Urteil des BSG vom 10.03.2015

satzung, wiederaufnahme des verfahrens, versicherungsträger, niedersachsen

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 10.3.2015, B 1 A 10/13 R
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 27. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 100 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, welche Aufsichtsbehörde für die klagende
Innungskrankenkasse (IKK) zuständig ist.
2 Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin zweier zum 1.1.2006 fusionierter Krankenkassen (KKn).
Die eine Vorgänger-KK - IKK Mecklenburg-Vorpommern - öffnete sich 2001. Sie erstreckte
sich nach ihrer Satzung auf die Region der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK)
Mecklenburg-Vorpommern. Die andere Vorgänger-KK - IKK Schleswig-Holstein - öffnete sich
2003. Sie erstreckte sich nach ihrer Satzung auf die Region der AOK Schleswig-Holstein. Die
Satzung der Klägerin (idF des 7. Nachtrags vom 22.3.2007, im Folgenden: Satzung) sieht in
ihrem § 1 Abs 4 S 2 vor, dass die Öffnung für die Gebiete der Länder Mecklenburg-
Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bremen gilt. Die Aufsichtsbehörde des beigeladenen
Landes Schleswig-Holstein ermittelte zu Innungsbetriebsstätten in weiteren Bundesländern
und kündigte eine Entscheidung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch
das Bundesversicherungsamt (BVA) an. Die Beklagte erklärte in Abstimmung mit dem
Beigeladenen, sie übernehme mit sofortiger Wirkung die Aufsicht über die Klägerin. Die
Beklagte forderte die Klägerin zugleich auf, ihr Auskünfte zu erteilen über die
Bekanntmachung der Wahlergebnisse zu den Selbstverwaltungsorganen, die
vorausgegangenen aufsichtsrechtlichen Prüfungen, den Haushaltsplan für das Geschäftsjahr
2011, die Kontaktdaten des Vorstandsvorsitzenden und des stellvertretenden Vorstands
sowie über Ausbilder und Auszubildende. Sie forderte zudem, ihr zwei Exemplare der
geltenden Satzung nebst Nachträgen und ein Exemplar der Kassenordnung vorzulegen, und
erteilte der Klägerin Hinweise (1.2.2011). Das LSG hat die hiergegen erhobene
Anfechtungsklage abgewiesen: Die Klägerin unterliege als bundesunmittelbare KK der
aufsichtsbehördlichen Zuständigkeit der Beklagten. Sie erstrecke sich unter Berücksichtigung
auch der unselbstständigen Betriebsteile von Innungsbetrieben inzwischen über mehr als drei
Bundesländer hinaus. So habe die Innungsbäckerei A auch Verkaufsstellen in Hamburg und
Niedersachsen (Urteil vom 27.6.2013).
3 Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Art 87 Abs 2 S 2 GG, § 90 Abs 3, § 90a
Abs 2 SGB IV und § 173 Abs 2 S 2 SGB V. Ihre Satzung habe konstitutive Wirkung. Zudem
komme es für die Aufsichtszuständigkeit unveränderlich darauf an, in wie vielen Ländern im
Zeitpunkt der Öffnung Trägerinnungsbetriebe bestanden hätten, für die sie gemäß ihrer
Satzung zuständig gewesen sei. Unselbstständige Betriebsteile eines im
Zuständigkeitsbereich ansässigen Innungsbetriebs in einem anderen Land erweiterten den
Zuständigkeitsbereich einer IKK nicht. Ferner rügt die Klägerin eine mangelhafte
Sachaufklärung. Das LSG habe nicht festgestellt, dass die vom ihm zum Nachweis der
Erstreckung der Klägerin auch auf die Länder Hamburg und Niedersachsen angeführte
Innungsbäckerei A GmbH (im Folgenden: A GmbH) einer Trägerinnung der Klägerin
angehöre und die Verkaufsstellen in Hamburg und Niedersachsen von der Innungsbäckerei A
GmbH selbst und nicht von Franchiseunternehmern betrieben würden.
4 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2013 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2011 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2013 aufzuheben
und festzustellen, dass die Klägerin eine landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen
Rechts ist,
ganz hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2013 aufzuheben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische
Landessozialgericht zurückzuverweisen.
5 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
7 Der Beigeladene stellt keinen Antrag, hält aber ebenfalls die angefochtene Entscheidung für
zutreffend.
Entscheidungsgründe
8 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat zu
Recht die Klage abgewiesen. Die Beklagte ist die für die Klägerin zuständige
Aufsichtsbehörde mit den sich daraus ergebenden gesetzlichen Prüfaufgaben, die die
Beklagte zu den angegriffenen Regelungen und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen vom
1.2.2011 berechtigt haben.
