Urteil des BSG vom 23.08.2011

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Rückerstattung von in Zeiten der Hilfebedürftigkeit geleisteten Stromkostenvorauszahlungen nach Jahresabrechnung - Einsparungen im Bereich des Haushaltsenergieanteils der pauschalierten Rege

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 23.8.2011, B 14 AS
185/10 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende -
Einkommensberücksichtigung - Rückerstattung von in
Zeiten der Hilfebedürftigkeit geleisteten
Stromkostenvorauszahlungen nach Jahresabrechnung -
Einsparungen im Bereich des Haushaltsenergieanteils der
pauschalierten Regelleistung - Abgrenzung von den
Rückzahlungen im Bereich des Unterkunfts- und
Heizbedarfs
Leitsätze
Die Rückerstattung von Vorauszahlungen auf der Grundlage von
Energielieferverträgen ist nicht als Einkommen im Sinne der
Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen, wenn
die Vorauszahlungen in Zeiten der Hilfebedürftigkeit erfolgten.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Neuruppin vom 17. September 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsstreits.
Tatbestand
1
Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Berücksichtigung einer
Stromkostenerstattung als Einkommen.
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Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrer im Jahr 1978 geborenen
Tochter H. (Klägerin des Parallelverfahrens B 14 AS 186/10 R) eine
Drei-Zimmer-Wohnung und bezieht seit dem 1.1.2005
ununterbrochen Leistungen nach dem SGB II. Für Januar bis Juni
2007 wurde ihr vom beklagten Landkreis als Grundsicherungsträger
Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 257,11 Euro monatlich unter
Berücksichtigung einer Hinterbliebenenrente bewilligt
(Bescheid vom 4.12.2006). Am 15.5.2007 teilte die Klägerin mit,
aufgrund der Stromabrechnung der Stadtwerke für 2006 sei ihr und
ihrer Tochter am 23.2.2007 ein Guthaben von 164,35 Euro
ausgezahlt worden. Der Beklagte hob daraufhin den
Bewilligungsbescheid vom 4.12.2006 teilweise auf, bewilligte für den
Februar 2007 unter Anrechnung von 82,17 Euro als der Hälfte des
Guthabens Alg II in Höhe von 174,94 Euro und forderte 82,17 Euro
zurück
(Bescheid vom 11.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 2.10.2007).
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Das Sozialgericht (SG) hat diesen Änderungs- und
Erstattungsbescheid aufgehoben und die Revision zugelassen
(Urteil vom 17.9.2010). Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt: Durch die Stromkostenerstattung sei entgegen der
Auffassung des Beklagten keine wesentliche Änderung in den
Verhältnissen eingetreten. Nach Sinn und Zweck des § 11 SGB II
über das zu berücksichtigende Einkommen könne eine
Stromkostenerstattung in Folge einer periodischen
Stromkostenabrechnung, deren Vorauszahlung der Hilfebedürftige
zuvor aus Mitteln der Grundsicherung geleistet habe, nicht als
Einkommen qualifiziert werden. Dies folge aus dem System der
ausnahmslosen Pauschalierung der Leistungen nach dem SGB II.
Die Regelleistung decke den gesamten laufenden Bedarf,
einschließlich der Haushaltsenergie ab. Würde eine aus der
Regelleistung erbrachte Stromkostenvorauszahlung im Monat der
Erstattung zu einer Verringerung der Regelleistung führen, komme es
zu einer "Doppelberücksichtigung", die weder dem Sinn und Zweck
von Pauschalierung und Eigenverantwortung noch dem Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
gerecht werde. Soweit der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG)
für das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) eine
Stromkostenerstattung als anrechenbares Einkommen angesehen
Stromkostenerstattung als anrechenbares Einkommen angesehen
habe
(Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5),
könne dies nicht auf das SGB II übertragen werden. Denn das SGB
XII unterliege einer deutlich weniger rigiden Pauschalierung als das
SGB II und folge zudem dem Individualisierungsgrundsatz. Die
Stromkostenerstattung sei auch nicht mit der Betriebskosten- und
Heizkostenerstattung vergleichbar, und deren Regelung in § 22 Abs 1
Satz 4 SGB II aF
(eingeführt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung
für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, und verschoben in
den § 22 Abs 3 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen
und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453 - RBEG)
sei weder direkt noch analog auf die Stromkostenerstattung
anwendbar, zumal eine Stromkostennachforderung vom
Grundsicherungsträger nicht übernommen werde. Die
Stromkostenerstattung sei auch nicht mit der
Einkommensteuererstattung vergleichbar.
