Urteil des BSG vom 14.03.2018

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Leistungserbringung im Bereich der Informationstechnologie - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Einsatz in Drittunternehmen - Vertragskette - Berücksichtigung weiterer Vertragsbeziehungen bei St

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 14.3.2018, B 12 KR 12/17
R
ECLI:DE:BSG:2018:140318UB12KR1217R0
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit -
Leistungserbringung im Bereich der
Informationstechnologie - abhängige Beschäftigung -
selbstständige Tätigkeit - Einsatz in Drittunternehmen -
Vertragskette - Berücksichtigung weiterer
Vertragsbeziehungen bei Statusfeststellung - kein Vorliegen
von revisionsrechtlich verwertbaren
Tatsachenfeststellungen
Leitsätze
1. Es liegen keine revisionsrechtlich verwertbaren
Tatsachenfeststellungen vor, wenn das Berufungsgericht den
Vortrag der Beteiligten lediglich inhaltlich referiert oder den Text
der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wörtlich wiedergibt
("copy-and-paste"), sofern nicht erkennbar ist, welche Tatsachen
es seiner Entscheidung aufgrund eigener Erkenntnis zugrunde
gelegt hat.
2. Wird eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Rahmen
weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und
Dritten erbracht, sind im Rahmen eines
Statusfeststellungsverfahrens auch diese Vertragsbeziehungen
zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen
Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an
dieses Gericht zurückverwiesen.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro
festgesetzt.
Tatbestand
1 Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 13.5.2008 bis
18.9.2009 in einer Tätigkeit als Datenbank-Administrator für die
Klägerin, ein Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen im
Bereich der IT, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Kranken- (GKV) und Rentenversicherung (GRV), sozialen
Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung unterlag.
2 Die Klägerin, die vormals unter J. GmbH firmierte, bietet Beratung
und Dienstleistungen in der IT an. Der Beigeladene zu 1. bietet seit
2004 ebenfalls entsprechende Leistungen als Einzelunternehmer
an. Für November 2004 wurde für ihn zuletzt ein Beitrag zur GRV
gezahlt. Im streitbefangenen Zeitraum war er im Rahmen von zeitlich
begrenzten Einsätzen in Drittunternehmen, den sog Endkunden,
ausschließlich für die Klägerin tätig. Den Einsätzen lagen folgende
schriftliche, als "Beauftragung" bezeichnete Einzelvereinbarungen
zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. zugrunde:
3
Zeitraum Vertrag Einsatzort Umfang
13.5.2008 -
31.12.2008
5.5.2008 Deutsche
Post
Mainz
geplant 162 Tage, 1296
Projektstunden, storniert zum
15.8.2008
1.9.2008 -
31.12.2008
15.8.2008 IBM
Deutschland
Ingolstadt
geplant
640
Personenstunden,
auf
unbestimmte
Zeit
verschoben; für 1.9.2008
bis 3.9.2008 wurden 3 x
200 Euro vergütet
16.9.2008 -
30.6.2009
12.9.2008 Deutsches
Patentamt
München
200 Tage, 1600
Projektstunden
1.7.2009
-
31.8.2009
29.6.2009 Deutsches
Patentamt
München
44 Tage, 352
Projektstunden
1.9.2009
-
18.9.2009
1.9.2009 Deutsches Patentamt
München
127
Projektstunden
4 Die Vertragsbestimmungen waren jeweils im Wesentlichen
identisch. Die Projektleitung oblag danach bei allen Aufträgen dem
IT-Unternehmen IBM, mit dessen Betriebssystem die Endkunden
ausgestattet waren. Der Beigeladene zu 1. war ausdrücklich als
"freier Mitarbeiter" bezeichnet.