9 Die Klage ist teilweise zulässig (dazu 1.), soweit sie die Zuständigkeitserklärung der
Beklagten (dazu a) und deren Aufforderung angreift, Unterlagen vorzulegen und Auskünfte
zu erteilen (dazu b). Sie ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Beratung der Beklagten
richtet, § 1 Abs 4 Satzung durch Mitaufnahme der Länder Niedersachsen und Hamburg zu
ändern sowie in einer Anlage zur Satzung gegebenenfalls die Trägerinnungen und die
Erstreckung auf die einzelnen Länder aufzulisten (dazu c). Gleiches gilt, soweit die Klage
sich gegen die Hinweise auf ein in der Zukunft liegendes Verhalten richtet (dazu d). Soweit
die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet (dazu 2. und 3.).
10 1. a) Die Klägerin greift zulässig die Erklärung der Beklagten an, sie übernehme mit
sofortiger Wirkung die Aufsicht über die Klägerin (1.2.2011). Der erkennende Senat kann
offenlassen, ob es sich um eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) oder eine
Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) handelt. Eine Körperschaft oder eine Anstalt des
öffentlichen Rechts kann auch mit der Aufsichtsklage die Aufhebung einer "Anordnung der
Aufsichtsbehörde" begehren. So liegt es hier.
11 Die Zuständigkeitserklärung der Beklagten ist ein feststellender Verwaltungsakt (§ 31 S 1
SGB X) und zugleich eine aufsichtsbehördliche Anordnung. Das folgt aus einer Auslegung
aus dem Empfängerhorizont. Die Beklagte stellte ankündigungsgemäß in Abstimmung mit
dem Beigeladenen klar, mit sofortiger Wirkung die Aufsicht über die Klägerin zu
übernehmen, obwohl die Klägerin sich hiergegen gewandt hatte. Der Regelungsgehalt
entfällt nicht etwa deshalb, weil Versicherungsträger der Aufsichtsbehörde - hier der
Beklagten - durch das Gesetz zugewiesen werden, ohne dass es eines Umsetzungsaktes
bedarf (vgl BSGE 24, 171, 172 = SozR Nr 3 zu GG Art 87). So hat das BVA - wie der
Beigeladene - die ihm durch Gesetz oder sonstiges Recht übertragenen Aufgaben
wahrzunehmen (§ 94 Abs 2 S 1 SGB IV idF der Bekanntmachung der Neufassung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.11.2009, BGBl I 3710; auch alle weiteren
Vorschriften des SGB IV in dieser Fassung, soweit nicht abweichend angegeben). Die
Aufsicht über die Versicherungsträger gehört hierzu (vgl § 90 Abs 1 bis 3 SGB IV).
12 Die aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen des SGB IV stehen einer
deklaratorischen Feststellung der Zuständigkeit nicht entgegen. Die Feststellung schafft
Klarheit, wenn - wie hier - zwischen dem Versicherungsträger auf der einen Seite und den
überhaupt als zuständig in Betracht kommenden Aufsichtsbehörden auf der anderen Seite
Streit über die Zuständigkeit besteht und darüber hinaus diese Aufsichtsbehörden
untereinander sich über die Zuständigkeit einig sind. Die sich für zuständig haltende
Aufsichtsbehörde kann durch die Zuständigkeitserklärung eine der Rechtssicherheit
dienende Klärung in den Fällen eines streitigen Zuständigkeitswechsels herbeiführen. Nur
ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass - anders als vom LSG angenommen
- die Anfechtungs- oder Aufsichtsklage keine aufschiebende Wirkung hat im Hinblick auf die
kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge. Denn die Regelung des Verwaltungsakts stellt die
Rechtslage nur deklaratorisch fest (vgl hierzu Meßling in Hennig, Hrsg Hauck/Behrend,
SGG, Stand Dezember 2014, § 86a RdNr 15 mwN).
13 b) Die Klägerin greift in gleicher zulässiger Weise mit der Anfechtungs- oder Aufsichtsklage
die Aufforderung an, Auskünfte zu erteilen über die Bekanntmachung der Wahlergebnisse zu
den Selbstverwaltungsorganen, die vorausgegangenen aufsichtsrechtlichen Prüfungen, den
Haushaltsplan für das Geschäftsjahr 2011, die Kontaktdaten des Vorstandsvorsitzenden und
des stellvertretenden Vorstands sowie über Ausbilder und Auszubildende und der Beklagten
zwei Exemplare der geltenden Satzung nebst Nachträgen und ein Exemplar der
Kassenordnung vorzulegen (1.2.2011). Es handelt sich um weitere Verfügungssätze des
angegriffenen Bescheides (§ 31 S 1 SGB X). Sie begründen eine unbedingte rechtliche
Verpflichtung der Klägerin zu einem Tun.
