Urteil des BSG vom 30.11.2016

abrechnung, versorgung, zusätzliches honorar, richtigstellung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 30.11.2016, B 6 KA 17/15 R
ECLI:DE:BSG:2016:301116UB6KA1715R0
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Februar 2015 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der zahnärztlichen Abrechnung der Klägerin in 9
Behandlungsfällen für das Quartal III/2009 und in 37 Behandlungsfällen für das Quartal IV/2009 wegen des sog
Splittingverbots in Höhe von insgesamt 3517,55 Euro und 2034,37 Euro, zusammen 5551,92 Euro.
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Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), bestehend aus zwei zur vertragszahnärztlichen Versorgung
zugelassenen Zahnärzten und dem Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurg) Dr. med. Dr. med. dent.
S., der zugleich in Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
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Bei einem elektronischen Datenabgleich zwischen der beklagten KZÄV und der beigeladenen KÄV Hessen wurde
festgestellt, dass in den beiden streitbefangenen Quartalen in zahlreichen Behandlungsfällen Leistungen sowohl bei der
Beklagten als auch bei der Beigeladenen abgerechnet worden waren. In diesen Fällen wurde aus Sicht der Beklagten und
der Beigeladenen gegen das sog Splittingverbot verstoßen, wonach ein einheitlicher Behandlungsfall nur über die KZÄV
oder nur über die KÄV abgerechnet werden darf und die Aufteilung eines einheitlichen Behandlungsfalles in zwei
Abrechnungsfälle nicht zulässig ist. Die Berichtigungen wurden sodann nach dem Leistungsschwerpunkt des
Behandlungsfalles, konkret nach der Höhe der vorgenommenen Abrechnungen, vorgenommen.
4
Die KÄV nahm mit Bescheid vom 24.5.2013 eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarabrechnung von Dr. Dr.
S. für die Quartale III/2009 und IV/2009 in Höhe von 35 344,76 Euro bzw 32 302,24 Euro, insgesamt in Höhe von 67 647
Euro vor. Alle Rechtsbehelfe hiergegen waren erfolglos. Das BSG hat in letzter Instanz mit Urteil vom 4.5.2016
(B 6 KA
16/15 R)
die Richtigstellung gebilligt.
5
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 21.3.2013 für das Quartal III/2009 eine sachlich-rechnerische Richtigstellung in 9
Fällen vor und kürzte das Honorar um 4098,75 Euro, unter Berücksichtigung von Einbehalten nach dem
Honorarverteilungsmaßstab (HVM) für das Jahr 2009 im Ergebnis um 3517,55 Euro. Den Widerspruch der Klägerin
hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.6.2013 als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom
14.5.2013 nahm die Beklagte eine weitere sachlich-rechnerische Richtigstellung für das Quartal IV/2009 in 37
Behandlungsfällen in Höhe von insgesamt 2862,79 Euro vor, die sie im Hinblick auf HVM-Einbehalte auf 2456,85 Euro
reduzierte. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch gab sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2013 in Höhe von
422,48 Euro statt. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück.
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Das SG hat die Klagen hiergegen mit Urteil vom 7.5.2014 abgewiesen. Die Beklagte sei wegen Verstoßes gegen das
Splittingverbot berechtigt gewesen, die Absetzungen vorzunehmen. Soweit § 9 Abs 1 des Bundesmantelvertrages-
Zahnärzte (BMV-Z) bestimme, dass Behandlungsfall im Sinne des Vertrages bei Leistungen nach den Teilen 1 und 3 des
Bewertungsmaßstabes die gesamte von demselben Vertragszahnarzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres
vorgenommene Behandlung sei, handle es sich nicht um eine Einschränkung des Splittingverbots, sondern um die
Bestimmung des Quartalsprinzips für diese Leistungen. Auch wenn MKG-Chirurgen gleichzeitig über eine vertragszahn-
und vertragsärztliche Zulassung verfügen, hätten sie nur einen Versorgungsauftrag. Dass nur ein Behandlungsfall pro
Patient im Quartal vorliege, gelte unabhängig davon, ob der MKG-Chirurg in einer Einzelpraxis oder in einer ärztlichen oder
zahnärztlichen BAG zugelassen sei. Die BAG sei nach der Rechtsprechung des BSG durch die gemeinsame Ausübung der
ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit
gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf
gemeinsame Rechnung geprägt. Sie trete der KÄV als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Die Behandlung eines
Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der BAG stelle sich als ein Behandlungsfall dar. Es komme in
einer BAG nicht darauf an, ob der MKG-Chirurg selbst oder sein vertragszahnärztlicher Partner die Leistungen erbracht
hat. Sie gälten als von der BAG erbrachte Leistungen und damit auch als Leistungen jedes einzelnen Mitglieds der BAG.
7
Würden Leistungen erbracht, die nicht in beiden, sondern nur in einem Bereich abgerechnet werden können, müsse sich
die Abrechnung nach diesen Leistungen richten. Soweit darüber hinaus Fälle denkbar seien, in denen nicht sämtliche
erbrachte Leistungen in einem der beiden Bereiche abrechenbar sind, sei davon auszugehen, dass diese Fälle wegen der
geringen Häufigkeit vernachlässigbar sind und die sich evtl ergebenden Abrechnungsabstriche durchaus zumutbar
wären. Solche Fälle seien im Übrigen vorliegend nicht ersichtlich.
