Urteil des BSG vom 05.05.2010

Urteil vom 05.05.2010

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 5.5.2010, B 12 R 9/09 R
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 5.5.2010 - B 12 R
6/09 R.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger in der Zeit vom
22.8.2001 bzw 27.11.2001 bis zum 30.9.2004 als nicht erwerbsmäßig
tätige Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung
versicherungspflichtig waren.
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Die Mutter der Klägerin zu 1. und Schwiegermutter des Klägers zu 2.
ist bei der beigeladenen Pflegekasse versichert und bezieht seit dem
22.8.2001 als Schwerpflegebedürftige nach Pflegestufe II
Kombinationsleistungen. Im streitigen Zeitraum wurde sie von einem
Pflegedienst und im Übrigen von den Klägern, die beide daneben
nicht anderweitig erwerbstätig waren, im wöchentlichen Wechsel in
ihrer Wohnung gepflegt. In dem zur Beurteilung der
Pflegebedürftigkeit und zur Zuordnung zu den Pflegestufen
eingeholten sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz vom
22.10.2001 wurden als täglicher Pflegebedarf für die Grundpflege 135
Minuten und für die hauswirtschaftliche Versorgung 71 Minuten,
insgesamt 206 Minuten angegeben. Von diesem wöchentlichen
Pflegeaufwand von 24 Stunden leistete der Pflegedienst 3,5 Stunden
wöchentlich. Die Beigeladene entrichtete für die Kläger als nicht
erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen zunächst
Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte, worüber sie die Kläger
unter dem 16.11. und 10.12.2001 unterrichtete.
3
Nachdem die Beigeladene den Klägern im November 2004 mitgeteilt
hatte, dass seinerzeit nicht berücksichtigt worden sei, dass beide die
Pflege jeweils nur zum Teil im Umfang von etwa 10,5 Stunden
wöchentlich geleistet hätten, Rentenversicherungspflicht deshalb
irrtümlich angenommen worden sei und sie die
Rentenversicherungsbeiträge zu Unrecht entrichtet habe, erhoben die
Kläger hiergegen Einwände und gab die Beigeladene die Vorgänge
an die Beklagte zur Prüfung der Rentenversicherungspflicht ab. Mit
an den Kläger zu 2. gerichtetem Bescheid vom 20.12.2004 und an
die Klägerin zu 1. gerichtetem Bescheid vom 6.1.2005 lehnte die
Beklagte die bei der Beigeladenen gestellten Anträge auf Zahlung
von Rentenversicherungsbeiträgen ab und stellte fest, dass diese in
den maßgeblichen Zeiträumen der Rentenversicherungspflicht als
nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen nicht unterlegen hätten,
weil der Umfang der Pflegetätigkeit nach den Feststellungen der
Pflegekasse jeweils unter 14 Stunden in der Woche gelegen habe.
Die Widersprüche wies die Beklagte mit zwei
Widerspruchsbescheiden vom 15.4. (gegenüber dem Kläger zu 2.)
und 11.5.2005 (gegenüber der Klägerin zu 1.) zurück.
4
Die Kläger haben Klage erhoben und die Aufhebung der Bescheide
der Beklagten vom 20.12.2004 bzw 6.1.2005 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 15.4.2005 bzw 11.5.2005 sowie die
Feststellung der Rentenversicherungspflicht als Pflegepersonen in
den streitigen Zeiträumen begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die
Klagen nach deren Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung mit Urteil vom 29.11.2007 abgewiesen. Auf die
Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom
21.5.2008 die vorinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen
Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin zu 1. im
Zeitraum vom 22.8.2001 bis zum 30.9.2004 und der Kläger zu 2. im
Zeitraum vom 27.11.2001 bis zum 30.9.2004 in der gesetzlichen
Rentenversicherung nach § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI
versicherungspflichtig waren. Die Entscheidung ist im wesentlichen
wie folgt begründet: Die Kläger seien in den streitigen Zeiträumen als
nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen
rentenversicherungspflichtig gewesen. Der Begriff der Pflegeperson in
§ 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI sei mit demjenigen in § 19 SGB XI identisch.
