Urteil des BSG vom 20.03.2018

Krankenversicherung - Angemessenheit der Vergütung eines Kassenvorstands - Entscheidung der Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 20.3.2018, B 1 A 1/17 R
ECLI:DE:BSG:2018:200318UB1A117R0
Krankenversicherung - Angemessenheit der Vergütung
eines Kassenvorstands - Entscheidung der
Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 21. März 2017 und der Bescheid der
Beklagten vom 25. Juni 2015 aufgehoben. Die Beklagte wird
verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Zustimmung zu der ab 1.
Januar 2014 beabsichtigten Vergütungserhöhung für den
Vorstandsvorsitzenden M. unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen
wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 600 000 Euro
festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zu der Erhöhung einer
Vorstandsvergütung.
2
Die klagende, bundesweit zuständige Krankenkasse (KK)
beabsichtigt, die Vergütung ihres Vorstandsvorsitzenden ab Januar
2014 für die Restlaufzeit seines Vorstandsdienstvertrags (30.11.2015)
zu erhöhen
(Grundvergütung 150 800 Euro; Tantieme 35 800 Euro;
Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen 6747 Euro;
betriebliche Altersvorsorge 6937 Euro;
Dienstfahrzeug 5880 Euro; Unfallversicherung 300 Euro, insgesamt
206 464 Euro).
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab, der
Vertragsänderung zuzustimmen (Bescheid vom 25.6.2015). Das LSG
hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen: Die Beklagte habe
rechtmäßig verneint, dass die vereinbarte Vergütung in einem
angemessenen Verhältnis zu Aufgabenbereich, Größe und
Bedeutung der Klägerin stehe. Hierzu dürfe die Beklagte die
veröffentlichten Grundvergütungen der Vorstände in Stufen je nach
Versichertenzahl mitteln und annehmen, dass bei Fehlen von
Besonderheiten ein Zuschlag von bis zu 30 vH auf den gemittelten
Betrag angemessen sei. Die Aufsichtsbehörden dürften in diesem
Sinne allgemeine Bewertungsmaßstäbe entwickeln. Die angestrebte
Gehaltserhöhung überschreite den sich ergebenden Grenzbetrag von
204 000 Euro (Urteil vom 21.3.2017).
3
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 35a Abs 6a
SGB IV. Die Vorschrift begründe keinen gerichtlich nur eingeschränkt
kontrollierbaren Beurteilungsspielraum. Das LSG habe
verfahrensfehlerhaft den Vorstandsvorsitzenden nicht beigeladen
(§ 75 Abs 2 SGG).
4
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. März 2017
sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2015 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, der ab dem 1. Januar 2014
beabsichtigten Vergütungserhöhung für den Vorstandsvorsitzenden
M. zuzustimmen,
hilfsweise,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. März 2017
sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2015 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin auf
Zustimmung zu der ab 1. Januar 2014 beabsichtigten
Vergütungserhöhung für den Vorstandsvorsitzenden M. unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
5
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
7 Die zulässige Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Hilfsantrags
begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG), im Übrigen unbegründet. Das
klageabweisende Urteil des LSG sowie der angefochtene Bescheid
der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das
Bundesversicherungsamt, sind aufzuheben. Die Beklagte hat über
die Zustimmung zur Änderung des betroffenen
Vorstandsdienstvertrags unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Senats neu zu entscheiden. Die Entscheidung der Beklagten,
der Änderung des Dienstvertrags des Vorstandsvorsitzenden der
Klägerin nicht zuzustimmen, ist ermessensfehlerhaft (dazu 2.). Die
Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung
(dazu 3.).
8 1. Die Klage ist ohne Vorverfahren (§ 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG)als
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder als
Aufsichtsklage statthaft (dazu a). Der erkennende Senat kann in der
Sache entscheiden, ohne den Vorstandsvorsitzenden der Klägerin
beizuladen (dazu b).
9
a) Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei der Klage um eine
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
(§ 54 Abs 1 S 1 SGG) oder um eine Aufsichtsklage
(§ 54 Abs 3 SGG) handelt. Im Verhältnis zum Versicherungsträger
ist die begehrte Zustimmung ein Verwaltungsakt
(stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2200 § 700 Nr 1 S 2; BSGE 99, 95 =
SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 12; BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 §
53 Nr 2, RdNr 10; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 9
mwN; Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung,
Stand Juni 2017, 505, S 4)
. Sie enthält ihm gegenüber eine Regelung, da die Wirksamkeit des
Vorstandsvertrags von der Zustimmung abhängt
(vgl § 35a Abs 6a S 1 SGB IV). Sie hat Außenwirkung, denn sie
betrifft Versicherungsträger wie die Klägerin in ihrer Personalhoheit,
einem Bestandteil ihres Selbstverwaltungsrechts
(vgl Schneider-Danwitz in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 29 RdNr
63)
. Auch mit der Aufsichtsklage kann die Vornahme einer
begünstigenden Aufsichtsanordnung begehrt werden, nämlich die
Erteilung einer beantragten Zustimmung, wenn die Aufsichtsbehörde
dies abgelehnt hat und der Versicherungsträger geltend macht, dass
er auf die Vornahme dieses Akts einen Rechtsanspruch habe
(stRspr, vgl zB BSGE 69, 72, 73 = SozR 3-2500 § 241 Nr 1 S 2;
BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 11; BSGE 109, 230 =
SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 9; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 §
11 Nr 2, RdNr 8)
. So liegt es hier.