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Das Splittingverbot beruhe gerade auch auf der unterschiedlichen Abrechnungssystematik der Leistungsbereiche. Im
Unterschied zur vertragsärztlichen Abrechnung nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen
(EBM-Ä) werde bei der vertragszahnärztlichen Abrechnung jeder Teilschritt einzeln vergütet, unterliege aber im Bereich der
Beklagten verschiedenen Budgetgrenzen (sog Restvergütungsquote und Degressionsregelung). Es bestehe der Eindruck,
dass die Nichteinhaltung des Splittingverbots der Kumulation der Vorteile beider Abrechnungssysteme gedient habe,
indem eine chirurgische Hauptleistung vertragsärztlich und Begleitleistungen in zum Teil nicht unerheblichem Umfang
vertragszahnärztlich abgerechnet worden seien.
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Das LSG hat mit Urteil vom 25.2.2015 die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung zunächst auf die
Ausführungen des SG verwiesen. Ergänzend hat das Berufungsgericht ausgeführt, das Splittingverbot sei in der Sache
gerechtfertigt, weil ohne dieses zum einen Abrechnungskontrollen erschwert oder gar unmöglich gemacht würden und
honorarbegrenzende Maßnahmen umgangen werden könnten, darüber hinaus aber auch rechtswidrige
Doppelabrechnungen erleichtert würden, und wegen der unterschiedlichen Abrechnungssystematik des
vertragsärztlichen und des vertragszahnärztlichen Leistungsbereichs gesplittete Abrechnungen eine ungerechtfertigte
Steigerung von Honoraransprüchen ermöglichen würden, etwa dadurch, dass eine chirurgische Hauptleistung oder
pauschalierte Leistungen vertragsärztlich und daneben zusätzlich Begleitleistungen vertragszahnärztlich mit den
vorgesehenen Einzelvergütungen abgerechnet würden. Der Senat teile den Eindruck des SG, dass vorliegend die
gesplitteten Abrechnungen genutzt worden seien, um zusätzliches Honorar zu generieren. Vor dem Hintergrund der
weitgehenden Deckungsgleichheit des ärztlichen und des zahnärztlichen Gebührenkatalogs bezüglich der
Abrechnungsfähigkeit von Leistungen für MKG-Chirurgen erscheine das Splittingverbot auch nicht als unverhältnismäßig.
Sämtliche der vorliegend gegenüber der Beigeladenen abgerechneten ärztlichen Leistungen hätte die Klägerin auch
gegenüber der Beklagten abrechnen können. Es bedürfe daher vorliegend auch keiner Entscheidung, ob das
Splittingverbot auch dann anzuwenden sei, wenn ärztliche Leistungen erbracht würden, die ein MKG-Chirurg nicht
zahnärztlich abrechnen könne.
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Das Verbot der gesplitteten Abrechnung von Leistungen treffe die Klägerin zumindest mittelbar. Auch in der Konstellation,
in der der doppelt zugelassene MKG-Chirurg an der vertragsärztlichen Versorgung in einer Einzelpraxis und an der
zahnärztlichen Versorgung in einer BAG mit anderen Vertragszahnärzten teilnehme, sei das Splittingverbot nach Sinn und
Zweck anwendbar. Insoweit habe das SG bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass auch der doppelt zugelassene
MKG-Chirurg nur einen Versorgungsauftrag habe. Hieraus folge, dass die gleichzeitige Teilnahme eines Mitglieds einer
vertragszahnärztlichen BAG an der vertragsärztlichen Versorgung für diese beachtlich sei. Soweit die Klägerin denselben
Patienten bzw Versicherten im selben Quartal wie ihr Mitglied Dr. Dr. S. in vertragsärztlicher Einzelpraxis (ambulant zu
Lasten derselben Krankenkasse) behandele, handele es sich rechtlich um einen einheitlichen Behandlungsfall im Sinne der
Splittingverbote und der Definitionen in den Mantelverträgen. Der Begriff des "einheitlichen Behandlungsfalles" sei nach
Sinn und Zweck dieser Vorschrift (wie auch nach dem objektivierten Willen der Vertragsschließenden als untergesetzliche
Normgeber) auf die Person des doppelt zugelassenen Vertrags(zahn)arztes und dessen Leistungs- und
Abrechnungsverhalten zu beziehen. Ein "einheitlicher Behandlungsfall" in einer Arztpraxis sei auch in der hier vorliegenden
Konstellation gegeben. Dass es dabei keinen rechtlichen Unterschied mache, ob die Behandlung tatsächlich von dem MKG-
Chirurg oder von einem anderen Mitglied der Klägerin durchgeführt worden sei, sei die rechtliche Konsequenz dieser von
der Klägerin selbst gewählten Organisationsform und der Aufnahme eines MKG-Chirurgen in die BAG.