Aus der in § 19 Satz 1 SGB XI erfolgten Bezugnahme auf § 14 SGB
Aus der in § 19 Satz 1 SGB XI erfolgten Bezugnahme auf § 14 SGB
XI sei indessen nicht abzuleiten, dass die Mindestpflegezeit von 14
Stunden wöchentlich nur mit Hilfeleistungen bei den in § 14 Abs 4
SGB XI genannten Verrichtungen erfüllt werden könne. § 19 SGB XI
sei vielmehr im Zusammenhang mit § 4 Abs 2 Satz 1 SGB XI zu
betrachten, wonach die Leistungen der Pflegeversicherung lediglich
ergänzenden Charakter hätten. Insoweit sei bei der Bemessung der
Mindestpflegezeit auch der zeitliche Aufwand für ergänzende
Pflegeleistungen einzubeziehen, die nicht aus Mitteln der
Pflegeversicherung finanziert würden. Eine solche Auslegung könne
sich auf die Gesetzesmaterialien zu § 19 Satz 2 SGB XI stützen und
entspreche auch dem mit der Einführung der
Rentenversicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig tätige
Pflegepersonen verfolgten Zweck, die Pflegebereitschaft im
häuslichen Bereich zu fördern und anzuerkennen. Anders als im
Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, in dem der Gesetzgeber
mit § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII eine Einschränkung der versicherten
Tätigkeiten auf solche nach § 14 Abs 4 SGB XI vorgenommen habe,
seien Einschränkungen für die gesetzliche Rentenversicherung nicht
formuliert. Komme es danach auf den im Gutachten vom 22.10.2001
mit 24 Stunden festgestellten wöchentlichen Pflegebedarf allein nicht
an, so sei die von den Klägern erbrachte Hilfe zur Befriedigung der
kommunikativen Bedürfnisse mit einzurechnen. Weil die Pflege von
beiden im Wechsel vorgenommen worden sei, bedürfe es einer
wöchentlichen Pflegezeit von insgesamt mindestens 28 Stunden.
Diese werde von den Klägern erreicht. Nach richterlicher
Überzeugung ua auf der Grundlage der glaubhaften Darlegungen der
Kläger seien diese zusammen mehr als 32 bzw 34,5 Stunden in der
Woche pflegerisch tätig gewesen, so dass die erforderliche
Mindestpflegezeit von jedem von ihnen überschritten worden sei.
5
Die Beklagte hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und
rügt eine Verletzung von § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI. Ergänzende Pflege
und Betreuung iS von § 4 Abs 2 Satz 1 SGB XI seien bei der
Ermittlung der Mindestpflegezeit nicht zu berücksichtigen. Für eine
solche Auslegung des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI gebe es keine
Grundlage. Nach der Konzeption der Pflegeversicherung und den
einschlägigen Vorschriften solle eine Kongruenz zwischen
Leistungen der Pflegeversicherung an den Pflegebedürftigen und
solchen an die pflegende Person bestehen. Zwar scheine die
Gesetzesbegründung zu § 19 SGB XI die Auffassung des LSG zu
stützen. In der Gesetzesbegründung zu § 14 SGB XI komme jedoch
zum Ausdruck, dass nicht alle Pflegeleistungen von der
Solidargemeinschaft zu finanzieren seien. Ferner spreche der in § 44
Abs 1 Satz 2 SGB XI enthaltene Verweis auf § 166 Abs 2 SGB VI für
eine Berücksichtigung nur der Grundpflege und der Hilfe bei
hauswirtschaftlicher Versorgung. Denn danach orientiere sich die
Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen an der Zuordnung zu
den Pflegestufen. Schließlich bedürfe es für die Feststellung der
Rentenversicherungspflicht objektiver Maßstäbe. Es dürfe nicht in der
Hand von Pflegepersonen liegen, jede noch so geringfügige
Pflegeleistung sozial absichern zu lassen. Die Berücksichtigung
weitergehenden Hilfebedarfs würde zu einer massiven Ausweitung
des versicherungspflichtigen Personenkreises führen, für den
Pflegekassen Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen hätten,
sowie in vielen Fällen zu einer höheren Beitragsleistung. Bei dieser
Auslegung des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI ergebe sich auf der
Grundlage des Gutachtens vom 22.10.2001 eine Pflegezeit von 10,3
Stunden wöchentlich für jeden der Kläger mit der Folge, dass
Rentenversicherungspflicht nach dieser Vorschrift nicht begründet
worden sei.
6
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das
Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.11.2007 zurückzuweisen.
7
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
8
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. In § 3 Satz 1 Nr 1a
SGB VI werde auf den Katalog der §§ 14, 15 SGB XI bzw die
Pflegestufen nicht Bezug genommen. An den Inhalt des
Pflegegutachtens sei die Beklagte als Rentenversicherungsträger
nicht gebunden. Dieses sei überdies inhaltlich falsch.
9
Die Beigeladene schließt sich der von der Beklagten vertretenen
Auffassung an.
