Urteil des BSG vom 17.12.2009

BSG: zumutbare arbeit, angemessene entschädigung, wichtiger grund, verwaltungsakt, form, sanktion, presse, rechtsgrundlage, konkretisierung, stadt

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 30/09 R
Absenkung des Arbeitslosengeld II - Nichtantritt eines 1-Euro-Jobs - Aufhebung der
Bewilligung ohne vorgeschalteten Verwaltungsakt - Unwirksamkeit der
Rechtsfolgenbelehrung - Bestimmtheit des Verwaltungsaktes
Leitsätze
1. Die Aufhebung einer Bewilligungsentscheidung wegen des Eintritts einer Sanktion setzt
keinen vorgeschalteten, zusätzlichen feststellenden Verwaltungsakt voraus.
2. Die Wirksamkeit einer Rechtsfolgenbelehrung erfordert, dass sie konkret, richtig und
vollständig ist, zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot erfolgt, sowie dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und
konkreten Auswirkungen aus seinem Verhalten folgen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II.
2 Der 1953 geborene Kläger war von 1987 bis 1999 als Selbstständiger im Vertriebsbereich der
EDV-Branche tätig. Nach Verbüßung einer zweijährigen Haftstrafe bezog er zunächst
Sozialhilfe. Seit 1.1.2005 erhält er Leistungen nach dem SGB II. Für die Monate Januar bis
Mai 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von monatlich 616,38 Euro
(Bescheid vom 16.12.2005; Änderungsbescheid vom 21.12.2005).
3 Mit Schreiben vom 24.1.2006 bot die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsgelegenheit gegen
Mehraufwandsentschädigung (1,50 Euro) als Gemeindearbeiter bei der Stadt S. im Umfang
von 30 Stunden wöchentlich an. Die Tätigkeit sollte sofort aufgenommen werden und war bis
zum 31.3.2006 befristet. Dem Schreiben der Beklagten war eine im Wesentlichen den
Gesetzestext des § 31 Abs 1 SGB II wiederholende Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Am
30.1.2006 hatte sich der Kläger zwar bei der Stadt S. vorgestellt. Den vereinbarten Beginn der
Arbeitsgelegenheit zum 1.2.2006 ließ er jedoch verstreichen, ohne dass er die Tätigkeit
aufnahm.
4 Nachdem der Kläger gegen das Schreiben vom 24.1.2006 "Widerspruch" erhoben hatte, teilte
ihm die Beklagte mit, das Arbeitslosengeld (Alg) II werde für die Zeit vom 1.3. bis 31.5.2006
monatlich um 30 % der Regelleistung, maximal um 104 Euro, abgesenkt. Die ursprüngliche
Bewilligungsentscheidung werde insoweit gemäß § 48 Abs 1 SGB X aufgehoben (Bescheid
vom 2.2.2006; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2006).
5 Das SG Regensburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.1.2008). Das Bayerische LSG
hat die hiergegen gerichtete Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, der Bescheid
vom 2.2.2006 sei hinreichend bestimmt. Der Kläger habe den konkreten Absenkungsbetrag
den ihm erteilten Bescheiden unschwer entnehmen können. Die Abänderung der
Leistungsbewilligung habe ihre Grundlage in § 48 SGB X. Die Voraussetzungen für eine
Absenkung gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst d SGB II lägen vor. Der Umstand, dass die
Beklagte mit § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst c SGB II sowohl im Bescheid vom 2.2.2006 als
auch im Widerspruchsbescheid eine falsche Rechtsgrundlage genannt habe, sei unschädlich.
Die dem Kläger angebotene Maßnahme habe den Kriterien des § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II
entsprochen. Es habe sich insbesondere um eine zusätzliche Maßnahme gehandelt. Das
Angebot sei auch hinreichend bestimmt gewesen. Hinsichtlich der Beurteilung der
Rechtsfolgenbelehrung komme es darauf an, was nach Lage der Dinge auf der einen Seite im
Interesse des Hilfebedürftigen geboten, auf der anderen Seite aus der Sicht der Behörde noch
zumutbar erscheine. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte die Rechtsfolgenbelehrung zwar
standardisiert im Erscheinungsbild Allgemeiner Geschäftsbedingungen erteilt, jedoch habe
die Belehrung allgemein auch Arbeitsgelegenheiten umfasst (Urteil vom 11.12.2008).