4
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen
Rechts und macht geltend: Die Stromkostenerstattung sei
Einkommen iS des § 11 SGB II. Es gebe keine Rechtsgrundlage, die
die Anrechnung von Stromkostenguthaben als Einkommen
ausschließe. Aus dem § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF ergebe sich, dass
der Gesetzgeber Stromkosten anders als Betriebskosten nach wie
vor als Einkommen ansehe. Die Stromkostenerstattung könne nicht
als Vermögen angesehen werden, wie sich aus der Zuflusstheorie
ergebe. Höhere Abschlagszahlungen für Stromkosten, als letztlich an
Strom verbraucht werde, seien kein bewusstes und freiwilliges
Ansparen. Vor der Abrechnung der Stromkosten könne die Klägerin
nicht über den entsprechenden Betrag verfügen. Bei einer
Nichtanrechnung der Stromkostenerstattung würden die
entsprechenden Hilfebedürftigen privilegiert, weil sie Einkommen, das
sie erhielten, nicht zur Deckung ihres Bedarfes verwenden müssten,
obwohl sparsames Haushalten und die Deckung des Bedarfs
möglichst aus eigener Kraft von einem Hilfebedürftigen zu erwarten
sei.
5
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. September 2010
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7 Die zulässige Sprungrevision des Beklagten ist unbegründet
(§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Die
Voraussetzungen für eine (teilweise) Aufhebung der ursprünglichen
Bewilligung von Leistungen liegen nicht vor. Bei der nach
Antragstellung im Bedarfszeitraum zugeflossenen Rückzahlung
nach Abrechnung der in den vorangegangenen
Bewilligungsabschnitten gezahlten Stromkosten handelt es sich
nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen, wie das SG
zutreffend entschieden hat. Da der Bewilligungsbescheid nicht
aufzuheben ist, scheidet auch eine Erstattung nach § 50 Abs 1
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus.
8
Als Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des Bescheides
vom 4.12.2006 über die Bewilligung von Leistungen kommt nur § 40
Abs 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
III) iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X in Betracht. Hiernach ist,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim
Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben,
eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der
Veränderung der Verhältnisse der Verwaltungsakt aufzuheben,
soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts
Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung
des Anspruchs geführt hat. Als Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf
einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile
dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des
Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X). Beginn des
Anrechnungszeitraums ist im SGB II nach § 13 SGB II iVm § 2 Abs 3
Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) idF vom
20.10.2004 (BGBl I 2622) iVm § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005
(BGBl I 2499) der Beginn des Monats, in dem das Einkommen
zufließt.
9 Durch die am 23.2.2007 zugeflossene Rückzahlung der
abgerechneten Stromkosten ist entgegen der Auffassung des
Beklagten zum 1.2.2007 eine wesentliche Änderung in den
Verhältnissen der Klägerin, die dem Bewilligungsbescheid vom
4.12.2006 zugrunde lagen, nicht eingetreten. Die Rückzahlung war
im Februar 2007 zwar Einkommen und nicht Vermögen (dazu 1.),
als solches ist sie aber nicht zu berücksichtigen (dazu 2.).
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1. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu
berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme
der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine
entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und Renten oder
Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden
an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei
ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung
der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate
grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig
dazu erhält, und Vermögen, was er vor Antragstellung bereits hatte.
Es ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich
wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt
(modifizierte Zuflusstheorie: BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS
26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom
30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11
Nr 15 RdNr 18; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE
106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30 RdNr 15; BSG Urteil vom
24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R; anknüpfend an die Rechtsprechung
des BSG zur Arbeitslosenhilfe: Urteil vom 11.2.1976 - 7 RAr 159/74 -
BSGE 41, 187 = SozR 4100 § 137 Nr 1; Urteil vom 20.6.1978 - 7
RAr 47/77 - BSGE 46, 271 = SozR 4100 § 138 Nr 3; Urteil vom
12.12.1996 - 11 RAr 57/96 - BSGE 79, 297 = SozR 3-4100 § 138 Nr
9; und die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zur Sozialhilfe: Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 35/97 -
BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649, juris RdNr 13 ff; 5 C 14/98 -
NJW 1999, 3137; 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 ff).
11
Auch wenn Einnahmen aus bereits bestehenden Rechtspositionen
erzielt werden (zB Auszahlung des Gehalts als Erfüllung der
Gehaltsforderung) und eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete
(noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt,
gehört die Forderung, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht (zB
noch nicht erfüllte Gehaltsforderungen für zurückliegende Monate),
zu seinem Vermögen. Das führt jedoch nicht zu einer Konkurrenz
dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die
Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen
wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer
(Geld-) Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung
von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die
Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen
ab. Das gilt allerdings nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten
Einkünften Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen
oder Versicherungen. Denn andernfalls wertete man den Rückgriff
auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen. Dementsprechend
bleibt ein Sparguthaben bei seiner Auszahlung Vermögen
(BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr
16 RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift unter Bezugnahme auf die
Rechtsprechung des BVerwG zu § 76 BSHG und dessen Urteile
vom 18.2.1999 aaO; Gegenbeispiel Einkommensteuererstattung:
BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15 RdNr 18).