10
b) Im Revisionsverfahren fortwirkende prozessrechtliche Umstände,
die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten,
liegen nicht vor. Es bedarf keiner Beiladung des
Vorstandsvorsitzenden. Die allein in Betracht kommende (echte)
notwendige Beiladung (vgl § 75 Abs 2 Alt 1 SGG)setzt voraus, dass
an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass
die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen
kann. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung über das streitige
Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten
unmittelbar eingreift
(stRspr, vgl zB BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1, RdNr 11;
(stRspr, vgl zB BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1, RdNr 11;
BSGE 118, 40 = SozR 4-2500 § 51 Nr 3, RdNr 13; BSGE 120, 289 =
SozR 4-2500 § 268 Nr 1, RdNr 23 mwN)
. In die Rechtssphäre des Dritten wird unmittelbar eingegriffen, wenn
die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden
kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig
Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert
oder aufgehoben werden
(vgl BSGE 118, 40 = SozR 4-2500 § 51 Nr 3, RdNr 13; BSGE 120,
289 = SozR 4-2500 § 268 Nr 1, RdNr 23 mwN; BSG SozR 3-4100 §
134 Nr 7 S 17; BSG SozR 1500 § 75 Nr 71 S 83; Röhl in
Zeihe/Hauck, SGG, Stand August 2017, § 75 Anm 15a; B. Schmidt
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 75
RdNr 10 mwN)
. Diese Voraussetzungen liegen unabhängig davon nicht vor, ob ein
Vorstandsvertrag bereits vereinbart oder nur beabsichtigt ist. Die von
der Klägerin als verletzt angesehene Rechtsnorm des § 35a Abs 6a
SGB IV hat keinen drittschützenden Charakter. Die auf Grundlage
von § 35a Abs 6a SGB IV verweigerte Zustimmung kann nicht in die
Rechtssphäre des Vorstandsvorsitzenden unmittelbar eingreifen.
Die Vorschrift hat die aufsichtsrechtliche Mitwirkung der Beklagten
bei Abschluss, Verlängerung oder Änderung eines
Vorstandsdienstvertrags zum Gegenstand. Sie dient in
Konkretisierung des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots im
Haushaltswesen der Verwirklichung der Interessen der Mitglieder
der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften und der
sonstigen Beitragszahler
(vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf der Bundesregierung
eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und
anderer Vorschriften <3. AMGuaÄndG>, BT-Drucks 17/13770 S 22
zu Artikel 2a <Änderung des SGB IV> zu Nr 1; BSGE 98, 129 =
SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 44)
, nicht aber der Verwirklichung der Individualinteressen des
Vorstandsmitglieds
(stRspr, vgl zB BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 13;
BSGE 113, 107 = SozR 4-1500 § 54 Nr 32, RdNr 11 ff, 17; BSGE
113, 114 = SozR 4-1500 § 54 Nr 33, RdNr 20).
Die aufsichtsrechtliche Mitwirkung ist der Rechtssphäre des
betroffenen Vorstandsmitglieds vorgelagert.
betroffenen Vorstandsmitglieds vorgelagert.
11
2. Die für die Aufsicht über die Klägerin zuständige Beklagte
entschied formal korrekt (dazu a) aufgrund zutreffender
Rechtsgrundlage (dazu b). Sie hatte eine Ermessensentscheidung
zu treffen und die Kriterien hierfür in normkonkretisierenden
Verwaltungsvorschriften festzulegen (dazu c).Die von ihr erlassenen
Verwaltungsvorschriften sind teilweise nicht gesetzeskonform
(dazu d). Sie machte zudem bei ihrer Entscheidung, die Zustimmung
zu der geplanten Änderung des Vorstandsdienstvertrags zu
versagen, von ihrem Ermessen nicht in einer dem Zweck der
Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch (dazu e).
12
a) Die Beklagte ist zuständige Aufsichtsbehörde für die Klägerin
(§ 90 Abs 1 S 1 SGB IV), denn die Klägerin ist ein
bundesunmittelbarer Versicherungsträger
(vgl zu den Grundsätzen BSGE 118, 137 = SozR 4-2400 § 90 Nr 1,
RdNr 17 ff)
. Die Beklagte richtete ihre Entscheidung formal korrekt an die
Klägerin, vertreten durch den Verwaltungsrat
(vgl § 33 Abs 2, 3 SGB IV iVm § 31 Abs 3a SGB IV).
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b) Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Zustimmung ist § 35a Abs
6a SGB IV
(idF durch Art 2a Nr 1 3. AMGuaÄndG vom 7.8.2013, BGBl I 3108,
3110, mWv 13.8.2013)
. Danach bedürfen der Abschluss, die Verlängerung oder die
Änderung eines Vorstandsdienstvertrags zu ihrer Wirksamkeit der
vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde (Satz 1). Die
Vergütung der Mitglieder des Vorstands hat in angemessenem
Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der
Körperschaft zu stehen (Satz 2). Dabei ist insbesondere die Zahl der
Mitglieder der Körperschaft zu berücksichtigen (Satz 3).
14
Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist
eröffnet. Für den geltend gemachten Anspruch auf die begehrte
Genehmigung ist bei einer kombinierten Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung abzustellen. Nichts anderes kann für die
Aufsichtsklage gelten, soweit sie - wie hier - auf eine Verpflichtung
gerichtet ist
(BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 14; BSGE 109, 230
= SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 11 mwN)
. Die gesetzliche Regelung erfasst nach Wortlaut, Zweck,
Regelungssystem und Entstehungsgeschichte die nach Inkrafttreten
der Regelung des § 35a Abs 6a SGB IV vereinbarte Änderung eines
Vorstandsdienstvertrags, auch wenn der ursprüngliche
Vorstandsdienstvertrag - wie hier - vor dem Inkrafttreten des § 35a
Abs 6a SGB IV abgeschlossen wurde
(vgl auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf der Bundesregierung
eines 3. AMGuaÄndG, BT-Drucks 17/13770 S 22 zu Art 2a
<Änderung des SGB IV> zu Nr 1)
.