14 c) Unzulässig ist hingegen die Anfechtungs- oder Aufsichtsklage gegen die nach § 89 Abs 1
S 1 SGB IV erteilten Hinweise der Beklagten, § 1 Abs 4 Satzung durch Mitaufnahme der
Länder Niedersachsen und Hamburg zu ändern sowie gegebenenfalls in einer Anlage zur
Satzung die Trägerinnungen und die Erstreckung auf die einzelnen Länder aufzulisten. Die
Klägerin hat kein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Überprüfung dieser Akte
aufsichtsbehördlichen Handelns. Ein Eingriff in die Rechtssphäre des
Selbstverwaltungsträgers ist zwingende Voraussetzung für die rechtliche Qualifizierung
einer Maßnahme der Aufsichtsbehörde als "Anordnung" iS des § 54 Abs 3 SGG. Erschöpft
sich die Maßnahme - wie hier - in bloßen Hinweisen, Anregungen oder Empfehlungen für
ein bestimmtes Verhalten des Sozialleistungsträgers, ohne dieses selbst schon zwingend
vorzuschreiben, so ist darin weder ein mit der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt
noch eine mit der Aufsichtsklage anfechtbare Anordnung enthalten und diese Klagen sind
mithin mangels Beschwer nicht zulässig (BSGE 61, 254, 257 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 S
4). Erst eine Verpflichtungsanordnung mangels rechtzeitiger Abhilfe (§ 89 Abs 1 S 2 SGB IV)
wäre ein belastender Verwaltungsakt, der mit der Aufsichtsklage angefochten werden könnte
(vgl BSGE 61, 254, 257 f = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 S 4 f; implizit auch BSGE 102, 281 =
SozR 4-2500 § 222 Nr 1, RdNr 12; zustimmend: Baier in Krauskopf, Soziale
Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand Oktober 2014, § 89 RdNr 8; Engelhard in
jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 89 RdNr 133 f).
15 d) Unzulässig ist aus den gleichen Gründen auch die Anfechtungs- oder Aufsichtsklage
gegen die "allgemeinen" Hinweise und Empfehlungen, die die Beklagte der Klägerin erteilte
unter "I. Allgemeines" (Hinweis auf § 70 Abs 5 SGB IV), unter "II. Rechnungslegung und
Statistik" und unter "III. Satzung" (mit Ausnahme des die Beratung nach § 89 Abs 1 S 1 SGB
IV betreffenden letzten Absatzes).
16 2. Die Beklagte stellte zu Recht fest, dass sie die für die Klägerin zuständige
Aufsichtsbehörde ist (Bescheid vom 1.2.2011). Die Klägerin unterliegt der Aufsicht der
Beklagten, denn sie ist ein bundesunmittelbarer Versicherungsträger. Maßgeblich für die
Bestimmung des aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsbereichs einer geöffneten IKK ist allein
die räumliche Verteilung der festen Arbeitsstätten (vgl § 9 SGB IV) der Innungsbetriebe, die
den Trägerinnungen der IKK angehören (dazu a). Hierbei ist nicht von einem statischen, zu
einem bestimmten Zeitpunkt fixierten Gebietszustand auszugehen, sondern die jeweils
aktuelle Gebietserstreckung maßgeblich (dazu b). Die dagegen von der Klägerin erhobenen
Einwendungen greifen nicht durch (dazu c). Der maßgebliche Zuständigkeitsbereich der
Klägerin erstreckt sich nach den Feststellungen des LSG über mehr als drei Länder hinaus
(dazu d). Die dagegen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu e).
17 a) Die Zuständigkeit der Aufsicht über einen sozialen Versicherungsträger bemisst sich nach
dessen territorialem Zuständigkeitsbereich. Grundsätzlich führt das BVA die Aufsicht über
die Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes
hinaus erstreckt (bundesunmittelbare Versicherungsträger; § 90 Abs 1 S 1 Fall 1 SGB IV).
Die Aufsicht über die Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich nicht über das
Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (landesunmittelbare Versicherungsträger), führen ua -
wie im Falle des Beigeladenen - die für die Sozialversicherung zuständigen obersten
Verwaltungsbehörden der Länder (§ 90 Abs 2 Teils 1 SGB IV). Diese Verwaltungsbehörden
führen auch die Aufsicht über Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über
das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt und für die
das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist (vgl § 90 Abs 3 SGB
IV). Diese Bestimmung trifft der Staatsvertrag über die Bestimmung aufsichtsführender
Länder nach Art 87 Abs 2 S 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom
23.5.1997 (maßgeblich für die Aufsichtsbehörde des Beigeladenen durch Gesetz zu dem
Staatsvertrag vom 23.5.1997, GVOBl für Schleswig-Holstein 1997, 304).