12
Bei der Rückerstattung von Vorauszahlungen auf der Grundlage
von Energielieferverträgen ist von der Maßgeblichkeit des
tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen
Einkommen und Vermögen nicht abzuweichen, wovon das SG und
die Beteiligten zutreffend ausgehen. Solche Rückzahlungen
erfolgen nicht aus bereits erlangten Einkünften, mit denen ein
gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde. Im Ergebnis kommt
damit nur die Berücksichtigung der Rückzahlung als Einkommen im
Bedarfszeitraum, nicht dagegen als Vermögen in Betracht
(ebenso zur Stromkostenerstattung im Anwendungsbereich des
SGB XII: BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500
§ 82 Nr 5 RdNr 16 und - insoweit ohne weitergehende Begründung -
zur Betriebskostenerstattung: BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b
AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37)
.
13
2. Die Stromkostenerstattung war zwar eine Einnahme der Klägerin
und ihrer Tochter im Februar 2007, ist jedoch nicht als Einkommen
nach § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen. Für die Definition des
Begriffs "Einkommen" ist - über die obige Abgrenzung "alles, was
jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält," hinaus - dem
Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II lediglich zu entnehmen, dass
ua "Leistungen nach diesem Buch" von vornherein von der
Berücksichtigung ausgenommen sind.
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a) Ein unmittelbarer Anwendungsbereich dieser Alternative des § 11
Abs 1 Satz 1 SGB II ist vorliegend nicht gegeben. Unabhängig
davon, ob die Vorauszahlungen für die Stromkosten von der
Klägerin aus ihrer Hinterbliebenenrente oder ihren SGB II-
Leistungen erbracht wurden, erfolgte die Rückzahlung jedenfalls
nicht auf Grundlage der Vorschriften des SGB II durch den Träger
der Grundsicherung, sondern aufgrund der Regelungen in dem
Energieliefervertrag.
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b) Eine Rückzahlung von Stromkosten, die auf Vorauszahlungen in
Zeiträumen beruht, in denen Hilfebedürftigkeit nach §§ 7, 9 SGB II
bestand, kann aber nach Sinn und Zweck des § 11 Abs 1 und § 20
SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
16
Dies folgt zum einen aus der Wertung, die dem Ausschluss von
"Leistungen nach diesem Buch" von der Berücksichtigung als
Einkommen in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmen ist
(in diesem Sinne Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr
273; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 33;
Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die
Anwendung des SGB II zu § 11 Nr 11.61)
. Zum anderen handelt es sich bei den Zahlungen für
Haushaltsenergie um die Befriedigung eines dem § 20 SGB II
zuzuordnenden Grundbedarfs. Der Bemessung dieses
Grundbedarfs nach dem Statistikmodell liegt der
verfassungsrechtlich zulässige Gedanke zugrunde, dass die
regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge von
vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert sind und den
Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen ermöglichen.
Der Hilfebedürftige soll über den Einsatz seiner Mittel (sei es aus der
Regelleistung, sei es aus zu berücksichtigendem Einkommen)
hinsichtlich des Regelbedarfs im Einzelnen selbst bestimmen und
einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag
höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben
in einem anderen ausgleichen können
(dazu BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -
BVerfGE 125, 175, RdNr 205)
. Dementsprechend schließt der Regelbedarf ausdrücklich einen
Ansparbetrag ein, der seine Entsprechung in dem
Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 1 Nr 4 SGB II findet
(vgl BT-Drucks 15/1516 S 53). Damit ist es aber auch geboten,
Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen
resultieren, über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der
Berücksichtigung als Einkommen freizustellen.
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Von daher ist es unerheblich, ob die Klägerin die Vorauszahlungen
für die Stromkosten aus ihrer Hinterbliebenenrente oder ihren SGB
II-Leistungen erbracht hat. Entscheidend ist alleine, dass sie
während dieser Zeit hilfebedürftig nach dem SGB II war und sich
durch die Berücksichtigung ihres Einkommens aus der
Hinterbliebenenrente nichts an der Zusammensetzung ihres
verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nach §§ 20 ff
SGB II änderte.