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Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, es fehle für die Richtigstellung an einer ausreichend bestimmten
Ermächtigungsgrundlage. Das Splittingverbot der Nr 4 Allgemeine Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs
für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) erfasse nach seinem Wortlaut die vorliegende Konstellation nicht. Sie sei dem
Umstand geschuldet, dass eine BAG zwischen Vertragsärzten und Vertragszahnärzten unzulässig sei. Die
vertragsärztliche Tätigkeit von Dr. Dr. S. könne zulassungsrechtlich folglich nicht der vertragszahnärztlichen BAG
zugerechnet werden. Es liege bereits kein einheitlicher Behandlungsfall im Sinne des Splittingverbots vor, weil der
vertragsärztliche Tätigkeitsort von Dr. Dr. S.
seine Einzelpraxis sei. Darüber hinaus fehle es an dem personenbezogenen Merkmal der Doppelzulassung, weil die
vertragszahnärztlichen Leistungen allein von den zahnärztlichen Mitgliedern der BAG erbracht worden seien. Da die BAG
als solche nicht zugelassen sei, könne das personenbezogene Merkmal nicht auf die BAG ausgedehnt werden. Nach der
Rechtsprechung des BSG seien auch innerhalb einer BAG die Fachgebietsgrenzen und besonderen Qualifikationen der
einzelnen Mitglieder zu beachten. Die Auslegung des Splittingverbots durch das LSG überschreite die Grenze des
Wortlauts und führe zu einer radikalen Einschränkung der Möglichkeit des Zusammenschlusses eines MKG-Chirurgen mit
anderen Zahnärzten. Dem Anspruch des MKG-Chirurgen, auch vertragsärztlich tätig zu werden, würde es zuwiderlaufen,
wenn er seine Abrechnungsmöglichkeiten im vertragsärztlichen Bereich dadurch verlieren würde, dass
Allgemeinzahnärzte an der Behandlung eines Patienten mitwirkten und ihre Leistungen gegenüber der KZÄV abrechneten.
Ein Verstoß gegen Art 12 GG liege auch bezüglich der rein zahnärztlichen Mitglieder der Klägerin vor, die im Fall der
Abrechnung ärztlicher Leistungen durch Dr. Dr. S. ihre eigenen Leistungen nicht mehr gegenüber der Beklagten
abrechnen dürften. Der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität vermöge den Eingriff nicht zu rechtfertigen, zumal
das Abrechnungsverhalten unproblematisch durch einen Datenabgleich überprüft werden könne. Der zuständige
Zulassungsausschuss hätte auch mehrfach die Möglichkeit gehabt, durch die Vergabe personenbezogener
Abrechnungsnummern die Kennzeichnung der von Dr. Dr. S. persönlich erbrachten Leistungen sicherzustellen. Ein
Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ergebe sich daraus, dass eine solche Beschränkung bei vergleichbaren
fachübergreifenden BAGen nicht bestehe. Schließlich müsse zumindest dort eine Ausnahme vom Splittingverbot
bestehen, wo vertragsärztliche Leistungen nicht gegenüber der Beklagten hätten abgerechnet werden können. Dabei
handele es sich insbesondere um Behandlungen an der Nase, an Augenlidern sowie an der Haut.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen LSG vom 25.2.2015 und des SG Marburg vom 7.5.2014 sowie die Bescheide der Beklagten
vom 21.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2013 und vom 14.5.2013 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.11.2013 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält, ebenso wie die Beigeladene, das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Berufungen der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die von
der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen für die Quartale III/2009 und IV/2009 sind nicht
zu beanstanden.
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1. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragszahnärzte, weil
es sich um einen Honorarstreit einer vertragszahnärztlichen BAG mit der KZÄV und damit um eine Angelegenheit der
Vertragszahnärzte handelt
(§ 12 Abs 3 Satz 2 SGG)
. Zwar betrifft das Verfahren - wie schon die notwendige Beiladung
der KÄV erkennen lässt - in gleicher Weise die vertragsärztliche wie die vertragszahnärztliche Abrechnung. Eine
gleichzeitige Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Vertragszahnärzte ist
jedoch gesetzlich nicht vorgesehen und damit unzulässig.
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2. Die Beklagte hat die Honorarbescheide der Klägerin zu Recht sachlich-rechnerisch hinsichtlich der Leistungen
richtiggestellt, die in Behandlungsfällen abgerechnet wurden, in denen Leistungen von Dr. Dr. S., der Mitglied der Klägerin
ist, gegenüber der Beigeladenen abgerechnet wurden.
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Gemäß § 106a Abs 1 SGB V, der nach § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V auch für Zahnärzte gilt, prüfen die K(Z)ÄVen und die
Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Nach § 106a
Abs 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V
(idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom
14.11.2003 , insoweit in der Folgezeit unverändert)
ist die Beklagte berechtigt und verpflichtet, die vom
Vertragsarzt eingereichten Honorarforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf
richtigzustellen. Die Voraussetzungen hierfür lagen vor. Die Abrechnung der Klägerin war unrichtig, soweit sie Leistungen
entgegen dem sog Splittingverbot abgerechnet hat.
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a) Nach Nr 4 der Allgemeinen Bestimmungen des Bema-Z dürfen Vertragszahnärzte, die auch als Vertragsärzte gemäß §
95 Abs 1 SGB V an der Versorgung teilnehmen, die in einem einheitlichen Behandlungsfall durchgeführten Leistungen
entweder nur über die KZÄV oder nur über die KÄV abrechnen. Die Abrechnung einzelner Leistungen über die KÄV
schließt die Abrechnung weiterer Leistungen in einem einheitlichen Behandlungsfall über die KZÄV aus. Die Aufteilung
eines einheitlichen Behandlungsfalls in zwei Abrechnungsfälle ist nicht zulässig. Danach ist die Aufspaltung der
Abrechnung von Leistungen in einem Behandlungsfall ausgeschlossen. Dieses Verbot erfasst alle in einem Behandlungsfall
erbrachten ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen.
