Urteil des BSG vom 25.04.2018

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Zusammenleben eines Elternteils mit einem unter 25-jährigen Kind mit bedarfsdeckendem eigenen Einkommen - Aufteilung der tatsächlichen Aufwendungen nach Kopfteilen - Angemessenheitsprüfung - Produkttheorie -

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 25.4.2018, B 14 AS 14/17
R
ECLI:DE:BSG:2018:250418UB14AS1417R0
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung -
Zusammenleben eines Elternteils mit einem unter 25-jährigen
Kind mit bedarfsdeckendem eigenen Einkommen -
Aufteilung der tatsächlichen Aufwendungen nach Kopfteilen
- Angemessenheitsprüfung - Produkttheorie - angemessene
Wohnungsgröße - Maßgeblichkeit der Anzahl der Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Mai 2017
und des Sozialgerichts Stade vom 24. Juni 2016 aufgehoben
und der Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 23. Mai
2012 verurteilt, der Klägerin für Juni 2012 als Leistungen für die
Unterkunft und Heizung 252,50 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in
allen drei Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
1
Umstritten ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für
den nach einem in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG
geschlossenen Teilvergleich allein streitig gebliebenen Monat Juni
2012.
2
Die 1965 geborene Klägerin bewohnte im Jahr 2012 gemeinsam mit
ihrer 1996 geborenen Tochter eine 80 qm große
Dreizimmerwohnung, für die insgesamt 505 Euro zu zahlen waren
(350 Euro Nettokaltmiete zzgl 80 Euro Nebenkosten sowie
Heizkosten von 75 Euro monatlich). Das beklagte Jobcenter
übernahm nur die aus seiner Sicht angemessenen
Unterkunftskosten. Diese wurden aus dem Tabellenwert für einen
Zwei-Personen-Haushalt im Wohnort der Klägerin nach dem WoGG
zzgl 10 % abgeleitet. Dementsprechend bewilligte der Beklagte der
Klägerin Alg II unter Berücksichtigung ihres Kopfteils von 193,60
Euro, während er bei der Tochter von bedarfsdeckendem Einkommen
ausging, sodass sich für diese kein Leistungsanspruch ergab
(Bescheid vom 23.5.2012 bezüglich des Monats Juni 2012).
3
Die dagegen erhobene Klage mit der Begründung, es seien die Werte
der Wohngeldtabelle für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu
legen, sodass sich eine zulässige Bruttokaltmiete von 321,20 Euro
statt von 193,60 Euro errechne, ist in beiden Instanzen ohne Erfolg
geblieben
(Urteil des SG vom 24.6.2016 und Urteil des LSG vom 3.5.2017). Das
LSG hat ausgeführt, der Beklagte sei hinsichtlich der angemessenen
Bedarfe für Unterkunft zutreffend von den Werten des § 12 WoGG
unter Zugrundelegung eines Zwei-Personen-Haushaltes
ausgegangen. Die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung
bezüglich reiner Wohngemeinschaften und Haushaltsgemeinschaften
zwischen Verwandten, die keine Bedarfsgemeinschaft bildeten, sei
auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Das Bestehen
oder Nichtbestehen einer Bedarfsgemeinschaft von Mutter und
Tochter hänge von den Einkommensverhältnissen der letzteren ab,
die sich jederzeit ändern könnten. Eine Bedarfsgemeinschaft könne
in solchen Fallkonstellationen nicht generalisierend verneint werden,
zumal auch hinsichtlich der Wohnverhältnisse nicht zwei Ein-
Personen-Haushalte angenommen werden könnten.
4
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine
Verletzung von § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, weil sie mit ihrer Tochter keine
Bedarfsgemeinschaft gebildet habe, sodass, ausgehend von den
Werten für einen Ein-Personen-Haushalt, bei ihr die Hälfte der
tatsächlichen Unterkunftskosten zu berücksichtigen sei.
5
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3.
Mai 2017 und des Sozialgerichts Stade vom 24. Juni 2016
aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom
23. Mai 2012 zu verurteilen, ihr für Juni 2012 als Leistungen für die
Unterkunft und Heizung 252,50 Euro zu zahlen.