5
Am 20.5.2008 stellte der Beigeladene zu 1. bei der Beklagten den
Antrag, im Hinblick auf seine bei der Klägerin ab 13.5.2008
ausgeübte Tätigkeit festzustellen, dass ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Nach erfolgter Anhörung
stellte die Beklagte gegenüber ihm und der Klägerin fest, dass die
Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt
werde (Bescheide vom 11.5.2009). Die Widersprüche der Klägerin
und des Beigeladenen zu 1. wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheiden vom 12.5.2010 zurück, die sich auf die
Beurteilung der Tätigkeit "in der Zeit ab 13.5.2008 (Verträge JPL
40505081 und JPL 41209082)" bezogen. Sowohl der Beigeladene
zu 1. als auch die Klägerin haben Klage erhoben. Die Klage des
Beigeladenen zu 1. ruht
(SG Halle Beschluss vom 4.4.2012 - S 4 KR 493/10).
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte ihre Bescheide
unter Hinweis auf § 96 Abs 1 SGG dahingehend abgeändert, dass
in der durch den Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin vom 13.5.2008
bis 18.9.2009 ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht in der
GKV, GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
bestanden habe (Bescheide vom 1.3.2012).
6 In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beigeladene zu
1. seine Zustimmung zu einem späteren Versicherungsbeginn iS
von § 7a Abs 6 SGB IV erklärt. Das SG ist davon ausgegangen,
dass der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 1.3.2012 nach §
96 SGG Verfahrensgegenstand geworden sei, und hat unter
Abänderung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass im
Zeitraum 13.5.2008 bis 14.5.2009 keine Versicherungspflicht des
Beigeladenen zu 1. in der GKV, GRV und sPV sowie nach dem
Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Im Übrigen hat es die
Klage abgewiesen (Urteil vom 16.1.2013). Der Beigeladene zu 1. sei
im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig
geworden. Die Versicherungspflicht sei nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV
jedoch erst mit Bekanntgabe der Bescheide vom 11.5.2009
eingetreten. Es sei nicht erforderlich, dass seine private
Krankenversicherung (PKV) auch einen Anspruch auf Krankengeld
(Krg) umfasse.
7
Gegen das Urteil haben die Klägerin und die Beklagte Berufung
eingelegt. Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung der
Beklagten abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen
(Urteil vom 26.10.2016). Für eine ausreichende Absicherung gegen
das Risiko von Krankheit reiche es nicht aus, wenn der Schutz der
PKV keinen Anspruch auf Krg umfasse.
8 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 Abs 1, §
7a Abs 6 SGB IV. Der Beigeladene zu 1. sei insbesondere nicht in
ihren Betrieb eingegliedert gewesen, da er nicht an ihrem
Betriebssitz, sondern beim Endkunden tätig gewesen sei. Die
vertragliche Leistungsbeschreibung sei ausreichend und bedürfe
keiner weiteren Konkretisierung. Eine gewisse Unbestimmtheit
ergebe sich aus der Natur der Sache einer Beratungsleistung, die
ein Spezialist erbringen solle. Ein etwaiges Weisungsrecht hätte
mangels Vorliegen der erforderlichen Fachkenntnisse von der
Klägerin gar nicht ausgeübt werden können. Es habe auch
hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort nicht vorgelegen. Das LSG habe das
Kriterium des unternehmerischen Risikos überbewertet. Bei
Dienstleistungen sei das Fehlen größerer Investitionen kein
gewichtiges Indiz. Zudem habe der Beigeladene zu 1. Kapital durch
Nutzung des eigenen Büros und Laptops eingesetzt. Das Fehlen
typischer Merkmale einer abhängigen Beschäftigung sei zu gering
gewichtet. Die Honorarhöhe lasse bei einem Stundensatz von 65
Euro Eigenvorsorge zu. Der Wille der Vertragsparteien sei nicht in
die Gesamtschau eingestellt worden. § 7a Abs 6 SGB IV sei verletzt,
da sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, dass die Absicherung
mit den Leistungen der GKV nicht deckungsgleich sein müsse. Ein
ausreichender Schutz bestehe, wenn die PKV ein Krankentagegeld
nicht umfasse.
9 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober
2016 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom
16. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass der Bescheid der
Beklagten vom 11. Mai 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 und des
Änderungsbescheides vom 1. März 2012 aufgehoben und
festgestellt wird, dass in dem Zeitraum 13. Mai 2008 bis 18.