18 Für geöffnete IKKn wie die Klägerin wird der Zuständigkeitsbereich bestimmt durch die
Region (§ 173 Abs 2 S 2 SGB V), für die sie ihrer Satzung nach zuständig sind (§ 90a Abs 2
SGB IV). Das ist das Territorium, in dem die Satzung nach § 173 Abs 2 S 2 SGB V gilt. Die
Satzung gilt danach - falls sie wie bei der Klägerin eine Öffnungsregelung (§ 173 Abs 2 S 1
Nr 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 116 Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der
gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992,
BGBl I 2266) enthält - für die Gebiete der Länder, in denen Innungsbetriebe bestehen, wenn
die Zuständigkeit für diese Betriebe sich aus der Satzung der IKK ergibt; soweit eine
Satzungsregelung am 31.3.2007 für ein darüber hinausgehendes Gebiet gegolten hat, bleibt
dies unberührt; die Satzung darf das Wahlrecht nicht auf bestimmte Personen beschränken
oder von Bedingungen abhängig machen (vgl § 173 Abs 2 S 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 133
Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 378, mWv 1.4.2007). Zu
den Ländern, in denen Innungsbetriebe bestehen, bei denen sich die Zuständigkeit für diese
Betriebe aus der Satzung der IKK ergibt, gehören auch Länder, in denen unselbstständige
Betriebsstätten von Innungsbetrieben mit Sitz in einem anderen Land bestehen, die den
Trägerinnungen der IKK angehören. Maßgeblich ist nämlich die räumliche Verteilung der
festen Arbeitsstätten, die die erfassten Innungsbetriebe haben.
19 Die Zuordnung eines Innungsbetriebs zu einer IKK ergibt sich daraus, dass der Betrieb ein
von der Handwerksrolle erfasster Handwerksbetrieb ist, dessen Inhaber aufgrund dieses
Handwerksbetriebs einer Innung angehört, die ihrerseits Trägerinnung der IKK ist.
Trägerinnung ist eine Handwerksinnung, die allein oder gemeinsam mit anderen
Handwerksinnungen eine IKK errichtet hat (vgl § 159 Abs 1 S 1 SGB V; zur entsprechenden
Anwendung beim Anschluss einer Innung an eine bestehende IKK vgl Peters in KassKomm,
Stand 1.6.2014, § 157 SGB V RdNr 9 mwN). Eine oder mehrere Handwerksinnungen
können für die Handwerksbetriebe ihrer Mitglieder, die in der Handwerksrolle eingetragen
sind, eine IKK errichten (§ 157 Abs 1 SGB V). Die Trägerinnung ist das rechtliche Bindeglied
zwischen der IKK und dem Handwerksbetrieb, der dieser Trägerinnung angehört. Das gilt
auch im Falle der Öffnung der IKK (vgl § 173 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V). Sie baut insoweit auf
den Vorschriften über die IKK-Errichtung sowie über die Mitgliederwahlrechte auf. Bei der
nicht geöffneten IKK können Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte die IKK
wählen, wenn sie in dem Betrieb beschäftigt sind, für den die IKK besteht (§ 173 Abs 2 S 1
Nr 3 SGB V). Die Öffnung erweitert die Mitgliederwahlrechte - wie dargelegt - auf die Länder,
in denen Innungsbetriebe bestehen, wenn (und) die Zuständigkeit für diese Betriebe sich
aus der Satzung der IKK ergibt. Die Satzung hat hierzu zu umschreiben, welcher
Handwerksbetrieb bei welcher Innung - notwendig bei einer Trägerinnung - einer
Zuständigkeit der IKK unterfällt.
20 Ist ein Innungsbetrieb in diesem Sinne zuständigkeitsbegründend Mitglied einer
Trägerinnung, ist für die Mitgliederwahlrechte und Aufsichtszuständigkeit die räumliche
Erstreckung des Betriebs auf die Länder maßgeblich. Der Innungsbetrieb besteht in allen
Gebieten, in denen er feste Arbeitsstätten hat, auch wenn diese unselbstständig sind. Ein
Betrieb als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit einer KK ist grundsätzlich die zur
Erreichung des arbeitstechnischen Zwecks erfolgte organisatorische Zusammenfassung
personeller, sachlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbstständigen Einheit (stRspr,
vgl zB BSG SozR 3-2500 § 175 Nr 1; BSGE 59, 87 = SozR 2200 § 245 Nr 4; BSGE 37, 245,
246 = SozR 2600 § 2 Nr 1; BSGE 32, 177, 178 = SozR Nr 18 zu § 1268 RVO). Zum Betrieb
können auch unselbstständige Betriebsteile gehören. Unselbstständig ist ein Betriebsteil,
wenn er in Bezug auf die zur Erreichung des arbeitstechnischen Zwecks erfolgte
organisatorische Zusammenfassung personeller, sachlicher und anderer Arbeitsmittel
keinen selbstständigen Leitungsapparat besitzt (vgl BSG SozR 2200 § 245 Nr 2; BSGE 37,
245, 246 = SozR 2600 § 2 Nr 1 S 2 f und für die Fälle von Arbeitsgemeinschaften BSG in
SozR Nr 2 zu § 245 RVO sowie BSG in SozR 4670 § 2 Nr 2).
