medikamente mit
Wirkstärken auf den Markt, die seit der Herabsetzung nicht mehr
zum Festbetrag erhältlich sind. Insoweit kommt eine Verletzung der
Klägerin in eigenen Rechten von vornherein nicht in Betracht. Die
von der Klägerin vorgetragene Argumentation, die
Versorgungsbedürfnisse der Patienten erforderten eine enge
Spreizung der Wirkstärken, weshalb für eine hinreichende
Patientenversorgung das gesamte Sortiment an Wirkstärken zum
Festbetrag verfügbar sein müsse, betrifft ausschließlich die Rechte
der Versicherten und der Vertragsärzte. Nur diese können ggf eine
gerichtliche Klärung geltend machen, bezüglich deren der 1. Senat
(vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 26 f) bereits
entschieden hat, dass bei der Festbetragsfestsetzung eine
hinreichende Versorgung lediglich "im Allgemeinen"
(§ 35 Abs 5 S 1 SGB V) und eine hinreichende Arzneimittelauswahl
nur "soweit wie möglich" (§ 35 Abs 5 S 2 Halbs 2 SGB V) zu
gewährleisten ist.
22
Unabhängig davon ist die Klägerin indessen klagebefugt. Die
Argumentation, bestimmte Wirkstärken seien nicht mehr zum
Festbetrag verfügbar, führt nicht dazu, dass die Klage vom LSG
insoweit als teilweise unzulässig zu verwerfen gewesen wäre. Denn
es handelt sich hierbei nicht um einen abgrenzbaren
Streitgegenstand, sondern lediglich um einen Teil der
Klagebegründung, dem mangels entsprechender subjektiver Rechte
der Klägerin selbst dann nicht gefolgt werden könnte, wenn sich die
Festbetragsfestsetzung aus diesen Gründen als rechtswidrig
erwiese. Die Unzulässigkeit der Klage ergäbe sich daraus lediglich
dann, wenn die Klägerin keine andere Rechtsverletzung geltend
machen würde. Die Klägerin macht aber geltend, durch die
beanstandete Festbetragsfestsetzung auch im Hinblick auf die von
ihr auf den Markt gebrachten Arzneimittel in ihrem Recht auf fairen
Wettbewerb ohne willkürliche Wettbewerbsverfälschung und in ihren
Anhörungsrechten verletzt zu sein.Diesbezüglich kann auf der
Ebene der Zulässigkeit der Klage eine Rechtsverletzung nicht von
vornherein ausgeschlossen werden
(vgl hierzu insbesondere BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5,
RdNr 13 ff; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13;
BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 17 ff, jeweils mwN)
.
23
3. Die Anfechtungsklage ist indessen unbegründet. Die Klägerin
kann die Aufhebung des zum 1.4.2014 abgesenkten Festbetrags
der Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" nicht verlangen.
24
Eine auf die Veränderung des Verhaltens von Unternehmen im
Wettbewerb zielende oder den Wettbewerb der Unternehmen
untereinander verfälschende, das Grundrecht der Klägerin auf
Wettbewerbsgleichheit (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) verletzende,
willkürliche Maßnahme liegt nicht vor
(zum Prüfmaßstab allgemein vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr
3, RdNr 17 f;
BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 19). Durch eine
allein auf der zweiten Stufe des Festbetragsverfahrens
vorgenommene Herabsetzung des Festbetrags durch den GKV-
Spitzenverband kann das Grundrecht pharmazeutischer
Unternehmer auf Wettbewerbsgleichheit (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG)
allenfalls dann verletzt sein, wenn der neue Festbetrag so
offensichtlich an den Marktrealitäten vorbei festgesetzt wurde, dass
deshalb eine daran orientierte realistische Preisgestaltung für die
Unternehmen nicht möglich ist (hierzu a). Dies ist im zu
entscheidenden Rechtsstreit nicht der Fall; die Klägerin wird durch
die Festsetzung des Festbetrags weder in ihrem Recht auf fairen
Wettbewerb (hierzu b), noch in ihrem Anhörungsrecht verletzt
(hierzu c).