September 2009 keine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1.
in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
10
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
11
Sie verteidigt das Urteil des LSG. Die Beigeladenen haben keine
Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
12
A. Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und
Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).
13
Soweit die Klage die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1. vom 1. bis
3.9.2008 sowie ab 1.7.2009 betrifft, ist sie unzulässig (dazu 1.). Im
Übrigen fehlen für eine abschließende Beurteilung der Tätigkeiten
des Beigeladenen zu 1. ausreichende Feststellungen (dazu 2.).
14
1. Die Klage gegen die im Änderungsbescheid vom 1.3.2012
getroffene Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen
zu 1. für den gesamten Zeitraum seiner Tätigkeiten bei der Klägerin
(13.5.2008 bis 18.9.2009) ist nur teilweise zulässig. Der Beigeladene
zu 1. ist jeweils auf Grundlage von Einzelverträgen für die Klägerin
tätig geworden. Hinsichtlich der Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1.
in den Zeiträumen 1.9.2008 bis 3.9.2008 und ab 1.7.2009 fehlt es an
der nach § 78 Abs 1 S 1 SGG erforderlichen Durchführung eines
Vorverfahrens. Diese Tätigkeiten waren nicht Gegenstand des
Ausgangsbescheids vom 11.5.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 12.5.2010.
15
a) Der ursprüngliche Bescheid vom 11.5.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids traf eine unzulässige Elementenfeststellung
über das Bestehen einer Beschäftigung. Während des
erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte daher
den Bescheid vom 1.3.2012 erlassen und notwendige
Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und zur
Bezeichnung des Rechtsverhältnisses im Verfügungssatz "ergänzt"
(vgl BSG Urteil vom
11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr
2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R -
Juris RdNr 13 ff)
. Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines
Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen
weiteren Verwaltungsakt um das fehlende Element zu einer
vollständigen Feststellung ergänzt, liegt darin eine insgesamt
erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite
Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG
(iVm § 153 Abs 1 SGG)ersetzt
(BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Der
Durchführung eines Vorverfahrens für den nach § 96 Abs 1 SGG in
das sozialgerichtliche Verfahren einbezogenen neuen Bescheid
bedarf es nicht
(Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 96 RdNr 43
mwN)
.
16
b) Für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin in den
Zeiträumen 1.9.2008 bis 3.9.2008 und ab 1.7.2009 sind die
Voraussetzungen von § 96 Abs 1 SGG nicht erfüllt. Die Frage, ob
die Tatsachengerichte die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 SGG
zu Recht angenommen haben, ist im Revisionsverfahren von Amts
wegen zu prüfen
(BSG Urteil vom 16.4.1998 - B 3 KR 5/97 R - BSG SozR 3-5425 § 24
Nr 17)
; einer Verfahrensrüge der Beteiligten bedarf es insoweit nicht, weil
das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nicht der Disposition
der Beteiligten unterliegt.
17
Nach § 96 Abs 1 SGG wird ein nach Klageerhebung ergangener
neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er
den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder
ersetzt. Dies setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu
einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch
ist. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn ein anderer Streitstoff
oder veränderte Tatsachen umfasst sind
(Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl
2017, § 96 RdNr 4a)
. Dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. ein
Dauerrechtsverhältnis, etwa in Form eines Rahmenvertrages,
bestand, hat das LSG nicht festgestellt. Eine hinreichend konkrete
Rechtsbeziehung, die ihrerseits als Grundlage einer Beschäftigung
iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV in Betracht kommt, liegt damit immer
erst in den durch Einzelverträge begründeten "Beauftragungen" des
Beigeladenen zu 1.