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c) Die Entscheidung der Beklagten als Aufsichtsbehörde über die
Zustimmung zum Abschluss, zur Verlängerung oder zur Änderung
eines Vorstandsdienstvertrags ist eine Ermessensentscheidung. Um
eine gleichmäßige Ermessensausübung zu gewähren, die
Rechtskonkretisierung der KKn zu strukturieren und eine
nachhaltige präventive Wirkung zu erzielen, sind Aufsichtsbehörden
wie die Beklagte gehalten, die Ermessenskriterien in allgemeinen
Verwaltungsvorschriften festzulegen. Dies folgt aus Sinn und Zweck
der Norm des § 35a Abs 6a S 1 SGB IV sowie ihrem
Regelungssystem (dazu aa) nebst ihrer Entstehungsgeschichte
(dazu bb), ohne dass der Wortlaut entgegensteht (dazu cc). Es steht
mit den allgemeinen Grundsätzen von öffentlich-rechtlichen
Koppelungsvorschriften in Einklang (dazu dd)und ist
verfassungsrechtlich unbedenklich (dazu ee).
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aa) Es entspricht sowohl Sinn und Zweck als auch dem
Regelungssystem der Zustimmungsregelung, von einer durch zu
erlassende Richtlinien begrenzten Ermessensentscheidung der
Aufsichtsbehörde auszugehen. Ziel der Regelung ist es, im Wege
einer präventiven Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden eine
effektive Gewährleistung der Geltung des Wirtschaftlichkeitsgebots
im Haushaltswesen bei der Ausgestaltung der
Vorstandsdienstverträge zwischen dem Verwaltungsrat der KK und
dem Vorstandsmitglied zu sichern, ohne das Selbstverwaltungsrecht
der KKn zu missachten
(vgl auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf der Bundesregierung
eines 3. AMGuaÄndG, BT-Drucks 17/13770 S 21 f zu Art 2a
<Änderung des SGB IV> zu Nr 1)
. Die Regelung sichert das Selbstverwaltungsrecht der KK, indem
Gegenstand der aufsichtsbehördlichen Zustimmung der Abschluss,
die Verlängerung oder die Änderung eines Vorstandsdienstvertrags
ist. Der bereits vereinbarte Vertrag, seine Änderung oder
Verlängerung bedürfen lediglich zur Wirksamkeit der
aufsichtsbehördlichen Zustimmung. Die vorangegangene
Vertragsvereinbarung ist Ausdruck des Selbstverwaltungsrechts der
KK und der Privatautonomie des Vorstandsmitglieds. Das Gesetz
schützt das Selbstverwaltungsrecht der KK(vgl § 4 Abs 1 SGB V),
indem es ihr die Entscheidung über die Personalauswahl und die
Vertragsgestaltung überlässt. Hierbei hat die KK zwar die Vorgaben
des Gesetzes zu beachten, insbesondere das Gebot der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Haushaltswesen
(§ 69 Abs 2 SGB IV und § 4 Abs 4 S 1 SGB V)und der relativen
Vergütungsangemessenheit (§ 35a Abs 6a S 2 und 3 SGB IV). Sie
hat als Sozialversicherungsträger ihre Aufgaben in eigener
Verantwortung "im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie
maßgeblichen Rechts" zu erfüllen (§ 29 Abs 3 SGB IV).Im Rahmen
der reinen Rechtsaufsicht gebieten es aber der auch im
Aufsichtsrecht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der
Grundsatz maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht der
Aufsichtsbehörde, dem beaufsichtigten Versicherungsträger bei
seiner Verwaltungstätigkeit einen gewissen Bewertungsspielraum zu
belassen.Insoweit können Entscheidungen des
belassen.Insoweit können Entscheidungen des
Versicherungsträgers aufsichtsrechtlich hinzunehmen sein, sofern
sie "vertretbar" sind. Das gilt allerdings nur insoweit, als dafür auch
entsprechende Gestaltungsspielräume eröffnet sind. So liegt es
hinsichtlich des Gebots der Wirtschaftlichkeit sowie der Sparsamkeit
im Haushaltswesen und der relativen Vergütungsangemessenheit.
Ihm wohnt ein prognostisches Moment inne, das die Annahme einer
Einschätzungsprärogative rechtfertigt
(vgl zur Einschätzung der Wirtschaftlichkeit BSGE 67, 85, 88 f =
SozR 3-2400 § 89 Nr 1 S 5; BSGE 71, 108, 109 = SozR 3-2400 § 69
Nr 1 S 3; allgemein auch BSG SozR 4-2400 § 80 Nr 1 RdNr 23;
BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 17;
Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand
Juni 2017, 295, S 2; Funk, VSSR 1990, 261, 271).
Wenn sich das Handeln des Versicherungsträgers noch im Bereich
des rechtlich Vertretbaren bewegt, sind förmliche
Aufsichtsmaßnahmen, die dieses beanstanden, bei reiner
Rechtsaufsicht rechtswidrig
(vgl insgesamt zur Vermögensanlage BSG SozR 4-2400 § 80 Nr 1
RdNr 23; BSGE 102, 281 = SozR 4-2500 § 222 Nr 1, RdNr 16).
Wollte man angesichts der Einschätzungsprärogative der KK und
der nur vagen gesetzlichen Vorgaben für die Überprüfung des
Inhalts der Vorstandsdienstverträge von einer gebundenen
Verwaltungsentscheidung bei der Zustimmung ausgehen, wäre eine
effektive präventive Kontrolle nicht zu erreichen. Die rechtliche
Konstruktion eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt
(so Schnapp, SGb 2015, 61, 62) würde diesen Anforderungen nicht
gerecht.
