Urteil des BSG vom 03.05.2018

Arbeitslosengeldanspruch bei beruflicher Weiterbildung - Anspruchsdauer - Zeitraum der Förderung - Ende der Unterrichtsveranstaltungen - Förderungsfähigkeit bis zur Abschlussprüfung - enger zeitlicher und organisatorischer Zusammenhang

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.5.2018, B 11 AL 6/17 R
ECLI:DE:BSG:2018:030518UB11AL617R0
Arbeitslosengeldanspruch bei beruflicher Weiterbildung -
Anspruchsdauer - Zeitraum der Förderung - Ende der
Unterrichtsveranstaltungen - Förderungsfähigkeit bis zur
Abschlussprüfung - enger zeitlicher und organisatorischer
Zusammenhang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
Landessozialgerichts Hamburg vom 8. Februar 2017
aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts Hamburg vom 3. Februar 2016 wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, der
Klägerin ab 9. Mai 2013 Arbeitslosengeld mit einer
Anspruchsdauer von 30 Tagen zu erbringen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs- und des
Revisionsverfahrens.
Tatbestand
1
Streitig ist die Weiterzahlung von Alg über den 27.5.2013 hinaus unter
Berücksichtigung einer längeren Anspruchsdauer.
2
Die Beklagte bewilligte Alg ab dem 1.1.2012 für eine Anspruchsdauer
von 450 Tagen bis einschließlich 31.3.2013
(Bescheid vom 20.12.2011). Ab 28.1.2013 nahm die Klägerin an der
Qualifizierungsmaßnahme "Zertifizierte Projektmanagerin (GPM)" teil,
die aus Unterrichtseinheiten vom 28.1.2013 bis 27.4.2013, einem
Workshop am 2.5.2013 und einer Zertifizierungsprüfung vom
6.5.2013 bis 8.5.2013 bestand. Ab Beginn der Maßnahme bewilligte
die Beklagte Alg bei beruflicher Weiterbildung für eine
Restanspruchsdauer von 63 Tagen bis einschließlich 27.4.2013.
Weiter erbrachte sie Lehrgangs- und Fahrkosten
(Bescheid vom 31.1.2013). Mit weiterem Bescheid vom 31.1.2013
bewilligte sie Alg bei Arbeitslosigkeit als Vorschuss ab 28.4.2013 für
eine Restanspruchsdauer von 30 Kalendertagen bis einschließlich
27.5.2013. Die Klägerin begehrte eine Änderung dieser Bewilligung
mit Hinweis auf die "drei Zertifizierungstage (wie auf dem
Bildungsgutschein vermerkt)" dahingehend, dass "der 30-tägige
Restanspruch im Anschluss der Maßnahme erst am 9.5.2013
beginne" (Schreiben vom 17.2.2013). Die Beklagte lehnte dies ab
(Schreiben vom 4.4.2013). Nach dem Widerspruch, mit dem die
Klägerin Alg bei beruflicher Weiterbildung bis einschließlich 8.5.2013
begehrte, erließ die Beklagte drei Änderungsbescheide, mit denen sie
ab 1.1.2012 Alg bei Arbeitslosigkeit für eine Anspruchsdauer von 450
Tagen bis einschließlich 27.1.2013, ab 28.1.2013 Alg bei beruflicher
Weiterbildung mit einer Restanspruchsdauer von 63 Tagen bis
einschließlich 27.4.2013 und ab 28.4.2013 Alg bei Arbeitslosigkeit für
eine Restanspruchsdauer von 30 Tagen bis einschließlich 27.5.2013
bewilligte
(Änderungsbescheide vom 27.5.2013, Widerspruchsbescheid vom
19.6.2013)
.
