Urteil des BSG vom 23.08.2011

Arbeitslosengeld II - Einkommensberücksichtigung - Stromkostenerstattung nach Jahresabrechnung - Nichtberücksichtigung von Einnahmen aus Einsparungen im Bereich des Haushaltsenergieanteils der pauschalierten Regelleistung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 23.8.2011, B 14 AS
186/10 R
Arbeitslosengeld II - Einkommensberücksichtigung -
Stromkostenerstattung nach Jahresabrechnung -
Nichtberücksichtigung von Einnahmen aus Einsparungen im
Bereich des Haushaltsenergieanteils der pauschalierten
Regelleistung
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Neuruppin vom 17. September 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsstreits.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung einer Erstattung
von Stromkosten als Einkommen streitig.
2
Die im Jahr 1978 geborene Klägerin wohnt zusammen mit ihrer Mutter
G R, die die Klägerin und Revisionsbeklagte des Revisionsverfahrens
B 14 AS 185/10 R ist, in einer Dreizimmerwohnung in O Sie bezieht
seit dem 1.1.2005 ununterbrochen Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Unter anderem mit Bescheid vom 4.12.2006 bewilligte der beklagte
Landkreis als Träger der Grundsicherung Arbeitslosengeld II (Alg II)
für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 30.6.2007 in Höhe von 535,12
Euro monatlich.
3
Am 15.5.2007 reichte die Klägerin die Stromabrechnung der
Stadtwerke O GmbH für das Jahr 2006 beim Beklagten ein, aus der
sich für sie und ihre Mutter ein Guthaben von insgesamt 164,35 Euro
ergab, das bereits am 23.2.2007 ausgezahlt worden war. Der
Beklagte hob daraufhin den Bescheid vom 4.12.2006 mit
Änderungsbescheid vom 11.6.2007 teilweise auf und gewährte für
den Monat Februar 2007 Alg II in Höhe von 452,95 Euro. Er
berücksichtigte dabei das Guthaben aus der Stromabrechnung in
Höhe von 82,17 Euro als Einkommen. Zugleich forderte er von der
Klägerin einen Betrag von 82,17 Euro zurück. Auf den Widerspruch
hin hob er mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2007 den
Änderungsbescheid vom 11.6.2007 teilweise auf, gewährte nunmehr
für den Monat Februar 2007 Alg II in Höhe von 482,95 Euro und
forderte einen Betrag in Höhe von 52,17 Euro zurück. Im Übrigen
wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Das
Stromguthaben sei als Einkommen zu berücksichtigen, der
Gesamtbetrag des Guthabens von 164,35 Euro sei dabei zu
halbieren und der Anteil der Klägerin von 82,17 Euro um die
Versicherungspauschale von 30 Euro zu bereinigen gewesen.
4
Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Neuruppin gerichtete
Anfechtungsklage hatte Erfolg (Urteil vom 17.9.2010). Als
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides komme nur § 40
Abs 1 Sätze 1 und 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht. Eine
wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei jedoch
entgegen der Auffassung des Beklagten durch das am 23.2.2007
zugeflossene Guthaben nicht eingetreten. Nach Sinn und Zweck des
§ 11 SGB II könne eine Stromkostenerstattung infolge einer
periodischen Stromkostenabrechnung, deren Vorauszahlungen zuvor
vom Hilfebedürftigen aus Mitteln der Grundsicherung geleistet
wurden, nicht als Einkommen qualifiziert werden. Dies ergebe sich
aus dem Grundsatz der Pauschalierung der Regelleistung nach § 20
SGB II, aus der die Klägerin die Stromkostenvorauszahlungen
bestritten habe. Eine abweichende Festlegung der Bedarfe sei
gemäß § 3 Abs 3 Satz 2 SGB II ausgeschlossen
(Hinweis auf BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11). Der
Hilfebedürftige könne selbst entscheiden, für welche der
Hilfebedürftige könne selbst entscheiden, für welche der
Grundbedarfe er die Regelleistung in welcher Höhe einsetze; es
stehe ihm frei, ob er bei bestimmten Bedarfspositionen Einsparungen
vornehme, um für andere Bedarfspositionen mehr Mittel zur
Verfügung zu haben. Dies habe zur Folge, dass ein Guthaben
berücksichtigungsfrei bleibe, wenn es aus Regelleistung "angespart"
worden sei. Dies gelte auch für Einsparungen, die der Hilfebedürftige
mittelbar tätige, dh über den Umweg eines Dritten (hier:
Stromversorger), jedenfalls dann, wenn der Dritte seine Ware nur mit
Vorauszahlungen und einer später folgenden Endabrechnung (mit
entsprechenden Rückzahlungen/Nachforderungen) anbiete. Die
Entscheidung des für die Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII) zuständigen 8. Senats
(vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R, SozR 4-3500 § 82 Nr 5)stehe
diesem Ergebnis nicht entgegen. Der 8. Senat habe maßgeblich
darauf abgestellt, dass der sich aus § 9 SGB XII ergebende
Grundsatz, dass sich Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach den
Besonderheiten des Einzelfalles richten (vor allem nach der Person
des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfes und den örtlichen
Verhältnissen), Vorrang vor der in § 28 SGB XII vorgesehenen
Pauschalierung des Regelsatzes habe. Dieser Vorrang bestehe im
Anwendungsbereich des SGB II nicht. Eine entsprechende
Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II scheide nach dem 2.
