Urteil des BSG vom 25.06.2008

Sozialgerichtliches Verfahren - Arbeitslosengeld II - Unterkunftskosten - Abschlag für Warmwasserbereitung von den Heizkosten - Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung in den neuen Bundesländern

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 25.6.2008, B 11b AS
35/06 R
Sozialgerichtliches Verfahren - Arbeitslosengeld II -
Unterkunftskosten - Abschlag für Warmwasserbereitung von
den Heizkosten - Verfassungsmäßigkeit der Höhe der
Regelleistung in den neuen Bundesländern
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB
II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2006.
2 Bei der 1954 geborenen, allein stehenden Klägerin ist ein Grad der
Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Sie bewohnt nach den
Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) eine Mietwohnung
(46,17 qm) gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsgebühr in
Höhe von 157,32 Euro nebst eines Wertverbesserungszuschlags
von 10,99 Euro. Nach mehrfach wechselnden
Nebenkostenvorauszahlungen im Jahr 2005 zahlte sie ab dem 1.
Januar 2006 monatliche Abschläge für Betriebskosten in Höhe von
55 Euro sowie Wasser und Heizung in Höhe von 60 Euro.
3 Bis April 2003 bezog sie Arbeitslosengeld (Alg), zuletzt in Höhe von
42,42 Euro wöchentlich, anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis
zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 36,05 Euro wöchentlich.
Daneben erhielt sie bis zum 30. Juni 2003 ein monatliches
Wohngeld in Höhe von 163 Euro.
4
In der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 und vom 1. Juli bis
zum 31. Dezember 2005 gewährte die Beklagte der Klägerin
zunächst Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 585,56
Euro (Regelleistung und Kosten der Unterkunft ; Bescheide
vom 8. November und 10. Dezember 2004; Widerspruchsbescheid
vom 20. Mai 2005; Bescheid vom 23. Mai 2005). Die Leistungen
änderte sie später wegen einer Neuberechnung der KdU mehrfach
ab (Bescheide vom 16. Januar, 16. und 21. März 2006).
5 Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 bewilligte die
Beklagte zunächst ebenfalls Leistungen in Höhe von 585,56 Euro
monatlich (Bescheid vom 2. Januar 2006). Auf den Widerspruch der
Klägerin hob sie die Leistungen auf 604,11 Euro an (Regelleistung
und KdU abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung )
und führte zur Begründung aus, den Angaben des Vermieters
(Schreiben vom 6. Dezember 2005) sei zu entnehmen, dass sich für
die Zeit ab dem 1. Januar 2006 der Anteil der Kosten für die Wwb
auf insgesamt 17 % der gesamten Kosten für Heizung und Wasser
belaufe. Von der monatlichen Vorauszahlung für Heizung und
Warmwasser in Höhe von 60 Euro sei daher ein Abzug in Höhe von
10,20 Euro veranlasst (Bescheid vom 1. Februar 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2006).
6 Die auf höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni
2005 gerichtete Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des
Sozialgerichts vom 25. Oktober 2005). Im Berufungsverfahren
hat die Klägerin ihren Antrag auf die Änderung des Bescheids vom
1. Februar 2006 und auf höhere Leistungen für den Zeitraum vom 1.
Januar bis zum 30. Juni 2006 beschränkt. Insoweit hat das LSG die
Klage abgewiesen (Urteil vom 27. März 2006).
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In den Entscheidungsgründen ist ua ausgeführt:
Streitgegenständlich sei allein der Zeitraum vom 1. Januar bis 30.
Juni 2006. Gegenstand des Verfahrens seien zwar zunächst nur die
Bescheide betreffend den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005
gewesen. Die Bescheide hinsichtlich der Folgezeiträume ab dem 1.
Juli 2005 seien aber analog § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das
Verfahren einbezogen worden, sodass die Klägerin den
Leistungszeitraum wirksam habe beschränken können. Sie habe in
zulässiger Art und Weise von ihrer Dispositionsbefugnis Gebrauch
gemacht, nachdem die Beklage sich im Termin verpflichtet habe,
entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens die
Leistungen auch für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005
neu zu berechnen. Zu entscheiden sei daher nur noch über den
Bescheid vom 1. Februar 2006, der den Bescheid vom 2. Januar
2006 in vollem Umfang ersetzt habe. Für diesen Zeitraum bestehe
kein Anspruch auf höhere Leistungen. Die Beklagte habe die
Regelleistung für die allein stehende Klägerin zutreffend mit 331
Euro in Ansatz gebracht und die KdU entsprechend den
tatsächlichen Aufwendungen korrekt mit 283,31 Euro berechnet.
Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte hiervon die Kosten der
Wwb mit 10,20 Euro in Abzug gebracht habe. Die Kosten der Wwb
seien von der Regelleistung abgedeckt, der in der
Betriebskostenabrechnung ausgewiesene Realbetrag der Wwb
daher abzugsfähig. Da im Zeitpunkt der Bewilligung lediglich die
Betriebskostenrechnung für das Jahr 2004 vorgelegen habe, sei es
nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte anstelle des Realbetrags
für 2004 den relativen Kostenanteil der Wwb an den gesamten
Heizkosten (17 %) als Maßstab für die Berechnung der Kosten der
Wwb für die Folgezeit übernommen habe. Verfassungsrechtliche
Zweifel an der Höhe der Regelleistung und deren Absenkung in den
neuen Bundesländern im hier streitigen Zeitraum bestünden nicht.
8 Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt; sie
rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des
Verfassungsrechts. Entgegen der Ansicht des LSG sei der Abzug
eines Kostenanteils für die Wwb in Höhe von 10,20 Euro nicht
gerechtfertigt. Die Wwb erfolge in den weit überwiegenden
Haushalten über eine zentrale Heizungsanlage, sodass die
Abzugsbeträge völlig willkürlich seien. Die Regelsatzhöhe sei weder
mit der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde
(Art 1 Abs 1 Grundgesetz ) noch mit dem Sozialstaatsprinzip
(Art 20 Abs 1 GG) zu vereinbaren. Die zusätzliche Absenkung der
Regelsatzhöhe in den neuen Bundesländern im streitigen Zeitraum
verstoße zudem gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs
1 GG). Der Gesetzgeber habe zwischenzeitlich selbst festgestellt,
dass die Unterscheidung nicht mehr gerechtfertigt sei. Die
Lebensverhältnisse in West und Ost seien aber bereits im streitigen
Zeitraum nicht signifikant unterschiedlich gewesen. Da die
Regelleistung lediglich das Existenzminimum decke, habe trotz der
geringfügigen Betragsunterschiede eine Verpflichtung zur
rückwirkenden Angleichung bestanden.
9 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom
27. März 2006 aufzuheben sowie die Bescheide vom 2. Januar
2006 bzw 1. Februar 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2006 abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni
2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II ohne Abzug eines Kostenanteils für die
Warmwasserbereitung und unter Zugrundelegung einer höheren
Regelleistung zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
11
Die Beklagte schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.
12
Die Beklagte hat inzwischen die Bewilligung für die Zeit vom 1.
Januar bis zum 30. Juni 2006 in Höhe von 13,30 Euro monatlich
zurückgenommen und die Erstattung überzahlter Leistungen
gefordert (Bescheid vom 12. Dezember 2006). Zur Begründung hat
sie darauf verwiesen, dass die von der Klägerin zum 1. Januar 2006
angezeigte Mieterhöhung auf 283,31 Euro gar nicht eingetreten sei,
weil diese nach Auskunft des Vermieters im November 2005 der
Erhöhung widersprochen habe. Tatsächlich hätten die KdU
weiterhin 268,31 Euro betragen.
Entscheidungsgründe
13
Die Revision ist nur zum Teil begründet, im Wesentlichen
unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 SGG).
14
Die Klägerin hat Anspruch auf höhere Leistungen im streitigen
Zeitraum (hierzu unter 1) nur insoweit, als der von der Beklagten
vorgenommene Abzug für Kosten der Wwb den Betrag von 5,97
Euro monatlich überschreitet. Im Übrigen kommen höhere
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in Betracht.
Insbesondere kann die Klägerin keine höhere Regelleistung
verlangen (hierzu unter 2). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen
die Höhe der Regelleistung bestehen nicht (hierzu unter 3).
15
1. a) Die geltend gemachten höheren Leistungen sind entsprechend
der Bewilligung (Bescheide vom 2. Januar bzw 1. Februar 2006) auf
den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 begrenzt (§ 41
Abs 1 Satz 1 SGB II). Entgegen der Vorinstanz folgt dies zwar nicht
daraus, dass die zugrunde liegenden Bescheide analog § 96 SGG
(in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. März 2008, BGBl
I 444, geltenden Fassung) in das ursprünglich nur den
Leistungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 betreffende
Verfahren (Bescheide vom 8. November und 10. Dezember 2004,
20. Mai 2005) einbezogen worden sind. Die in Angelegenheiten der
Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate vertreten
hierzu die Auffassung, dass die von der Vorinstanz zitierte
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum
Arbeitsförderungsrecht auf Folgebescheide für weitere
Leistungszeiträume im SGB II nicht übertragbar ist (BSG, Urteil vom
7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-
4200 § 20 Nr 1; BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS
9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3 mwN, stRspr). Die danach
fehlerhafte Einbeziehung durch das LSG, welche im
Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl insoweit
ua die vom LSG genannte Entscheidung des 11a. Senats vom 17.