21 Die Einbeziehung auch unselbstständiger Betriebsteile entspricht dem Regelungszweck des
Gesetzes, klare, systemgerechte Kriterien für den räumlichen Zuständigkeitsbereich
geöffneter IKKn festzulegen. Für die Einbeziehung auch unselbstständiger Betriebsteile
innungsangehöriger Betriebe spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm (§ 173 Abs
2 S 2 SGB V). Nach der Begründung der insoweit Gesetz gewordenen Regelung im Entwurf
eines GSG der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP (vgl BT-Drucks 12/3608 S 113)
genügt das Vorhandensein eines unselbstständigen Betriebsteils oder einer Betriebsstätte.
Auch die Gesetzesmaterialien zu § 90a Abs 2 SGB IV sprechen hierfür. Maßgeblich sollen
danach die AOK-Bezirke sein, in denen sich die in der Satzung der IKK aufgeführten
Betriebe und Betriebsteile befinden (Gesetzentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
Sozialgesetzbuchs <3. SGBÄndG>, BT-Drucks 13/1205 S 10, zu der ursprünglich und
wortgleich als § 175a SGB V formulierten Vorschrift des § 90a SGB IV;
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-
Drucks 13/1559 S 14).
22 Dass Gebiete, in denen Innungsbetriebe im Sinne der gesetzlichen Regelung bestehen,
solche sind, in denen sich feste Arbeitsstätten eines Innungsbetriebs befinden, auch wenn
es sich um unselbstständige Betriebsteile handelt, steht rechtssystematisch in Einklang mit
der Regelung der Zuweisung von Beschäftigten zu einem Beschäftigungsort (§ 9 Abs 1 bis 5
SGB IV). Schon zum Recht der RVO hat die Rechtsprechung des BSG in Parallelbereichen
die örtliche Lage der für die Versicherten maßgeblichen "festen Betriebsstätten" als
maßgeblich angesehen (vgl für Betriebskrankenkassen BSGE 24, 171, 174 = SozR Nr 3 zu
GG Art 87). Als Ort der Beschäftigung gilt auch heute die feste Arbeitsstätte oder hilfsweise
der Betriebssitz (§ 9 Abs 2 bis 5 SGB IV), wenn die Regelung über den Ort, an dem die
Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird (§ 9 Abs 1 SGB IV), nicht eingreift. Versicherte, die
an einer festen Arbeitsstätte tatsächlich beschäftigt werden, haben diese ohnehin als
Beschäftigungsort (vgl bereits RVA 1916 AN 1914, 764, 765).
23 Eine feste Arbeitsstätte ist jede für verhältnismäßig längere Dauer errichtete Arbeitsstätte,
zumal wenn sie sich durch örtliche, äußerlich hervortretende Werksanlagen als solche
kennzeichnet (vgl bereits RVA 1916 AN 1914, 764, 765). Eine feste Arbeitsstätte liegt
dagegen nicht vor, wenn nur Einzeltätigkeiten von kurzer Dauer und geringem Umfang an
einem oder verschiedenen Orten vorgenommen werden (vgl RVA, aaO; ebenso Peters,
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, Stand Juli 2010, § 9 Anm 4 S 139;
ähnlich Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand
Oktober 2014, § 9 SGB IV RdNr 7; Brachmann in Jahn, SGB I/IV, Stand April 2014, § 9 RdNr
2; Brandenburg in Wannagat, SGB IV, Stand August 2007, § 9 RdNr 9: fester Standort; aA
Grimmke in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 9 RdNr 17: § 2 Abs 1 ArbeitsstättenVO, der aber
nicht bloß "feste" Arbeitsstätten definiert). Diese Definition ist auch heute noch zutreffend.
Die Regelung des § 9 SGB IV knüpft an die Vorgängerregelung in §§ 153 ff RVO an und
fasst sie unter sprachlicher Überarbeitung und Schließung von Gesetzeslücken zusammen
(vgl Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand Oktober 2014, K § 9 RdNr 2). Nach der
Begründung zu § 165 RVO des Gesetzentwurfs (wiedergegeben in
Schraeder/Schulte/Brucker, Die Deutsche Krankenversicherung, Bd I, Stand November
1942, § 153 RVO, S 222 ff; in Kraft getreten als § 153 RVO) wurde der Begriff "feste
Arbeitsstätte" gewählt, um den Betriebsbegriff nicht auf den Sitz des Betriebes zu verengen.
24 Auf eine bestimmte Anzahl Beschäftigter, die einer festen Arbeitsstätte zugeordnet sind,
kommt es nicht an. Der Gesetzgeber hat für geöffnete IKKn keine Ausnahme wie für
nichtgeöffnete Betriebskrankenkassen (BKKn) geregelt. Nur bei jenen bleiben
unselbstständige Betriebsteile mit weniger als zehn Mitgliedern in einem Land
unberücksichtigt (§ 90a Abs 1 Nr 2 Teils 2 SGB IV). Außerhalb dieser Ausnahmeregelung
genügen auch kleinere Einheiten als Anknüpfungspunkte für eine Zuordnung der
aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit.