18
Im Ausgangsbescheid vom 11.5.2009 hat die Beklagte ohne
zeitliche Begrenzung das Bestehen eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1. bei der
Klägerin seit dem 13.5.2008 festgestellt, dies in den Gründen des
Widerspruchsbescheides vom 12.5.2010 aber ausdrücklich auf die
Vertragsverhältnisse mit den Auftragsnummern JPL 40505081 und
JPL 41209082 bezogen. Hierbei handelt es sich um die Verträge,
die den Tätigkeiten im Zeitraum 13.5.2008 bis 15.8.2008 und
16.9.2008 bis 30.6.2009 zugrunde lagen. Soweit die Beklagte im
Änderungsbescheid eine Feststellung hinsichtlich der drei weiteren
Beauftragungen des Beigeladenen zu 1. getroffen hat, geht dies
über den vorherigen Streitstoff hinaus. Es ändert auch nichts, dass
in der Beauftragung vom 12.9.2008 mit der Auftragsnummer JPL
41209082 neben dem ursprünglich geplanten Leistungszeitraum
vom 16.9.2008 bis 30.6.2009 geregelt war, dass eine Option auf
Verlängerung bestehe. Zwar ist es in der Folgezeit zu
Verlängerungen dieser Beauftragung gekommen, dies jedoch auf
Grundlage von neuen Einzelverträgen, die auch separat zu
beurteilen sind.
19
c) Der Änderungsbescheid ist hinsichtlich der weiteren
Beauftragungen auch nicht durch eine gewillkürte Klageänderung
nach § 99 SGG zulässig zum Gegenstand des anhängigen
Prozesses gemacht worden. In der erweiterten Antragstellung durch
die Klägerin vor dem SG und der rügelosen Einlassung der
Beklagten hierauf liegt zwar eine zulässige Klageänderung. Aber
auch hinsichtlich der geänderten Klage muss die
Prozessvoraussetzung eines Vorverfahrens vorliegen, wenn es um
einen anderen Streitgegenstand geht. Die Voraussetzungen des §
78 Abs 1 S 2 SGG, bei deren Vorliegen es eines Vorverfahrens
ausnahmsweise nicht bedarf, sind nicht erfüllt. Auch das Gericht
kann unzulässige Klagen nicht als sachdienlich zulassen, sondern
hat in der Regel das Verfahren analog § 114 SGG auszusetzen und
den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Widerspruchsverfahren
noch nachzuholen
(BSG Beschluss vom 1.7.2014 - B 1 KR 99/13 B - Juris RdNr 12
mwN;
Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl
2017, § 78 RdNr 3a mwN)
.
20
d) Die Beklagte muss insoweit noch über den Widerspruch gegen
den Änderungsbescheid vom 1.3.2012 entscheiden, als sie in
diesem Änderungsbescheid erstmals die Versicherungspflicht des
Beigeladenen zu 1. auch wegen dessen für die Klägerin in den
Zeiträumen vom 1. bis 3.9.2008 und ab 1.7.2009 ausgeübter
Tätigkeiten festgestellt hat. Der Änderungsbescheid vom 1.3.2012
ist nicht bestandskräftig geworden. Die Klägerin hat im
sozialgerichtlichen Verfahren hinreichend deutlich gemacht, dass sie
gegen den Bescheid insgesamt vorgehen möchte. Dies ist bereits
mit Schriftsatz vom 12.3.2012 und spätestens mit der erweiterten
Antragstellung vor dem SG, die dieses seiner Entscheidung vom
16.1.2013 zugrunde gelegt hat, geschehen. Hierdurch hat die
Klägerin die nach § 66 Abs 2 S 1 SGG aufgrund unterlassener
Rechtsbehelfsbelehrung geltende Jahresfrist für den Widerspruch
gewahrt
(so bereits zu einer vergleichbaren Fallgestaltung BSG Urteil vom
21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143, 146 = SozR 3-2500 §
37 Nr 5 S 30 f).
21
Es kann offenbleiben, ob eine Zurückverweisung an die Vorinstanz
allein zum Zweck der Nachholung des Vorverfahrens erfolgen
könnte
(BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 13/12 R - BSGE 112, 170 =
SozR 4-1500 § 54 Nr 27, RdNr 7 ff; Röhl in Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 170 RdNr 35; aA BSG Urteil vom
21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143, 145 f = SozR 3-2500
§ 37 Nr 5 S 30 wenn hinsichtlich eines Teiles des
Verfahrensgegenstandes im Revisionsverfahren durchentschieden
werden kann).