Entscheidungsgründe
10
Die Revision der Beklagten erweist sich im Sinne der Aufhebung
des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das
LSG als begründet. Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen,
dass die für die Rentenversicherungspflicht nicht erwerbsmäßig
tätiger Pflegepersonen geforderte (Mindest)Pflegezeit nicht nur mit
Hilfeleistungen bei der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und
Mobilität) und der hauswirtschaftlichen Versorgung erreicht werden
kann, sondern auch (zusätzlich) mit Zeitaufwand für weitergehende
bzw andere Pflegeleistungen im Ablauf des täglichen Lebens, und
hat (bei dessen Berücksichtigung) das Vorliegen dieser
Voraussetzung bejaht. Indessen kann mangels ausreichender
tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht
abschließend entschieden werden, ob die Kläger damit in den
streitigen Zeiträumen wegen der Pflege ihrer Mutter bzw
Schwiegermutter der Rentenversicherungspflicht nicht unterlagen
oder gleichwohl Rentenversicherungspflicht der Kläger begründet
war.
11
Nach § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI, der in den Jahren 2001 bis 2004
unverändert galt, sind Personen in der Rentenversicherung in der
Zeit versicherungspflichtig, in der sie einen Pflegebedürftigen iS des
§ 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden
wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht
erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige
Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten
Pflegeversicherung hat. Nach Satz 3 des § 3 SGB VI unterliegen
solche Personen der Rentenversicherungspflicht nach Satz 1 Nr 1a
nicht, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich
beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Diese Bestimmung
übernimmt die bereits in Satz 1 der leistungsrechtlichen Vorschrift
des § 44 Abs 1 SGB XI enthaltene Formulierung. Die
Versicherungspflicht der Pflegepersonen in der Rentenversicherung
konkretisiert diese Vorschrift
(vgl Urteil des Senats vom 23.9.2003 - B 12 P 2/02 R - SozR 4-2600
§ 3 Nr 1 RdNr 6)
. Nach deren Satz 1 entrichten die Pflegekassen und die privaten
Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-
Pflichtversicherung durchgeführt wird, sowie die sonstigen in § 170
Abs 1 Nr 6 SGB VI genannten Stellen zur Verbesserung der
sozialen Sicherung einer Pflegeperson iS des § 19 SGB XI Beiträge
an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Näheres hierzu regeln nach § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XI ua §§ 3, 166
und 170 SGB VI. § 166 Abs 2 SGB VI bestimmt die
beitragspflichtigen Einnahmen der nicht erwerbsmäßig tätigen
Pflegepersonen, § 170 Abs 1 Nr 6 SGB VI die Beitragstragung.
12
Das LSG ist zunächst - auf der Grundlage seiner Feststellungen zu
den Verhältnissen der Kläger als Pflegepersonen, den Verhältnissen
der pflegebedürftigen Mutter bzw Schwiegermutter und den
Umständen der Pflegetätigkeit - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis
gelangt, dass die Kläger in den streitigen Zeiträumen mit ihrer Mutter
bzw Schwiegermutter eine Pflegebedürftige iS des § 14 SGB XI mit
Leistungsanspruch in ihrer häuslichen Umgebung gepflegt haben,
und zwar nicht im Rahmen einer Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit und mehr als geringfügig
(vgl zu den Voraussetzungen § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 3, Satz 4 SGB VI),
und dass sie außerdem neben ihrer Pflegetätigkeit (anderweitig)
weder beschäftigt noch selbstständig tätig gewesen sind.
Unzutreffend hat das Berufungsgericht aber entschieden, dass die
nach § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI vorausgesetzte (Mindest)Pflegezeit
nicht nur mit Hilfeleistungen bei der Grundpflege und der
hauswirtschaftlichen Versorgung "ausgefüllt" werden kann, sondern
auch mit Zeitaufwand für ergänzende Pflege und Betreuung, und
hieraus den Schluss gezogen, dass die Mindeststundenzahl von
wenigstens 14 Stunden wöchentlich (bei dessen Berücksichtigung)
erreicht ist.