Halbsatz dieser Vorschrift aus.
5
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom SG
zugelassenen Sprungrevision und macht geltend: Die
Stromkostenerstattung sei Einkommen iS des § 11 SGB II. Es gebe
keine Rechtsgrundlage, die die Anrechnung von
Stromkostenguthaben als Einkommen ausschließe. Aus dem § 22
Abs 1 Satz 4 SGB II aF ergebe sich, dass der Gesetzgeber
Stromkosten anders als Betriebskosten nach wie vor als Einkommen
ansehe. Die Stromkostenerstattung könne nicht als Vermögen
angesehen werden, wie sich aus der Zuflusstheorie ergebe. Höhere
Abschlagszahlungen für Stromkosten, als letztlich an Strom
verbraucht werde, seien kein bewusstes und freiwilliges Ansparen.
Vor der Abrechnung der Stromkosten könne die Klägerin nicht über
den entsprechenden Betrag verfügen. Bei einer Nichtanrechnung der
Stromkostenerstattung würden die entsprechenden Hilfebedürftigen
privilegiert, weil sie Einkommen, das sie erhielten, nicht zur Deckung
ihres Bedarfes verwenden müssten, obwohl sparsames Haushalten
und die Deckung des Bedarfs möglichst aus eigener Kraft von einem
Hilfebedürftigen zu erwarten sei.
6
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. September 2010
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Sprungrevision des Beklagten ist unbegründet
(§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Die
Voraussetzungen für eine (teilweise) Aufhebung der ursprünglichen
Bewilligung von Leistungen liegen nicht vor. Bei der nach
Antragstellung im Bedarfszeitraum zugeflossenen Rückzahlung
nach Abrechnung der in den vorangegangenen
Bewilligungsabschnitten gezahlten Stromkosten handelt es sich
nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen, wie das SG
zutreffend entschieden hat. Da der Bewilligungsbescheid nicht
aufzuheben ist, scheidet auch eine Erstattung nach § 50 Abs 1 SGB
X aus.
10
Als Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des Bescheides
vom 4.12.2006 über die Bewilligung von Leistungen kommt nur § 40
Abs 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3
SGB X in Betracht. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit
Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt,
mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse der
Verwaltungsakt aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass
des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zum
Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat. Als
Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen
Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum
aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen
ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes
(§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X). Beginn des Anrechnungszeitraums ist
im SGB II nach § 13 SGB II iVm § 2 Abs 3 Satz 1 Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) idF vom 20.10.2004
(BGBl I 2622) iVm § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) der
Beginn des Monats, in dem das Einkommen zufließt.
11
Durch die am 23.2.2007 zugeflossene Rückzahlung der
abgerechneten Stromkosten ist entgegen der Auffassung des
Beklagten zum 1.2.2007 eine wesentliche Änderung in den
Verhältnissen der Klägerin, die dem Bewilligungsbescheid vom
4.12.2006 zugrunde lagen, nicht eingetreten. Die Rückzahlung war
im Februar 2007 zwar Einkommen und nicht Vermögen (dazu 1.),
als solches ist sie aber nicht zu berücksichtigen (dazu 2.).
12
1. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu
berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme
der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine
entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und Renten oder
Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden
an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei
ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung
der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate
grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig
dazu erhält, und Vermögen, was er vor Antragstellung bereits hatte.
Es ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich
wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt
(modifizierte Zuflusstheorie: BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS
26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17, RdNr 23; BSG Urteil vom
30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11
Nr 15, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R -
BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 15; BSG Urteil vom
24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R; anknüpfend an die Rechtsprechung
des BSG zur Arbeitslosenhilfe: Urteil vom 11.02.1976 - 7 RAr 159/74
- BSGE 41, 187 = SozR 4100 § 137 Nr 1; Urteil vom 20.06.1978 - 7
RAr 47/77 - BSGE 46, 271 = SozR 4100 § 138 Nr 3; Urteil vom
12.12.1996 - 11 RAr 57/96 - BSGE 79, 297 = SozR 3-4100 § 138 Nr
9; und die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zur Sozialhilfe: Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 35/97 -
BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649, juris RdNr 13 ff; - 5 C 14/98 -
NJW 1999, 3137; - 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 ff).