Jedenfalls dann, wenn die Zurückverweisung - wie hier - auch aus
anderen Gründen erfolgt (dazu sogleich unter 2.), kann eine Heilung
des Verstoßes gegen die Vorverfahrenspflicht auch noch im
wiedereröffneten Berufungsverfahren erfolgen
(vgl zur Nachholung einer Anhörung im aus anderen Gründen
zurückverwiesenen Berufungsverfahren BSG Urteil vom 16.3.2017 -
B 10 LW 1/15 R - BSGE , SozR 4-1300 § 41 Nr 3
RdNr 16 ff)
.
22
2. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen
für eine abschließende Entscheidung über die Versicherungspflicht
des Beigeladenen zu 1. im Hinblick auf seine bei der Klägerin
ausgeübten Tätigkeiten im Zeitraum 13.5.2008 bis 15.8.2008 und
16.9.2008 bis 30.6.2009, hinsichtlich derer die
Prozessvoraussetzungen gegeben sind, nicht aus. Das LSG ist im
Ausgangspunkt von zutreffenden Prüfungsmaßstäben
ausgegangen (hierzu unter a). Es fehlen jedoch Feststellungen;
weiter lässt das angegriffene Urteil auch nicht durchgängig
erkennen, von welchen Feststellungen das LSG selbst bei seiner
Entscheidung ausgegangen ist (dazu b). Im Rahmen seiner
erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das LSG zudem zu
beachten haben, dass neben den Vertragsbeziehungen zwischen
der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. auch diejenigen der
Klägerin mit IBM und den Endkunden sowie deren
Vertragsbeziehungen untereinander von Bedeutung für die
Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sein können
(dazu c).
23
a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen
Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der
GKV, GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
(vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1
SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III)
. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte
für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine
Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige
Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden
Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der
Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei
Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch
das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder
selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das
Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen
(stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR
14/16 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 31 RdNr 17 mwN und BSG Urteil vom
31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30 RdNr 21 mwN,
jeweils auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil
vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13
mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen
Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG
Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11)
. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum
rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit
setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in
setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in
Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite
zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem
Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik
entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen
werden
(BSG Urteil vom 23.5.2017 - B 12 KR 9/16 R - SozR 4-2400 § 26 Nr
4 RdNr 24 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen)
.
24
Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen
den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die
Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen
schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit
zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente
Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend,
soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die
Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und
auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen
"Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der
Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch
verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage
der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der
Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des
Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren
Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine
hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen
(BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 =
SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 17 mwN)
.
25
b) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der Aufträge eine
Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in allen Zweigen der
Sozialversicherung begründen, weil im Verhältnis zur Klägerin von
einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV auszugehen ist, kann
der Senat auf Grundlage der vom LSG getroffenen und für ihn
bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen nicht abschließend
beurteilen.
26
Das Urteil des LSG enthält keine ausreichenden Feststellungen und
bietet damit keine geeignete Grundlage für die rechtliche
Nachprüfung durch den Senat. Die Entscheidung gibt eine der
zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. bestehenden
Einzelvereinbarungen auszugsweise wieder. Zwar ist es nicht
erforderlich - und oft auch nicht angezeigt - im Urteil des LSG den
gesamten schriftlichen Vertrag wörtlich wiederzugeben; es reicht die
Darstellung des wesentlichen Inhalts, verbunden mit einer konkreten
Bezugnahme auf den in den Verwaltungs- bzw SG-Akten
befindlichen Vertragstext (§ 136 Abs 2 S 1 SGG). Dem Urteil des
LSG sind allerdings keine Feststellungen zu den in Bezug
genommenen AGB der Klägerin zu entnehmen und zu der Frage, ob
eine Rahmenvereinbarung existiert hat.