13
Bei der Feststellung, ob die nach § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI
notwendige Mindeststundenzahl der Pflege erreicht ist, ist nur der
Hilfebedarf zu berücksichtigen, der für die in § 14 Abs 4 SGB XI
genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen
Versorgung erforderlich ist. (Weitergehende bzw andere)
Pflegeleistungen bei Tätigkeiten im Ablauf des täglichen Lebens, die
nicht im Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI enthalten sind, etwa die
Zeit, die für Betreuungsleistungen aufgewendet wird, die in § 4 Abs
2 Satz 1 SGB XI als ergänzende Pflege und Betreuung bezeichnet
werden, sind bei der Ermittlung des Umfangs der (Mindest)Pflegezeit
nicht mitzurechnen. Diese Auslegung des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI
folgt aus dem Gesetzeszusammenhang, in den die Norm gestellt ist
(dazu 2), und teleologischen Erwägungen (dazu 3). Der Wortlaut der
Vorschrift gibt über die berücksichtigungsfähigen Pflegeleistungen
indessen keinen Aufschluss (dazu 1).
14
1) Zutreffend gehen die Kläger davon aus, dass dem Wortlaut des §
3 Satz 1 Nr 1a SGB VI eine eindeutige Antwort darauf, ob bei der
Feststellung der Mindeststundenzahl der Zeitaufwand für
Betreuungsleistungen außerhalb der in § 14 Abs 4 SGB XI
genannten Verrichtungen mit zu berücksichtigen ist, nicht
entnommen werden kann. Soweit der
Versicherungspflichttatbestand voraussetzt, dass nicht
erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen "pflegen", lassen sich hieraus
weder Anhaltspunkte für eine einschränkende noch solche für eine
erweiternde Auslegung, wie sie das LSG befürwortet, gewinnen.
Auch unter Berücksichtigung der während des
Gesetzgebungsverfahrens, das zum Pflegeversicherungsgesetz
(PflegeVG) führte, hervorgetretenen Vorstellungen seiner Verfasser
(vgl BT-Drucks 12/5262 S 82, 159; BT-Drucks 12/5952 S 52 f) ist der
Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI offen und lässt beide
Ansichten gleichermaßen zu. Ergänzend ist darauf hinzuweisen,
dass der Pflegebegriff sprachlich-grammatikalisch auch im Kontext
des SGB XI nicht eindeutig ist. Um ihn - im Sinne der Ziele der
Pflegeversicherung - operationabel zu gestalten, tendiert das SGB
XI - im Gegenteil - zu einer auf Grundpflege und hauswirtschaftliche
Versorgung eingeschränkten Verwendung des Pflegebegriffs
(vgl nur § 4 Abs 1 Satz 1 und § 36 SGB XI). Insoweit wird im SGB XI
das, was dort leistungsrechtlich unter Pflege zu verstehen ist, in § 14
SGB XI konkretisiert. Das Gesetz geht zwar allgemein davon aus,
dass im Sprachgebrauch auch weitere Betreuungsleistungen als
Pflege verstanden werden können, wenn in § 4 Abs 2 Satz 1 SGB
XI von ergänzender Pflege und Betreuung gesprochen wird.
Angesichts der leistungsrechtlichen Konkretisierung des
Pflegebegriffs in § 14 SGB XI erschiene jedoch eine von dieser
Konkretisierung abweichende Wortlautinterpretation
rechtfertigungsbedürftig.
15
2) Eine Auslegung der Norm, die die Rentenversicherungspflicht
nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen auf solche beschränkt,
die die notwendige Mindeststundenzahl mit Zeitaufwand für die
Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erreichen, ist
zunächst schon aus Gründen der (Gesetzes)Systematik geboten.
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Entscheidend ist, dass § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI die soziale
Sicherung von Pflegepersonen in der Rentenversicherung mit dem
Leistungsrecht der Pflegeversicherung
(vgl BSG, Urteil vom 23.9.2003, aaO, RdNr 6) und hier insbesondere
mit den Leistungen bei häuslicher Pflege verbindet. Die Entrichtung
von Beiträgen an den Rentenversicherungsträger ist ausdrücklich
als Leistung der - sozialen oder privaten - Pflegeversicherung
konzipiert (vgl § 28 Abs 1 Nr 10 iVm § 44 SGB XI). Die Anordnung
von Versicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig tätige
Pflegepersonen und die Verpflichtung zur Entrichtung von
Rentenversicherungsbeiträgen dienen letztlich der Erfüllung der der
Pflegeversicherung übertragenen Aufgabe, die in § 1 Abs 4 SGB XI
als Hilfe für Pflegebedürftige umschrieben ist. Die soziale Sicherung
von Pflegepersonen steht in diesem Kontext
(vgl Berchtold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm SozR
§ 3 SGB VI RdNr 3)
. Im Hinblick darauf besteht eine Akzessorietät der
Rentenversicherungspflicht und ihrer Voraussetzungen zu den
Voraussetzungen für die Leistungen der Pflegeversicherung,
angesichts derer nicht nachvollziehbar wäre, warum Leistungen, die
der Pflegeperson zugute kommen sollen, an andere Bedingungen
geknüpft sind als Leistungen, die Pflegebedürftigen gegenüber zu
erbringen sind
(ebenso Boecken, in: Ruland/Försterling, GK-Komm, SGB VI, Stand:
April 2008, § 3 RdNr 22i; Berchtold, aaO, RdNr 4; Fichte, in:
Hauck/Noftz, SGB VI, Stand: Juli 2007, § 3 RdNr 44; Knorr, in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 3 RdNr 58; Heberlein/Pick, in:
Behr/Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB XI, Stand: März
2005, § 19 RdNr 29).