6 Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die fehlende Bestimmtheit des
angefochtenen Bescheides. Darin werde keine konkrete Absenkungssumme genannt. Die
Verwaltungsbehörde sei gehalten, unabhängig von der intellektuellen Ausstattung und dem
Adressatenkomfort des Empfängers Sanktionsbescheide so exakt und konkret zu fassen,
dass ein Absenkungsbetrag vom Empfänger sofort verstanden werde. Eine Absenkung habe
auch deshalb nicht vorgenommen werden können, weil es sich bei der Arbeitsgelegenheit um
keine zusätzliche Arbeit iS des § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II gehandelt habe. Es habe sich
vielmehr um Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten gehandelt, die originär von der
Gemeinde im Rahmen der ihr obliegenden Daseinsvorsorge durchzuführen seien. Auch der
zeitliche Umfang der Arbeitsgelegenheit halte sich mit 30 Stunden nicht im Rahmen des
Zumutbaren. Schließlich sei das Angebot an den Kläger nicht hinreichend bestimmt gewesen,
weil es keinen Hinweis enthalten habe, dass die Tätigkeit für ein Vorstellungsgespräch
unterbrochen bzw im Falle einer tragfähigen Arbeitsaufnahme jederzeit beendet werden
könne.
7 Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2008 und des
Sozialgerichts Regensburg vom 22. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 2. Februar 2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2006 aufzuheben.
8 Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
9 Sie schließt sich der Auffassung der Vorinstanzen an.
Entscheidungsgründe
10 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG) . Die
Vorinstanzen haben zu Unrecht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides
angenommen.
11 Gegenstand des Verfahrens und damit auch des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom
2.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.7.2006, soweit damit über eine
Absenkung des Alg II des Klägers für die Zeit vom 1.3. bis 31.5.2006 entschieden worden ist.
12 Ziel der Klage ist die Aufhebung dieses Bescheides. Daher ist richtige Klageart die vom
Kläger erhobene Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 SGG.
13 1. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 SGB
II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung der Verhältnisse eintritt.
14 Entgegen der Auffassung des LSG bedarf es als Voraussetzung für eine Aufhebung des
Bewilligungsbescheides eines vorgeschalteten, zusätzlichen feststellenden
Verwaltungsaktes nicht (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 RdNr 148, Stand VII/07; aA
Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 55a) . Zwar könnte für ein
derartiges Erfordernis die Fassung des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II sprechen, wonach die
Absenkung und der Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten, der auf das
Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung
feststellt, folgt. Allerdings ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte kein Hinweis darauf,
dass mit dieser insoweit unklaren Formulierung über die Aufhebungsentscheidung nach §
48 SGB X hinaus das Erfordernis eines weiteren, den Eintritt einer Sanktion feststellenden
Verfügungssatzes aufgestellt werden sollte (vgl BT-Drucks 15/1516 S 61 zu § 31 Abs 5). Der
Hinweis auf die frühere Regelungstechnik des § 25 BSHG (Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB
II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 55a) ist schon insofern unbehilflich, als für
Verwaltungsentscheidungen im Sozialhilferecht nach Auffassung des BVerwG eine
Anwendbarkeit des § 48 SGB X zu verneinen war (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II,
Einführung RdNr 33) und deshalb eine gesonderte Aufhebung der
Bewilligungsentscheidung entbehrlich war. Hingegen macht schon der Verweis in § 40 Abs
1 Nr 1 SGB II deutlich, dass es sich bei der Bewilligung von Alg II um einen
Dauerverwaltungsakt handelt, dessen Bestandskraft nur durch eine gegenläufige
Aufhebungsentscheidung durchbrochen werden kann.
15 Auch ein praktisches Bedürfnis für eine zusätzliche konstitutive Feststellung des
Sanktionsereignisses durch die Verwaltung ist jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung
nicht ersichtlich. Vielmehr ist § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II lediglich eine Regelung zur
kalendermäßigen Festlegung des Sanktionszeitraums zu entnehmen (Valgolio in
Hauck/Noftz, SGB II, § 31 RdNr 148, Stand VII/07) . Diese bestimmt den Sanktionszeitraum
anhand des Erlasses des "Sanktionsbescheides". Die Regelung führt zu dem gegenüber der
Sperrzeitregelung verwaltungspraktischen Vorteil, dass eine rückwirkende Aufhebung der
Leistungsbewilligung vermieden wird. Das genannte Ergebnis wird jedoch schon dadurch
bewirkt, dass eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X getroffen wird, die den
ursprünglich bewilligten Leistungsbetrag mit Wirkung des nachfolgenden Kalendermonats
wegen des Vorliegens eines in § 31 SGB II geregelten Sanktionsereignisses modifiziert. Ein
derartiger "Absenkungsverwaltungsakt" genügt den Erfordernissen des § 31 Abs 6 SGB II,
ohne dass zusätzlich noch eine gesondert zu treffende abstrakte Feststellung einer Sanktion
in einem Verfügungssatz des Aufhebungsbescheides zu fordern wäre.