25 b) Maßgeblich für den aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsbereich einer IKK ist nicht ein
statischer Zustand aus der Vergangenheit, sondern der sich wandelnde jeweilige Stand der
Verteilung der festen Arbeitsstätten der erfassten Innungsbetriebe der Trägerinnungen der
IKK auf die Länder. Schon der Gesetzeswortlaut verdeutlicht, dass es für die
Zuständigkeitsbereiche um die Gebiete der Länder geht, in denen Innungsbetriebe
"bestehen" und nicht etwa bloß bestanden haben (vgl § 173 Abs 2 S 2 SGB V; § 90a Abs 2
SGB IV). Dafür spricht auch die Gesetzesentwicklung. Die Rechtsprechung des BSG vertrat
bereits zum früheren Rechtszustand bei unmittelbarer Anwendung des Art 87 Abs 2 GG die
Auffassung, dass eine betriebsbezogene räumliche Ausdehnung des
Zuständigkeitsbereichs einer KK zu Änderungen der aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit führt
(vgl für Betriebskrankenkassen BSGE 24, 171, 174 = SozR Nr 3 zu GG Art 87). Von dieser
Auffassung rückte der Gesetzgeber in der Folgezeit nicht etwa ab, sondern trug ihr
Rechnung: Er fügte als Folge der Änderung des Art 87 GG (Gesetz zur Änderung des
Grundgesetzes vom
27.10.1994, BGBl II 3146) rückwirkend zum 15.11.1994 der Zuständigkeitsregelung des § 90
SGB IV den Abs 3 an (Art 1 Nr 7 3. SGBÄndG vom 30.6.1995, BGBl I 890). Die Regelung
trägt dem dynamischen Verständnis Rechnung und entspricht Art 87 Abs 2 S 2 GG. Folge
der dynamischen Regelung ist, dass ein Land, in dem keine festen Arbeitsstätten der den
Trägerinnungen angehörenden Betriebe mehr existieren, nicht mehr zum
aufsichtsrechtlichen und mitgliedschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich der IKK gehört.
Die Regelungen der §§ 161 S 4, 162 S 4 und 163 S 3 SGB V sowie des § 173 Abs 2 S 2
Teils 2 SGB V stehen dem nicht entgegen (aA Blöcher in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 173
RdNr 28 - gemischt statisch-dynamische Betrachtungsweise mit der Behauptung eines
Bestandsschutzes).
26 Eine "statische" Betrachtungsweise, wonach die Erstreckung einer IKK nur den
Zuständigkeitsbereich erfasst, der sich bei Inkrafttreten des § 173 Abs 2 S 2 SGB V idF des
GSG zum 1.1.1996 oder im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzungsregelung nach § 173
Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V (dafür Schnapp NZS 2004, 113, 116) ergab, hat keinen Niederschlag
in der Rechtsnorm gefunden. Im Gegenteil hätte es, wenn der Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Öffnungsklausel den mitgliedschaftsrechtlichen - und damit zugleich den
aufsichtsrechtlichen - Zuständigkeitsbereich der damals bestehenden geöffneten IKKn (und
der BKKn) ungeachtet einer späteren Ausdehnung der abgegrenzten Region iS des § 143
Abs 1 SGB V "eingefroren" hätte, der Ausnahmeregelung des § 173 Abs 2 S 2 Teils 2 SGB
V (idF durch Art 1 Nr 133 Buchst a DBuchst bb GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378, mWv
1.4.2007) nicht bedurft. Sie lautet: "soweit eine Satzungsregelung am 31. März 2007 für ein
darüber hinausgehendes Gebiet gegolten hat, bleibt dies unberührt." Die zuvor geltende
Fassung (§ 173 Abs 2 S 2 Teils 1 SGB V aF) bestimmte: "Falls die Satzung eine Regelung
nach Nummer 4 enthält, gilt diese für abgegrenzte Regionen im Sinne des § 143 Abs. 1, in
denen … Innungsbetriebe bestehen und die Zuständigkeit für diese Betriebe sich aus der
Satzung der … Innungskrankenkasse ergibt". Dies ließ bei länderübergreifenden AOK-
Fusionen eine akzessorische Erstreckung der IKKn (und der BKKn) zu (vgl Bericht des
Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 51). Das GKV-WSG regelt hingegen wie
dargelegt, dass die satzungsrechtliche IKK-Öffnung für die Gebiete der Länder gilt, in denen
Innungsbetriebe bestehen. Abweichende, zT in den Gesetzesmaterialien geäußerte
Vorstellungen (vgl Gesetzentwurf eines GSG der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP,
BT-Drucks 12/3608 S 113) hat der Gesetzestext nicht übernommen.
27 c) Die aufgezeigte gesetzliche Regelungskonzeption des § 173 Abs 2 S 2 SGB V ermächtigt
den Satzungsgeber nicht dazu, nach seinem Belieben den räumlichen
Zuständigkeitsbereich seiner IKK festzulegen. Er bezeichnet diesen mittelbar, indem er die
Trägerinnungen als Grundlage der Zuordnung zugehöriger Innungsbetriebe benennt. Die
deklaratorische Umschreibung des räumlichen Zuständigkeitsgebiets der IKK in der Satzung
- Liste der Innungsbetriebe und Erstreckung auf die Bundesländer - ist aber dienlich, um den
hierzu berechtigten Versicherten die Ausübung ihres Wahlrechts zu ermöglichen. Hierauf
wies die Beklagte die Klägerin zutreffend hin (1.2.2011).
