Urteil des BSG vom 31.08.2000

BSG: eintritt des versicherungsfalls, abkommen über soziale sicherheit, belgien, kommission der eg, eintritt des versicherungsfalles, bfa, gewöhnlicher aufenthalt, selbständige erwerbstätigkeit

Bundessozialgericht
Urteil vom 31.08.2000
Sozialgericht Osnabrück
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Bundessozialgericht B 4 RA 51/99 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nieder-sachsen vom 24. Juni 1999 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, Tatbestände einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung und einer
Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.
Die 1943 geborene Klägerin war von April 1962 bis Dezember 1966 in der Rentenversicherung der Angestellten
aufgrund einer Inlandsbeschäftigung pflichtversichert. Diese Pflichtversicherung bestand während ihrer
anschließenden Tätigkeit als Hilfskraft bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (EG) bis Ende Februar
1968 fort. Ab 1. März 1968 wurde sie zur Beamtin der EG auf Probe, ab 1. September 1969 auf Lebenszeit ernannt.
Ihr Ehemann ist seit 1964 bei der Kommission als Beamter tätig. Der gemeinsame Sohn Volker wurde am 13. Juli
1970 in B. geboren. Die Klägerin und ihr Ehemann lebten zusammen mit dem Sohn Volker regelmäßig in Brüssel; der
Sohn besuchte dort die Schule.
Von März 1968 bis zum Ausscheiden der Klägerin im Dezember 1978 wurden für sie Beiträge zum
Versorgungssystem der Beamten der EG entrichtet. Ferner entrichtete die Klägerin im Jahre 1977 für verschiedene
Zeiträume freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung der Angestellten.
Im Juni 1994 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Kontenklärung. Die Beklagte merkte den Tatbestand einer
Anrechnungszeit wegen Ausbildung für die Zeit von September 1959 bis März 1962 vor. Ferner wurden Tatbestände
von Beitragszeiten wegen freiwilliger Beiträge für die Zeiten von Oktober 1959 bis März 1962, von Januar bis März
1967, von März 1968 bis Dezember 1973 und von Januar bis Oktober 1982 sowie von Pflichtbeitragszeiten für die
Zeiten von April 1962 bis Dezember 1966 und von April 1967 bis Februar 1968 vorgemerkt. Dagegen lehnte es die
Beklagte ua ab, Tatbestände von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung vom 1. August 1970 bis 31. Juli 1971
und von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 13. Juli 1970 bis 12. Juli 1980 vorzumerken
(Vormerkungsbescheid vom 9. März 1995, Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 1996).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25. Juni 1997). Während des Berufungsverfahrens
beantragte die Klägerin die Übertragung ihrer in der Rentenversicherung der Angestellten in der Zeit von Oktober 1959
bis Februar 1968 erworbenen Anwartschaft auf das Versorgungssystem der EG. Die BfA errechnete einen pauschalen
Rückkaufwert von 18.997,49 DM und überwies den entsprechenden Betrag an die Versorgungseinrichtung der EG.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1999). Zur
Begründung ist ausgeführt worden, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vormerkung einer Kindererziehungs- und
Berücksichtigungszeit, weil die Erziehung nicht in Deutschland erfolgt sei. Die Klägerin, ihr Ehemann und der Sohn
Volker hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Brüssel gehabt. Die in Belgien erfolgte Erziehung könne einer
inländischen nicht gleichgestellt werden, weil keine Pflichtbeiträge unmittelbar vor der Geburt des Kindes oder
während der Kindererziehung zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Die Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) zum sog Rumpfarbeitsverhältnis sei nicht einschlägig. Die Pflichtbeitragszeiten zum
übernationalen Versorgungsträger der EG stünden den inländischen Pflichtbeitragszeiten nicht gleich. Eine Verletzung
des Gleichheitssatzes liege nicht vor. Ein Verstoß gegen ein europarechtliches Diskriminierungsverbot sei im Hinblick