November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4),
führt aber nicht dazu, dass die Klage gegen den Bescheid vom 1.
Februar 2006 unzulässig und die Revision schon deshalb
unbegründet ist (vgl hierzu BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr
1). Denn stattdessen können die Voraussetzungen einer
ersetzenden Klageänderung im Berufungsverfahren (§§ 99 Abs 1,
153 Abs 1 SGG) als gegeben angesehen werden (hierzu BSGE 78,
98 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12).
16
Entsprechend der Rechtsauffassung des LSG hat die Klägerin in der
Berufungsverhandlung den Streitgegenstand unter Ausschluss der
Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 auf den
Leistungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2006 "begrenzt" und
die bis dahin - angesichts der geltend gemachten Höhe der
begehrten Regelleistung - zulässige Berufung (zu diesem
Erfordernis im Rahmen der Klageänderung vgl BSG, Urteil vom 8.
November 2001 - B 11 AL 19/01 R) zurückgenommen. Die
ersatzweise erhobene Klage, auf die sich die Beklagte ausweislich
ersatzweise erhobene Klage, auf die sich die Beklagte ausweislich
des Sitzungsprotokolls vom 27. März 2006 eingelassen hat (§ 99
Abs 2 SGG), ist auch zulässig. Die Zulässigkeit scheitert nicht am
fehlenden Vorverfahren (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1;
BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97,
242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 30, zu Ausnahmen BSGE 78, 98
= SozR 3-2500 § 87 Nr 12; hierzu auch Meyer-Ladewig, SGG, 8.
Aufl, § 96 RdNr 11e, § 99 RdNr 13a, § 78 RdNr 8a). Denn obwohl
das LSG von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht die gesetzlichen
Voraussetzungen zum Erlass eines Widerspruchsbescheids nicht
als gegeben angesehen hat, ist das Widerspruchsverfahren
durchgeführt und mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2006
abgeschlossen worden. Nicht ausgeschlossen werden kann nach
dem aktenkundigen Verfahrensgang allerdings, dass im Zeitpunkt
der Klageänderung am 27. März 2006 die einmonatige Klagefrist (§
87 Abs 2 SGG) gegen den am 14. Februar 2006 abgesandten
Widerspruchsbescheid verstrichen war (zum Erfordernis der
Einhaltung der Klagefrist vgl Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl, § 99
RdNr 13a mwN). Für diesen Fall (bei fraglicher Versäumung BSGE
71, 17 = SozR 3-4100 § 103 Nr 8) ist der Klägerin jedoch
Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 67 SGG). Denn trotz
ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung kann es ihr - in der hier
noch maßgeblichen Übergangszeit - nicht zum Nachteil gereichen,
dass die Rechtsprechung des BSG zur fehlenden Übertragbarkeit
der analogen Anwendung des § 96 SGG im Arbeitsförderungsrecht
im Zeitpunkt der Klageänderung noch nicht ergangen war (zum
Aspekt des Vertrauens auf die Spruchpraxis eines obersten
Gerichtshofes vgl BVerfGE 79, 372). Für die geänderte Klage war
deshalb abweichend von § 29 SGG das LSG nach §§ 99, 153 Abs 1
SGG erstinstanzlich zuständig. Die restriktive Handhabung des § 99
SGG durch den 4. Senat (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA
20/01 R = SozR 3-1500 § 29 Nr 1 im Anschluss ua an BGH NJW
1994, 3358 für den Fall eines Beteiligtenwechsels), wonach die
Klageänderung voraussetzt, dass die Beseitigung der erstinstanzlich
hervorgerufenen Beschwer in der Berufungsinstanz (zumindest
teilweise) weiterverfolgt wird, ist jedenfalls in Fallkonstellationen der
vorliegenden Art bei fortwirkender Beschwer - Berufungsrücknahme
nach vorheriger verbindlicher Erklärung der Beklagten zur
Neuberechnung der ursprünglich streitigen Leistungen nach
Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der ersatzweise erhobenen
Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der ersatzweise erhobenen
Klage - nicht gerechtfertigt (vgl auch Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl, §
29).