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Eine entsprechende, fast wortgleiche Vorschrift findet sich in Nr 6.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in der ab
dem 1.4.2005 gültigen Fassung. Danach dürfen Vertragsärzte, die auch als Vertragszahnärzte gemäß § 95 Abs 1 SGB V
an der Versorgung teilnehmen, die in einem einheitlichen Behandlungsfall durchgeführten Leistungen entweder nur über
die KÄV oder nur über die KZÄV abrechnen. Die Berechnung einzelner Leistungen über die KZÄV schließt die Berechnung
weiterer Leistungen über die KÄV aus. Die Aufteilung eines einheitlichen Behandlungsfalles in zwei Abrechnungsfälle ist
nicht zulässig.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen des SGB V, insbesondere §§ 87 ff SGB V,
ermöglichen, Regelungen auch darüber zu treffen, wie die Abrechnung und Vergütung bei Ärzten mit vertragsärztlicher
Zulassung für zwei oder mehr Fachgebiete erfolgen soll
(BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 25 RdNr 16 ff mwN)
.
Dementsprechend war der Bewertungsausschuss (BewA) auch ermächtigt, Regelungen für die Abrechnung von Ärzten
mit vertragsärztlicher und vertragszahnärztlicher Zulassung zu treffen.
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aa) Die Voraussetzungen des Splittingverbots lagen vor. Die Fälle, in denen in den streitbefangenen Quartalen die BAG,
deren Mitglied Dr. Dr. S. ist, vertragszahnärztliche Leistungen und Dr. Dr. S. in seiner vertragsärztlichen Einzelpraxis für
einen Versicherten vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet hat, bildeten einen einheitlichen
Behandlungsfall. Das folgt aus dem Wortlaut der Verbotsnorm und ihrem systematischen Zusammenhang.
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Für die Auslegung vertrags(zahn)ärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in
erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich
(vgl hierzu zuletzt BSG Urteile vom 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R ua -
SozR 4-5531 Nr 40100 Nr 1 RdNr 25 mwN)
. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem
Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des
Normgebers des EBM-Ä, des BewA gemäß § 87 Abs 1 SGB V, ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die
primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine
Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch
analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem
Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines
Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt
bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen,
in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben
(vgl zu alledem BSG
SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12 mwN)
. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog
angewendet werden
(vgl zB BSG aaO mwN)
. Diese Grundsätze gelten auch für Kostenerstattungstatbestände
(vgl hierzu
BSG SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1 RdNr 11 mwN)
und die den Vergütungsbestimmungen vorangestellten Allgemeinen
Bestimmungen
(vgl hierzu BSG SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1 RdNr 11; BSG MedR
2000, 201, 202; BSG SozR 3-5533 Nr 7103 Nr 1 S 6).
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(1) Da EBM-Ä und Bema-Z nach den gesetzlichen Vorgaben "als Bestandteil der Bundesmantelverträge"
(§ 87 Abs 1 Satz
1 SGB V)
vereinbart werden, kann generell auf die dort verwendeten Definitionen zurückgegriffen werden, für den
zahnärztlichen Bereich auf § 9 Abs 1 des BMV-Z bzw § 14 Abs 1 Nr 1 des Ersatzkassenvertrags-Zahnärzte (EKV-Z), für
den vertragsärztlichen Bereich auf § 21 Abs 1 Satz 1 und 2 BMV-Ä/§ 25 Abs 1 Satz 1 und 2 Ersatzkassenvertrag-Ärzte
(EKV-Ä). § 9 Abs 1 BMV-Z bestimmt, dass Behandlungsfall im Sinne dieses Vertrages bei Leistungen nach den Teilen 1 und
3 des Bewertungsmaßstabes (Anlage A) die gesamte von demselben Vertragszahnarzt innerhalb desselben
Kalendervierteljahres vorgenommene Behandlung ist. Damit werden konservierende und chirurgische Leistungen und
Röntgenleistungen (Teil 1) und kieferorthopädische Behandlungen (Teil 3) vertragszahnarztrechtlich zu einem
Behandlungsfall zusammengefasst, hiervon ausgeschlossen werden lediglich die Behandlung von Verletzungen und
Erkrankungen des Gesichtsschädels (Teil 2), die systematische Behandlung von Parodontopathien (Teil 4) und die
Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Teil 5). Nach § 14 Abs 1 Nr 1 EKV-Z ist Behandlungsfall im Sinne des
Vertrages bei Leistungen nach dem Bema-Z Teil 1 die gesamte von demselben Vertragszahnarzt innerhalb desselben
Kalendervierteljahres vorgenommene Behandlung. Soweit § 9 Abs 1 BMV-Z und § 14 Abs 1 EKV-Z sich nur auf einzelne
Teile des Bema-Z beziehen, wird damit, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, für die genannten Leistungen das
Quartalsprinzip statuiert. Eine Einschränkung des Begriffs des Behandlungsfalles lässt sich daraus nicht herleiten. Es soll
vielmehr in dem hier - potentiell - relevanten Bereich des Teils 2 Bema-Z auf den Behandlungsfall im zahnmedizinischen
Sinn abzustellen sein, der nur einheitlich abgerechnet werden darf
(vgl Liebold/Raff/Wissing, Bema-Z, Stand März 2016,
zu Nr 4 der Allgemeinen Bestimmungen, S 17)
. Ungeachtet dessen waren Leistungen für Kiefergelenkserkrankungen,
prothetische Leistungen sowie Leistungen aus der Parodontologie hier nicht von den Richtigstellungen betroffen.