25
a) Die im Wettbewerb untereinander stehenden pharmazeutischen
Unternehmer können durch die vom GBA auf der ersten Stufe des
Festbetragsverfahrens vorzunehmende Gruppenbildung, die
Zuordnung oder Nichtzuordnung ihrer Medikamente zu einer
bestimmten Gruppe oder die Ermittlung der Tages- oder
Einzeldosen oder anderer geeigneter Vergleichsgrößen in
unterschiedlichem Maße betroffen sein, weshalb damit für einzelne
Unternehmer im Vergleich zu anderen erhebliche Vorteile oder
Nachteile im Wettbewerb verbunden sein können
(vgl hierzu zB BSGE 93, 296 RdNr 12 ff = SozR 4-2500 § 35 Nr 2
RdNr 13 ff; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 18;
BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13 mwN)
. Eine Rechtsverletzung durch diese Maßnahmen des GBA auf der
ersten Stufe des Festbetragsverfahrens ist im Revisionsverfahren
nicht gerügt und auch sonst nicht ersichtlich.
26
Die Festlegung der Höhe eines Festbetrags durch den GKV-
Spitzenverband betrifft demgegenüber alle pharmazeutischen
Unternehmer in gleicher Weise. Eine gerechtfertigte
Gleichbehandlung betroffener Unternehmer ist insoweit
gewährleistet, wenn die Gruppenbildung sowie die Ermittlung
geeigneter Vergleichsgrößen beanstandungsfrei erfolgt sind und
das Arzneimittel einer Gruppe sachgerecht zugeordnet wurde. Die
Festlegung der Höhe eines Festbetrags durch den GKV-
Spitzenverband als zweite Stufe kann daher den Wettbewerb der
Unternehmer untereinander nur wie nachfolgend dargestellt
verfälschen.
27
Eine solche Wettbewerbsverfälschung hängt nicht allein davon ab,
ob der Beklagte bei der Festsetzung des Festbetrags die
Voraussetzungen des § 35 Abs 5 und 6 SGB V eingehalten hat.
Denn das gesetzgeberische Ziel, mit dem Festbetrag eine
ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der
Qualität gesicherte Versorgung (§ 35 Abs 5 S 1 SGB V) und darüber
hinaus eine hinreichende Versorgung mit von der Zuzahlung
freigestellter Arzneimittel zu gewährleisten (§ 35 Abs 6 SGB V),
betrifft - wie bereits zu den Sachurteilsvoraussetzungen unter II.
dargelegt - nur die subjektiven Rechte der Versicherten und der
Vertragsärzte, entfaltet aber keinen Drittschutz gegenüber
pharmazeutischen Unternehmern
(vgl erneut BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18).
28
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung zulasten
einzelner Unternehmer kann sich aber aus dem Gesichtspunkt
ergeben, dass Festbeträge - auch im Interesse der
pharmazeutischen Unternehmer - an der Marktlage zu orientieren
pharmazeutischen Unternehmer - an der Marktlage zu orientieren
sind (vgl § 35 Abs 5 S 3 SGB V). Das gesetzgeberische Ziel der
Ausgabenbegrenzung soll mit dem System der Festbeträge auf dem
Weg der Stärkung der preisorientierten Nachfrage erreicht werden,
dh durch eine Stärkung des Preiswettbewerbs
(vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes
zur Strukturreform im Gesundheitswesen
Reformgesetz - GRG>, BT-Drucks 11/2237 S 148 unter V. 1. a>
aa>)
. Festbeträge bilden ein preisregulierendes Anreizsystem, mit dem
Wettbewerbselemente in den Markt der GKV eingeführt werden, die
dort wegen des Auseinanderfallens von Nachfrager und
Kostenträger fehlen. Nach § 35 Abs 5 S 2 SGB V haben
Festbeträge Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sie sollen
einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich
deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten
auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie
hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Der Wortlaut
macht deutlich, dass die Ausschöpfung von
Wirtschaftlichkeitsreserven, das Auslösen eines wirksamen
Preiswettbewerbs und die Ausrichtung an möglichst preisgünstigen
Versorgungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen. Für die im
Interesse der Versicherten und der Vertragsärzte sicherzustellende
hinreichende Arzneimittelauswahl ist lediglich "soweit wie möglich"
zu sorgen
(dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 89; vgl auch
BVerfGE 106, 275, 304 f, 309 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22, 26)
. Das Ziel des Gesetzgebers, mit den Festbeträgen eine auch im
Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) und die
Ausgabenbegrenzung der GKV möglichst preiswerte Versorgung mit
Arzneimitteln zu gewährleisten, findet auch in § 35 Abs 5 S 4 SGB V
Ausdruck, wonach der Festbetrag einer Festbetragsgruppe den
höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen
dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung
nicht übersteigen soll. Bei dieser Berechnung sind hochpreisige
Packungen mit einem Anteil von weniger als einem Prozent an den
verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu
berücksichtigen (§ 35 Abs 5 S 6 SGB V).