auf die Wahlmöglichkeiten nach dem EG-Übertragungsabkommen zu verneinen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin verschiedene sachliche Unrichtigkeiten im Urteil des LSG. Im übrigen macht sie
geltend, die von ihr geleisteten freiwilligen Beiträge seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) Pflichtbeitragszeiten gleichzustellen. Schließlich sei der Sachverhalt nicht so erheblich, daß er einen
Ausschluß vom Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) rechtfertige. Der Sohn Volker sei in B. geboren, bei
seinen deutschen Eltern in Brüssel aufgewachsen, habe dort ab 1976 die deutsche Schule besucht, sei 1987 nach
Deutschland zurückgekehrt, habe dort Abitur gemacht und erfolgreich Jura studiert. Es sei deshalb nicht ersichtlich,
aus welchen Gründen eine deutsche Mutter, die ihr deutsches Kind nur vorübergehend im Ausland nach deutschen
Traditionen erzogen habe, wo es im übrigen nach deutschen Lehrplänen unterrichtet worden sei, von der Begünstigung
einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen werden solle. Mutter und Vater hätten durch freiwillige Beitragsleistung
und das Kind nach Eintritt in das inländische Erwerbsleben und damit verbundenen Beitragszahlungen zur Sicherung
des Rentensystems beigetragen. Die freiwilligen Beitragsleistungen seien nach dem Beschluss des BVerfG vom 12.
März 1996 Pflichtbeitragszeiten gleichzustellen. Die Beklagte habe aus dieser Entscheidung die Konsequenzen
gezogen, und zwar im Hinblick auf Personen, die vom Nato-Truppenstatut erfaßt würden; das gleiche müsse in ihrem
Fall gelten. Schließlich fiele sie und ihre Familie unter die Vorschriften des EG-Vertrages, die im Zweiten Protokoll
über die Vorrechte und Befreiung der EG-Beamten verankert seien. Dies spreche dafür, sie so zu behandeln, als hätte
sie in der fraglichen Zeit ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Juni 1999 und das Urteil des
Sozialgerichts Osnabrück vom 25. Juni 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9.
März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 1996 zu verpflichten, für die Zeit vom 1. August
1970 bis 31. Juli 1971 den Tatbestand einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung und für die Zeit vom 13. Juli
1970 bis 12. Juli 1980 den Tatbestand einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß das angefochtene Urteil rechtlich nicht zu beanstanden sei. Ein anderes Ergebnis lasse
sich auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Beschluss des BVerfG vom 12. März 1996 oder aus Regelungen
des Nato-Truppenstatuts begründen.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Dieses hat die zulässig
kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§§ 54 Abs 1 Satz 1, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) zu Recht
abgewiesen. Soweit die Klägerin begehrt, die Beklagte solle ihre Rechte und Ansprüche auf Geldzahlungen und deren
Höhe für den Fall des späteren Eintritts des Versicherungsfalles schon jetzt verbindlich feststellen, sind die Klagen
unzulässig. Die Anfechtungsklagen sind nicht statthaft, weil die BfA dies im streitigen Vormerkungsbescheid (und
auch in der von der Klägerin angesprochenen Rentenauskunft) nicht abgelehnt hat. Die Verpflichtungsklagen sind
unzulässig, weil insoweit ua schon die Klagebefugnis fehlt (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Denn zu einer derartigen
Entscheidung ist der Rentenversicherungsträger frühestens berechtigt, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls
behauptet und deswegen ein Leistungsrecht geltend gemacht wird (§§ 109 Abs 4 Satz 2, 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI;
stellv BSG SozR 3-2200 § 1325 Nr 3). Im übrigen sind die Klagen unbegründet. Die Ablehnung, für die streitigen
Zeiträume Tatbestände von Pflichtbeitrags- und von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken,
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihrem Recht auf zutreffende Feststellung der in den
Versicherungsverlauf (Versicherungskonto) aufzunehmenden Daten.