6
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet
(§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Urteile des LSG und des SG sind
aufzuheben und der Beklagte ist unter Änderung des Bescheids
vom 23.5.2012 zu verurteilen, der Klägerin für Juni 2012 Leistungen
für Unterkunft und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen
Aufwendungen von 252,50 Euro zu zahlen.
8
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der
Vorinstanzen sowie (nur noch) der Bescheid des beklagten
Jobcenters vom 23.5.2012
(§ 96 Abs 1 SGG, § 39 Abs 2 SGB X; hierzu letztens BSG vom
14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-
4200 § 22, RdNr 9 mwN)
. Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässig auf die Leistungen
für Unterkunft und Heizung beschränkt
(stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 =
SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f)
, um deren angemessene Höhe gestritten wird.
9 2. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende
Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Die Klägerin verfolgt ihr
Begehren zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG).
10
Zutreffend richtet sich die Klage gegen das Jobcenter des beklagten
Landkreises O. Zwar ist der Bescheid vom 23.5.2012 von der
Samtgemeinde H. erlassen worden, doch liegt dem weder eine
abweichende Trägerschaft für Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende noch eine Wahrnehmungszuständigkeit der
Samtgemeinde zugrunde
(vgl zu einer solchen BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 65/13 R -
BSGE 117, 186 = SozR 4-4200 § 7 Nr 39, RdNr 9 f)
. Nur der beklagte Landkreis ist ein zugelassener kommunaler
Träger nach § 6a SGB II
(Anlage zu § 1 der Kommunalträger-Zulassungsverordnung). Die
Samtgemeinde ist vom Beklagten zur Durchführung der diesem als
zugelassenen kommunalen Träger obliegenden Aufgaben nur in
dessen Namen herangezogen worden
(vgl § 3 Abs 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des
SGB II vom 16.9.2004 und der darauf basierenden
Kooperationsvereinbarung zwischen der Samtgemeinde H. und dem
Landkreis O., dort §§ 1 und 2)
.
11
3. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten
Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist § 19
iVm §§ 7 ff sowie § 22 Abs 1 SGB II idF, die das SGB II zuletzt vor
dem streitbefangenen Zeitraum durch das Vierte Gesetz zur
Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22.12.2011
(BGBl I 3057)erhalten hat, denn in Rechtsstreitigkeiten über schon
abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen
Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden
(Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15
R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 15 mwN)
.
12
4. Die Klägerin erfüllte nach dem Gesamtzusammenhang der
Feststellungen des LSG die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs 1
Satz 1 SGB II und es lag für sie kein Ausschlusstatbestand vor. Die
Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs 1 Satz
1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit
sie angemessen sind.
13
a) Da die Klägerin die Wohnung nicht alleine, sondern mit ihrer
minderjährigen Tochter bewohnte, ist zunächst die Verteilung der
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung vorzunehmen
(vgl zuletzt BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 21/17 R - vorgesehen für
SozR 4)
. Diese hat, ohne Rücksicht darauf, wen insoweit die vertraglichen
Zahlungsverpflichtungen treffen, im Regelfall unabhängig von Alter
und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf zu erfolgen, wenn die
leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen
Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen nutzt.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer
Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund dieses
Kopfteilprinzips sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie
die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung
durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt
abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität
der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die
Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt
(stRspr seit BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265
= SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 f; vgl zuletzt BSG vom 14.2.2018
- B 14 AS 17/17 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 22,
RdNr 13 ff)
.
14
b) Ausgehend von den tatsächlichen Kosten für die Unterkunft (430
Euro) und für die Heizung (75 Euro), also insgesamt 505 Euro,
entfällt nach dem Kopfteilprinzip auf die mit ihrer Tochter zusammen
wohnende Klägerin ein Betrag von 252,50 Euro.
15
5. Dieser Betrag ist angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.
16
Bei der Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen ist die
abstrakt angemessene Referenzmiete zu ermitteln, die sich aus dem
Produkt der abstrakt angemessenen Wohnfläche und dem
maßgeblichen Standard ergibt, der sich in einem abstrakt
angemessenen Quadratmeterpreis im Vergleichsraum niederschlägt
(Produkttheorie, stRspr siehe zB BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS
18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21 ff; BSG
vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70)
.