Trotz der Deutlichkeit, mit der das Ziel der Ausgabenbegrenzung in
29
Trotz der Deutlichkeit, mit der das Ziel der Ausgabenbegrenzung in
§ 35 Abs 5 SGB V zum Ausdruck gebracht wird, sind Festbeträge an
den Marktrealitäten zu orientieren. In diesem Sinne bestimmt § 35
Abs 5 S 3 SGB V, dass sie "an eine veränderte Marktlage
anzupassen" sind. Dies betrifft die Interessen pharmazeutischer
Unternehmer. Das Ziel der Stärkung des Wettbewerbs würde
nämlich geradezu in sein Gegenteil verkehrt, wenn eine realistische
Preisgestaltung in Orientierung am Festbetrag für die Unternehmer
nicht möglich wäre. Eine Stärkung des Wettbewerbs kann nur
gelingen, wenn die Herstellung von Medikamenten zum Festbetrag
für die pharmazeutischen Unternehmer wirtschaftlich ist und nicht zu
unerwünschten Marktabgängen und weitgehendem Rückzug von
Anbietern führt. Festbeträge unterhalb dieser Grenze können auf
Dauer den Preiswettbewerb durch unerwünschte Oligopolisierung
einschränken (vgl
dazu Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines
Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der GKV
, BT-Drucks
17/2413 S 16)
. Dies kann sachwidrige und willkürliche Wettbewerbsverzerrungen
bewirken. Deshalb ist auch in anderen Bereichen des
Leistungserbringerrechts anerkannt, dass Preise zwar einerseits
dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen müssen, andererseits aber
nicht zu einer Existenzgefährdung der Leistungserbringer führen
dürfen
(vgl zB BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 63 f
unter Hinweis auf BVerfGE 101, 331, 350
f; vgl auch: BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 54 f
und Parallelurteil B 3 KR 25/15 R vom 23.6.2016 - Juris
Krankenpflege>; BSGE 110, 222 = SozR 4-2500 § 116b Nr 3, RdNr
69, 74 ; zur vertragsärztlichen
Versorgung: BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 140 f
mwN; BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 4, RdNr 44, auch zur
Veröffentlichung in BSGE 123, 115 vorgesehen)
. Denn sowohl eine qualitätsgerechte als auch eine aufgrund von
Preiswettbewerb wirtschaftliche Versorgung bleiben dauerhaft nur
bei einer hinreichenden Anzahl von Anbietern gesichert. Eine mit der
Herabsetzung des Festbetrags verbundene Wettbewerbsverzerrung
kann deshalb in Betracht kommen, wenn der neue Festbetrag nicht
mit den Marktrealitäten in Übereinstimmung zu bringen ist, eine
mit den Marktrealitäten in Übereinstimmung zu bringen ist, eine
wirtschaftliche Preisgestaltung nicht möglich ist und sich Anbieter
deshalb so weit vom Markt zurückziehen, dass dadurch eine
Einschränkung des Preiswettbewerbs zu befürchten ist.
30
b) Die Klägerin wird hier durch die Herabsetzung des Festbetrags
nicht in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb verletzt, weil sich der
beklagte GKV-Spitzenverband in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise hinreichend an der tatsächlichen Marktlage orientiert hat.