In diesem Sinne liegt, wie die Revision zutreffend annimmt,
zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung an den
Pflegebedürftigen und die pflegende Person eine "Kongruenz" vor.
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Die vom Senat vorgenommene enge Auslegung des § 3 Satz 1 Nr
1a SGB VI wird durch die die Ermittlung der in der
Rentenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen nicht
erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen betreffende Regelung in §
166 Abs 2 SGB VI bestätigt, auf die § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XI
verweist. Diese Bestimmung hat ihre Endfassung erst auf Anregung
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen
Bundestags (11. Ausschuss) erhalten. Danach wird - anders als
noch im Gesetzentwurf (vgl BT-Drucks 12/5262 S 47, 160 f) - zur
Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen gestaffelt nicht nur
auf die jeweilige Stufe der Pflegebedürftigkeit abgestellt, sondern
zusätzlich auch innerhalb der Pflegestufe nach dem tatsächlichen
Zeitaufwand differenziert
(vgl zur Begründung BT-Drucks 12/5952 S 53). Die Auslegung des
§ 166 Abs 2 SGB VI ergibt, dass ergänzende Pflegeleistungen
beitragsrechtlich nicht berücksichtigt werden. Dieser Bemessung der
Rentenversicherungsbeiträge bei nicht erwerbsmäßig tätigen
Pflegepersonen in Abhängigkeit von der Pflegestufe und der Dauer
der Pflegetätigkeit widerspräche es, neben dem auf Grundpflege
und hauswirtschaftliche Versorgung entfallenden Zeitaufwand auch
denjenigen für ergänzende Pflege und Betreuung iS des § 4 Abs 2
Satz 1 SGB XI zu berücksichtigen. Die Verknüpfung von
Pflegebedarf und Dauer der Pflegeleistung nach § 166 Abs 2 SGB
VI, der sich für die Beitragsbemessung allein an den Vorgaben der
§§ 14, 15 SGB XI orientiert, spricht vielmehr für eine einheitliche
Beurteilung pflegerischer Tätigkeit als Parameter der
Beitragsbemessung und der (von ihr vorausgesetzten)
Versicherungspflicht
(vgl Boecken, aaO, RdNr 22i; Leube, SGb 1998, 97, 98 f).
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Dass der in § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI genannte Zeitraum von
wenigstens 14 Stunden wöchentlich nur mit im Zusammenhang des
SGB XI (leistungsrechtlich) relevanten Pflegeleistungen "ausgefüllt"
werden kann, kann vom LSG und den Klägern nicht unter Hinweis
auf die (in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Bezug genommene)