Der Klägerin steht der von ihr erhobene Vormerkungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen der einzigen
Anspruchsgrundlage, auf die sie ihr Begehren stützen kann und die sich aus § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI ergibt, sind
nicht erfüllt. Danach hat der Versicherungsträger einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid über die im
Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten zu erlassen, die länger als sechs
Kalenderjahre zurückliegen, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat (stellv BSG, Urteil vom 25. Februar
1992, SozR 3-6180 Art 13 Nr 2; Urteil vom 17. November 1992, SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Der Versicherte kann nur die
Feststellung von "Daten" und nur von solchen beanspruchen, die der Versicherungsträger nach Maßgabe der
Vorschriften des SGB VI in einem Versicherungskonto zu speichern hat (§ 149 Abs 1 Sätze 2 und 3 SGB VI). "Daten"
sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer natürlichen Person (vgl § 35 SGB I; § 67 SGB
X). Der Vormerkungsanspruch ist somit ausschließlich auf die Feststellung von Tatsachen gerichtet, die nach dem im
Zeitpunkt der Vormerkung gültigen Recht in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rechtserheblich und nach
Maßgabe des deutschen Rentenversicherungsrechts im Versicherungskonto zu vermerken sind. Eine Entscheidung
über Rechte oder Ansprüche auf Geldzahlungen kann hingegen nicht verlangt werden.
Die Klägerin ist zwar "Versicherte" iS des § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI, obwohl ihre aus Pflichtbeitragszeiten bis Ende
Februar 1968 in der Rentenversicherung der Angestellten erworbene Rentenanwartschaft gegen die BfA auf ihren
Antrag vollständig auf das Versorgungssystem der EG übertragen worden ist. Sie hat jedoch für nachfolgende Zeiten
(wirksam) freiwillige Beiträge entrichtet und dadurch den Status einer Versicherten wiedererlangt und ein neues
Versicherungsverhältnis zur BfA begründet. Für die strittigen Zeiträume liegen jedoch keine in das
Versicherungskonto einzustellenden Daten vor. Dies gilt für die geltend gemachten Tatbestände von
Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung (dazu unter A) und von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
(dazu unter B).
A. Tatbestände von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung sind nur vorzumerken, soweit ihr Vorliegen im
Vormerkungszeitpunkt geklärt ist und die Möglichkeit ihrer Rechtserheblichkeit in einem zukünftigen Leistungsfall
besteht. Hingegen darf der Versicherungsträger über die "Anrechnung und Bewertung" dieser Tatbestände
("vorgemerkte Zeiten") erst bei "Feststellung einer Leistung" entscheiden (§ 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI). Die mögliche
Rechtserheblichkeit solcher rentenrechtlichen Tatbestände bestimmt sich nach der im jeweils maßgeblichen
Entscheidungszeitpunkt gültigen materiell-rechtlichen Regelung. Auch wenn die strittigen Vormerkungstatbestände vor
1992 erfüllt wurden, ist für den Gegenstand des Vormerkungsanspruchs (Leistungsinhalt) nicht das bis zum 1. Januar
1992 gültig gewesene AVG maßgeblich, sondern das SGB VI (stRspr, zuletzt BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996,
SozR 3-2600 § 58 Nr 9).
Die Klägerin hat die Tatbestände von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung in der Zeit vom 1. August 1970 bis
zum 31. Juli 1991 nicht erfüllt.
Gemäß § 3 Satz 1 Nr 1 iVm §§ 56 Abs 1 bis 3 und 5, 249 Abs 1 SGB VI sind Personen für zwölf Kalendermonate
nach Ablauf des Monats der Geburt versicherungspflichtig, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind.
Einem Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist (Nr 1),
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht (Nr 2) und
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (Nr 3).
Zwar ist die Klägerin von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nicht schon iS von § 56 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 4
SGB VI ausgeschlossen; es kann auch offenbleiben, ob die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts
ausreichen zu entscheiden, ob die geltend gemachte Zeit als Kindererziehungszeit gerade der Klägerin iS von § 56
Abs 1 Nr 1 SGB VI zuzurechnen ist (vgl BSG, Urteil vom 25. Februar 1992, SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 (S 9 f); Urteil
vom 16. Dezember 1997, SozR 3-2600 § 56 Nr 10); denn die tatsächlichen Voraussetzungen einer "Inlandserziehung"
iS des § 56 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 SGB VI sind nicht erfüllt. Die Erziehung des Sohnes ist weder im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland erfolgt noch kann die Erziehung im Ausland (hier in Belgien) einer inländischen
gleichgestellt werden (dazu unter 1). Im internationalen Recht gibt es keine Regel, die es der BfA vorschreibt,
"Auslandserziehungen" iS des SGB VI im Versicherungskonto zu führen und "vorzumerken" (dazu unter 2).