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Entsprechend gilt nach § 21 Abs 1 Satz 1 und 2 BMV-Ä/§ 25 Abs 1 Satz 1 und 2 EKV-Ä die gesamte von derselben
Arztpraxis (Vertragsarzt, Vertragspsychotherapeut, BAG, Medizinisches Versorgungszentrum) innerhalb desselben
Kalendervierteljahres an demselben Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene
Behandlung jeweils als Behandlungsfall. Ein einheitlicher Behandlungsfall liegt auch dann vor, wenn sich aus der zuerst
behandelten Krankheit eine andere Krankheit entwickelt oder während der Behandlung hinzutritt oder wenn der
Versicherte, nachdem er eine Zeit lang einer Behandlung nicht bedurfte, innerhalb desselben Kalendervierteljahres wegen
derselben oder einer anderen Krankheit in derselben Arztpraxis behandelt wird.
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Der einheitliche Behandlungsfall zeichnet sich mithin dadurch aus, dass dieselbe Arztpraxis innerhalb desselben
Kalendervierteljahres an demselben Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse eine Behandlung vornimmt.
Soweit im zahnärztlichen Bereich von dem "Vertragszahnarzt" die Rede ist, ist dies, wie auch in dem von der Klägerin
vorgelegten Rechtsgutachten von Prof. Dr. S. zutreffend ausgeführt wird, als Synonym für alle rechtlich einheitlich zu
betrachtenden Organisationsformen in der vertragszahnärztlichen Versorgung zu sehen. Zwar haben hier zwei Praxen,
die BAG und die Einzelpraxis des Dr. Dr. S., Behandlungen durchgeführt. Ihre Leistungen werden aber "verzahnt" durch
den einheitlichen Versorgungsauftrag des Dr. Dr. S. als MKG-Chirurg.
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(2) LSG und SG haben zu Recht herausgestellt, dass es zum gewachsenen Berufsbild des MKG-Chirurgen gehört, dass er
in seiner Praxis ärztliche und zahnärztliche Tätigkeiten anbietet und ausübt. Die MKG-Chirurgie verbindet die Bereiche der
Chirurgie und der Zahnheilkunde zu einem einheitlichen Beruf
(näher dazu BSGE 85, 145, 147 = SozR 3-5525 § 20 Nr 1 S
3 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 299 = Juris RdNr 20; zuletzt BSG Urteil vom 23.3.2016 - B 6 KA 7/15 R - SozR
4-2500 § 75 Nr 16 RdNr 16)
. Dem wird in der gesetzlichen Krankenversicherung auf der Ebene der Zulassung
grundsätzlich dadurch Rechnung getragen, dass MKG-Chirurgen typischerweise sowohl zur vertragsärztlichen als auch
zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen werden. Die Zulassung in zwei Versorgungsbereichen bedeutet aber
nicht, dass von zwei unterschiedlichen Leistungserbringern auszugehen ist. Trotz ihrer Doppelzulassung haben MKG-
Chirurgen nur einen Versorgungsauftrag
(vgl BSGE 85, 145 = SozR 3-5525 § 20 Nr 1; zuletzt BSG Urteil vom 23.3.2016 -
B 6 KA 7/15 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 16 RdNr 17)
. Auch bei einer zugelassenen Tätigkeit in zwei Fachgebieten handelt es
sich stets um nur insgesamt einen vollen Versorgungsauftrag
(vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 20 S 102 ff und BSG SozR 3-
2500 § 95 Nr 22 S 94 ff; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 25 RdNr 23; BSG Beschluss vom 9.2.2011 - B 6 KA 44/10 B - Juris
RdNr 10 mwN; zuletzt BSG Urteile vom 28.9.2016 - B 6 KA 32/15 R - nicht veröffentlicht - und - B 6 KA 1/16 R - zur
Veröffentlichung in SozR vorgesehen)
. Dementsprechend liegt bei der Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch
einen MKG-Chirurgen mit vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen jeweils nur ein Behandlungsfall vor,
unabhängig davon, über welche Körperschaft die Behandlung abgerechnet wird.
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bb) Dies gilt auch unabhängig davon, ob der MKG-Chirurg in einer Einzelpraxis oder in Ausgestaltung seiner
Doppelzulassung in ärztlicher Einzelpraxis und zahnärztlich in einer BAG zugelassen ist. Infolge des einheitlichen
Versorgungsauftrags sind auch unterschiedliche Rechtseinheiten, in denen der MKG-Chirurg in der
vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung agiert, einheitlich zu betrachten.