Vorschrift des § 19 SGB XI über den Begriff der Pflegepersonen in
Frage gestellt werden. Zutreffend ist allerdings, dass jedenfalls aus
der in § 19 Satz 1 SGB XI enthaltenen Bezugnahme auf § 14 SGB
XI, die sich auch in § 3 Satz 1 Nr 1a SGB XI findet, nicht zwingend
abzuleiten ist, dass bei der Feststellung des Umfangs der
(Mindest)Pflegezeit allein die für die Hilfe bei Verrichtungen nach §
14 Abs 4 SGB XI aufgewendete Zeit berücksichtigt werden kann.
Denn Funktion dieses Verweises ist lediglich klarzustellen, dass als
Pflegeperson nur in Betracht kommt, wer einen Pflegebedürftigen
wenigstens der Pflegestufe I betreut. Zu Unrecht wird jedoch vom
LSG § 19 Satz 2 SGB XI eine Aussage in seinem Sinne
entnommen. Allgemein wird hierzu ausgeführt: Die dort geregelte
(Mindest)Pflegezeit von wenigstens 14 Stunden wöchentlich, die
nach der ursprünglichen Fassung des § 19 SGB XI
(§ 19 SGB XI aF) den Begriff der Pflegepersonen mitbestimmte, seit
der Neufassung der Vorschrift durch das 1. SGB XI-ÄndG vom
14.6.1996 (BGBl I 830; Art 1 Nr 8) aus Gründen begrifflicher
Klarstellung (vgl BT-Drucks 13/3696 S 12) nur noch Bedeutung für
den Anspruch auf Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44
SGB XI hat, könne auch mit ergänzender Pflege und Betreuung
erreicht werden. Der Begriff der Pflege in § 19 Satz 2 SGB XI sei in
einem ganzheitlichen Sinn zu verstehen mit der Folge, dass der
einzubeziehende Pflegeaufwand damit sehr viel weitergehen könne
als der für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und ihre Stufe
maßgebliche Bedarf. Dieser Pflegebegriff sei auch bei der
Auslegung des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI zu beachten. Das LSG und
ein großer Teil der Kommentarliteratur zu § 19 SGB XI
(vgl etwa Gürtner, Kasseler Komm, Stand: September 2006, § 19
SGB XI RdNr 13; Wagner, in: Hauck/Wilde, SGB XI, Stand: Mai
2007, § 19 RdNr 27; Gallon in: Klie/Krahmer, LPK-SGB XI, § 19
RdNr 10; Trenk-Hinterberger, in: Wannagat, Komm, SGB XI, § 19
RdNr 12; Maschmann, SGb 1995, 325, 326; a.A. mittlerweile
Udsching, in: SGB XI-Komm, 3. Aufl, § 44 RdNr 15)
Udsching, in: SGB XI-Komm, 3. Aufl, § 44 RdNr 15)
stützen sich hierbei auf die Begründung des Entwurfs zu § 19 SGB
XI aF, in der es heißt, dass bei der Feststellung der
Mindeststundenzahl nicht nur die Arbeitszeit gerechnet wird, die auf
Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung entfällt und für die
Feststellung des Grades der Pflegebedürftigkeit maßgeblich ist,
sondern auch die Zeit, die benötigt wird für die ergänzende Pflege
und Betreuung iS von § 4 Abs 2 Satz 1 SGB XI
(BT-Drucks 12/5262 S 101). Entgegen der vom LSG vertretenen
Auffassung lassen sich daraus Anhaltspunkte für eine erweiternde
Auslegung des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI nicht gewinnen. Zum einen
haben die darin enthaltenen Vorstellungen der Entwurfsverfasser im
(Gesetzes)Text des § 19 SGB XI (selbst) keinen Niederschlag
gefunden und sind daher nicht geeignet, den für die Begründung
von sozialen Rechten geltenden Gesetzesvorbehalt (§ 31 SGB I) zu
derogieren (vgl Berchtold, aaO, RdNr 4). Zum anderen legt § 44 Abs
1 Satz 1 SGB XI iVm § 19 Satz 2 SGB XI als bloße
Einweisungsvorschrift nicht selbst die Modalitäten der
Versicherungspflicht von Pflegepersonen fest, sondern überlässt
dies den spezialgesetzlichen Regelungen in den für die jeweilige
Materie einschlägigen Büchern des SGB, hier also § 3 Satz 1 Nr 1a
SGB VI.
19
Soweit verschiedentlich - auch vom Berufungsgericht - darauf
hingewiesen wird, § 19 Satz 2 SGB XI und § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI
seien "im Zusammenhang mit" § 4 Abs 2 Satz 1 SGB XI zu sehen
(etwa Gallon, aaO, RdNr 10)und daraus der Schluss auf einen für
die Zwecke der sozialen Absicherung heranzuziehenden
"großzügigen Pflegebegriff" gezogen wird
(so Wagner, aaO, RdNr 27), handelt es sich um eine nicht näher
begründete Auffassung und erfolgt eine inhaltliche
Auseinandersetzung etwa mit der systematischen Bedeutung des §
4 Abs 2 SGB XI - und vor allem dessen Satz 1 - nicht. Diese
Auffassung ist auch nicht tragfähig. Zutreffend hebt die Revision
hervor, dass § 4 Abs 2 SGB XI als Grundnorm (selbst im
Zusammenhang mit § 3 SGB XI) - im Gegenteil - verdeutlicht, dass
die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale
Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen
darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen
indessen nicht angestrebt wird (vgl BT-Drucks 12/5262 S 90). Satz 1
des § 4 Abs 2 SGB XI umschreibt diese Ergänzungsfunktion der
häuslichen und teilstationären Pflege für den typischen Fall, dass
der Pflegebedürftige in häuslicher Umgebung von
nichtprofessionellen Pflegepersonen gepflegt und betreut wird
(vgl Wagner, in: Hauck/Wilde, SGB XI, Stand: Dezember 2005, § 4
RdNr 23).