17
b) Streitgegenständlich sind danach die Bescheide vom 2. Januar
bzw 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
13. Februar 2006, mit der es die Beklagte abgelehnt hat, der
Klägerin Leistungen von mehr als 604,11 Euro monatlich zu
gewähren. Nicht in das Verfahren einbezogen ist der während des
laufenden Revisionsverfahrens ergangene und die Bewilligung
teilweise zurücknehmende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 12. Dezember 2006. Dieser gilt nach Maßgabe des § 171 Abs
2 SGG als beim SG angefochten. Eine weitergehende
Beschränkung des prozessualen Anspruchs kommt dagegen nicht
in Betracht. Bei einem Streit um höhere Leistungen sind
grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der
Höhe nach zu prüfen (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b
AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3; BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 -
B 11b AS 29/06 R; zu Ausnahmen bei KdU BSG, Urteil vom 7.
November 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 - SozR 4-4200 §
22 Nr 1; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 5/07 R -
SozR 4-4200 § 24 Nr 1; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B
14/7b AS 62/06 R, ausdrücklich offengelassen in BSG, Urteil vom
23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3).
18
2. Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von
3,89 Euro monatlich. Weitergehende Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts hat die Vorinstanz dagegen zu Recht verneint.
Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB
II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr
3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik
Deutschland haben (Nr 4). Nach den verbindlichen Feststellungen
des LSG (§ 163 SGG) war die Klägerin im streitigen Zeitraum
jedenfalls in keinem über den jetzt zuerkannten Umfang
hinausgehenden Ausmaß hilfebedürftig. Nach § 9 Abs 1 SGB II ist
hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in
Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, hierin einbezogen
das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen, sichern kann
und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Der
Grundsicherungsbedarf einschließlich des Unterkunftsbedarfs ist
den einschlägigen Regelungen (§§ 19 ff SGB II) zu entnehmen.
Nach § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) erhalten erwerbsfähige
Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II (Alg II) Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der KdU. Der
Anspruch der Klägerin auf Alg II setzt sich aus der Regelleistung (§
20 SGB II) und den nach § 22 SGB II zu berücksichtigenden
Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen.
19
a) Die Regelleistung in den hier interessierenden neuen
Bundesländern für allein stehende Hilfebedürftige ist - gegenüber
der in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost)
maßgeblichen Regelleistung von 345 Euro um 14 Euro niedriger -
auf monatlich 331 Euro festgelegt (§ 20 Abs 2 SGB II idF bis zum
Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. März 2006, BGBl I 558, am 1.
Juli 2006). Hiervon ist die Beklagte bei ihrer Berechnung
ausgegangen. Behinderungsbedingter Mehrbedarf kann schon
mangels der in § 21 Abs 4 SGB II vorausgesetzten Leistungen (vgl
hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 2008 - B
11b AS 19/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) bzw des in § 30
Abs 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) vorausgesetzten
Merkzeichens "G" nicht geltend gemacht werden.
20
b) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen
sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Wohnt der Arbeitsuchende zur
Miete, sind hiervon regelmäßig die Grundmiete und die Neben- und
Heizkosten umfasst. Neben der Nutzungsgebühr hat die Beklagte
deshalb auch die geltend gemachten Neben- und Heizkosten
übernommen. Nach den Feststellungen des LSG sind dies
insgesamt und rechnerisch korrekt monatlich 283,31 Euro.
21
aa) Die anderweitigen Feststellungen zur Miete (268,31 Euro statt
283,31 Euro) im Aufhebungsbescheid vom 12. Dezember 2006, der
insoweit Gegenstand eines gesonderten Verfahrens ist (§ 171 Abs 2
SGG, s oben unter 1b), sind nicht zugleich mit Hilfe einer zulässigen
Gegenrüge der Beklagten (hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl, §
170, RdNr 4a) in das Revisionsverfahren eingeführt worden. Das
Verhältnis von § 171 Abs 2 SGG und Gegenrüge ist - soweit
ersichtlich - bisher in der Rechtsprechung und Literatur nicht näher
beleuchtet worden. Unbeschadet dessen setzt die nach ständiger
Rechtsprechung zulässige Gegenrüge (BSG SozR 3-4100 § 64 Nr
3, BSGE 88, 96 = SozR 3-3800 § 2 Nr 10; BSG SozR 4-2500 § 95
Nr 5; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE
97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch Krasney/Udsching,
Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl, IX, RdNr 342
sowie Rudisile DVBl 1988, 1135 ff) eine Rüge von
Verfahrensmängeln voraus.Den Vorwurf verfahrensfehlerhafter
getroffener tatsächlicher Feststellungen infolge mangelhafter
Sachverhaltsaufklärung (vgl § 103 SGG) erhebt die Beklagte
indessen im Revisionsverfahren nicht. Sie verweist lediglich zur
Begründung ihres Aufhebungsbescheids darauf, dass sie den
Widerspruch der Klägerin gegen die Erhöhung der
Nebenkostenvorauszahlungen selbst erst nach Abschluss des
Berufungsverfahrens bei Gelegenheit eines Telefonats im
Dezember 2006 in Erfahrung gebracht habe. Die Feststellungen des
LSG zur Miete (283,31 Euro) sind daher verbindlich (§ 163 SGG).