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Die BAG
(bis 2007: Gemeinschaftspraxis)
ist nach der Rechtsprechung des Senats durch die gemeinsame Ausübung der
ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit
gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Datenverarbeitung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf
gemeinsame Rechnung geprägt
(vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 20; BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG
SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; s schon BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 35/90 - MedR 1993, 279 = USK 92205 S
1052)
. Die Genehmigung der gemeinsamen Ausübung vertrags(zahn)ärztlicher Tätigkeit bewirkt, dass die Partner ihre
Leistungen unter einer gemeinsamen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen K(Z)ÄV abrechnen können; die
BAG tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber
(vgl BSG SozR 4-5520
§ 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21)
. Sie stellt rechtlich gesehen eine Praxis dar
(vgl BSG SozR 4-
2500 § 106a Nr 8 RdNr 20; BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSG Urteil vom
8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R - USK 2010-148 S 1307; s auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 15)
. Eine BAG erwirbt der
K(Z)ÄV gegenüber Honoraransprüche und wird ggf zur Rückzahlung überzahlten Honorars verpflichtet
(BSG SozR 4-
5520 § 33 Nr 2 RdNr 23)
. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise wird nicht bezogen auf den
einzelnen Arzt, sondern bezogen auf die BAG als Einheit geprüft; etwaige Honorarkürzungen und/oder Regresse hat die
BAG zu tragen. Dementsprechend ist das Gebot der persönlichen Leistungserbringung in der Weise modifiziert, dass bei
den abgerechneten Leistungen - jedenfalls bei gleicher Qualifikation der Mitglieder - grundsätzlich nicht gekennzeichnet
werden muss, welcher der BAG angehörende Arzt welche Leistung erbracht hat
(vgl BSGE 91, 164 RdNr 19 = SozR 4-
5520 § 33 Nr 1 RdNr 18)
. Die Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der BAG stellt
sich als ein einziger Behandlungsfall dar
(vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 20; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14)
.
Auch die für Vertrags(zahn)ärzte geltenden Vertretungsregelungen beziehen sich auf die Praxis als Gesamtheit; der
Vertretungsfall tritt nicht ein, solange auch nur ein (Zahn-)Arzt der BAG weiterhin tätig ist. Schließlich werden in einer BAG
die Behandlungsverträge nicht zwischen Patient und behandelndem (Zahn-)Arzt, sondern zwischen ihm und der BAG
geschlossen
(vgl BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSGE 91, 164 RdNr 22 =
SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 21)
. Auch die Genehmigung zur Anstellung eines (Zahn-)Arztes ist der BAG und nicht einem
einzelnen Mitglied zu erteilen
(BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 24/15 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 19, zur Veröffentlichung
auch in BSGE vorgesehen)
.
30
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht in Betracht, MKG-Chirurgen hinsichtlich des Splittingverbots unterschiedlich zu
behandeln, je nachdem, ob sie in einer Einzelpraxis oder in einer BAG tätig sind. Werden MKG-Chirurgen in einer BAG mit
weiteren Zahnärzten tätig, so kommt es, weil die BAG eine Rechtseinheit darstellt, nicht darauf an, ob der MKG-Chirurg
selbst oder ein anderes Mitglied der BAG die Leistungen erbracht hat. Das LSG weist zu Recht darauf hin, dass ein
anderes Verständnis des Splittingverbots zu einer unschweren Umgehung der nicht gewollten Aufspaltung eines
Behandlungsfalles führen würde. Durch die Wahl einer Organisationsform der Praxis könnte das Verbot des Splittings von
Abrechnungen je Behandlungsfall für einen MKG-Chirurgen unterlaufen werden.
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Soweit die Klägerin auf die Rechtsprechung des Senats verweist, wonach jedes Mitglied einer BAG nur entsprechend
seinem Fachgebiet und seiner Qualifikation Leistungen erbringen darf
(BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 21 ff)
, führt
dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Dass in einer BAG Ärzte mit unterschiedlichen Qualifikationen tätig sein können
und jeweils auf ihr Fachgebiet bzw etwaige besondere Qualifikationen beschränkt sind, ändert nichts daran, dass die BAG
bei ihrer Abrechnung als rechtliche Einheit auftritt.
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b) Das so verstandene Splittingverbot ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Es verstößt insbesondere nicht gegen
Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG.
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aa) Das von Art 12 Abs 1 GG geschützte Recht, in einer BAG tätig zu werden, wird nicht eingeschränkt. Soweit die
Klägerin geltend macht, die Erstreckung des Splittingverbots auf BAGen führe notwendig zu deren Auflösung, ist dies
nicht nachvollziehbar. Für die Betroffenen stellt sich lediglich die Frage, ob die Vorteile einer BAG wirtschaftlich die Nachteile
des Splittingverbots aufwiegen.
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bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass es weder kraft Gesetzes noch im Kontext der grundrechtlichen
Berufsausübungsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG geboten ist, dass ein MKG-Chirurg die Freiheit haben muss, jede
vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche (Neben-)Leistung im Rahmen der ambulanten Versorgung der Versicherten
zur Steigerung seines Honorars wahlweise bei der KZÄV oder der KÄV abrechnen zu können
(BSG SozR 4-2500 § 121 Nr
7 RdNr 16 unter Bezugnahme auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36)
. Vielmehr muss gewährleistet sein, dass einerseits den
Versicherten ambulant alle Leistungen angeboten werden können, auf die sie für die Behandlung ihrer
Gesundheitsbeschwerden angewiesen sind, andererseits eine angemessene Vergütung der Leistungen sichergestellt ist
und die Selbstverwaltungskörperschaften ihren Überprüfungsverpflichtungen nach den §§ 106, 106a SGB V ausreichend
nachkommen können
(zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bei MKG-Chirurgen vor Einführung des Splittingverbots vgl BSG
SozR 3-2500 § 106 Nr 54; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36)
. Nur dann ist die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der
Versicherten auch im Fachbereich der MKG-Chirurgie ausreichend gesichert.