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c) Soweit der Beklagte dagegen einwendet, das SGB II enthalte kein
Belohnungssystem, um Hilfebedürftige durch die
Nichtberücksichtigung der Rückzahlung zu privilegieren, vielmehr
sei sparsames Haushalten von einem Hilfebedürftigen zu erwarten,
um den Bedarf möglichst aus eigener Kraft zu decken, führt diese
Argumentation im Kern zu einer Anwendung des
"Bedarfsdeckungsgrundsatzes", wie er zum Recht der Sozialhilfe
nach dem BSHG entwickelt worden ist. Diesen
Bedarfsdeckungsgrundsatz des BSHG hat der Gesetzgeber in das
SGB II jedoch nicht übernommen.
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Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es konstitutiver
Bestandteil des Systems des SGB II ist, eine abweichende
Festsetzung der Regelbedarfe gerade nicht vorzusehen
(vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 22
zur Verköstigung während eines Krankenhausaufenthalts; BSG
Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R - zur kostenlosen
Verpflegung durch Familienangehörige;
BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9
RdNr 20 zu nicht bezifferbaren Unterstützungsleistungen von
Verwandten oder Verschwägerten)
. Im Rahmen der durch § 20 Abs 1 SGB II genannten
Grundbedürfnisse ist es mit dem Sinn und Zweck der
Pauschalierung nicht vereinbar, eine individuelle Bedarfsprüfung
vorzunehmen.
20
Damit ist es nach dem SGB II nicht zulässig, zusätzliche Bedarfe,
wie etwa erhöhte Stromkosten
(so ausdrücklich: BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R -
BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 RdNr 27)
, im Rahmen des Regelbedarfs bedarfserhöhend geltend zu
machen. Abweichende laufende Bedarfe können lediglich im
Anwendungsbereich des § 21 SGB II Berücksichtigung finden. Für
die Kürzung der Regelleistung besteht aber ebenso wenig eine
Rechtsgrundlage. Hätten die Klägerin und ihre Tochter die
Herabsetzung der Abschlagszahlungen gegenüber dem
Stromversorger zu einem früheren Zeitpunkt erreicht, wären solche
Einsparungen ihnen (und nicht dem Träger der Grundsicherung)
zugute gekommen. Ebenso wie dem Hilfebedürftigen zB zu
berücksichtigendes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit bei einer
anderen steuerrechtlichen Gestaltung im Bedarfszeitraum
bedarfsmindernd zur Verfügung gestanden hätte und es deshalb
auch bei Zufluss erst mit der Steuererstattung zu berücksichtigendes
Einkommen bleibt
(vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18 am Ende)
, kann ein anderer Mitteleinsatz für die Regelbedarfe nicht zur
Gewährung einer nur verminderten Regelleistung (bzw dem Ansatz
eines niedrigeren Bedarfs) führen.
21
Da § 20 SGB II - anders als § 28 SGB XII - die Berücksichtigung
abweichender Bedarfe beim Regelbedarf von vornherein
ausschließt, lässt sich aus dem sogenannten Nachranggrundsatz
nicht der Schluss ziehen, dass die Berücksichtigung von ersparten
Aufwendungen als Einkommen geboten ist
(zur abweichenden Rechtslage nach dem SGB XII: BSG Urteil vom
19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5, RdNr 19 und
nunmehr die Neuregelung in § 82 Abs 1 Satz 2 SGB XII durch das
RBEG)
.
22
d) Diesem Ergebnis stehen schließlich die Entscheidung des Senats
vom 15.4.2008
(B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37), wonach
Rückzahlungen von Betriebskosten, die den Kosten der Unterkunft
zuzurechnen sind, als Einkommen zu berücksichtigen sind, und die
durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für
Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006
getroffene Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF
(jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG) nicht entgegen.
23
Denn ebenso wie heute bestand nach der alten Rechtslage
zwischen Betriebs- und Heizkosten einerseits und Stromkosten
andererseits insofern ein gravierender Unterschied, als die Betriebs-
und Heizkosten - vorbehaltlich ihrer Angemessenheit - in
tatsächlicher Höhe zu übernehmen waren (§ 22 Abs 1 SGB II),
während die Stromkosten, soweit sie nicht ausnahmsweise für die
Heizung benötigt wurden, nicht gesondert übernommen wurden,
sondern, wie ausgeführt, als Haushaltsenergie pauschaliert in der
Regelleistung enthalten waren.Auch die Einfügung des § 22 Abs 1
Satz 4 SGB II aF (jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG)spricht für
diese Differenzierung, weil er auf Rückzahlungen und Guthaben
beschränkt ist, die den Kosten für Unterkunft zuzuordnen sind, und
auch nach der Gesetzesbegründung für die Regelung
(Bericht des Bundestagsausschusses, BT-Drucks 16/1696 S 7, 26 f)
Kosten für Haushaltsenergie ausdrücklich ausgenommen sind.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.