27
Darüber hinaus beschränkt sich das LSG im Wesentlichen darauf,
den Beteiligtenvortrag aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen
Gerichtsverfahren in indirekter Rede und die Entscheidungsgründe
des SG vollständig wörtlich zu zitieren. Festgestellt sind aber nur
Tatsachen, die das Gericht erkennbar für zutreffend erachtet, sich zu
eigen macht und daher seiner rechtlichen Überzeugungsbildung
zugrunde legt. Es liegen keine revisionsrechtlich verwertbaren
Feststellungen vor, wenn das Berufungsgericht den Vortrag der
Beteiligten lediglich inhaltlich referiert oder den Text der
Entscheidungsgründe des SG wörtlich wiedergibt ("copy-and-
paste"), sofern nicht erkennbar ist, welche Tatsachen es seiner
Entscheidung aufgrund eigener Erkenntnis zugrunde gelegt hat
(vgl BSG Urteil vom 15.2.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr
12; BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 12 RA 14/04 R - Juris RdNr 12;
BSG Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 25/11 R - SozR 4-3500 § 35 Nr
3 RdNr 17)
.
28
Die wörtliche Übernahme des Textes der Entscheidungsgründe des
SG lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, welche Tatsachen das
Berufungsgericht für zutreffend hält. Denn der vom LSG
unkommentiert wiedergegebene Vortrag der Klägerin und des
Beigeladenen zu 1. weicht teilweise von den Tatsachen ab, die das
SG bei seiner Entscheidung angenommen hat. Dies gilt etwa
hinsichtlich der Angaben dazu, wie die Vergütung des Beigeladenen
zu 1. erfolgte. So hat das LSG einerseits die Angaben der Klägerin
zitiert, wonach der Beigeladene zu 1., wenn er mehr Zeit als
veranschlagt benötige, den Mehraufwand nicht vergütet erhalte, es
ihm aber zugutekomme, falls er einen geringeren zeitlichen Aufwand
benötige. Andererseits hat es die Ausführungen des SG zitiert,
wonach beides nicht der vertraglichen Gestaltung entsprochen
habe. Auch referiert das LSG die Angabe der Klägerin, ihr obliege
die Verantwortung der Projektkoordination im Rahmen der
Projektleitung. Sie stimme sich dabei mit den Projektverantwortlichen
des Endkunden ab. Das SG ist hingegen davon ausgegangen, dass
die Projektleitung nicht durch die Klägerin, sondern durch IBM
wahrgenommen wurde.
29
Der Senat kann ausreichende Feststellungen auch nicht daraus
ableiten, dass das LSG hinsichtlich der Annahme von
Versicherungspflicht teilweise auf die Gründe der angefochtenen
Entscheidung des SG verwiesen und nur im Übrigen eigene
Entscheidungsgründe dargelegt hat. Die für das Berufungsgericht
bestehende Möglichkeit der Bezugnahme auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs 2
SGG lässt es nicht zu, auf die Darstellung des Tatbestandes zu
verzichten
(Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 153
RdNr 34; Fock in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 153 RdNr
11)
.
30
Soweit das LSG schließlich im Tatbestand seines Urteils erwähnt,
dass ihm die Verwaltungs- und Gerichtsakten beider Rechtszüge
vorgelegen haben, hat auch dieser bloße Hinweis keine
Feststellungswirkung. Das LSG hat nicht ausdrücklich auf den
Akteninhalt Bezug genommen oder verwiesen. Eine pauschale
Bezugnahme hätte jedenfalls bei mehrdeutigen oder unklaren
tatsächlichen Angaben aber auch keine Feststellungswirkung
(Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 163 SGG
RdNr 22)
.
31
c) Der Senat hält es für erforderlich, dass das LSG von Amts wegen
(§ 103 SGG) vor einer erneuten Verhandlung und Entscheidung
weitere Umstände aufklärt und im Rahmen seiner Gesamtabwägung
berücksichtigt, namentlich zu den Vertragsbeziehungen zwischen
der Klägerin und IBM bzw den Endkunden sowie zwischen diesen
untereinander. Eine entsprechende Pflicht zur Amtsermittlung trifft
auch die Beklagte im Rahmen der nachzuholenden Vorverfahren
(§ 7a Abs 2 SGB IV, § 20 SGB X).