3
Entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag der Klägerin hat das SG
"die Bescheide vom 4.4.2013 und 27.5.2013" sowie den
Widerspruchsbescheid vom 19.6.2013 dahingehend geändert, dass
"Arbeitslosengeld bei Weiterbildung für die Zeit vom 28.1.2013 bis
8.5.2013 bewilligt wird" (Urteil vom 3.2.2016). Das LSG hat das Urteil
des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.2.2017).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Gegenstand
des Klage- und Berufungsverfahrens sei der den Anspruch auf Alg
regelnde Bescheid vom 31.1.2013 in Gestalt der
Änderungsbescheide vom 27.5.2013 und des
Widerspruchsbescheids vom 19.6.2013. Die Klägerin habe keinen
längeren Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung für
ergänzende 12 Tage bis 8.5.2013. Nach dem Wortlaut, den
Gesetzgebungsmaterialien sowie dem Sinn und Zweck der
gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 81 SGB III, sei der
Zeitraum zwischen dem Unterrichtsende und einer späteren Prüfung
nicht als geförderte berufliche Weiterbildung erfasst. Die Beklagte
habe die Gesamtdauer des Alg-Anspruchs und die
Restanspruchsdauer ab 27.4.2013 mit noch 30 Tagen zutreffend
berechnet.
4
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine
Verletzung von § 81 Abs 1 Satz 2 SGB III. Aus dessen Wortlaut, einer
systematischen Zusammenschau mit § 81 Abs 2 und 3 SGB III sowie
dem Sinn und Zweck der Regelungen ergebe sich, dass der Begriff
der Unterrichtsveranstaltung mit einem Anspruch auf Alg bei
beruflicher Weiterbildung auch die Abschlussprüfung umfasse. Bei
der Zusammenlegung von Uhg und Alg zu einer einheitlichen
Leistung zur Förderung der beruflichen Weiterbildung ab 1.1.2005 sei
der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich dies
leistungsrechtlich nicht nachteilig auswirken solle.
5
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. Februar 2017
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts Hamburg vom 3. Februar 2016 mit der Maßgabe
zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin
Arbeitslosengeld ab 9. Mai 2013 mit einer Anspruchsdauer von 30
Tagen zu erbringen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
7
Sie hält das Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
8 Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Berufung der Beklagten
gegen das Urteil des SG wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass diese verurteilt wird, der Klägerin ab 9.5.2013 Alg mit einer
(restlichen) Anspruchsdauer von 30 Tagen zu leisten. Die Klägerin
hat Anspruch auf Alg für eine längere Anspruchsdauer, weil als den
Anspruch auf Alg verlängernder Zeitraum einer beruflichen
Weiterbildung auch der Zeitraum bis zum Abschluss der
Zertifizierungsprüfung am 8.5.2013 zu berücksichtigen ist.
9
1. a) Gegenstand des Revisionsverfahrens sind - neben den
Entscheidungen der Vorinstanzen - die nach § 86 SGG zum
Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheide vom
27.5.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
19.6.2013. Der Bescheid vom 31.1.2013, mit dem die Beklagte Alg
bei Arbeitslosigkeit als Vorschuss ab 28.4.2013 für eine
Restanspruchsdauer von 30 Tagen bis einschließlich 27.5.2013
bewilligt hat, ist durch den Änderungsbescheid vom 27.5.2013, mit
dem Alg endgültig bewilligt wurde, in vollem Umfang iS des § 39 Abs
2 SGB X erledigt worden, ohne dass es einer Aufhebung oder
Änderung dieser vorschussweisen Bewilligung bedurfte
(BSG vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 126)
. Daneben ist auch der weitere Bescheid vom 27.5.2013, mit dem
die Beklagte Alg bei beruflicher Weiterbildung ab 28.1.2013 für eine
Restanspruchsdauer von 63 Tagen bis einschließlich 27.4.2013
bewilligt hat, einbezogen. Gegenstand des Rechtsstreits ist
schließlich der Bescheid vom 27.5.2013, mit dem Alg bei
Arbeitslosigkeit für den der Weiterbildungsmaßnahme
vorangegangenen Zeitraum ab 1.1.2012 für eine Anspruchsdauer
von 450 Tagen bis einschließlich 27.1.2013 bewilligt worden ist. Die
weiteren Bescheide gehen von der in diesem Bescheid
festgestellten Alg-Anspruchsdauer aus. Kehrseite der Alg-
Bewilligung in den Bescheiden vom 27.5.2013 ist die Verfügung,
dass nach dem 27.5.2013 kein Alg-Anspruch mehr besteht
(vgl BSG vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 58/06 R - SozR 4-4300 § 128
Nr 2 RdNr 10)
. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Schreiben
der Beklagten vom 4.4.2013 nicht in das Verfahren einbezogen ist,
weil es hinsichtlich der hier allein streitigen Dauer des Anspruchs auf
Alg keine eigenständige Regelung enthält.