17
a) Hinsichtlich der angemessenen Wohnungsgröße ist im Rahmen
der Produkttheorie von den Werten des sozialen Wohnungsbaus
auszugehen. Die Angemessenheit richtet sich grundsätzlich nach
den Festlegungen der Länder aufgrund des § 10
Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2376). Für
Niedersachsen gilt die Richtlinie über die soziale
Wohnraumförderung
(WfB 2003; zuletzt Niedersächsisches Ministerialblatt 2002, 554).
Nach deren Ziff 11 ist für Alleinstehende eine Wohnfläche von bis zu
50 qm angemessen, für zwei Haushaltsmitglieder von bis zu 60 qm.
18
Allerdings ist im SGB II nicht auf die Anzahl der Mitglieder eines
Haushalts, sondern der Bedarfsgemeinschaft abzustellen, denn die
Frage der Angemessenheit kann stets nur im Hinblick auf den
Leistungsberechtigten nach dem SGB II und den mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen beantwortet werden. Nur
für diesen Personenkreis ergeben sich im Hinblick auf die
Angemessenheit Begrenzungen
(stRspr BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 §
22 Nr 12 RdNr 21; vgl auch BSG vom 9.3.2016 - B 14 KG 1/15 R -
SozR 4-5870 § 6a Nr 6 RdNr 28 ff zu § 6a BKGG)
. Lebt ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nicht mit anderen
Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, ist demnach bei der
Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft
nach der Produkttheorie allein auf ihn als Einzelperson abzustellen
(vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22
Nr 12 RdNr 20 ff)
. Dies gilt auch für den Fall, dass zwar alle Bewohner einer Familie
angehören, dazu gehörende Kinder aber deshalb nach § 7 Abs 3 Nr
4 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, weil sie über
bedarfsdeckendes Einkommen verfügen
(BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34
RdNr 23)
.
19
Nach diesen Maßstäben ist für die Angemessenheitsprüfung
vorliegend nur auf die Klägerin abzustellen, da die Tochter gemäß
der genannten Vorschrift deshalb nicht zur Bedarfsgemeinschaft
gehört, weil sie ihren Bedarf aus eigenen Mitteln bestreiten kann.
20
b) Zur Bestimmung der Referenzmiete im Vergleichsraum hat das
LSG zutreffend auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG
(idF vom 9.12.2010, gültig vom 1.1.2011 bis 31.12.2015) zzgl eines
Sicherheitszuschlags von 10 % zurückgegriffen, nachdem es
festgestellt hatte, dass es an Datengrundlagen fehlt, aufgrund derer
ein schlüssiges Konzept hätte ermittelt werden können, und dass
eigene Erhebungen aufgrund fehlender Datengrundlagen für die
Vergangenheit nicht mehr vorgenommen werden könnten
(vgl BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 85
RdNr 25 ff)
.
21
Für die Samtgemeinde H., in der die Klägerin wohnt, ist die Mietstufe
I des Landkreises O. zugrunde zu legen
(vgl Anlage zu § 1 Abs 3 WoGV: Mietenstufen der Gemeinden nach
Ländern)
. Danach ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt ein Betrag von
292 Euro, zzgl 10 %, also 321,20 Euro. Die bei der Klägerin zu
berücksichtigende Bruttokaltmiete von 215 Euro (430 Euro brutto
kalt geteilt durch zwei) liegt damit im Angemessenheitsbereich. Die
kopfteiligen Heizkosten von 37,50 Euro sind ohnehin angemessen.
Der Klägerin sind damit für Juni 2012 als Bedarf für Unterkunft und
Heizung insgesamt 252,50 Euro - abzüglich bereits erbrachter
Leistungen - zu zahlen.