32
aa) Das LSG muss angesichts des Streitgegenstandes
(Statusfeststellungsverfahren) zwar nur prüfen, ob ein
Beschäftigungsverhältnis gerade zwischen dem Beigeladenen zu 1.
und der Klägerin vorlag. Der Antrag auf Statusfeststellung kann nach
§ 7a Abs 1 S 1 SGB IV durch die am Auftragsverhältnis Beteiligten
gestellt werden. Nach der Gesetzesbegründung sind Beteiligte die
Partner der Beziehungen, in deren Rahmen die zu beurteilende
Tätigkeit ausgeübt wird(BT-Drucks 14/1855 S 7). Der Antrag des
Beigeladenen zu 1. auf Statusfeststellung vom 20.5.2008 bezog
sich auf seine ab 13.5.2008 ausgeübte Tätigkeit, der eine schriftliche
Vereinbarung mit der Klägerin zugrunde lag.
33
bb) Diese Prüfung nach § 7a Abs 1 S 1 SGB V schließt es aber nicht
aus, auch die weiteren Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den
projektbezogenen Einsatz des Beigeladenen zu 1. prägen. Wird
eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Rahmen weiterer
Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten
erbracht, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch
diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen. In Betracht
kommen vorliegend vertragliche Beziehungen zwischen der
Klägerin und den Endkunden, der Klägerin und IBM sowie IBM und
den Endkunden. Diese Rechtsverhältnisse haben sich insoweit auf
die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ausgewirkt, als dieser unter
Zwischenschaltung der Klägerin in den Betriebsstätten der
Endkunden eingesetzt war und - jedenfalls nach den Annahmen des
SG - mit den Mitarbeitern der Endkunden und Mitarbeitern von IBM
im Rahmen der Aufträge zusammengearbeitet hat. Die Klägerin
stand nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem
stand nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem
SG nicht in einer Vertragsbeziehung zu den Endkunden, sondern zu
IBM, mit deren Betriebssystem die Endkunden ausgestattet waren.
Nach der vom LSG wiedergegebenen schriftlichen vertraglichen
Vereinbarung waren Basis für die Dienstleistung des Beigeladenen
zu 1. die von der IBM-Projektleitung geplanten und terminierten
Inhalte und Aktionen. Zwischen dem Beigeladenen zu 1. und dem
Endkunden, in dessen Betrieb die eigentliche Tätigkeit ausgeübt
wurde, war insoweit eine Kette von Vermittlern, nämlich einerseits
die Klägerin und andererseits IBM, eingesetzt. Dabei ist bisher nicht
geklärt, welche Verpflichtung die Klägerin gegenüber IBM hatte.
Wäre die Klägerin gegenüber ihrem Vertragspartner lediglich dazu
verpflichtet, einen selbstständigen Spezialisten für ein Projekt zur
Verfügung zu stellen, hätte sie als "Headhunter" agiert. Wäre sie
selbst gegenüber IBM zu einer Leistungserbringung im Rahmen des
eigentlichen Projektes verpflichtet, wäre der Beigeladene zu 1. ggf
als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen. In einer solchen Konstellation
wäre auch eine Delegation von Weisungsbefugnissen der Klägerin
denkbar. Auch das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung
erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen. Hätte die Klägerin in
diesem Fall als Verleiherin nicht die nach § 1 Abs 1 S 1 AÜG
erforderliche Erlaubnis, würde aber ein Beschäftigungsverhältnis
zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. schon aus
diesem Grund nicht bestehen. Denn nach § 9 Abs 1 Nr 1 AÜG sind
Verträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern in diesem Fall
unwirksam. Rechtsfolge ist nach § 10 Abs 1 S 1 AÜG, dass ein
Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als
zustande gekommen gilt.