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Die präventive Kontrolle der Vorstandsdienstverträge, die § 35a Abs
6a S 1 SGB IV gebietet, wirkt nur dann effizient, wenn sie nicht erst
bei der Einzelkontrolle vorgelegter Vereinbarungen einsetzt. Sie
erfordert einen verlässlichen Rahmen, den die KKn bereits bei ihrer
Vertragsgestaltung berücksichtigen können, um Rechtsstreitigkeiten
mit der Aufsicht zu vermeiden. Die gesetzlichen Vorgaben des
Gebots der Wirtschaftlichkeit sowie Sparsamkeit im Haushaltswesen
(§ 69 Abs 2 SGB IV, § 4 Abs 4 S 1 SGB V) und der relativen
Vergütungsangemessenheit (§ 35a Abs 6a S 2, 3 SGB IV) genügen
allein hierfür nicht. Sie sind in besonderem Maße
konkretisierungsbedürftig und begründen - wie dargelegt - eine
Einschätzungsprärogative der KKn. Für einen verlässlichen, schon
bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigungsfähigen Rahmen
für die KKn bedarf es gesetzeskonkretisierender Richtlinien der
Aufsichtsbehörde, die verdeutlichen, wann sie einem Vertrag
zustimmt (vgl ähnlich Gaßner/Scherer, NZS 2015, 166, 172). Solche
Richtlinien müssen gesetzeskonform den Entscheidungsprozess
der KKn unter Achtung ihres Selbstverwaltungsrechts strukturieren,
die Gleichbehandlung der KKn garantieren und hierzu die
Aufsichtsbehörde selbst binden. Es entspricht dieser Zielsetzung in
besonderem Maße, wenn sie unter Achtung des Gesetzeszwecks
Öffnungsklauseln enthalten, die für Ausnahmefälle Abweichungen
zulassen.
bb) Auch die Entstehungsgeschichte der Zustimmungsregelung
spricht dafür, von einer durch zu erlassende Richtlinien begrenzten
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spricht dafür, von einer durch zu erlassende Richtlinien begrenzten
Ermessensentscheidung der Aufsichtsbehörde auszugehen. Der
Gesetzgeber führte die Zustimmungsregelung als präventive
Kontrolle der Vorstandsdienstverträge ein, um Missständen
entgegenzuwirken, die sich aufgrund - nachgelagerter - reiner
Rechtsaufsicht bei der Kontrolle von Vorstandsdienstverträgen
ergeben hatten. Seit 1996 traten an die Stelle grundsätzlich auf
Lebenszeit angestellter Geschäftsführer auf Zeit gewählte
Vorstände, um den KKn zu ermöglichen, qualifiziertes Personal für
eine "Managerfunktion" der im Wettbewerb stehenden KKn
einzustellen
(Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.
eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der
gesetzlichen Krankenversicherung
GSG>, BT-Drucks 12/3608 S 68 f zu A I 3 Buchst g
Teil>, S 75 zu A II 3 , S 128 zu Art 3 Nr 4
<Änderung des SGB IV>)
. Die Vergütungsbestimmung war in die Verantwortung der
Selbstverwaltung gestellt. Die aufsichtsrechtliche Kontrolle der
Vorstandsdienstverträge erfolgte nunmehr nach den allgemeinen
Regeln der §§ 87 ff SGB IV als eine reine Rechtsaufsicht
(§ 87 Abs 1 S 2 SGB IV; vgl BSG SozR 4-2400 § 80 Nr 1 RdNr 20).
Dies war ein grundlegender Bruch gegenüber dem
vorangegangenen System mit beamtenähnlicher, präventiv
genehmigungsbedürftiger Bezahlung der Geschäftsführer unter
Durchsetzung auch von Zweckmäßigkeitsvorstellungen der
Aufsichtsbehörde, die hierzu Beurteilungsspielräume hatte
(vgl BSGE 23, 206, 208 f = SozR Nr 2 zu § 355 RVO; BSG SozR
2200 § 355 Nr 1; BSG SozR 3-2400 § 41 Nr 1 S 4 f)
. Seit 1996 wurden den Aufsichtsbehörden mit dem
Wirtschaftlichkeitsgebot im Haushaltswesen unvereinbare
Vergütungen oder sonstige rechtswidrige Vertragsbestandteile
regelmäßig erst im Nachhinein nach Vertragsunterzeichnung
bekannt. Die KKn blieben hieran mangels hinreichender
Korrekturmöglichkeiten oft über Jahre gebunden
(vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf der Bundesregierung
eines 3. AMGuaÄndG, BT-Drucks 17/13770 S 21 f)
. Dem sollte die Zustimmungsregelung zu Vorstandsdienstverträgen
künftig entgegenwirken, ohne dass damit eine vollständige
künftig entgegenwirken, ohne dass damit eine vollständige
Rückkehr zum alten System mit Einräumung eines
Beurteilungsspielraums für die Aufsichtsbehörde verbunden war
(aA Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung,
Pflegeversicherung, § 35a SGB IV RdNr 40, Stand November 2017:
Entscheidung auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten)
. Zugleich war dem Gesetzgeber bewusst, dass es für die
Vorstandsdienstverträge an konkreten und vergleichbaren
Maßstäben mangelt (vgl BT-Drucks 17/13770 S 21). Er sah ohne
Distanzierung die Ansätze der Aufsichtsbehörden, Kontrollmaßstäbe
in Arbeitspapieren zu konkretisieren, griff aber nicht den Vorschlag
des Bundesrechnungshofs auf, eine Obergrenze für
Vorstandsvergütungen gesetzlich festzulegen
(vgl BT-Drucks 17/13770 S 22). Stattdessen führte er den
unbestimmten Rechtsbegriff der "Angemessenheit" ein und gab
hierfür konkrete Bezugspunkte vor
("Aufgabenbereich", "Größe", "Bedeutung der Körperschaft", "Zahl
der Mitglieder")
. Er wollte an der Stärkung der Selbstverwaltung der KKn festhalten,
damit diese den Anforderungen des gestiegenen Wettbewerbs
gerecht werden können, und lediglich Fehlentwicklungen
entgegenwirken. Dementsprechend greifen die Grundsätze der Rspr
nicht ein, wonach eine aufsichtsbehördliche Genehmigung als ein
Akt staatlicher Mitwirkung an der autonomen Rechtsetzung des
Sozialversicherungsträgers anzusehen ist, bei deren Ausübung die
Behörde je nach dem Gegenstand der Entscheidung in begrenztem
Umfang auch Zweckmäßigkeitserwägungen zur Geltung bringen
darf
(vgl dazu zB BSG SozR 3-3300 § 47 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-2400 §
41 Nr 1 S 3 mwN; BSG Beschluss vom 31.3.1998 - B 1 A 1/96 B -
Juris RdNr 6; BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 14/04 R - Juris
RdNr 19; vgl auch BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr
43).