16 2. Der angefochtene Sanktionsbescheid war - entgegen der Auffassung des Klägers -
inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X) . Bei diesem Erfordernis handelt es sich
um eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand
März 2004, K § 33 RdNr 1) . Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz
eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den
Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen
Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss
aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar
sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts
Klarstellungsfunktion zu (BSG, Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 §
85 Nr 46 S 384 mwN). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur
dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht
widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der
Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein
Verhalten daran auszurichten (vgl BSG SozR 3-4100 § 242q Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 85
Nr 46; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 33 RdNr 3; Krasney in KassKomm
§ 33 SGB X RdNr 3) . Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die
Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene
Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss
(BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9) .
17 Nach diesen Maßstäben lässt sich die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides nicht
feststellen. Zwar verfügte die Beklagte in dem streitbefangenen Bescheid vom 2.2.2006,
dass sich der monatliche Absenkungsbetrag ab dem 1.3.2006 auf 30 % der Regelleistung
belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden. Damit brachte die Beklagte
unmissverständlich zum Ausdruck, dass dem Kläger ab dem 1.3.2006 Leistungen nicht mehr
in unveränderter Höhe zustehen sollten. Dem Verfügungssatz konnte der Kläger unter
Hinzuziehung des Bewilligungsbescheides durch einfache Rechenoperationen auch ohne
Weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Für den
Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in
welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1.3.2006
erfolgen sollten. Schließlich machte der angefochtene Bescheid auch deutlich, dass der
ursprüngliche Bewilligungsbescheid insoweit aufgehoben werde.
18 3. Der Bescheid vom 2.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.7.2006 ist
jedoch deshalb rechtswidrig, weil die in § 31 SGB II geregelten Voraussetzungen für eine
Absenkung des Alg II des Klägers nicht vorliegen. Eine wesentliche Änderung der
Verhältnisse ist infolgedessen nicht eingetreten.
19 Eine tatsächliche Änderung im Sinne des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X tritt ein, wenn die
Voraussetzungen des § 31 SGB II für eine Absenkung des Alg II und den Wegfall des
befristeten Zuschlags vorliegen (vgl Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R,
BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 14) . Gegenüber den Verhältnissen, die
bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 16.12.2005 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 21.12.2005 vorgelegen haben, kann eine Änderung allenfalls
dadurch eingetreten sein, dass der Kläger die ihm angebotene Arbeitsgelegenheit Anfang
Februar 2006 nicht antrat. Hierdurch waren die Voraussetzungen für eine Absenkung des
Alg II des Klägers aber nicht erfüllt.
20 a) Als Rechtsgrundlage für eine Absenkung des Alg II kommt nur § 31 Abs 1 Nr 1 Buchst d
SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24.12.2003 (BGBl I 2954) in Betracht. Danach wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags
nach § 24 SGB in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige
Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit
nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Dies gilt nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht,
wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Nach § 16 Abs 2 Satz 3 SGB II in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung ist dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Alg II eine angemessene Entschädigung für
Mehraufwendungen zu zahlen, wenn Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende,
zusätzliche Arbeiten nicht nach Abs 1 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert
werden. Diese Arbeiten begründen nach ausdrücklicher Regelung zwar kein
Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts, jedoch sind die Vorschriften über den
Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anzuwenden und für Schäden
bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften erwerbsfähige Hilfebedürftige wie
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
21 b) Dahinstehen kann, ob es sich bei der Arbeitsgelegenheit um eine zusätzliche Arbeit iS
des § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II in der genannten Fassung handelt, was der Kläger
beanstandet. Allerdings dürften die tatsächlichen Feststellungen des LSG dessen Annahme
tragen, es habe sich bei Anlegung des sinngemäß heranzuziehenden Maßstabs des § 261
Abs 2 SGB III bei den vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten um zusätzliche Arbeiten
gehandelt. Der Senat hatte jedoch bereits in seinem Urteil vom 16.12.2008 (B 4 AS 60/07 R,
BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ,
offengelassen, ob es sich bei dem Merkmal der Zusätzlichkeit überhaupt um eine
Voraussetzung handelt, der im Verhältnis zu den Teilnehmern an der Maßnahme
drittschützender Charakter zukommt. Zweifel daran, dass dieses Merkmal von
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die sich gegen die Absenkung ihres Leistungsanspruchs
zur Wehr setzen, zur Prüfung gestellt werden kann, ergeben sich weiterhin daraus, dass die
Zielrichtung des Merkmals der Zusätzlichkeit eher auf den Schutz von Konkurrenten
ausgerichtet sein dürfte. Der Senat kann diese Frage weiterhin offenlassen.