28 § 173 Abs 2 S 2 SGB V regelt abschließend und zwingend den Zuständigkeitsbereich
geöffneter IKKn für Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte (Mitglieder). Eine
IKK ist zwar in ihrer Entscheidung frei, sich gegenüber den Versicherten zu öffnen, die vor
Inkrafttreten der mit dem GSG eingeführten Vorschriften über die (erweiterten) Wahlrechte
der Mitglieder keinen Zugang zur IKK hatten (vgl zum Mitgliederkreis der IKKn vor dem
Inkrafttreten des GSG zum 1.1.1996: §§ 175, 180, 181, § 182 Abs 3, § 183 Abs 4, § 184 Abs
1 Nr 2 und 3, Abs 3 bis 5, § 185 Abs 1, Abs 2 Nr 1 und 3 SGB V idF durch Art 1 Gesetz zur
Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988,
BGBl I 2477). Eine geöffnete IKK kann aber ungeachtet des Verbots, das Wahlrecht auf
bestimmte Personen zu beschränken (§ 173 Abs 2 S 2 Teils 3 SGB V), nicht den Kreis der
wahlberechtigten Mitglieder abweichend von § 173 Abs 2 S 2 SGB V durch ihre Satzung
festlegen. Der Hinweis des Gesetzes auf die "Satzung" umschreibt verkürzend ihre Geltung
für die Gebiete der Länder, in denen von der Handwerksrolle erfasste Innungsbetriebe
bestehen, deren Inhaber Mitglieder der sich aus der Satzung der IKK ergebenden
Trägerinnungen sind.
29 d) Der aufsichts- und mitgliedschaftsrechtliche Zuständigkeitsbereich der Klägerin erstreckt
sich auf mindestens vier Länder aufgrund der Zugehörigkeit der Bäckerei A GmbH mit
Betriebssitz in M (Schleswig-Holstein) zu einer Trägerinnung der Klägerin. Nach den
Feststellungen des LSG bestehen neben Innungsbetrieben in Schleswig-Holstein und
Mecklenburg-Vorpommern auch in Hamburg und Niedersachsen jedenfalls feste
Arbeitsstätten. Die mehreren Filialen bzw Verkaufsstellen der Bäckerei A GmbH in Hamburg
und Niedersachsen erfüllen die Voraussetzungen fester Arbeitsstätten. Sie bestehen
räumlich-gegenständlich für eine verhältnismäßig längere Dauer, nämlich seit den 1990er
Jahren. Sie sind zugleich durch örtliche, äußerlich hervortretende Betriebseinrichtungen
geprägt. Das LSG hat zudem - wenn auch in verkürzter Form - die Feststellung getroffen,
dass die Bäckerei A GmbH mit ihren festen Arbeitsstätten ein Handwerksbetrieb ist, dessen
Inhaber in die Handwerksrolle einer Handwerksinnung eingetragen ist. Das LSG hat die
Bäckerei A GmbH als "Innungsbäckerei" bezeichnet. Das Bäckerhandwerk ist aber ein in die
Handwerksrolle eintragungspflichtiges Handwerk (§ 1 Abs 2, § 6 Abs 1 HandwO iVm Anlage
A). Dafür, dass das LSG insoweit von einem abweichenden, rechtswidrigen Zustand bei der
A GmbH ausgegangen ist, ist nichts ersichtlich. Gegenteiliges behauptet auch die Klägerin
nicht. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist auch zu entnehmen,
dass das LSG damit zugleich festgestellt hat, dass die Innungsbäckerei A GmbH einer
Trägerinnung der Klägerin angehört. Von Letzterem geht die Klägerin in ihrer
Revisionsbegründung ausdrücklich selbst aus.
30 e) Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich
keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (vgl § 163 SGG). Soweit sie
mit ihrer Revision geltend macht, das LSG habe es unter Verstoß gegen den
Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, nähere Umstände zu ermitteln, aus
denen sich ergibt, dass die A GmbH mit ihrem Bäckereibetrieb einer Trägerinnung angehört
(Trägerinnungsbetrieb), hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet,
die den Mangel ergeben sollen (näher BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris
RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE
111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN). Notwendig hierfür ist eine Darlegung,
die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung
ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel
beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den
Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen
bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen
Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 111, 168 =
SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr
69 mwN, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSG SozR
1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG).