31
Der Beklagte hat den Festbetrag unter Beachtung der gesetzlichen
Vorgaben nach § 35 SGB V festgesetzt, der eine hinreichende
Orientierung an der tatsächlichen Marktlage gewährleistet
(vgl insoweit allgemein BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5,
RdNr 51 ff)
. Deshalb kann vorliegend offenbleiben, wo die exakte Grenze der
Festbetragsfestsetzung verläuft, unterhalb derer der
Preiswettbewerb nicht gefördert, sondern eingeschränkt wird.
32
aa) Der Beklagte hat das Festbetragsverfahren nicht - wie die
Klägerin geltend macht - unter Verletzung ihrer subjektiven Rechte
willkürlich zu Unrecht eingeleitet. Vielmehr lagen die
Voraussetzungen für eine Festbetragsanpassung vor.
33
Nach § 35 Abs 5 S 3 SGB V sind Festbeträge mindestens einmal im
Jahr zu überprüfen. Die Formulierung macht deutlich, dass
Überprüfungen auch häufiger durchgeführt werden können,
mindestens aber einmal im Jahr. Diese Jahresgrenze war zur
Beschlussfassung bereits deutlich überschritten. Die Herabsetzung
des Festbetrags erfolgte zum 1.4.2014 auf der Basis der Daten des
Berechnungsstichtags 1.10.2013; zuvor war der Festbetrag zuletzt
zum 1.4.2012 angepasst worden. Eine Anpassung erfolgt nach § 35
Abs 5 S 3 Halbs 2 SGB V in geeigneten Zeitabständen, wenn sich
die Marktlage verändert hat. Die Ansicht der Klägerin, dass es für
eine veränderte Marktlage allein auf die Preisdynamik ankomme,
findet im Gesetz keine Stütze. Nach dem Wortlaut ist eine
veränderte "Marktlage", nicht lediglich eine veränderte Preisstruktur
am Markt erforderlich. Die Marktlage ergibt sich nicht allein aus den
Preisen, sondern aus allen für den entsprechenden Markt
relevanten Faktoren. Neben dem Wortlaut der Regelung ist auch ihr
Ziel entscheidend, das in erster Linie auf die Ausschöpfung von
Wirtschaftlichkeitsreserven und das Auslösen eines wirksamen
Preiswettbewerbs gerichtet ist (§ 35 Abs 5 S 2 Halbs 1 SGB V).
Wirtschaftlichkeitsreserven, die Raum für einen effektiven
Preiswettbewerb lassen, können sich nicht nur aus geänderten
Preisen, sondern auch aus steigenden Umsätzen, aus einer
erhöhten Anzahl von Arzneimitteln am Markt, einer Zunahme von
Verordnungen oder aus ähnlichen Marktparametern ergeben. Das
LSG hat insoweit unwidersprochen festgestellt, dass die Anzahl der
Arzneimittel angestiegen, ein weiterer pharmazeutischer
Unternehmer in den Markt eingestiegen ist und das
Festbetragsniveau durchgängig sowie mit einer gestiegenen
Differenz über dem durchschnittlichen Preisniveau lag.
34
bb) Der Beklagte hat auch die Vorgaben des § 35 Abs 5 S 5 SGB V
eingehalten. Das LSG hat - von der Revisionsführerin unangegriffen
- festgestellt, dass der Beklagte die erforderlichen Daten für den
Berechnungsstichtag 1.10.2013 rechtmäßig ermittelt hat, dass zu
diesem Stichtag mindestens ein Fünftel (20 %) aller Verordnungen
und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag
verfügbar waren und dass zugleich die Summe der jeweiligen
Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum
Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschritten
(§ 35 Abs 5 S 5 SGB V). Konkret waren zum Berechnungsstichtag
23,53 % der Packungen und 22,08 % der Verordnungen zum
Festbetrag verfügbar. Die Maßzahl M (= Summe der jeweiligen
Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum
Festbetrag erhältlich sind) betrug 154,39.