10
b) Gegen die bezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerin mit
der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
(§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG, 56 SGG), mit der sie - nach ihrem im
Revisionsverfahren konkretisierten Klageantrag - Alg für den
streitigen Zeitraum von 30 Tagen ab 9.5.2013 unter Abänderung der
in den Bescheiden vom 27.5.2013 festgelegten Dauer des
(restlichen) Alg-Anspruchs begehrt. Dies war bereits ihrem
Schreiben vom 17.2.2013 und dem Widerspruch unter
Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips, nach dem im
Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Kläger dasjenige begehrt,
was ihm den größten Nutzen bringt
(vgl etwa BSG vom 6.5.2009 - B 11 AL 37/07 R - SozR 4-4300 § 73
Nr 1 RdNr 14)
, zu entnehmen. Hierbei ging es ihr allein um eine Verlängerung der
Dauer des bis zum 27.5.2013 bewilligten Alg. Die Frage, ob die
Klägerin in dem gesamten Zeitraum bis zur Zertifizierung am
8.5.2013 die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs
auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nach § 144 SGB III erfüllte, ist
als Voraussetzung einer verlängerten Anspruchsdauer zu prüfen.
11
c) Nach der Konkretisierung des Klagebegehrens im
Revisionsverfahren muss der Senat nicht mehr darüber befinden, ob
der erstinstanzliche Antrag der Klägerin, die angefochtenen
Bescheide dahingehend abzuändern, dass Alg bei beruflicher
Weiterbildung für den Zeitraum vom 28.1.2013 bis 8.5.2013 zu
bewilligen ist, statthaft war. Der Statthaftigkeit einer auf Änderung
des Rechtsgrundes gerichteten kombinierten Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage
(vgl BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 4/16 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 27
RdNr 19; BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4-3500 § 90
Nr 8 RdNr 14 ff)
steht allerdings entgegen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung
des Alg bei beruflicher Weiterbildung die Entgeltersatzleistungen Alg
und Uhg aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zu einer
einheitlichen Versicherungsleistung zusammenfassen wollte und
das Alg durchgehend erbracht werden sollte
(BT-Drucks 15/1515 S 73, 82).Der Senat geht deshalb davon aus,
dass es sich bei dem in § 136 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB III aufgeführten
Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher
Weiterbildung um eine einheitliche Versicherungsleistung handelt,
die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und des Leistungsumfangs
den sich aus den §§ 137 ff SGB III ergebenden Maßgaben
unterliegt. Die Bezeichnung Alg "bei Arbeitslosigkeit" oder "bei
beruflicher Weiterbildung" kennzeichnet folglich keine
unterschiedlichen Leistungsansprüche, sondern erfolgt
ausschließlich aus Gründen der Praktikabilität.
12
2. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen
nicht vor. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Berufung als einer
auch im Revisionsverfahren zu beachtenden
Sachurteilsvoraussetzung nicht entgegen, dass das SG deren
Zulassung nicht im Tenor ausgesprochen hat. Wirksam ist die
Zulassung der Berufung auch dann, wenn sie sich - wie vorliegend -
ausdrücklich und eindeutig aus den Entscheidungsgründen der
erstinstanzlichen Entscheidung ergibt
(vgl BSG Urteil vom 13.3.1956 - 2 RU 179/55 - BSGE 2, 245 = SozR
Nr 11 zu § 150 SGG)
. Hieran war das LSG nach § 144 Abs 3 SGG gebunden.