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Diesen Anforderungen wird das Splittingverbot auch gerecht. Auf der einen Seite bleibt das Abrechnungswahlrecht des
MKG-Chirurgen - auch in einer BAG - erhalten, die von ihm erbrachten Leistungen in einem Behandlungsfall entweder
vertragsärztlich nach dem EBM-Ä oder vertragszahnärztlich nach dem Bema-Z abzurechnen. Dabei darf er sich auch von
wirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen. Insofern wird Dr. Dr. S. nicht in seinem Recht beeinträchtigt, in beiden
Bereichen seiner Zulassung tätig zu werden. Er wird auch nicht an der Durchführung und Abrechnung von Leistungen
gehindert, die ausschließlich vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechenbar sind. Auf der anderen Seite ist als
Folge des Splittingverbots eine Aufspaltung der Abrechnung
(vgl kritisch dazu am Beispiel von Wurzelspitzenresektionen
und damit verbundenen Zystektomien BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 204 f)
nicht (mehr) zulässig, sodass ein
einheitlicher Behandlungsvorgang nicht mehr allein im Interesse einer wirtschaftlichen Optimierung je nach
Behandlungsschritt ärztlich oder zahnärztlich zur Abrechnung gebracht werden kann. Die
Selbstverwaltungskörperschaften können auf diese Weise ihren Prüfverpflichtungen nach §§ 106, 106a SGB V jederzeit
effektiv nachkommen. Insbesondere wegen der unterschiedlichen Strukturen von EBM-Ä - mit eher pauschalierenden
Komplexpositionen - und Bema-Z - mit weitgehend einzelleistungsorientierten Gebührenpositionen - wäre ohne das
Splittingverbot eine Überprüfung nicht ohne Weiteres durch einen einfachen Datenabgleich durchführbar. Dass überhaupt
auf Anforderung ein Datenaustausch zwischen KÄV und KZÄV stattfinden kann, um Doppelabrechnungen aufzudecken,
hat die in § 285 Abs 3 Satz 5 SGB V durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006
(BGBl I 3439,
geändert durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 )
eingefügte Regelung zum anlassbezogenen Austausch von
Daten der Leistungserbringer, die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Leistungen erbringen, ausdrücklich
ermöglicht. Nach der Gesetzesbegründung sollte sie der Vermeidung unzulässiger Doppelabrechnungen von doppelt
zugelassenen Ärzten und Zahnärzten sowie deren Berufsausübungsgemeinschaften dienen
(BT-Drucks 16/3950 S 36)
.
Die Einschätzung der Partner beider Bewertungsmaßstäbe, dass eine wirksame Abrechnungskontrolle nur durch das
Splittingverbot gewährleistet werden kann, ist daher nicht zu beanstanden.
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Soweit der Senat für den Fall einer für mehrere Fachgebiete zugelassenen Ärztin entschieden hat, dass ihr ermöglicht
werden müsse, den Ordinationskomplex des jeweiligen Fachgebietes abzurechnen
(BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 25)
, war
diese Konstellation mit der hier zu beurteilenden nicht vergleichbar. Anders als in dem dortigen Fall ist es Dr. Dr. S. hier
nicht verwehrt, Leistungen aus beiden Bereichen seiner Zulassung abzurechnen, er darf lediglich einen einheitlichen
Behandlungsfall nur gegenüber einer Körperschaft abrechnen. Auch im Fall der als Augenärztin und Neurologin zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärztin hat der Senat im Hinblick darauf, dass es sich bei einer zugelassenen
Tätigkeit in zwei Fachgebieten stets um nur insgesamt eine Vollzulassung - und ebenso nur um insgesamt einen vollen
Versorgungsauftrag - handelt, entschieden, dass einem Vertragsarzt in einem Behandlungsfall auch dann, wenn er für
mehrere Fachgebiete zugelassen ist und bei einem Versicherten Leistungen aus verschiedenen Fachgebieten erbringt,
insgesamt nur einmal ein Ordinationskomplex zu vergüten ist
(BSG aaO RdNr 23)
.
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Schließlich ist es mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, dass das Splittingverbot in besonders gelagerten Fallkonstellationen
(dazu
LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.2.2015 - L 3 KA 123/11 - Juris RdNr 35 unter Hinweis auf Harneit, Das
Splittingverbot oder Was ist ein Behandlungsfall?, Der MKG-Chirurg 2010, S 163 f)
uU dazu führt, dass einzelne
Leistungen eines MKG-Chirurgen bzw der BAG, der er angehört, nicht honoriert werden, weil bestimmte ärztliche
Leistungen nur vertragszahnärztlich oder nur vertragsärztlich abgerechnet werden können
(Harneit aaO S 164 nennt als
Beispiel das Legen einer Füllung und das Entfernen eines Basalioms)
. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich der
Normgeber des Bewertungsmaßstabs bei den notwendigerweise pauschalierenden und typisierenden
Vergütungsvorgaben am Regelfall der Abrechnung einheitlicher Behandlungsfälle orientiert und dabei abweichend
gelagerte Fälle unberücksichtigt lässt. Dafür, dass nur in besonderen Konstellationen tatsächlich erbrachte Leistungen
nicht abgerechnet werden können, spricht nicht zuletzt die Verweisung des Bema-Z auf die Gebührenordnung für Ärzte
(GOÄ) in Nr 3 der Allgemeinen Bestimmungen. Danach werden zahnärztliche Leistungen, die nicht im Bema-Z enthalten
sind, nach der GOÄ berechnet. Das gilt nach Nr 3 der Allgemeinen Bestimmungen ua für die Leistungen der MKG-
Chirurgie nach Abschnitt J
(Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde)
und Abschnitt L GOÄ
(Chirurgie)
. Es handelt sich danach
primär um ärztliche Leistungen, die zusätzlich auch zur Zahnheilkunde gehören
(vgl BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 7 RdNr
15; dazu allgemein Liebold/Raff/Wissing, aaO, zu Nr 3 der Allgemeinen Bestimmungen, S 13 ff)
.