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cc) Der Wortlaut des § 35a Abs 6a S 1 SGB IV lässt die Auslegung
zu, von einer durch zu erlassende Richtlinien begrenzten
Ermessensentscheidung der Aufsichtsbehörde auszugehen. Er
enthält keine näheren Hinweise darauf, ob ein Anspruch der
betroffenen KK auf Zustimmung der Aufsichtsbehörde oder lediglich
auf eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen besteht.
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dd) Das Auslegungsergebnis, von einer durch zu erlassende
Richtlinien begrenzten Ermessensentscheidung der
Aufsichtsbehörde auszugehen, steht mit den allgemeinen
Grundsätzen von öffentlich-rechtlichen Koppelungsvorschriften in
Einklang. Verbindet eine solche Rechtsnorm einen unbestimmten,
einer unmittelbaren Subsumtion nicht zugänglichen Rechtsbegriff
auf der Tatbestandseite mit einem "Können" der Behörde auf der
Rechtsfolgenseite (sog Koppelungsvorschrift), ist die rechtliche
Würdigung dogmatisch nicht vorgegeben. Es kann sich einerseits
an die (regelmäßig gerichtlich voll überprüfbare) Auslegung des
unbestimmten Rechtsbegriffs eine eigenständige
Ermessensausübung (Folgeermessen) anschließen. Andererseits
kann zwischen beiden eine unlösbare Verbindung bestehen,
sodass der unbestimmte Rechtsbegriff in den Ermessensbereich
hineinragt und zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen
Ermessensausübung bestimmt. Welche Konstellation zutrifft, lässt
sich nur nach Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift entscheiden.
Maßstab ist dabei insbesondere, ob bei der Annahme eines
unbestimmten Rechtsbegriffs auf der Tatbestandseite noch Raum
für ein Verwaltungsermessen verbleibt
(vgl zu dem Ganzen GmSOGB Beschluss vom 19.10.1971 - GmS-
OGB 3/70 - BVerwGE 39, 355, 366 = BFHE 105, 101, 109; vgl auch
BSGE 34, 269, 270 f = SozR Nr 1 zu § 602 RVO; BSG SozR 2200 §
182a Nr 1; BSGE 59, 148, 153 = SozR 2200 § 368a Nr 14; BSGE
83, 292, 295 f = SozR 3-2400 § 76 Nr 2 S 10 f; BSGE 98, 108 =
SozR 4-4300 § 324 Nr 3, RdNr 15; BSG SozR 3-2200 § 182c Nr 2 S
5 f; BVerwGE 72, 1, 4 f; BVerwGE 107, 164, 167; BVerwG Urteil vom
22.3.2017 - 5 C 5/16 - NJW 2018, 568, 570 f mwN; zu Art 19 Abs 4
GG vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 28.10.2009 - 2 BvR
2236/09 - BVerfGK 16, 328, 335 = Juris RdNr 25 ff; kritisch BFH
Beschluss vom 28.11.2016 - GrS 1/15 - BFHE 255,
482 RdNr 99 ff)
. Letzteres ist hier der Fall. Der Gesetzgeber wollte der
Aufsichtsbehörde - wie dargelegt - eine Konkretisierungsbefugnis
hinsichtlich des Gebots der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und
relativen Vergütungsangemessenheit bei der Beurteilung der
Vorstandsdienstverträge einräumen.
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ee) Die hierdurch eingeschränkte gerichtliche Kontrolle ist mit
Verfassungsrecht vereinbar. KKn wie die Klägerin können sich auf
Grundrechte, insbesondere auf das Gebot des effektiven
Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) nicht berufen
(vgl BVerfGE 39, 302, 312 f; BVerfGE 68, 193, 205 ff; BVerfGE 75,
192, 197 ff).
Auf die Person des Vorstandsvorsitzenden kommt es mangels
unmittelbarer Betroffenheit (vgl hierzu 1. b)nicht an
(aA LSG Baden-Württemberg Urteil vom 19.1.2018 - L 4 KR 4301/15
KL - im Übrigen § 160 Abs 2 SGG verletzend)
. Entsprechendes gilt für einen Eingriff in die Berufsfreiheit
(Art 12 Abs 1 GG)des Vorstandsvorsitzenden
(aA Schnapp, SGb 2015, 61, 68).