31 Die Klägerin zeigt nicht auf, warum sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, weitere
Ermittlungen dazu anzustellen, dass die Bäckerei A GmbH Trägerinnungsbetrieb der
Klägerin sei. Sie geht nicht darauf ein, dass sie - wie von ihr in der Klageschrift selbst
vorgetragen - auf Veranlassung des Beigeladenen der Bäckerei A GmbH Ende 2010 einen
Fragebogen zur Prüfung ihres Erstreckungsbereichs übersandte, ohne Einwände gegen die
Trägerinnungsbetriebseigenschaft zu erheben, und dass die Bäckerei A GmbH den
Fragebogen nur unter Hinweis auf den laufenden Jahresabschluss vorläufig nicht ausfüllte.
Das spätere Bestreiten mit bloßem Nichtwissen, dass die Bäckerei A GmbH ein
Trägerinnungsbetrieb sei (Schriftsatz vom 10.6.2013), genügt nicht. Vielmehr hätte sie
aufzeigen müssen, warum das LSG ihrer damaligen Mitwirkung nicht den Erklärungswert
habe konkludent entnehmen können, es handele sich bei der Bäckerei A GmbH um einen
Trägerinnungsbetrieb. Hierzu hätte insbesondere die Darlegung gehört, dem LSG sei
aufgezeigt worden, dass der Altdatenbestand der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der IKK
Schleswig-Holstein, die (schon seit längerer Zeit bestehende) A GmbH nicht als
Trägerinnungsbetrieb ausgewiesen habe. Soweit die Klägerin mit ihrer Verfahrensrüge
geltend macht, in der mündlichen Verhandlung sei die Frage der Zugehörigkeit der A GmbH
zu einer Trägerinnung nicht thematisiert worden, legt sie nicht schlüssig dar, dass das LSG
nicht davon ausgehen durfte, dass die Klägerin durch ihr konkludentes Verhalten in der
mündlichen Verhandlung diesen Sachverhalt nicht länger in Zweifel zog. Sie setzt sich nicht
damit auseinander, dass die von ihr selbst eingeräumten, dort gegebenen Hinweise des
Vorsitzenden des erkennenden LSG-Senats zu Filialen in Hamburg und Niedersachsen
ersichtlich im Kontext der §§ 90 Abs 3, 90a Abs 2 SGB IV iVm § 173 Abs 2 S 2 und § 157
SGB V standen. Die Anhörung der Verfahrensbeteiligten durch das LSG zu den Filialen der
A GmbH hatte nur einen Sinn, wenn die A GmbH überhaupt ein Trägerinnungsbetrieb ist.
Denn das LSG wollte sich auf diesen Sachverhalt zum Beleg der räumlichen Erstreckung
der Klägerin auf Hamburg und Niedersachsen stützen. Die Klägerin trägt aber nicht vor, dass
sie der Sachverhaltsermittlung des LSG mit der Behauptung in der mündlichen Verhandlung
entgegengetreten sei, die Existenz von Filialen der A GmbH in Hamburg und Niedersachsen
könne auf sich beruhen, weil weiterhin offen sei, dass die A GmbH ein Trägerinnungsbetrieb
sei. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Klägerin auch weder eine weitere
Beweiserhebung angeregt noch gar einen Beweisantrag gestellt. Solches trägt sie auch in
der Revisionsbegründung nicht vor.
32 Die von der Klägerin nach Ablauf der bis zum 7.11.2013 verlängerten
Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 4.3.2015 vorgetragene Aufklärungsrüge, das
LSG habe verfahrensfehlerhaft seine Ermittlungen nicht auf die mögliche Tatsache erstreckt,
dass es sich bei den Filialen der A GmbH um Läden von Franchiseunternehmen handeln
könne, ist unzulässig. Die Klägerin hat den betroffenen Verfahrensmangel nicht rechtzeitig
vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet (vgl § 164 Abs 2 S 1
bis 3 SGG). Verfahrensrügen können nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist
grundsätzlich weder nachgeschoben noch durch ergänzendes Vorbringen nachträglich
schlüssig gemacht werden (vgl BVerwGE 28, 18, 22; BVerwGE 31, 212, 217; BVerwG NJW
2001, 1878 mwN; zu hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen vgl zB BFHE 126, 383; BAG
NJW 1962, 2030, alle mwN). Einen die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigenden
Grund hat die Klägerin hierzu nicht vorgebracht.
33 3. Auch die Anforderung von Unterlagen und das Auskunftsverlangen der Beklagten
(Bescheid vom 1.2.2011) sind rechtmäßig. Nach § 88 Abs 2 SGB IV haben die
Versicherungsträger der Aufsichtsbehörde oder ihren Beauftragten auf Verlangen alle
Unterlagen vorzulegen und alle Auskünfte zu erteilen, die zur Ausübung des Aufsichtsrechts
auf Grund pflichtgemäßer Prüfung der Aufsichtsbehörde gefordert werden. Hierzu zählt auch
die Verschaffung von Grundlageninformationen im Rahmen der Übernahme der Aufsicht von
dem Beigeladenen auf die Beklagte.
34 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2
VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63
Abs 2 und 3, § 52 Abs 1 sowie § 47 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1 GKG.