13
3. Die Klägerin hat Anspruch auf Alg für eine Dauer von 30 Tagen
ab 9.5.2013 anstelle des von der Beklagten angenommenen
Zeitraums von 30 Tagen nach Beendigung der
Unterrichtsveranstaltungen ab dem 28.4.2013, weil sie auch in dem
Zeitraum vom 28.4.2013 bis zum Abschluss der
Zertifizierungsprüfung am 8.5.2013 Alg bei beruflicher Weiterbildung
beanspruchen konnte.
14
a) Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Alg während einer
beruflichen Weiterbildungsmaßnahme ist § 136 Abs 1 Nr 2 SGB III
iVm § 144 Abs 1 SGB III. Hiernach hat Anspruch auf Alg bei
beruflicher Weiterbildung auch, wer die Voraussetzungen für einen
Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81
SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.
15
aa) Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG
ist davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von § 144 Abs 1 SGB
III gefordert - sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg
mit Ausnahme der Verfügbarkeit auch in dem Zeitraum vom
28.4.2013 bis 8.5.2013 erfüllte. Der Anspruch auf Alg setzt
grundsätzlich Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und die
Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus; arbeitslos ist, wer
Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und nicht in einem
Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich
bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden
(Eigenbemühungen), und den Vermittlungsbemühungen der
Agentur für Arbeit zur Verfügung steht
(§ 137 Abs 1 SGB III, § 138 Abs 1 SGB III jeweils in den
Normfassungen des Gesetzes zur Verbesserung der
Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011
2854>)
. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht ua nur
zur Verfügung, wer Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur
beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr 2)
und bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1
anzunehmen und auszuüben (Nr 3). Unter Berücksichtigung der
Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass die Klägerin
auch nach dem Ende der Unterrichtsveranstaltungen wegen des
zeitnah anberaumten Vorbereitungsworkshops am 2.5.2013 und der
kurz danach stattfindenden Zertifizierungsprüfung nicht verfügbar
war. Bei typisierender Betrachtung kann und will ein Arbeitnehmer,
der an einer geförderten Weiterbildung teilnimmt, bis zu deren kurz
danach erfolgenden Abschluss regelmäßig keine Beschäftigung iS
des § 138 Abs 5 Nr 1 iVm Nr 3 SGB III ausüben oder annehmen
(Söhngen, SGb 2005, 561, 564).
16
bb) Die maßnahmenbezogenen Voraussetzungen für einen
Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung iS von § 144 Abs 1
SGB III liegen vor, weil die Klägerin einen Anspruch auf Alg auch in
dem Zeitraum vom 28.4.2013 bis 8.5.2013 allein wegen einer nach §
81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllte.
Zunächst hat die Beklagte mit dem Förderbescheid vom 31.1.2013
anerkannt, dass die Voraussetzungen des § 81 Abs 1 Satz 1 SGB III
(Notwendigkeit der Weiterbildung, Beratung durch die AA,
Zulassung von Maßnahme und Träger) vorlagen. Weiter bestimmt §
81 Abs 1 Satz 2 SGB III, dass als Weiterbildung die Zeit vom ersten
Tag bis zum letzten Tag der Maßnahme mit
Unterrichtsveranstaltungen gilt, es sei denn, die Maßnahme ist
vorzeitig beendet worden.
17
§ 81 Abs 1 Satz 2 SGB III bewirkt keine zeitliche Begrenzung des
Anspruchs auf Alg bei beruflicher Weiterbildung. § 144 Abs 1 SGB III
knüpft an die Anerkennung der Fördervoraussetzungen für eine
Weiterbildungsmaßnahme nach § 81 SGB III insgesamt an, indem
eine Kausalität zwischen dem Nichtvorliegen der Verfügbarkeit und
einer - bezogen auf den jeweiligen Arbeitnehmer - "nach § 81 SGB
III geförderten beruflichen Weiterbildung" verlangt wird. Zwar könnte
die Vorschrift bei alleiniger Betrachtung ihres Wortlauts auch so
verstanden werden, dass eine Förderung der beruflichen
Weiterbildung durch Leistungen wie das hier streitige Alg generell
auf einen Zeitraum vom Beginn bis zum Endtag der regulären
Unterrichtsveranstaltungen beschränkt sein sollte. In
Prüfungszeiträumen könnte Alg wegen beruflicher Weiterbildung
dann regelmäßig nicht erbracht werden
(Reinhard in Banafsche/Körtek/Kruse, SGB III, 2. Aufl 2015, § 81
RdNr 43; Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 31, Stand
April 2014; Bolten in Gagel, SGB II/SGB III, § 144 SGB III RdNr 13,
Stand Dezember 2017; Reichel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III,
§ 81 RdNr 77, Stand 2014; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K §
81 RdNr 171, Stand Oktober 2017; aA wohl Wurtmann in GK-SGB
III, § 83 RdNr 16, Stand Februar 2017).