22
d) Die Beklagte ist der Verpflichtung, rechtskonkretisierende
Verwaltungsvorschriften zu erlassen, in förmlicher Hinsicht
nachgekommen mit dem Erlass des Arbeitspapiers 2013
(Arbeitspapier der Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger
- Vorstandsvergütungen im Bereich der gesetzlichen
Krankenkassen -)
sowie der anliegenden Trendlinien, welche die von den KKn
gezahlten Vergütungen ins Verhältnis zu ihrer Versichertenzahl
setzen und hieraus einen Trend ermitteln. Die Aufsichtsbehörden
des Bundes und der Länder haben das von einer Arbeitsgruppe
erstellte Arbeitspapier als gemeinsamen Maßstab zur
Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Haushaltswesen
jeweils für sich beschlossen
(vgl Rundschreiben der Beklagten an die Vorsitzenden der
Verwaltungsräte der bundesunmittelbaren Ersatzkassen, IKKn und
BKKn vom 5.12.2013)
und nachfolgend auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Die Beklagte
als für die Klägerin zuständige Aufsichtsbehörde hat sich das
Arbeitspapier hinreichend als eigene ermessenslenkende Vorschrift
zu eigen gemacht.
23
In der Sache geht das Arbeitspapier 2013 gesetzeskonform davon
aus, dass die Entscheidung über die Zustimmung aufgrund der
Regelung des § 35a Abs 6a SGB IV zu treffen ist. Es begegnet
keinen Bedenken, dass nach seinem Inhalt zur Konkretisierung der
gesetzlichen Anforderungen - entsprechend der bisherigen Praxis
vor Inkrafttreten der Regelung des § 35a Abs 6a SGB IV - die
Spannbreite der Vergütungen zu betrachten ist, die KKn
vergleichbarer Größe für ihre Vorstände aufwenden. Sie haben
diese jährlich im Bundesanzeiger zu veröffentlichen
(vgl hierzu § 35a Abs 6 S 2 SGB IV und BSGE 98, 129 = SozR 4-
2400 § 35a Nr 1)
. Soweit die tatsächlichen Veröffentlichungen hinter den
gesetzlichen Anforderungen zurückbleiben, haben die
Aufsichtsbehörden für eine Korrektur zu sorgen und die
gesetzeskonformen Veröffentlichungen zugrunde zu legen. Eine
Rücksichtnahme auf Anlaufprobleme kommt insoweit nicht in
Betracht. Das Veröffentlichungsgebot ist bereits 2004 eingeführt
worden
(§ 35a Abs 6 S 2 SGB IV, angefügt durch Art 5 Nr 6 Gesetz zur
Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom
14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004).
Es hält sich ebenfalls im Rahmen zulässiger
Gesetzeskonkretisierung, dass die Aufsichtsbehörden den
Vorgaben des Gesetzgebers, insbesondere die Zahl der Mitglieder
der Körperschaft zu berücksichtigen (vgl § 35a Abs 6a S 3 SGB IV),
dadurch Rechnung tragen, dass sie auch weiterhin die
Versichertenzahlen einer KK als Maßstab für deren Größe
betrachten. Denn die Zahl der Mitglieder einer gesetzlichen KK ist
zwangsläufig in der Zahl der Versicherten enthalten.
24
Gesetzeskonform fordert das Arbeitspapier, dass die Prüfung alle
Vergütungsbestandteile mit einbeziehen muss. Hierzu zählt es
ausdrücklich Festgehalt/Grundvergütung, Prämien,
Altersversorgung, Übergangsgelder und die unentgeltliche
Überlassung eines Dienstkraftfahrzeugs auch zur privaten Nutzung.
Das schließt die Einbeziehung weiterer Vergütungsbestandteile
nicht aus, sondern spricht nur häufig vorkommende Bestandteile an.
Es entspricht auch dem gesetzlich normierten Grundsatz der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Haushaltswesen
(§ 69 Abs 2 SGB IV und § 4 Abs 4 S 1 SGB V), dass die KK einem
Vorstand nur ein Gehalt in notwendiger Höhe anbieten darf.
Notwendig ist das Gehalt, welches nach den Bedingungen des
Markts angeboten werden muss, um qualifiziertes Personal zu
gewinnen und zu halten.
25
Soweit das Arbeitspapier ausführt, dass die Aufsichtsbehörden eine
an der Trendlinie orientierte Grundvergütung für zulässig halten,
nicht unerhebliche Überschreitungen der Trendlinie einer sachlichen
Begründung bedürfen und eine deutliche Überschreitung der
Trendlinie einen Indikator für unwirtschaftliches Verhalten darstellt
und in aller Regel zur Versagung der Zustimmung führt, verlässt dies
unter Würdigung des Gesamtkonzepts des Arbeitspapiers den
gesetzlichen Rahmen. Allerdings ist der methodische
Ausgangspunkt des Arbeitspapiers gesetzeskonform, spezifisch
gerade aus der Spannbreite der Vorstandsvergütungen der jeweils
relevanten Gruppe von KKn Trendlinien zu bilden und einen
Aufschlag hierauf vorzunehmen, um dem Einschätzungsspielraum
der KKn Rechnung zu tragen. Einer Einbeziehung anderer
Personenkreise in den Vergleich bedarf es entgegen der Auffassung
der Klägerin nicht. Gesetzeskonform ist auch die Vorgabe des
Arbeitspapiers für die Aufsichtsbehörde, lediglich eindeutige
Grenzüberschreitungen als rechtswidrig zu beanstanden.