22
bb) Von den Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der
tatsächlichen Kosten durfte die Beklagte einen Pauschalabzug für
Wwb vornehmen, indessen nicht in Höhe von 17 % der
tatsächlichen Kosten der Wwb für das Jahr 2004 oder beziffert 10,20
Euro. Der Gesetzgeber führt zwar mit der Neufassung des § 20 Abs
1 Satz 1 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706)
nunmehr die Haushaltsenergie (Kochfeuerung, Wwb und
Beleuchtung) klarstellend als Bestandteil der Regelleistung auf (BT-
Drucks 16/1410 S 32), welche sich aus der auf den Stand 1. Juli
2003 hochgerechneten Auswertung der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 ergibt (BT-Drucks 15/1516 S 56).
Daraus ergibt sich die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der Kosten für
Wwb im Rahmen der KdU. Der pauschale und nicht näher
bezifferbare Anteil für Kosten der Wwb (vgl BR-Drucks 206/04 S 7)
beträgt danach jedoch schätzungsweise lediglich 30 % des auf die
Haushaltsenergie entfallenden Anteils (vgl hierzu auch BT-Drucks
16 <11> 286 S 10) der Regelleistung. Das sind im streitigen
Zeitraum 6,22 Euro ausgehend von der Regelleistung West in Höhe
von 345 Euro und einem aus der EVS 1998 (19,34 Euro)
fortgeschriebenen und hochgerechneten Anteil für Haushaltsenergie
in Höhe von 20,74 Euro. Der Anteil an der Regelleistung Ost (in
Höhe von 331 Euro) beträgt dementsprechend 5,97 Euro (BSG,
Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R; BSG, Urteil vom
19. März 2008 - B 11b AS 23/06 R, jeweils zur Veröffentlichung
vorgesehen). Der von der Beklagten in Abzug gebrachte Betrag in
Höhe von 10,20 Euro überschreitet den maßgeblichen
Pauschbetrag somit um 4,23 Euro monatlich. Ein vom Pauschbetrag
abweichender konkreter Verbrauch (hierzu die Entscheidungen vom
27. Februar 2008 und 19. März 2008, aaO) ist nicht nachgewiesen.
Die Klägerin hat im Bewilligungszeitraum allein pauschalierte
Vorauszahlungen für Heizkosten ohne nähere Aufschlüsselung
nach Heizung und Warmwasser entrichtet. Die gegenteiligen
Berechnungen der Beklagten, zuletzt im Schriftsatz vom 9. Juni
2008, sind - wie nicht zuletzt die aktenkundige Neuberechnung der
KdU für das Jahr 2005 exemplarisch zeigt -
Wahrscheinlichkeitsberechnungen.
23
Unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB
II (hierzu näher Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 2008,
aaO) hat die Klägerin danach zusammenfassend Anspruch auf
monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe
von 608 Euro (331 Euro + 277,34 Euro <283,31 - 5,97> = 608,34
Euro). Zuerkannt sind bisher 604,11 Euro. Die Differenz zugunsten
der Klägerin beträgt somit 3,89 Euro monatlich.
24
c) Ein zusätzlicher Zuschlag nach § 24 SGB II kommt entgegen der
von der Klägerin im Berufungsverfahren geäußerten Meinung nicht
in Betracht, da sich - abgesehen vom zwischenzeitlichen Ablauf der
kalendarischen Zwei-Jahres-Frist ab dem Tag nach dem Ende des
Alg-Bezugs - kein zuschlagsfähiger Differenzbetrag zugunsten der
Klägerin zwischen dem zuletzt 2003 bezogenen Alg (183,82 Euro)
zuzüglich Wohngeld (163 Euro) einerseits und dem im ersten
Halbjahr 2006 zu zahlenden Alg II (608 Euro) andererseits ergibt.