22 c) Denn im Hinblick auf die angebotene Arbeitsgelegenheit fehlt es jedenfalls an einer
hinreichenden Rechtsfolgenbelehrung. § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II setzt in allen dort
geregelten Alternativen voraus, dass der Hilfebedürftige die von ihm geforderte Handlung
"trotz Belehrung über die Rechtsfolgen" unterlassen hat. Die Wirksamkeit einer solchen
Rechtsfolgenbelehrung setzt voraus, dass sie konkret, richtig und vollständig ist, zeitnah im
Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot einer Arbeitsgelegenheit erfolgt, sowie dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und
konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit
anzutreten, für ihn ergeben, wenn für die Weigerung kein wichtiger Grund vorliegt (vgl schon
BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr
4, RdNr 36; Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 44; Berlit in LPK-SGB
II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 64 ff; Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand Dezember
2007, § 31 RdNr 84 ff; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 139 ff; Dauber in
Mergler/Zink, SGB II, Stand Oktober 2008, § 31 RdNr 16; vgl ferner zum
Arbeitsförderungsrecht BSG, Urteil vom 16.9.1999 - B 7 AL 32/98 R = BSGE 84, 270, 276
mwN; BSG, Urteil vom 1.6.2006 - B 7a AL 26/05 R = juris RdNr 14) . Diese strengen
Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1
SGB II (Absenkung der für ihn maßgebenden Regelleistung um 30 % und Wegfall des
Zuschlags nach § 24 SGB II) zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen (vgl
BSG, Urteil vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87; BSG, Urteil vom
13.5.1987 - 7 RAr 90/85, BSGE 61, 289, 293 = SozR 4100 § 119 Nr 31). Nur eine
verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte
Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen.
23 Die Warn- und Steuerungsfunktion geht verloren, wenn der Grundsicherungsträger die
Rechtsfolgenbelehrung derart standardisiert, dass sie - wie vorliegend - lediglich
verschiedene Arten von Maßnahmen aufzählt und die Arbeitsgelegenheit iS von § 31 Abs 1
Satz 1 Nr 1 Buchst d SGB II als eine von mehreren möglichen Varianten benennt.
Hinreichend belehrt wird der Adressat nämlich nur, wenn nur die konkrete Maßnahme, an
deren Nichtteilnahme nachteilige Folgen geknüpft werden, ausdrücklich benannt wird und
der Adressat sich damit direkt angesprochen fühlt. Nicht ausreichend ist es demgegenüber,
wenn mehrere Varianten zur Auswahl gestellt werden und dem Hilfebedürftigen die Auswahl
überlassen wird, ob eine der genannten Alternativen für ihn einschlägig ist. Angemerkt sei
hierzu, dass auch die Beklagte im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid
die für den vorliegenden Sachverhalt einschlägige Variante nicht zutreffend benannt hat. Die
hier zu beurteilende Rechtsfolgenbelehrung ist darüber hinaus auch deshalb mangelhaft,
weil sie in der einschlägigen Passage die fragliche Maßnahme lediglich durch einen
Hinweis auf deren gesetzliche Grundlage (§ 16 Abs 3 Satz 2 SGB II) umschreibt. Es ist mit
dem Zweck der Rechtsfolgenbelehrung nicht zu vereinbaren, dass deren Inhalt nur unter
Hinzuziehung des Gesetzestextes zu erschließen ist.
24 An das Erfordernis der hinreichenden Konkretisierung der Rechtsfolgenbelehrung sind auch
nicht im Einzelfall etwa dann geringere Anforderungen zu stellen, wenn sich der
erwerbsfähige Hilfebedürftige über die möglichen Rechtsfolgen einer Ablehnung der konkret
angebotenen Arbeitsgelegenheit im Klaren sein musste. Denn es kommt insoweit nicht auf
das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen durch den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen, sondern auf das Handeln dessen an, der die Arbeitsgelegenheit
unterbreitet. Als formale und zwingende Bedingung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 31
Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst d SGB II muss eine Konkretisierung der Belehrung daher
unabhängig von der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erfolgen (vgl BSG, Urteil
vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81, BSGE 53, 13, 16 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 88 f).
25 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.