26
Grundlage für die Gruppenbildung sind die gesetzlichen Vorgaben,
nach denen die Vergütung der Mitglieder des Vorstands in
angemessenem Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und
zur Bedeutung der Körperschaft zu stehen hat und dabei
insbesondere die Zahl der Mitglieder der Körperschaft zu
berücksichtigen ist. Die Bildung von Größenklassen der KKn, wie sie
den Berechnungen der Trendlinien zugrunde liegen, beachtet
dieses Konzept. Die Größenklassen bilden im Rechtssinne die
"Bedeutung der Körperschaft" ab. Die weiteren Kriterien des
Aufgabenbereichs und der Größe
(zur Bedeutung vgl unten, unter II. 2. e bb)finden keine Erwähnung,
obwohl sie zwingende Parameter der relativen
Vergütungsangemessenheit sind. Für ihre Berücksichtigung ist es
den Aufsichtsbehörden überlassen, ob sie hierfür etwa jeweils
eigenständige Untergruppen im Rahmen der Größenklassen der
KKn bilden oder zB ausgehend vom Regelfall für Abweichungen bei
Aufgabenbereich und Größe pauschalierende Zu- und Abschläge
vorsehen.
27
Es überschreitet aber die Grenzen zulässiger
Gesetzeskonkretisierung, wenn die Aufsichtsbehörden lediglich die
Grundvergütung zum Ausgangspunkt der Angemessenheit und
einer Extrapolation machen. Schon im Ansatz sind für die Prüfung
der Angemessenheit alle Vergütungsbestandteile einzubeziehen, da
sie die Grundlage der relativen Angemessenheit der Vergütung
bilden (ebenso Hilbrandt, NJOZ 2018, 401, 407). Einmalzahlungen
können zB auf die Vertragslaufzeit umgelegt werden. Ein
Ausklammern von Vergütungsbestandteilen kommt nur einheitlich
für alle Fälle und lediglich dann in Betracht, wenn alle Betroffenen in
gleicher Weise hiervon profitieren oder benachteiligt werden. Das ist
aber bei unterschiedlichen, zwischen den Betroffenen variierenden
Anteilen einer Vergütungskategorie als Bestandteil an der jeweiligen
gesamten Vergütung nicht der Fall.
28
Für die Umschreibung der Grenzlinien entspricht es dem
Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG)und dem Zweck der Prävention,
diese klar - etwa mit bestimmten Prozentsätzen der Abweichung von
den durch eine Trendlinie umschriebenen marktüblichen
Vergütungen - und nicht nur mit unbestimmten Begriffen zu
umschreiben, wie es das Arbeitspapier macht. Die
Aufsichtsbehörden müssen die KKn innerhalb der
Vergleichsgruppen gleich behandeln, soweit keine begründbaren
Ausnahmefälle vorliegen. Das schließt für den Regelfall die
Anwendung gleicher Prozentsätze ein.
29
e) Die Beklagte machte auch jenseits der Anwendung des
Arbeitspapiers von ihrem Ermessen nicht in einer dem Zweck der
Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch
(vgl § 54 Abs 2 SGG). Die von ihr verwendeten
Ermessensgesichtspunkte stehen teilweise nicht in Einklang mit den
gesetzlichen und im Arbeitspapier selbst gesetzten Vorgaben. Es
begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin allerdings - wie
dargelegt - für sich genommen keinen durchgreifenden Bedenken,
dass die Beklagte die Einschätzungsprärogative der Klägerin mit
einem prozentualen Aufschlag auf die Trendlinie berücksichtigte, wie
sie der Art nach in der zu überarbeitenden Ermessensrichtlinie
aufgenommen werden sollte.
30
aa) Die Beklagte bezog nicht nur - rechtmäßig - alle
Vergütungsbestandteile in die Prüfung der Angemessenheit ein,
sondern weiter gehend auch den Arbeitgeberanteil für die
Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist im
Rechtssinne indes kein Anteil der Vergütung für ein
Vorstandsmitglied. Arbeitgeberfinanzierte Beitragsanteile zur
Altersvorsorge sind kein Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV. Der
Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung ist dem einzelnen
Beschäftigten weder beitrags- noch leistungs- oder prozessrechtlich
zugeordnet und bringt ihm keinen individuellen Vorteil. Der
Beitragsanspruch richtet sich allein gegen den Arbeitgeber
(vgl BSGE 86, 262, 285 ff = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 26 ff; BSGE
92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1, RdNr 89; BSG SozR 4-2600 §
181 Nr 3 RdNr 32; für das Steuerrecht vgl BFHE 199, 524, 526 f;
BFHE 228, 295, 297; BFHE 247, 538, 544; für das Arbeitsrecht vgl
BAGE 157, 341, 343; BAGE 97, 150, 153 ff; BAG Urteil vom
11.1.1978 - 5 AZR 829/76 - AP Nr 7 zu § 2 LohnFG = Juris RdNr 33;
vgl auch § 26 Abs 3 S 1 SGB IV zur Beitragserstattung und hierzu
BSGE 86, 262, 266, 268 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 6, 8 zum
Begriff der Beitragstragung in § 210 Abs 3 S 1 SGB VI)
. Soweit nach der Rspr des BGH der entschädigungspflichtige
Erwerbsschaden im zivilen Schadensersatzrecht
(§§ 842, 843, 252 BGB, § 11 StVG) auch den Arbeitgeberanteil am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfasst
(BGHZ 173, 169, 174; BGHZ 139, 167, 172; BGHZ 43, 378, 382 f),
beruht dies auf Besonderheiten des normativen Schadensbegriffs
(vgl BGHZ 173, 169, 174; BGHZ 43, 378, 382 ff)und hat für die
Beurteilung des Vergütungsbegriffs in § 35a Abs 6a SGB IV keine
Bedeutung.
31
bb) Die Beklagte legte ihrer Entscheidung für die Prüfung der
Angemessenheit auch nicht das Verhältnis der Vergütung zum
Aufgabenbereich des Vorstandsmitglieds zugrunde, sondern bezog
diesen Parameter auf die Körperschaft. Das verletzt die gesetzlichen
Vorgaben des § 35a Abs 6a S 2 und 3 SGB IV für ihren
aufsichtsrechtlichen Prüfungsmaßstab. Hiernach sind maßgeblich
der Aufgabenbereich des Vorstandsmitglieds, die Größe des
Vorstands und die Bedeutung der Körperschaft, wie sie sich
insbesondere aus der Mitgliederzahl der Körperschaft ergibt. Dies
ergibt sich aus Wortlaut (dazu aaa)sowie Regelungssystem und -
zweck (dazu bbb), ohne dass die Entstehungsgeschichte
entgegensteht (dazu ccc).