25
3. Die von den Revisionsklägern geäußerten verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die gesetzliche Festlegung der Höhe der
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1. Januar
2005 teilt der Senat nicht.
26
a) Der Senat konnte sich auch hinsichtlich des hier streitigen
Zeitraums nicht davon überzeugen, dass die Abschaffung der Alhi
durch Art 3 und 61 des Vierten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) sowie die stattdessen
erfolgte Einführung des Alg II durch das SGB II ab 1. Januar 2005
gegen höherrangiges Recht verstößt und die in § 20 Abs 2 SGB II
gesetzlich festgelegte Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhalts verfassungswidrig zu niedrig ist. Insoweit wird auf
die Ausführungen des erkennenden Senats in seiner Entscheidung
vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 3
verwiesen, der sich der 14. Senat angeschlossen hat (BSG, Urteil
vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R; BSG, Urteil vom 6.
Dezember 2007 - B 14/7b AS 62/06 R; BSG, Beschluss vom 27.
Februar 2008 - B 14 AS 160/07 B; vgl auch BVerfG, Beschluss vom
7. November 2007 - 1 BvR 1840/07; offen gelassen in BSG, Urteil
vom 29. März 2007 - B 7b AS 4/06 R).
27
b) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vom
Gesetzgeber zunächst vorgenommene und später zum 1. Juli 2006
durch das Gesetz vom 24. März 2006 (aaO) aufgehobene
Absenkung der Regelleistung in den neuen Bundesländern hat der
Senat ebenfalls nicht (so bereits BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 -
B 14/7b AS 42/06 R; BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS
23/06 R ; ferner Urteil des
erkennenden Senats vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 45/06 R). Weder
die gesetzliche Anordnung eines Leistungsgefälles noch die in
Anlehnung an § 28 Abs 2 Satz 3 SGB XII festgelegte
Betragsdifferenz von 14 Euro lassen einen Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erkennen (so aber
insbes Rothkegel in Gagel, SGB II, § 20 RdNr 60 ff). Dieses
Grundrecht ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders
behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass
sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 98,
1 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 mwN). Der Gesetzgeber hat aber
gerade bei der Gewährung von Sozialleistungen, die - wie hier bei
den Leistungen zur Grundsicherung - an die Bedürftigkeit des
Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten
Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178
= SozR 3-5910 § 76 Nr 4).
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Die Regelleistung ergibt sich - wie der Senat in seiner Entscheidung
vom 23. November 2006 (aaO) ausgeführt hat - aus der vom
Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung in
Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt erhobenen
Auswertung der EVS 1998. Hieran durfte sich der Gesetzgeber des
Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
(aaO) im Gesetzgebungsverfahren im Jahre 2003 orientieren und
die Regelleistung in den neuen Bundesländern in Anlehnung an die
Absenkungsvorschrift des § 28 Abs 2 Satz 3 SGB XII (vgl BT-Drucks
15/1516 S 56; BT-Drucks 15/1514 S 59) um 14 Euro reduzieren.
Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ging in seiner
Entscheidung vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 (BVerfGE 107,
218) zur niedrigeren Besoldung für Beamte, Richter und Soldaten in
den neuen Ländern noch 13 Jahre nach der Vereinigung von
unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen in
den alten und neuen Ländern sowie von erheblichen Unterschieden
des diese Verhältnisse und den allgemeinen Lebensstandard
prägenden Preis- und Lohnniveaus und der sonstigen
Rahmenbedingungen aus. Die anschließend im Zwischenbericht
des Ombudsrats vom 29. Juni 2005 enthaltene Empfehlung einer
Angleichung der Regelleistung hat der Gesetzgeber aufgegriffen
und nach - unvermeidlichen Verzögerungen im Zuge des Wechsels
von der 15. zur 16. Legislaturperiode - zum 1. Juli 2006 eine
einheitliche Regelleistung eingefügt. Eine durchgreifende
Fehleinschätzung des Gesetzgebers bzw Missachtung der Grenzen
seines Gestaltungsspielraums lassen sich vor diesem Hintergrund
trotz des - beanstandeten - ggf lückenhaften Datenmaterials weder
in der Sache noch im zeitlichen Ablauf feststellen.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; die
Kostenverteilung orientiert sich am Prozessergebnis sowie der
Sach- und Rechtslage.