Warum für Zwecke der sozialen Absicherung in der
Rentenversicherung aus Gründen der (Gesetzes)Systematik - von
diesem Strukturprinzip abweichend - ein sog ganzheitlicher
Pflegebegriff gelten soll, ist nicht erkennbar.
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Ohne ausschlaggebende Bedeutung ist in diesem Zusammenhang
schließlich der Hinweis des LSG auf § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Zwar
trifft es zu, dass in dieser Bestimmung zur Versicherung kraft
Gesetzes im Unfallversicherungsrecht - anders als in § 3 Satz 1 Nr
1a SGB VI - eine Einschränkung der versicherten Tätigkeiten auf
"Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und …
Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität
sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs 4 SGB XI)"
vorgenommen ist. Aus dem Umstand, dass der
Versicherungspflichttatbestand für nicht erwerbsmäßig tätige
Pflegepersonen im Rentenversicherungsrecht eine solche
Einschränkung nicht enthält, ist jedoch nicht zu entnehmen, dass
dieser (zwingend) weit auszulegen und einer entsprechenden
Einschränkung nach Maßgabe anderer Auslegungsgesichtspunkte
nicht zugänglich wäre
(so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3.6.2005 - L 4 RJ
58/04 - in juris veröffentlicht, RdNr 41)
. Die jeweiligen spezialgesetzlichen Versicherungspflichtregelungen
für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen sind nicht nur im
Verhältnis zur Einweisungsvorschrift des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB XI
(iVm § 19 Satz 2 SGB XI), sondern auch im Verhältnis zueinander
autonom auszulegen
(zur eigenständigen Interpretation des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII vgl
BSG, Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3
RdNr 16)
. Hier folgt vor allem aus § 166 Abs 2 SGB VI, also einer Vorschrift
des Rentenversicherungsrechts selbst, dass sich der Gesetzgeber
rentenversicherungsrechtlich bewusst gegen eine Beitragsrelevanz
ergänzender Pflege und Betreuung und damit auch gegen deren
Relevanz für die Rentenversicherungspflicht entschieden hat.
21
3) Das vom Senat unter Hinweis auf die (Gesetzes)Systematik
gefundene Auslegungsergebnis ist auch im Hinblick auf
teleologische Erwägungen geboten. Solche stehen ihm nicht etwa
entgegen, wie einige Instanzgerichte meinen
(etwa LSG Nordrhein-Westfalen, aaO, RdNr 41).
22
Soweit gegen ein enges Verständnis des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI
vom Berufungsgericht vorgebracht wird, mit diesem werde der mit
der sozialen Sicherung von Pflegepersonen verfolgte Zweck außer
Acht gelassen, die Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich zu
fördern und den hohen Einsatz der Pflegepersonen anzuerkennen,
die wegen der Pflegetätigkeit oftmals auf eine eigene Berufstätigkeit
ganz oder teilweise und eine hieran anknüpfende Alterssicherung
verzichten (vgl BT-Drucks 12/5262 S 82), greift dieser Einwand nicht
durch. Zwar trifft es zu, dass gerade durch die Absicherung von
Pflegepersonen in der Rentenversicherung und die damit
erreichbare Verbesserung ihrer Altersvorsorge die auch den
Pflegebedürftigen günstige Bereitschaft zur häuslichen Pflege
gefördert wird. Die Regelung dient damit zugleich dem
Pflegebedürftigen selbst, dem ein Verbleiben in seiner vertrauten
Umgebung und damit auch eine von seinem Standpunkt aus
wünschenswerte Form der Befriedigung seiner Bedürfnisse
ermöglicht wird (vgl Berchtold, aaO, RdNr 3). Indessen ist dieser
Zweck durch das allgemeine Strukturprinzip der Pflegeversicherung,
keine Vollversicherung durch die Leistungen der Pflegeversicherung
zu gewährleisten, sondern lediglich eine soziale Grundsicherung,
begrenzt. Wie die Revision zutreffend ausführt, entfaltet er sich nur
innerhalb dieser (Gesamt)Konzeption der Pflegeversicherung. In
deren Umsetzung hält die Pflegeversicherung Unterstützung
konsequenterweise nur für solche Pflegefälle bereit, die eine
gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Die
Pflegeversicherung soll, und zwar auch in Form der Zahlung von
Beiträgen zur Rentenversicherung, nur in Bezug auf begrenzte
Risiken in Anspruch genommen werden können. Wird der mit der
Pflegeversicherung im allgemeinen und mit der sozialen