22
c) Das Ergebnis, dass bei einem alleinerziehenden Elternteil, der mit
einem minderjährigen Kind zusammen lebt, das seinen eigenen
Bedarf decken kann, für die Ermittlung der angemessenen
Aufwendungen für Unterkunft von einem eigenständigen Ein-
Personen-Haushalt bzw einer "Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft"
auszugehen ist, folgt aus dem "Konstrukt" der Bedarfsgemeinschaft
(BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-
4200 § 22 Nr 1)
als Besonderheit des SGB II. Auf eine Haushaltsgemeinschaft kann
in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, weil eine solche
von Verwandten nur in § 9 Abs 5 SGB II geregelt wird
(vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22
Nr 12; BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22
Nr 34)
.
23
6. Es bestehen keine durchschlagenden rechtlichen Gründe für eine
Korrektur der genannten, auf die Bedarfsgemeinschaft Bezug
nehmende Rechtsprechung
(vgl dazu neuestens BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - zur
Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 22)
für den Fall einer Alleinerziehenden, die mit ihrem minderjährigen
Kind zusammen lebt, das seinen Bedarf mit eigenem Einkommen
decken kann, also mit ihr gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II keine
Bedarfsgemeinschaft bildet. Der vom LSG angeführte
Gesichtspunkt, dass sich die Beurteilung, ob eine
Bedarfsgemeinschaft vorliegt, in Abhängigkeit vom Einkommen des
Kindes jederzeit ändern kann, greift nicht durch. Derartige
Änderungen sind der Ausfluss des im SGB II grundsätzlich
geltenden Monatsprinzips
(stRspr, vgl nur BSG vom 30.3.2017 - B 14 AS 18/16 R - SozR 4-
4200 § 11 Nr 81 RdNr 18)
und ergeben sich auch bei einer Einkommensänderung bei der
Mutter.
24
Nichts anderes folgt aus der möglichen Änderung der
Wohnverhältnisse aufgrund geänderten Einkommens. Entgegen der
Auffassung des LSG führt das Abstellen auf das Monatsprinzip nicht
zu Zirkelschlüssen. Die Überlegungen hinsichtlich der Auswirkungen
auf die Wohnsituation beruhen auf der Annahme, dass bei einem
Kind, das seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken kann,
zwingend nur die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft
und Heizung zugrunde zu legen seien. Dafür ist jedoch
insbesondere bei einem Kind, das hinreichend hohen Unterhalt
erhält, kein Rechtsgrund zu erkennen. Auszugehen ist vielmehr bei
der Bedarfsberechnung vom Kopfteil der tatsächlichen
Aufwendungen, denn wenn und soweit das Kind diese und seine
übrigen Bedarfe decken kann, gehört es nicht zur
Bedarfsgemeinschaft und unterliegt auch nicht den
Beschränkungen des SGB II hinsichtlich der Angemessenheit. Eine
Beschränkung der Angemessenheitsgrenze für die Mutter auf die
Hälfte der Aufwendungen eines Zwei-Personen-Haushalts hätte
auch nicht gerechtfertigte Auswirkungen auf die Wohnverhältnisse
des Kindes, denn wenn die Mutter eine geforderte Kostensenkung
durch Umzug oder eine andere Einschränkung ihrer
Wohnverhältnisse umsetzen will, wirkt sich dies unmittelbar auf das
Kind aus, obwohl dieses seine Hälfte der tatsächlichen
Aufwendungen decken kann. Führt die Mutter keine Kostensenkung
durch, muss sie den fehlenden Teil der Aufwendungen für die
Unterkunft systemwidrig entweder aus ihrem Regelbedarf
finanzieren oder entgegen der Intention des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II
aus dem Einkommen des Kindes.
25
Schließlich könnte eine Korrektur im Sinne einer Einschränkung
hinsichtlich der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur bei
Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern erfolgen, vielmehr
müsste die Ausnahme systemgerecht auf alle Kinder unter 25
Jahren ausgedehnt werden (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II) und würde
auch nicht nur bei Alleinerziehenden greifen, sondern auch bei so
genannten "Patchwork-Familien", denn auch in diesen
Konstellationen kann hinsichtlich eines Kindes aufgrund
bedarfsdeckenden Einkommens eine Zugehörigkeit zur
Bedarfsgemeinschaft zu verneinen sein. Eine solche nicht genau
überschaubare Zahl von Ausnahmen ist mit der klaren normativen
Aussage des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht vereinbar.
26
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.