1. Der Tatbestand des § 56 SGB VI ist mangels "Inlandserziehung" oder einer ihr gleichstehenden
"Auslandserziehung" nicht erfüllt. Die Regelungen sind verfassungskonform.
a) Nach § 56 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat.
Die Erziehung des Sohnes Volker ist nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Belgien erfolgt.
Nach den Feststellungen des LSG hatten die Klägerin, ihr Ehemann und der Sohn Volker während der hier relevanten
Zeiträume der Erziehung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Brüssel, da sie dort den Schwerpunkt ihrer
Lebensverhältnisse hatten. Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung tatbestandliche Unrichtigkeiten im Urteil
des LSG behauptet, darf der Senat dies nicht berücksichtigen; denn sie hätte beim LSG insoweit eine
Tatbestandsberichtigung (§ 139 SGG) beantragen müssen. Ihr Vorbringen enthält im übrigen insoweit keine
zulässigen Verfahrensrügen, so daß der Senat an die Feststellungen des LSG gebunden ist (§ 163 SGG). Es ist
daher nicht darauf einzugehen, daß sich auch aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin ergibt, daß sie von 1968 bis
1987, dem Zeitpunkt der Rückkehr ihres Sohnes nach Deutschland, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hatte.
b) Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin und ihres Sohnes in Belgien steht einem solchen im Inland nicht gleich,
deswegen steht auch die Auslandserziehung in Belgien einer Erziehung in Deutschland nicht gleich.
Nach § 56 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB VI steht eine Erziehung im Ausland einer Erziehung im Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland (ausnahmsweise, aber auch) nur dann gleich, wenn sich der erziehende Elternteil mit
seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und wegen der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des
Kindes wegen der dort (im Ausland) ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten (iS
von § 55 Abs 1 SGB VI, also in der bundesrechtlichen gesetzlichen Rentenversicherung) hat. Denn das SGB VI (und
damit auch § 56 SGB VI) versteht unter "Pflichtbeitragszeiten" Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge
gezahlt worden sind oder nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs 1 SGB VI). Die Klägerin hat
während des hier maßgeblichen Zeitraums keine Pflichtbeiträge an einen Träger der bundesdeutschen
Rentenversicherung gezahlt. Die von ihr ab März 1968 entrichteten freiwilligen Beiträge sind keine Pflichtbeiträge (§
55 Abs 1 Satz 1 Regelung 2 SGB VI). Sie können diesen nach Bundesrecht auch tatbestandlich und
vormerkungsrechtlich nicht gleichgestellt werden (vgl hierzu stellv auch BSG, Urteil vom 16. Juni 1994, 13 RJ 31/93).
Die Behauptung der Klägerin, das BVerfG (BVerfGE 94, 241 ff) habe das Gegenteil entschieden, entbehrt jeder
Grundlage.
Es gibt im Bundesrecht auch keine "besondere Vorschrift" iS von § 55 Abs 1 Satz 2 SGB VI, nach der Pflichtbeiträge
für die Klägerin und für den streitigen Zeitraum "als gezahlt gelten". Die Klägerin hat keine derartige Bestimmung
genannt; es gibt auch keine (zum bundesrechtlichen Völkervertragsrecht siehe unter 2.).
Eine Gleichstellung der Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung folgt ebenfalls nicht aus der Ehegattenklausel
des § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI. Denn der Ehemann der Klägerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Bestimmung
nicht. Er hat im streitigen Zeitraum keine Pflichtbeiträge nach Bundesrecht gezahlt; es gelten solche auch nicht nach
besonderen Vorschriften des Bundesrechts als gezahlt; er war nicht einmal dem Grunde nach pflichtversichert und
schon deshalb nicht versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit.
c) Das tatbestandliche Erfordernis der "Inlandserziehung" oder einer ihr nur ausnahmsweise gleichstehenden
"Auslandserziehung" ist verfassungsgemäß.