Absicherung von Pflegepersonen im besonderen verfolgte Zweck
einer Stärkung vorrangig häuslicher Pflege vor dem Hintergrund
dieser (Gesamt)Konzeption verstanden, so widerspricht es diesem
Zweck nicht, die Rentenversicherungspflicht nicht erwerbsmäßig
tätiger Pflegepersonen auf solche zu begrenzen, die die
(Mindest)Pflegezeit nur mit Hilfeleistungen bei Grundpflege und
hauswirtschaftlicher Versorgung "ausfüllen". Im Gegenteil würde die
Berücksichtigung auch anderer pflegerischer Leistungen als solcher
für die in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen diese
für die in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen diese
(Gesamt)Konzeption ignorieren. Mit dem Ziel einer Förderung
häuslicher Pflege ermöglicht § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI damit einen
versorgungsrechtlichen Nachteilsausgleich und eine
Lückenschließung in der Versicherungsbiografie für solche nicht
erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen, die im Hinblick auf die
(Gesamt)Konzeption der Pflegeversicherung relevante
Pflegeleistungen (für Pflegebedürftige wenigstens der Pflegestufe I)
in Abhängigkeit von einer bestimmten (wöchentlichen) Dauer dieser
Leistungen und oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze
(vgl § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 3, Satz 4 SGB VI) erbringen und nicht schon
wegen eines Zusammentreffens mit (anderweitiger) Erwerbstätigkeit
in der Rentenversicherung ausreichend abgesichert sind
(vgl § 3 Satz 3 SGB VI).
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Die Gegenansicht verkennt zudem, dass es bei einer Ausweitung
der im Rahmen von § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI zu berücksichtigen
Pflegetätigkeiten über Hilfeleistungen für die im Katalog des § 14
Abs 4 SGB XI erfassten Verrichtungen hinaus an klaren,
nachvollziehbaren Kriterien für eine Abgrenzung pflegerischer
Leistungen von sonstigen Betreuungsleistungen und vor allem auch
von auf dem schlichten Zusammenleben mit dem Pflegebedürftigen
beruhenden Tätigkeiten fehlte
(so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.1.2010 - L 2 R
2922/08 - Umdruck, S 12, unter Hinweis auf Pfitzner, BeckOK, SGB
XI, § 19 RdNr 4a, b)
. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass es für die
Berücksichtigung ergänzender Pflege und Betreuung bei der
Feststellung, ob die notwendige Mindeststundenzahl erreicht ist, fast
ausschließlich auf die Eigenangaben des Pflegebedürftigen oder
der Pflegeperson ankäme, ohne dass eine Korrektur anhand
objektivierender Maßstäbe erfolgen könnte, und diese es deshalb in
der Hand hätten, über den Eintritt und das (Weiter)Bestehen von
Rentenversicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige
Pflegeperson zu bestimmen. Hier kann letztlich nichts anderes
gelten als für die Zuordnung zu den Pflegestufen, bei der der
Hilfebedarf ebenfalls - unter Beteiligung des MDK - objektivierbar zu
ermitteln ist und (gerade) nicht von der subjektiven Einschätzung
des Pflegebedürftigen oder der Pflegeperson abhängt.
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4) Ob die Kläger unter Berücksichtigung dieser vom Senat für
zutreffend gehaltenen, engen Auslegung des § 3 Satz 1 Nr 1a SGB
VI in der Zeit vom 22.8.2001 bzw 27.11.2001 bis zum 30.9.2004 der
Rentenversicherungspflicht unterlagen, kann noch nicht
abschließend geklärt werden. Das LSG wird hierzu insbesondere
noch positiv festzustellen haben, ob die Kläger die geforderte
(Mindest)Pflegezeit nur mit dem Zeitaufwand für Grundpflege und
hauswirtschaftliche Versorgung erreicht haben. Hierbei wird es
(weitere) Feststellungen zum Inhalt des Gutachtens des MDK vom
22.10.2001 treffen, dieses auf seine Schlüssigkeit prüfen und sich
zu diesem Punkt - gegebenenfalls unter Verwendung von
Beweismitteln - eine Überzeugung bilden müssen. Zu einer
(nochmaligen) Befassung hiermit besteht auch deshalb Anlass, weil
die Kläger durchgehend vorgetragen haben, die
Mindeststundenzahl sei (im Übrigen) auch dann erreicht, wenn nur
der Zeitaufwand berücksichtigt werde, der für die Einstufung der
Pflegebedürftigen relevant (gewesen) sei.
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Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des Berufungsgerichts
vorbehalten.