34
cc) Die Auswirkungen der Leistungsbeziehungen innerhalb des
Vertragsgeflechts auf das Rechtsverhältnis des Beigeladenen zu 1.
und der Klägerin sind danach vom LSG auch im Hinblick darauf
aufzuklären, ob und ggf welche Weisungen der Beigeladene zu 1.
von der Klägerin bzw in deren Absprache mit deren Vertragspartner
IBM von diesem erhalten oder ob die Klägerin ihr Weisungsrecht an
IBM abgetreten hat. Denkbar ist auch eine Übertragung des
Weisungsrechts über die Vertragskette der Vermittler auf den
Endkunden. Insoweit ist zu beachten, dass sich das Weisungsrecht
eines Arbeitgebers je nach den Umständen auch darauf erstrecken
kann, dass der Beschäftigte zur Arbeitsleistung in die Betriebe von
Endkunden entsandt wird, da die Dienstleistung auch dann
fremdbestimmt bleibt
(zur Beschäftigung in einem Dreiecksverhältnis vgl bereits BSG
Urteil vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 13, SozR
3-2200 § 441 Nr 2 )
. Bei Leiharbeit kann das Weisungsrecht verabredungsgemäß vom
Entleiher ausgeübt werden.
35
dd) Im Rahmen der Gesamtabwägung muss das LSG auf
Grundlage entsprechender Ermittlungen und Feststellungen
insbesondere auch berücksichtigen, wie die Projektleitung
organisiert war. Denn hieraus ergeben sich Rückschlüsse im
Hinblick auf eine Eingliederung und Weisungsunterworfenheit des
Beigeladenen zu 1. Die bislang aus dem Urteil des LSG hierzu
ersichtlichen Informationen sind mehrdeutig. Nach den vom LSG
wiedergegebenen Angaben der Klägerin im Rahmen der Anhörung
oblag ihr die Verantwortung der Projektkoordination im Rahmen der
Projektleitung. Sie hat angegeben, sich in allen übergeordneten
Belangen mit den Projektverantwortlichen des Endkunden
abzustimmen. Mit dem Beigeladenen zu 1. stimme sie Arbeitspakete
ab, die dieser ergebnisorientiert unter Berücksichtigung des
gemeinsam geplanten Zeit- und Arbeitsrahmens abarbeite. In dem
Text des vom LSG zitierten schriftlichen Vertrages zwischen der
Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. ist vereinbart, dass letzterer
seine Dienstleistung auf Basis der von der IBM-Projektleitung
geplanten und terminierten Inhalte und Aktionen erbringt. Damit
bestehen keine eindeutigen Erkenntnisse darüber, wer das Projekt
definierte, wer die Projektverantwortung trug und wie die
Projektleitung strukturiert war - ob es etwa in den streitbefangenen
Tätigkeiten abweichend von der durch die Klägerin im
Anhörungsverfahren geschilderten Praxis keinen
Projektverantwortlichen bei ihr gab, sondern nur bei IBM und/oder
beim Endkunden. Zu klären sein wird auch, ob der Beigeladene zu
1. mit der Projektleitung "auf Augenhöhe" zusammenarbeitete und
1. mit der Projektleitung "auf Augenhöhe" zusammenarbeitete und
die von ihm abzuarbeitenden Arbeitspakete inhaltlich als externer
Spezialist mit gestalterischen Freiheiten mitbestimmte, oder ob er
unter Regie der Projektleitung nach deren hierarchischen Vorgaben
Beiträge im Projekt abzuleisten hatte. Hinsichtlich der
Zusammenarbeit des Beigeladenen zu 1. mit Mitarbeitern von IBM
und/oder der Klägerin in einem Team wird das LSG aufklären
müssen, wer diesem Team angehört hat und welche konkreten
Folgen sich aus der Teamstruktur für die Modalitäten der Tätigkeit
des Beigeladenen zu 1. tatsächlich ergeben haben, ob und
inwiefern sich hieraus etwa - wie vom SG offenbar angenommen -
eine wesentliche Einschränkung des Gestaltungsspielraums des
Beigeladenen zu 1. im Hinblick auf seine Anwesenheit im Betrieb
des Endkunden und die Lage und Dauer seiner Arbeitszeiten ergab.
36
B. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu
entscheiden haben.
37
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der
Auffangstreitwert festzusetzen.