13
Auch wenn Einnahmen aus bereits bestehenden Rechtspositionen
erzielt werden (zB Auszahlung des Gehalts als Erfüllung der
Gehaltsforderung) und eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete
(noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt,
gehört die Forderung, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht (zB
noch nicht erfüllte Gehaltsforderungen für zurückliegende Monate),
zu seinem Vermögen. Das führt jedoch nicht zu einer Konkurrenz
dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die
Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen
wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer
(Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung
von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die
Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen
ab. Das gilt allerdings nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten
Einkünften Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen
oder Versicherungen. Denn andernfalls wertete man den Rückgriff
auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen. Dementsprechend
bleibt ein Sparguthaben bei seiner Auszahlung Vermögen
(BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr
16, RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift unter Bezugnahme auf die
Rechtsprechung des BVerwG zu § 76 BSHG und dessen Urteile
vom 18.2.1999 aaO; Gegenbeispiel Einkommensteuererstattung:
BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18).
14
Bei der Rückerstattung von Vorauszahlungen auf der Grundlage
von Energielieferverträgen ist von der Maßgeblichkeit des
tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen
Einkommen und Vermögen nicht abzuweichen, wovon das SG und
die Beteiligten zutreffend ausgehen. Solche Rückzahlungen
erfolgen nicht aus bereits erlangten Einkünften, mit denen ein
gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde. Im Ergebnis kommt
damit nur die Berücksichtigung der Rückzahlung als Einkommen im
Bedarfszeitraum, nicht dagegen als Vermögen in Betracht
(ebenso zur Stromkostenerstattung im Anwendungsbereich des
SGB XII: BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500
§ 82 Nr 5, RdNr 16 und - insoweit ohne weitergehende Begründung
- zur Betriebskostenerstattung: BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b
AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5, RdNr 37)
.
15
2. Die Stromkostenerstattung ist damit zwar im Februar 2007 eine
Einnahme, sie ist jedoch gleichwohl nicht als Einkommen nach § 11
Abs 1 SGB II zu berücksichtigen. Für die Definition des Begriffs
"Einkommen" ist - über die obige Abgrenzung "alles, was jemand
nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält," hinaus - dem Wortlaut
des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II lediglich zu entnehmen, dass ua
"Leistungen nach diesem Buch" von vornherein von der
Berücksichtigung ausgenommen sind.
16
a) Ein unmittelbarer Anwendungsbereich dieser Alternative des § 11
Abs 1 Satz 1 SGB II ist nicht gegeben, denn die Rückzahlung
erfolgte nicht auf Grundlage der Vorschriften des SGB II durch den
Träger der Grundsicherung, sondern aufgrund der Regelungen in
dem Energieliefervertrag.
17
b) Eine Rückzahlung von Stromkosten, die auf Vorauszahlungen in
Zeiträumen beruht, in denen Hilfebedürftigkeit nach §§ 7, 9 SGB II
bestand, kann aber nach Sinn und Zweck des § 11 Abs 1 und § 20
SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
18
Dies folgt zum einen aus der Wertung, die dem Ausschluss von
"Leistungen nach diesem Buch" von der Berücksichtigung als
Einkommen in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmen ist
(in diesem Sinne Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr
273; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 33;
Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die
Anwendung des SGB II zu § 11 Nr 11.61)
. Zum anderen handelt es sich bei den Zahlungen für
Haushaltsenergie um die Befriedigung eines dem § 20 SGB II
zuzuordnenden Grundbedarfs. Der Bemessung dieses
Grundbedarfs nach dem Statistikmodell liegt der
verfassungsrechtlich zulässige Gedanke zugrunde, dass die
regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge von
vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert sind und den
Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen ermöglichen.
Der Hilfebedürftige soll über den Einsatz seiner Mittel (sei es aus der
Regelleistung, sei es aus zu berücksichtigendem Einkommen)
hinsichtlich des Regelbedarfs im Einzelnen selbst bestimmen und
einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag
höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben
in einem anderen ausgleichen können
(dazu Bundesverfassungsgericht vom 9.2.2010 - 1 BvL
1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205)
. Dementsprechend schließt der Regelbedarf ausdrücklich einen
Ansparbetrag ein, der seine Entsprechung in dem
Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 1 Nr 4 SGB II findet
(vgl BT-Drucks 15/1516 S 53). Damit ist es aber auch geboten,
Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen
resultieren, über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der
Berücksichtigung als Einkommen freizustellen. Entscheidend ist
dabei alleine, dass die an den Hilfebedürftigen zurückfließenden
Vorauszahlungen während der Zeit Hilfebedürftigkeit nach dem SGB
II geleistet worden sind. Es ist nicht zu ermitteln, ob die Zahlungen
tatsächlich aus der Regelleistung getätigt worden sind.