Entgegen der Ansicht der Klägerin gebietet das GG nicht, im Ausland verwirklichte Sachverhalte (hier:
Auslandserziehung in Belgien) rentenversicherungsrechtlich so zu behandeln, als hätten sie sich im Inland ereignet.
Es ist (auch nicht nach Art 3 Abs 1 GG oder Art 25 GG) zu beanstanden, daß der Deutsche Bundestag
rentenversicherungsrechtliche Rechtsfolgen grundsätzlich nur an Sachverhalte knüpft, die sich im räumlichen Bereich
der Gebietshoheit Deutschlands ereignen oder damit durch einen engen, völkerrechtlich zulässigen Anknüpfungspunkt
verbunden sind. Insbesondere muß er nicht alle Deutschen im Ausland so behandeln, als hätten sie in Deutschland
gelebt, hier versicherungspflichtig gearbeitet oder hier ihre Kinder erzogen. Die Voraussetzungen einer sog
Ausstrahlung des Rentenversicherungsrechts auf Auslandssachverhalte (§ 4 SGB VI) liegen offenkundig ebensowenig
vor wie diejenigen eines sog Rumpfarbeitsverhältnisses (zu beiden stellv: BSG, Urteil vom 12. Mai 1993, BSGE 71,
227, 231 ff = SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Denn die Klägerin (oder ihr Ehemann) stand in den fraglichen
Erziehungszeiträumen in keinem inländischen Beschäftigungsverhältnis und übte keine inländische (selbständige)
Erwerbstätigkeit aus; sie hatte sich aus eigenem Entschluß in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis zu einem
Arbeitgeber mit Sitz in Belgien begeben. Eine Privilegierung von im Ausland beschäftigten Deutschen, erst recht nur
der Gruppe derjenigen, die bei der Kommission der EG beschäftigt sind, schreibt Art 3 Abs 1 GG nicht vor. Deutsche
Beamte der EG-Kommission werden genauso behandelt wie andere Deutsche, die bei einem Arbeitgeber in Belgien
beschäftigt sind und sich dort gewöhnlich aufhalten.
2. Es besteht keine Regel des "internationalen" Rechts, die selbst bestimmt oder der Bundesrepublik Deutschland die
Anordnung gebietet, die BfA müsse den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin und ihres Sohnes während des
relevanten Zeitraumes im Ausland (Belgien) einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gleichstellen und diesen
"beweissichernd" vormerken ("feststellen"). Abweichendes ergibt sich weder aus dem (primären oder sekundären)
europäischen Gemeinschaftsrecht (dazu unter a) noch aus dem deutsch-belgischen Sozialversicherungsabkommen
(dazu unter b).
a) Die Texte des Primär- oder Sekundärrechts der EG enthalten auch nicht andeutungsweise Regelungen, die einem
nationalen Rentenversicherungsträger gebieten oder einen Mitgliedstaat dazu verpflichten, den Tatbestand einer nach
seinem Recht nicht rechtserheblichen Auslandserziehung im Versicherungskonto zu speichern und vorzumerken.
aa) Dies gilt zum einen für das europäische Primärrecht (Vertragsrecht). Eine vormerkungsrechtliche Gleichstellung
der in Belgien erfolgten Kindererziehung mit einer inländischen Kindererziehung ist auch nicht mittelbar unter
Berücksichtigung der Freiheitsrechte des EG-Vertrages geboten.