Einer solchen, die Förderung von beruflichen Weiterbildungen
einschränkenden Auslegung, steht jedoch die
Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, der systematische
Zusammenhang, in dem § 81 Abs 1 Satz 2 SGB III steht, sowie der
Sinn und Zweck der Regelung entgegen.
18
(1) Nach seinem entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang ist
der Regelungsgehalt des § 81 Abs 1 Satz 2 SGB III dahin zu
verstehen, dass jedenfalls der Zeitraum vom ersten Tag bis zum
letzten Tag der Unterrichtsveranstaltungen ungeachtet etwaiger
Fehlzeiten (zB bei Krankheit oder Urlaub) einheitlich als
Weiterbildungszeitraum (mit Anspruch auf Alg) anzusehen ist, soweit
die Maßnahme nicht vorzeitig beendet worden ist. Insofern ist der
Gesetzgeber bei der Zusammenführung von Alg und Uhg zu einer
einheitlichen Versicherungsleistung mit Wirkung vom 1.1.2005 durch
das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) ausdrücklich davon ausgegangen,
dass "bisherige Sonderregelungen, zB hinsichtlich der Behandlung
von Zeiten ohne Unterricht und während der Ferien, entbehrlich"
seien, weil die gesamte Zeit vom ersten bis zum letzten
Unterrichtstag als Weiterbildung gelte (BT-Drucks 15/1515 S 88).
19
Der Anspruch auf Uhg setzte nach § 153 SGB III in der bis
31.12.2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung
des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 22.12.1999 (BGBl I 2624)
entsprechend der Vorgängerregelung in § 34 Abs 3 AFG eine
tatsächliche Teilnahme am Unterricht voraus. § 155 SGB III in der
bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001
(BGBl I 3443) enthielt Sonderregelungen zu einem dennoch
vorhandenen Anspruch auf Uhg ua bei fehlender Teilnahme aus
wichtigem Grund (Nr 1), bei Arbeitsunfähigkeit (Nr 2), während der
Ferienzeiten (Nr 3) und für den Zeitraum zwischen dem Ende des
Unterrichts und dem Ende der Prüfung (Nr 4). § 155 Nr 4 SGB III aF
sah ausdrücklich vor, dass Uhg auch für Zeiten erbracht werden
sollte, die zwischen dem Ende des Unterrichts und dem Ende der
Prüfung lagen, wenn die Prüfung innerhalb von drei Wochen nach
dem Ende des Unterrichts abgeschlossen wird. Damit wollte der
Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass ein kürzerer
Zwischenzeitraum allgemein für die Prüfungsvorbereitung genutzt
wird
(BT-Drucks 7/4127 S 48 zur Vorgängerregelung des § 34 Abs 3
AFG idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im
Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des
Bundesversorgungsgesetzes vom 18.12.1975 )
. Vorangegangen war ein Urteil des BSG, nach dessen Inhalt der
Lehrgang und die Prüfung eine einheitliche Maßnahme darstellen,
wenn beide in zeitlichem und organisatorischem Zusammenhang
stehen, also die Teilnahme an dem Lehrgang von vorneherein
darauf gerichtet war, an der nachfolgenden Prüfung teilzunehmen
(BSG vom 3.6.1975 - 7 RAr 17/74 - BSGE 40, 29, 32 f = SozR 4100
§ 44 Nr 4 S 10 f).