32
aaa) Bereits der Wortlaut der Norm spricht für die Maßgeblichkeit
des Aufgabenbereichs des Vorstandsmitglieds, der Größe des
Vorstands und der Bedeutung der Körperschaft, wie sie sich
insbesondere aus der Mitgliederzahl der Körperschaft ergibt. Er
verlangt, dass die Vergütung in angemessenem Verhältnis zu drei
kumulativ zu berücksichtigenden Kriterien steht: Aufgabenbereich,
Größe und Bedeutung der Körperschaft. Sinngehalt hat diese
Normstruktur nur, wenn jedem Kriterium ein eigener
Bedeutungsgehalt zukommt. Die benannte Auslegung gewährleistet
dies: Aufgabenbereich des Vorstandsmitglieds und Größe des
Vorstands sind eigenständige qualitative vergütungsrelevante
Aspekte. Würden auch die Kriterien Aufgabenbereich und Größe auf
die Körperschaft bezogen
(so Kingreen, KrV 2016, 41, 46; Gaßner/Scherer, NZS 2015, 166,
173; Andelewski/Steinbring-May, KrV 2014, 142, 144)
, hätten sie neben der "Bedeutung" keinen wesentlichen Sinn. So
sind die Aufgaben der Körperschaft gesetzlich festgelegt und für alle
KKn im Wesentlichen identisch
(so auch Gaßner/Scherer, NZS 2015, 166, 173; vgl auch Hilbrandt,
NJOZ 2018, 401, 406; ders, NZA 2018, 351, 353)
. Die "Größe" hätte bei Bezug auf die Körperschaft
(so Kingreen, KrV 2016, 41, 46 f)neben der die Zahl der Mitglieder
berücksichtigenden "Bedeutung" der Körperschaft keinen
spezifischen Gehalt.
33
bbb) Das Regelungssystem und der hierin sich ausdrückende
Regelungszweck stützen das Auslegungsergebnis. Der Bezug des
"Aufgabenbereichs" auf das jeweilige Vorstandsmitglied trägt dem
Verhältnis der Vergütung zu Komplexität und weiteren qualitativen
Anforderungen der ihm zugeordneten Aufgaben Rechnung. Dass
die Vorstandsmitglieder unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen
haben, ergibt sich aus dem Ressortprinzip
(vgl § 35a Abs 1 S 3 SGB IV). Das Bemessungskriterium "Größe"
auf den Vorstand und nicht auf die Körperschaft zu beziehen,
ermöglicht es, die Unterschreitung der gesetzlich zulässigen
Höchstzahl der Vorstandsmitglieder (vgl § 35a Abs 4 S 1 SGB IV)
mit ihren Folgen für den Aufgabenumfang als weiteres qualitatives
Kriterium zu berücksichtigen. Dies dient zugleich dem
Regelungszweck, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit im Haushaltswesen
(vgl § 69 Abs 2 SGB IV und § 4 Abs 4 S 1 SGB V)für den Bereich
der Vorstandsvergütung zu konkretisieren
(vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf der Bundesregierung
eines 3. AMGuaÄndG, BT-Drucks 17/13770 S 21)
. Diese Grundsätze beinhalten im Haushaltswesen auch das
qualitative Element, einen größtmöglichen Nutzen zu erreichen,
nicht nur das Einsparen von Mitteln
(vgl BSGE 55, 277, 279 = SozR 2100 § 69 Nr 3; BSGE 56, 197 =
SozR 2100 § 69 Nr 4; Breitkreuz in Winkler, SGB IV, 2. Aufl 2016, §
69 RdNr 10; Schnapp, SGb 2015, 61, 65).
Die differenzierende, an Qualität ausgerichtete Auslegung sichert
zugleich in Einklang mit der durch das GSG verfolgten Zielsetzung
die Akquise von qualifiziertem leistungsfähigem Vorstandspersonal
(vgl oben, unter II. 2. c bb).Sie akzentuiert die Möglichkeit,
anspruchsvollere und/oder umfangreichere Aufgaben
leistungsgerecht zu vergüten.
34
ccc) Die Entstehungsgeschichte steht der Auslegung nicht
entgegen. Nach den Gesetzesmaterialien sollten die vereinbarten
Vergütungen der Vorstände in angemessenem Verhältnis zur Größe
der Körperschaft und zum Aufgabenbereich stehen
(vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf der Bundesregierung
eines 3. AMGuaÄndG, BT-Drucks 17/13770 S 22)
.
35
cc) Die Beklagte legte ihrer Entscheidung für die Prüfung der
Angemessenheit dagegen im Ansatz rechtmäßig für die "Größe" das
Verhältnis zur gesetzlich zulässigen Zahl von Vorstandsmitgliedern
zugrunde. Es ist zulässig, lediglich die Unterschreitung mit einem
pauschalen Zuschlag auf die vorgesehene zulässige Abweichung
zur Trendlinie zu berücksichtigen. Ohne Belang ist, dass die
Beklagte hierfür an einen anderen gesetzlichen Begriff anknüpfte.
Gleiches gilt für die Berücksichtigung der "Bedeutung" entsprechend
der Zahl der Versicherten in Einklang mit dem "Arbeitspapier".
36
3. Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht
ersichtlich.
37
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG
iVm § 155 Abs 1 S 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und § 47
Abs 1 GKG.