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Nach der Rechtsprechung des Senats muss die Vergütung im Übrigen nicht für jede Leistung kostendeckend sein und
zwingt eine etwaige Kostenunterdeckung bei einzelnen Leistungen nicht zu einer bestimmten Auslegung eines
Gebührentatbestandes
(vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 13 RdNr 39; BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 6; zuletzt Urteile vom
16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R ua - SozR 4-5531 Nr 40100 Nr 1)
. Nichts anderes gilt für das Verbot des Splittings. Die
daraus entstehenden Beeinträchtigungen sind hinzunehmen, solange sie nicht zu einer insgesamt unangemessenen oder
gleichheitswidrigen Belastung einer einzelnen Berufsgruppe führen. Das ist hier nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen
des LSG hätten in allen von den Richtigstellungen betroffenen Fällen die ärztlichen Leistungen auch zahnärztlich
abgerechnet werden können. Eine einheitliche Abrechnung wäre mithin ohne Weiteres möglich gewesen. Die Beklagte hat
dies an Beispielsfällen im Revisionsverfahren erneut erläutert. So hat sie etwa ausgeführt, dass chirurgische Eingriffe an
der Nase unter dem Bema-Z Teil 2 iVm Ziffer 1418 bis 1459 GOÄ abgerechnet werden können. Selbst wenn aber, wie die
Klägerin vorträgt, nicht alle Leistungen in vollem Umfang einheitlich hätten abgerechnet werden können, ist nicht
erkennbar, dass ihr die Abrechnung von zahnärztlichen Kernleistungen in einem nennenswerten Umfang versagt
geblieben wäre. Wie die Beklagte in ihren Widerspruchsbescheiden ausgeführt hat, wurden in mehreren
Behandlungsfällen vertragszahnärztliche und vertragsärztliche Leistungen mit gleichem Leistungsinhalt abgerechnet.
Auch in den von der Klägerin ausdrücklich angeführten Fällen wurden fast ausschließlich allgemeine Leistungen wie
"Beratung", "kurze Bescheinigung" oder "ausführlicher schriftlicher Bericht", "Besuch eines weiteren Kranken" uÄ
richtiggestellt. Soweit originär zahnärztliche Leistungen betroffen waren, wie etwa das Entfernen harter Zahnbeläge
(Fall
B.)
, war dies gegenüber dem im selben Behandlungsfall bei der Beigeladenen abgerechneten chirurgischen Eingriff an der
Nase - abgesehen von der Möglichkeit der Abrechnung dieses Eingriffs bei der Beklagten - wirtschaftlich von gänzlich
untergeordneter Bedeutung.
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In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte und die Beigeladene - zu Recht - nicht das gesamte in
einem einheitlichen Behandlungsfall gegenüber KÄV und KZÄV abgerechnete Honorar richtiggestellt haben. Der Verlust
aller "gesplittet" angeforderten Honorare wäre, wie das LSG zutreffend ausführt, unverhältnismäßig. Das LSG hat auch zu
Recht dargelegt, dass die Beklagte und die Beigeladene nach einem sachgerechten und für die Klägerin günstigen
Kriterium differenziert haben, indem sie Richtigstellungen jeweils nach dem wirtschaftlichen Schwerpunkt der Behandlung
vorgenommen haben, mithin die jeweils höhere Honorarforderung bestehen blieb.
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cc) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG fordert,
wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, während wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden kann
(stRspr, vgl zB
BVerfGE 113, 167, 214 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 83; vgl auch BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 112, 368, 404 =
SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 62)
. Eine Ungleichbehandlung ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn Unterschiede
solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können
(s zB BVerfGE 111,
115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 38; BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR aaO)
. Soweit hier eine Ungleichbehandlung
dadurch erfolgt, dass im Rahmen des Splittingverbots, anders als bei den ausschließlich in Einzelpraxis zugelassenen
MKG-Chirurgen, auch die von den anderen Mitgliedern der BAG durchgeführten Behandlungen berücksichtigt werden,
rechtfertigt sich dies aus der oben aufgezeigten Besonderheit dieser Organisationsform, bei der eine Personenmehrheit
als rechtliche Einheit auftritt. Diese Organisationsform hat die Klägerin, worauf das LSG zu Recht hinweist, selbst gewählt.
Dass Dr. Dr. S. seine vertragsärztliche Zulassung aus Rechtsgründen nicht in die zahnärztliche BAG einbringen konnte,
ändert hieran nichts. Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen fachübergreifenden BAGen rügt,
liegt ein rechtlich wesentlicher Unterschied in der Besonderheit, dass eines ihrer Mitglieder über eine vertragsärztliche und
vertragszahnärztliche Doppelzulassung verfügt und nur mit seiner vertragszahnärztlichen Zulassung Mitglied der BAG ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG in Verbindung mit einer entsprechenden
Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen
154 Abs 2 VwGO)
, eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt hat
162 Abs 3 VwGO)
.