20
Zwar regeln die seit 1.1.2005 geltenden Vorschriften zum Alg bei
beruflicher Weiterbildung die Behandlung von Zeiträumen nach
Unterrichtsende bis zu den jeweiligen Prüfungsterminen nicht mehr
ausdrücklich. Hieraus folgt jedoch nicht, dass ein Anspruch auf
Unterstützungsleistungen in der Prüfungsphase generell nicht mehr
gegeben sein sollte. Vielmehr ist den Gesetzgebungsmaterialien zu
entnehmen, dass die Zusammenführung von Uhg und Alg zu einer
einheitlichen Versicherungsleistung mit Wirkung vom 1.1.2005 durch
das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) lediglich zu einer Vereinfachung des
Leistungsrechts führen sollte, ohne dass dies mit
Leistungseinschränkungen für die "Bezieher von Arbeitslosengeld"
(vgl BT-Drucks 15/1515 S 73) bzw die "Betroffenen"
(vgl BT-Drucks 15/1515 S 82) verbunden sein sollte. Es ist daher
weiterhin von der Rechtsprechung des BSG, wonach ein Lehrgang
und die abschließende Prüfung als einheitliche Bildungsmaßnahme
anzusehen sind, wenn die Prüfung in zeitlichem und
organisatorischem Zusammenhang mit dem Lehrgang steht,
auszugehen
(vgl BSG vom 12.2.1980 - 7 RAr 31/78 - SozR 4100 § 39 Nr 16 mit
zustimmender Anmerkung von Hoppe in AuB 1980, 252;
offengelassen zu § 155 Nr 4 SGB III aF: BSG vom 29.1.2003 - B 11
AL 40/02 R - juris RdNr 11).
21
(2) Systematische Überlegungen sowie der Sinn und Zweck der
Regelungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung stützen
dieses Ergebnis. So werden als förderungsfähige Lehrgangskosten
auch Prüfungsstücke und -gebühren benannt
(§ 84 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB III). Entsprechend bezeichnet § 180
Abs 1 SGB III iVm § 180 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III
(idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen
am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854)
als Anforderung für die Zulassung einer Maßnahme der beruflichen
Weiterbildung ua, dass diese einen beruflichen Abschluss vermittelt.
Dies bringt zum Ausdruck, dass berufliche Weiterbildung kein
Selbstzweck ist, sondern diese auch auf einen dokumentierten
Erfolg bzw eine Qualifikation abzielt.
22
Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach der zeitgleich zum
1.1.2005 mit den Regelungen zum Alg bei beruflicher Weiterbildung
eingefügten Sonderregelung des § 120 Abs 3 SGB III aF
(idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 )
, nunmehr § 139 Abs 3 SGB III
(idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen
am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854)
, selbst während der Teilnahme an einer nicht die Voraussetzungen
nach § 81 SGB III erfüllenden Maßnahme der beruflichen
Weiterbildung unter weiteren Voraussetzungen ein Anspruch auf Alg
in dem Zeitraum einer an die Unterrichtsveranstaltungen
anschließenden Prüfungsphase gegeben sein kann. Auch bei nicht
nach § 81 SGB III geförderten Maßnahmen soll den Arbeitslosen
nach dem Willen des Gesetzgebers die Gelegenheit gegeben
werden, ihre beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen an die
ständig wachsenden und wechselnden Anforderungen des
Arbeitsmarktes anzupassen. Die dazu notwendige Eigeninitiative
soll unterstützt werden (BT-Drucks 15/1515 S 83). Vor dem
Hintergrund dieser gesetzgeberischen Zielsetzung wäre es
widersprüchlich, Leistungsberechtigte in einer geförderten
Maßnahme der beruflichen Weiterbildung in der gleichen Situation
ohne jeglichen Anspruch auf Alg zu belassen. In der von der
Beklagten und dem LSG befürworteten engen Auslegung des § 144
Abs 1 SGB III iVm § 81 Abs 1 Satz 2 SGB III wäre dies jedoch die
Konsequenz, weil bei den kurz nach Lehrgangsende folgenden
Prüfungen regelmäßig nicht von einer Verfügbarkeit der geförderten
Berechtigten in der Zwischenphase ausgegangen werden kann.