Art 39 Abs 2 EG-Vertrag idF des Vertrages von Amsterdam (vorher Art 48 Abs 2) verbietet eine Diskriminierung von
Arbeitnehmern aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige
Arbeitsbedingungen. Dieses Recht eröffnet aber lediglich die Berechtigung, uneingeschränkt, dh unbeachtlich evtl
behindernder nationaler Regelungen im Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht, von einem Mitgliedstaat in einen
anderen "zu wandern", dort eine Arbeit zu suchen und ggf anzunehmen, die Beschäftigung ohne Diskriminierung
auszuüben und ggf nach Beendigung im Aufnahmestaat - unter Beachtung sekundärrechtlicher Regelungen - zu
verbleiben (Art 39 Abs 3 EG-Vertrag). Das Freizügigkeitsrecht der Arbeitnehmer eröffnet damit die Möglichkeit, sich in
einem anderen Mitgliedstaat zu den genannten Zwecken niederzulassen. Es enthält jedoch weder selbst eine
Gebietsgleichstellung noch das Gebot, daß die Mitgliedstaaten einen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat einem
gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem eigenen Gebiet gleichstellen und sogar vormerken müssen.
Dies gilt auch und gerade für das vom Koordinierungsgedanken geprägte Sozialrecht. Insoweit gebietet Art 42 EG-
Vertrag iVm der VO (EWG) Nr 1408/71 zwar eine Zusammenrechnung von in verschiedenen Mitgliedstaaten
zurückgelegten Zeiten für den Erwerb und die Berechnung von Leistungsansprüchen; dies bedeutet jedoch nicht, daß
die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten solche des eigenen nationalen Systems sind, und
insbesondere folgt aus dem Zusammenrechnungsgebot nicht, daß ausländische Tatbestände rentenrechtlicher Zeiten
vom deutschen Rentenversicherungsträger vorzumerken sind. Dies wäre ua schon deshalb unsinnig, weil der
ausländische Träger des Mitgliedstaates, nach dessen Vorschriften Versicherungszeiten dort zurückgelegt wurden, im
Leistungsfall mit verbindlicher Wirkung für den deutschen Rentenversicherungsträger über Art und Umfang dieser
ausländischen Versicherungszeiten entscheidet (Senatsurteil vom 25. Februar 1992 - SozR 3-6050 Art 46 Nr 5).
Wenn die Klägerin meint, das Diskriminierungsverbot des Art 39 Abs 2 und 3 EG-Vertrag gebiete, bei der
"Rentengewährung" die Erziehung in Belgien der Erziehung im Inland gleichzustellen, so spricht sie nicht die - hier
allein entscheidungserhebliche - Frage an, ob Tatbestände des positiven Rechts als erfüllt festzustellen sind, die
später möglicherweise für das Recht auf Rente erheblich werden können. Es geht ihr vielmehr um eine sofortige
Entscheidung über die Anrechnung von Auslandstatbeständen im künftigen "Leistungsfall". Ein solches
Klagebegehren ist - wie gesagt - vor Eintritt des Versicherungsfalls unzulässig. Denn die BfA hat mit der
angefochtenen Ablehnung der Vormerkung darüber nicht entschieden und durfte dies - wie dargelegt - auch nicht.
Hierüber ist erst nach Eintritt des Versicherungsfalles nach dem dann geltenden Recht zu entscheiden.
Der streitige Vormerkungsanspruch läßt sich auch nicht aus Art 18 EG-Vertrag (früher Art 8a) herleiten. Danach hat
jeder Unionsbürger (Art 17 EG-Vertrag, früher Art 8) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich
der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu
bewegen und aufzuhalten. Ob aus diesem Text, wie dies die Kommission in der Rechtssache Martinez Sala (EuGH,
Urteil vom 12. Mai 1998, Slg 1998, 2691 = SozR 3-7833 § 1 Nr 22) vorgetragen hat, ein allgemeines Aufenthaltsrecht
herzuleiten ist, kann offenbleiben. Er besagt jedenfalls offenkundig nicht, daß ein gewöhnlicher Aufenthalt in einem
anderen Mitgliedstaat einem gewöhnlichen inländischen Aufenthalt nach nationalem Rentenversicherungsrecht
gleichzustellen ist. Ob Art 18 EG-Vertrag trotz der Spezialregelung in Art 42 EG-Vertrag selbst eine Anrechnung von
Auslandstatbeständen bei Eintritt des Versicherungsfalls gebieten könnte, ist im Vormerkungsverfahren nicht zu
entscheiden.