19
c) Soweit der Beklagte dagegen einwendet, das SGB II enthalte kein
Belohnungssystem, um Hilfebedürftige durch die
Nichtberücksichtigung der Rückzahlung zu privilegieren, vielmehr
sei sparsames Haushalten von einem Hilfebedürftigen zu erwarten,
um den Bedarf möglichst aus eigener Kraft zu decken, führt diese
Argumentation im Kern zu einer Anwendung des
"Bedarfsdeckungsgrundsatzes", wie er zum Recht der Sozialhilfe
nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entwickelt worden ist.
Diesen Bedarfsdeckungsgrundsatz des BSHG hat der Gesetzgeber
in das SGB II jedoch nicht übernommen.
20
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es konstitutiver
Bestandteil des Systems des SGB II ist, eine abweichende
Festsetzung der Regelbedarfe gerade nicht vorzusehen
(vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 11, RdNr 22
zur Verköstigung während eines Krankenhausaufenthalts; BSG
Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R - zur kostenlosen
Verpflegung durch Familienangehörige;
BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr
9, RdNr 20 zu nicht bezifferbaren Unterstützungsleistungen von
Verwandten oder Verschwägerten)
. Im Rahmen der durch § 20 Abs 1 SGB II genannten
Grundbedürfnisse ist es mit dem Sinn und Zweck der
Pauschalierung nicht vereinbar, eine individuelle Bedarfsprüfung
vorzunehmen.
21
Damit ist es nach dem SGB II nicht zulässig, zusätzliche Bedarfe,
wie etwa erhöhte Stromkosten
(so ausdrücklich: BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R -
BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 27)
, im Rahmen des Regelbedarfs bedarfserhöhend geltend zu
machen. Abweichende laufende Bedarfe können lediglich im
Anwendungsbereich des § 21 SGB II Berücksichtigung finden. Für
die Kürzung der Regelleistung besteht aber ebenso wenig eine
Rechtsgrundlage. Hätte die Klägerin die Herabsetzung der
Abschlagszahlungen gegenüber dem Stromversorger zu einem
früheren Zeitpunkt erreicht, wären solche Einsparungen ihr (und
nicht dem Träger der Grundsicherung) zu Gute gekommen. Ebenso
wie dem Hilfebedürftigen zB zu berücksichtigendes Einkommen aus
einer Erwerbstätigkeit bei einer anderen steuerrechtlichen
Gestaltung im Bedarfszeitraum bedarfsmindernd zur Verfügung
gestanden hätte und es deshalb auch bei Zufluss erst mit der
Steuererstattung zu berücksichtigendes Einkommen bleibt
(vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18 am Ende)
, kann ein anderer Mitteleinsatz für die Regelbedarfe nicht zur
Gewährung einer nur verminderten Regelleistung (bzw dem Ansatz
eines niedrigeren Bedarfs) führen.
22
Da § 20 SGB II - anders als § 28 SGB XII - die Berücksichtigung
abweichender Bedarfe beim Regelbedarf von vornherein
ausschließt, lässt sich aus dem so genannten Nachranggrundsatz
nicht der Schluss ziehen, dass die Berücksichtigung von ersparten
Aufwendungen als Einkommen geboten ist
(zur abweichenden Rechtslage nach dem SGB XII: BSG Urteil vom
19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5, RdNr 19 und
nunmehr die Neuregelung in § 82 Abs 1 Satz 2 SGB XII durch das
RBEG)
.
23
d) Diesem Ergebnis stehen schließlich die Entscheidung des Senats
vom 15.4.2008
(B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5, RdNr 37), wonach
Rückzahlungen von Betriebskosten, die den Kosten der Unterkunft
zuzurechnen sind, als Einkommen zu berücksichtigen sind, und die
durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für
Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006
getroffene Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF
(jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG) nicht entgegen.
24
Ebenso wie heute bestand nach der alten Rechtslage zwischen
Betriebs- und Heizkosten einerseits und Stromkosten andererseits
insofern ein gravierender Unterschied, als die Betriebs- und
Heizkosten - vorbehaltlich ihrer Angemessenheit - in tatsächlicher
Höhe zu übernehmen waren (§ 22 Abs 1 SGB II), während die
Stromkosten, soweit sie nicht ausnahmsweise für die Heizung
benötigt wurden, nicht gesondert übernommen wurden, sondern als
Haushaltsenergie pauschaliert in der Regelleistung enthalten waren.
Auch die Einfügung des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF
(jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG)spricht für diese
Differenzierung, weil er auf Rückzahlungen und Guthaben
beschränkt ist, die den Kosten für Unterkunft zuzuordnen sind, und
auch nach der Gesetzesbegründung für die Regelung
(Bericht des Bundestagsausschusses, BT-Drucks 16/1696 S 7, 26 f)
Kosten für Haushaltsenergie ausdrücklich ausgenommen sind.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.