Wegen der Teilnahme an einer nach § 81 SGB III geförderten
Maßnahme sind auch die Voraussetzungen nach § 139 Abs 3 SGB
III, der von der Verfügbarkeit absieht, regelmäßig nicht gegeben
(vgl Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 139 RdNr 76, Stand
11/2013)
.
23
cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war ein Anspruch der
Klägerin auf Alg bei beruflicher Weiterbildung auch in dem Zeitraum
nach Unterrichtsende bis zum letzten Tag der Zertifizierungsprüfung
am 8.5.2013 gegeben. Nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG sowie dem Inhalt des Bescheides der
Beklagten vom 31.1.2013 bestand zwischen den
Unterrichtseinheiten und der abschließenden Zertifizierungsprüfung
ein enger zeitlicher und organisatorischer Zusammenhang. Die
Beklagte hat die Leistungen für die Weiterbildungsmaßnahme mit
der Bezeichnung "Zertifizierte Projektmanagerin" bewilligt; die
Maßnahme war ausdrücklich mit einer Zertifizierungsprüfung und
den hierfür erforderlichen Vorbereitungskursen verbunden.
24
b) Ausgehend von der Anwendbarkeit der Regelung zur Minderung
der Anspruchsdauer bei beruflicher Weiterbildung bis zum 8.5.2013
hat die Klägerin ab 9.5.2013 einen Anspruch auf Alg für noch 30
Tage.
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Die Anspruchsdauer des Alg bestimmt sich nach den §§ 147, 148
SGB III in den Normfassungen des Gesetzes zur Verbesserung der
Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011
(BGBl I 2854). Nach § 147 Abs 1 SGB III richtet sich die Dauer des
Anspruchs auf Alg nach der Dauer der
Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der um drei Jahre
erweiterten Rahmenfrist (Nr 1) und dem Lebensalter, das die oder
der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat
(Nr 2). Unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 147 Abs 2 SGB
III hatte die Beklagte Alg ab 1.1.2012 zutreffend für eine
Anspruchsdauer von 450 Tagen bis einschließlich 31.3.2013
bewilligt. Dabei ist sie von einer regulären Minderung der
Anspruchsdauer nach § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III ausgegangen.
Hiernach mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die
Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit
erfüllt worden ist.
26
Da die Klägerin ab 28.1.2013 an der Qualifizierungsmaßnahme
teilgenommen hatte, waren von der Beklagten bei Erlass der
Änderungsbescheide vom 27.5.2013 die abweichenden
Regelungen zur Minderung der Anspruchsdauer bei Bezug von Alg
bei beruflicher Weiterbildung zu beachten. Nach § 148 Abs 1 Nr 7
SGB III mindert sich die Dauer des Anspruchs um jeweils einen Tag
für jeweils zwei Tage, für die ein Anspruch auf Alg bei beruflicher
Weiterbildung nach dem SGB III erfüllt worden ist. Eine Minderung
unterbleibt, soweit sich dadurch eine Anspruchsdauer von weniger
als einem Monat ergibt (§ 148 Abs 2 Satz 3 SGB III). Entgegen der
Ansicht der Beklagten und des LSG hatte die Klägerin - wie
dargelegt - auch nach der Beendigung des tatsächlichen Unterrichts
bis zum Abschluss der Zertifizierungsprüfung am 8.5.2013 einen
Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung. Dies bewirkt, dass
der am 27.1.2013 noch bestehende Restanspruch von 63 Tagen
um die hälftige Dauer der Ausbildungstage nicht nur bis 27.4.2013
(entsprechend 45 Kalendertagen), sondern bis 8.5.2013 gemindert
wird. In beiden Fallgestaltungen verbleibt eine Anspruchsdauer von
weniger als einem Monat nach § 148 Abs 2 Satz 3 SGB III. Jedoch
schließt sich die von § 148 Abs 2 Satz 3 SGB III geforderte
Verlängerung der Anspruchsdauer um einen Monat - anders als das
LSG meint - erst ab 9.5.2013 an, woraus sich ein insgesamt längerer
Anspruch auf Alg ergibt.
27
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.