bb) Auch das Sekundärrecht der Gemeinschaft begründet keine vormerkungsrelevante tatbestandliche Gleichstellung
oder eine Pflicht der Mitgliedstaaten hierzu. Art 9a VO (EWG) Nr 1408/71, der ua Kindererziehungszeiten erwähnt,
stellt eine Ergänzung des Art 45 VO (EWG) Nr 1408/71 dar. Er ermöglicht, bei der Prüfung von sog
Rahmenzeiträumen, die durch sog Dehnungstatbestände verlängert werden können, auch Zeiten der Kindererziehung
im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als Dehnungstatbestand zu berücksichtigen, soweit eine inländische
Kindererziehung ein solcher wäre. Schon nach dem Wortlaut des Art 9a VO (EWG) Nr 1408/71 wird offenkundig nicht
die Vormerkung von Tatbeständen einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung geboten. Er ist nur für Anrechnung
von Zeiten im Leistungsfall (zB für den Anspruchserwerb) bedeutsam. Dasselbe gilt für die Berücksichtigung von ua
Versicherungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat nach Art 45 VO (EWG) Nr 1408/71 (vgl BSG SozR 3-6050 Art 46
Nr 5). Die Entscheidung über ein Recht auf Rente und über dessen Wert ist jedoch kein möglicher Gegenstand eines
Vormerkungsverfahrens.
cc) Ebensowenig enthalten das Zweite Protokoll zum EG-Vertrag, das die Klägerin zitiert hat, oder das EG-
Beamtenstatut (ABl EG Nr L 56/1 vom 4. März 1968) idF der VO (EG) Nr 571/92 (ABl EG Nr L 62/1 vom 7. März
1992) derartige Anordnungen (hierzu näher Költzsch, DAngVers 1994, 338).
dd) Die Klägerin selbst hat keinen Text des primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts benannt, der auch nur
nach seinem Wortlaut andeutungsweise der beklagten BfA möglicherweise vorschreiben könnte, Tatbestände von
Beitragszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken. Sie hat erst recht nicht dargelegt, welche Texte nach ihrer
Ansicht aus welchen Gründen in ihrer Auslegung zweifelhaft sein könnten. Solche Normen sind auch nicht ersichtlich.
Das positive geschriebene Gemeinschaftsrecht wirft daher keine Rechtsfragen auf, die vorab durch den Europäischen
Gerichtshof zu beantworten wären. Die Einleitung eines Verfahrens der Vorabentscheidung nach Art 234 EG-Vertrag
(früher Art 177) kam deshalb nicht in Betracht.
b) Das deutsch-belgische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 7. Dezember 1957 (BGBl II 1963, 406) enthält
keine Vorschriften, welche die Vormerkung von Tatbeständen der Auslandserziehung als Pflichtbeitragszeiten wegen
Kindererziehung vorschreiben oder erlauben. Ebensowenig sind Regelungen über eine Gleichstellung ersichtlich.
Damit kann dahinstehen, ob das Abkommen (nicht ohnehin) gegenstandslos geworden ist (vgl Art 6 ff VO (EWG) Nr
1408/71 iVm Anhang III), Es ist von der Klägerin nicht dargetan und nicht ersichtlich, weshalb sie vom persönlichen
Geltungsbereich des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über
die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen
Truppen idF vom 19. März 1993 (BGBl II 1994, 2594, 2598) erfaßt sein könnte.
B.
Das LSG hat auch zu Recht entschieden, daß die BfA für den Zeitraum vom 13. Juli 1970 bis zum 12. Juli 1980 keine
Tatbestände einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken hat. Gemäß § 57 SGB VI ist die Zeit
der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit,
soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Diese
Voraussetzungen sind nicht gegeben, weil die Klägerin ihren Sohn von 1970 bis 1987 in Belgien erzogen hat. Daher
hat sie auch keinen Anspruch auf Vormerkung des Tatbestandes einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung.
Nach alledem war die Revision der Klägerin zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.