35
cc) Der von der Klägerin gegen die angegriffene
Festbetragsfestsetzung des Beklagten erhobene Einwand, er habe
die zwischenzeitlich eingetretenen Lieferschwierigkeiten der für
diese Berechnung in Bezug genommenen Produkte nicht
hinreichend berücksichtigt, greift nicht. Grundsätzlich darf der
Beklagte den Festbetrag auf der Basis der zum
Berechnungsstichtag vorliegenden Daten festsetzen. Zu
weitergehenden Ermittlungspflichten des Beklagten bestimmt § 35
Abs 5 S 3 SGB V, dass die Festbeträge mindestens einmal im Jahr
zu überprüfen und in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte
Marktlage anzupassen sind. Mit dieser Regelung hat der
Gesetzgeber - wie bereits das LSG ausgeführt hat - zum Ausdruck
gebracht, dass ohne Hinweise auf eine veränderte Marktlage
jedenfalls eine jährliche Prüfung ausreicht. Eine vorzeitige
Überprüfung und ggf ein Absehen von einer vorgesehenen
Festbetragsfestsetzung ist nicht schon dann erforderlich, wenn
kurzfristig nicht mehr ein Fünftel aller Verordnungen und aller
Packungen zum Festbetrag verfügbar sind oder die Maßzahl von
160 überschritten wird. Denn das gesetzliche Ziel einer möglichst
weitgehenden Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven wird
dann besonders effektiv umgesetzt, wenn der Festbetrag zum
Berechnungsstichtag so nah wie möglich an der durch § 35 Abs 5 S
5 SGB V vorgegebenen Grenze liegt. Dann kann aber nicht bereits
jede kurzfristige Schwankung auf dem Arzneimittelmarkt Anlass zur
Überprüfung geben, insbesondere dann nicht, wenn es um
möglicherweise zukünftig auftretende Lieferausfälle geht, deren
Eintritt und Dauer ungewiss ist. Nach § 35 Abs 5 S 7 SGB V ist
vielmehr maßgebend, dass die engen Voraussetzungen des § 35
Abs 5 S 5 SGB V zum Berechnungsstichtag vorliegen. Erst wenn
sicher zu erwarten ist, dass mit dem Festbetrag oder dem im Zuge
einer anstehenden Änderung vorgesehenen Festbetrag die
gesetzlich vorgegebenen Grenzen längerfristig und deutlich
überschritten und daher auch bei der nächsten im Jahresrhythmus
anstehenden Überprüfung nicht eingehalten werden, kann es
erforderlich werden, auf die veränderte Marktlage auch schon
unterjährig zu reagieren und ggf von der vorgesehenen
Festbetragsfestsetzung abzusehen.
36
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung lagen ausgehend von den
Feststellungen des LSG für eine derart unangemessene Höhe des
Festbetrags keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Für eine
Verletzung der subjektiven Rechte der Klägerin wären überdies
Lieferausfälle erforderlich, in denen aufgrund ihrer Dauer und ihres
Ausmaßes ein Indiz dafür hätte gesehen werden müssen, dass der
Festbetrag den pharmazeutischen Unternehmen keine realistische
Preisgestaltung mehr ermöglichte und zu unerwünschten
Marktabgängen, dh zu einem wirtschaftlich bedingten weitgehenden
Rückzug von Anbietern führt, mit der Folge einer sachwidrigen
Einschränkung des Wettbewerbs.
37
Nach den auch insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG
bestand schon kein Anlass für die Annahme, die Versorgung der
Versicherten könne aufgrund absehbarer Lieferengpässe iS von §
35 SGB V gefährdet sein. Auch die Klägerin hat keine hinreichend
konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass Arzneimittel, die
zu den 20 % der Verordnungen oder Packungen gehörten, die zum
Berechnungsstichtag zum Festbetrag verfügbar waren, zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung langfristig nur erheblich
eingeschränkt lieferbar gewesen sein könnten. Die von ihr
aufgeführten Lieferengpässe betrafen nach den Ausführungen des
Beklagten nicht den gesamten Wirkstoff, sondern nur einzelne
Wirkstärken und waren zeitlich absehbar begrenzt. Unabhängig
davon, dass Einschränkungen der Versorgungssicherheit für sich
allein genommen noch nicht die subjektiven Rechte der Klägerin
berühren, waren solche bei der gegebenen Sachlage auch nicht
erkennbar zu erwarten. Auf die Ausführungen der Klägerin zur
engen therapeutischen Breite des Wirkstoffs kann es nicht mehr
ankommen, denn eine Verletzung in ihrem Recht auf wirtschaftlich
zumutbare Bedingungen kommt bei dieser Sachlage nicht in
Betracht.
38
dd) Selbst wenn der Beklagte - wie die Klägerin geltend macht - den
Sachverhalt hinsichtlich der von ihr im Verwaltungsverfahren
vorgetragenen Lieferengpässe noch vor der Beschlussfassung
umfassender hätte aufklären müssen, könnte die Klägerin daraus
keine Rechte ableiten. Zumindest nach den unangegriffenen
Feststellungen des LSG lagen keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür vor, dass der vom Beklagten festgelegte Festbetrag die
Klägerin wegen Lieferengpässen in ihren subjektiven Rechten auf
faire Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigen könnte. Auch wenn
sich diese Tatsachengrundlage erst durch nachträgliche
Ermittlungen des Beklagten im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in
dieser Deutlichkeit herausgestellt haben sollte, rechtfertigt dies nicht
die Aufhebung des Festbetragsbeschlusses. Nach § 42 SGB X
kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen einer
Verletzung von Verfahrensvorschriften beansprucht werden, wenn
offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache
nicht beeinflusst hat. Hätte sich durch weitere Ermittlungen des
Beklagten vor der Beschlussfassung schon mit der späteren
Deutlichkeit gezeigt, dass Lieferengpässe, die auf wirtschaftlich
unzumutbare Bedingungen für pharmazeutische Unternehmer
hindeuten, nicht zu erwarten waren, ist offensichtlich, dass dadurch
die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst worden wäre.
39
c) Der Beklagte verletzte bei der Festsetzung des Festbetrags
schließlich auch keine Anhörungsrechte der Klägerin
(§ 35 Abs 3 S 3 iVm Abs 2 SGB V). Er führte das
Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durch und die Klägerin reichte
daraufhin eine Stellungnahme ein. Ausweislich der
Beratungsunterlagen des Beklagten lag die Stellungnahme bei der
Beratung des Festbetragsbeschlusses vor und wurde auch in die
Entscheidung einbezogen. Das ergibt sich aus der zur
Beratungsunterlage angefertigten Anlage 1, in welcher die
Stellungnahme der Klägerin nicht nur erfasst und ihrem
wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben, sondern auch
ausgewertet wurde. Zu den Ausführungen der Klägerin in ihrer
Stellungnahme, sie halte eine hinreichende Arzneimittelauswahl für
gefährdet, die Risiken für Lieferausfälle würden bei sinkenden
Preisen weiter steigen und Levothyroxin sollte wegen
problematischer Bioverfügbarkeit nicht unkontrolliert ausgetauscht
werden, bemerkte der Beklagte dort beanstandungsfrei, die
Festbeträge seien an die geänderte Marktlage anzupassen, der
Festbetragsvorschlag beachte die ein Fünftel Regelung des § 35
Abs 5 SGB V und die Austauschbarkeit sei ein Kriterium der aut-
idem Regelung nach § 129 Abs 1 S 2 SGB V, bei der
Festbetragsfestsetzung jedoch unerheblich. Auch wenn der
Beklagte auf die Lieferausfälle nicht ausdrücklich einging, bezog er
die Stellungnahme damit hinreichend in seine Entscheidung ein.
Soweit es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die angeblichen
Lieferausfälle gab, bestand auch kein Anlass, darauf weiter
einzugehen.
40
d) Ein Verstoß gegen weitere gesetzliche Vorgaben zur
Festbetragsfestsetzung in formeller oder materieller Hinsicht, der die
Klägerin in ihren Rechten verletzen könnte, ist von ihr weder geltend
gemacht worden noch sonst ersichtlich.
41
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §
154 Abs 2 VwGO; diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S
1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG.