Urteil des BSG vom 02.07.2009

BSG: gesetzliche vertretung, elterliche sorge, pflege, eltern, handlungsfähigkeit, haushalt, vertreter, genehmigung, wochenende, bevollmächtigung

Bundessozialgericht
Urteil vom 02.07.2009
Sozialgericht Dortmund S 27 AS 237/06
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 20 AS 112/06
Bundessozialgericht B 14 AS 54/08 R
Die Revision der Klägerin zu 1 gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2008
wird zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben, soweit die
Beklagte zur Gewährung von Leistungen an die Kläger zu 2 und 3 verurteilt worden ist. Die Berufungen der Kläger zu
2 und 3 werden zurückgewiesen. Hinsichtlich des Klägers zu 4 wird die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten über Ansprüche auf Regelleistungen der Kläger zu 2 bis 4 für die Zeit ihrer Aufenthalte bei der
Klägerin zu 1 im Monat März 2005 sowie über die Höhe der Ansprüche der Klägerin zu 1 auf Gewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere über einen Anspruch auf Mehrbedarf für
Alleinerziehende, für diesen Monat.
2
Die 1962 geborene Klägerin zu 1 ist alleinstehend und geschieden. Aus der geschiedenen Ehe entstammen die am
Februar 1996, am August 1998 und am November 1993 geborenen Kinder (Kläger zu 2 bis 4). Die Klägerin zu 1, die
sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, ist der Vater der Kläger zu 2 bis 4. Das Sorgerecht wurde im
streitbefangenen Zeitraum gemeinsam von ihr und der Kindesmutter ausgeübt. Sowohl die Klägerin zu 1 als auch die
Kindesmutter und die Kläger zu 2 bis 4 standen im ersten Halbjahr 2005 im Bezug von Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende bei der Beklagten. Die Kläger zu 2 bis 4 erhielten für den Monat März 2005 unter Berücksichtigung
des Kindergeldes (jeweils 154 Euro) und des ihnen gewährten Unterhaltsvorschusses (jeweils 164 Euro) Leistungen in
Höhe von 17,14 Euro (Kläger zu 2 und 3) bzw 25,14 Euro (Kläger zu 4).
3
Mit Schreiben vom 9. März 2005 beantragte die Klägerin zu 1 bei der Beklagten höhere Leistungen, weil ihr durch die
Besuche der Kläger zu 2 bis 4 ein Mehraufwand entstehe. Die Kinder seien jeweils die Hälfte der Schulferien und an
jedem zweiten Wochenende bei ihr. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2005 mit der
Begründung ab, dass mit den Kindern weder eine Bedarfs-, noch eine Haushaltsgemeinschaft bestehe. Den
Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2005 zurück.
4
Die dagegen von der Klägerin zu 1 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Dortmund mit Urteil vom 14. September
2006 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Kläger zu 2 bis
4 in das Rubrum aufgenommen. Nachdem die Kläger die Klage auf Leistungen für den Monat März 2005 beschränkt
haben, hat das LSG mit Urteil vom 21. April 2008 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. März 2005
und des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2005 verurteilt, den Klägern zu 2 bis 4 für den Monat März 2005
anteilige Regelleistungen "im Sinne von § 20 Abs 2 SGB II" für neun Tage zu je 1/30 der Regelleistung zu gewähren.
Die Berufung der Klägerin zu 1 hat es zurückgewiesen. Die Kindesmutter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem
LSG der Klageerhebung durch die Klägerin zu 1 für die Kläger zu 2 bis 4 ausdrücklich ihre Zustimmung versagt. Die
Klägerin zu 1 hat zu Protokoll erklärt, sie werde ein familiengerichtliches Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung der
Kindesmutter nicht anstrengen.
5
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Kläger zu 2 bis 4 seien in das Rubrum
aufzunehmen gewesen, weil sie mit der Klägerin zu 1 eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft bildeten und jedes Mitglied
der Bedarfsgemeinschaft einen eigenen Leistungsanspruch habe. Die Kläger zu 2 bis 4 seien allein durch die Klägerin
zu 1 gesetzlich vertreten. Die Vertretungsbefugnis ergebe sich aus § 1687 Abs 1 Satz 4 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB), der im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Bedeutung des Umgangsrechts im Lichte des Art 6 Abs 1 und 2
Grundgesetz (GG) einerseits und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) andererseits
erweiternd auszulegen sei. Die Kläger zu 2 bis 4 könnten anteilige Regelleistungen beanspruchen, weil sie in der
zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 lebten und die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts
nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen könnten. Die Beklagte habe ihre Leistungsverpflichtung
nicht bereits dadurch erfüllt, dass sie den Klägern zu 2 bis 4 in der Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter bereits
Leistungen erbracht habe. Das Kindergeld sowie der Unterhaltsvorschuss stünden den Klägern zu 2 bis 4 tatsächlich
nicht zur Verfügung, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche
gegen die Kindesmutter könnten die Kläger nicht verwiesen werden, weil diese nicht zeitnah durchsetzbar seien. Der
Klägerin zu 1 stehe der begehrte Mehrbedarf für Alleinerziehende nicht zu, weil sie die Kläger zu 2 bis 4 in zeitlicher
Hinsicht nicht einmal überwiegend betreue und deshalb nicht allein für deren Pflege und Erziehung sorge. Eine
Erhöhung der Regelleistung komme ebenso wenig in Betracht wie ergänzende Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).
6
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin zu 1 als auch die Beklagte Revision eingelegt. Die Klägerin zu 1 rügt
eine Verletzung des § 21 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). In der
Zeit der Anwesenheit der Kläger zu 2 bis 4 entstünden bei ihr in vielen Lebensbereichen höhere Bedarfe, die durch §
21 Abs 3 SGB II gerade ausgeglichen werden sollten. Zumindest stehe ihr eine Erhöhung der Regelleistung nach § 20
SGB II zu.
7
Sie beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts abzuändern und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheids vom 18. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2005 zu
verurteilen, der Klägerin zu 1 für den Monat März 2005 Leistungen für den Lebensunterhalt unter Berücksichtigung
eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende zu gewähren und die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
8
Die Beklagte beantragt, 1. das Urteil des Landessozialgerichts zu ändern und die Berufung der Kläger zu 2 bis 4
zurückzuweisen, 2. die Revision der Klägerin zu 1 zurückzuweisen.
9
Sie rügt eine Verletzung des § 71 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einerseits sowie Verletzungen der §§ 7, 9, 20
und 28 SGB II andererseits. (Klagen und) Berufungen der Kläger zu 2 bis 4 seien bereits unzulässig gewesen, weil sie
allein durch die Klägerin zu 1 nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten gewesen seien. Die Klagen seien auch
unbegründet, weil den Klägern zu 2 bis 4 in der Bedarfsgemeinschaft mit der Kindesmutter für den streitigen Zeitraum
bereits Leistungen gewährt worden seien. Die Rechtsfigur der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft müsse im Hinblick auf
die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten insgesamt zur Überprüfung gestellt werden. Im Übrigen - bezogen
auf die Ansprüche der Klägerin zu 1 - sei das Urteil des LSG zutreffend.
II
10
Die zulässige Revision der Klägerin zu 1 ist unbegründet. Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Die
zulässige Revision der Beklagten ist begründet, soweit sie zur Leistungsgewährung an die Kläger zu 2 und 3 verurteilt
worden ist, weil es an deren ordnungsgemäßer Vertretung fehlt. Hinsichtlich der Verurteilung zur Leistungsgewährung
an den Kläger zu 4 ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der
Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
11
1. Streitgegenstand sind Ansprüche der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat
März 2005, die die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.
Juni 2005 abgelehnt hat (zur zeitlichen Beschränkung bei vollständiger Leistungsablehnung vgl BSGE 97, 265 = SozR
4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 19). Die Kläger haben dabei ihr Begehren auf die von der Bundesagentur für Arbeit
(BA) zu erbringenden Leistungen (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II) für den Lebensunterhalt beschränkt (zur
Selbständigkeit der Verfügungen über die von der BA und vom kommunalen Träger zu erbringenden Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff). Die Mehrbedarfe nach §
21 SGB II sind Bestandteil dieser Leistungen (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07
R; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 19 RdNr 9).
12
2. Ein Anspruch der Klägerin zu 1 auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 20, 21 SGB II
besteht nicht. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt sie die Voraussetzungen des § 7
Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1 SGB II.
13
a) Die monatliche Regelleistung der Klägerin zu 1 betrug für den streitigen Monat gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II (in
der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I
2954) 345 Euro. Eine Erhöhung der Regelleistung des § 20 SGB II ist nach dem Konzept des SGB II ausgeschlossen
(BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 19 mwN). Ein ergänzender Anspruch nach § 73 SGB XII
kommt allenfalls für - hier nicht geltend gemachte - Fahrkosten in Betracht (BSG aaO RdNr 21 ff).
14
b) Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Nach § 21 Abs 3 SGB II ist für
Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und
Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf anzuerkennen in Höhe von 36 vom Hundert der nach § 20 Abs 2 maßgebenden
Regelleistung, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren
zusammen leben (Nr 1) oder in Höhe von 12 vom Hundert der nach § 20 Abs 2 maßgebenden Regelleistung für jedes
Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60
vom Hundert der nach § 20 Abs 2 maßgebenden Regelleistung (Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
15
Die Klägerin zu 1 sorgt bereits nicht iS des § 21 Abs 3 SGB II allein für die Pflege und Erziehung der Kläger zu 2 bis
4. Dabei kommt es nicht auf das Personensorgerecht iS der §§ 1626 ff BGB an, sondern auf die tatsächlichen
Verhältnisse (vgl Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, aaO, § 21 RdNr 30; Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21
RdNr 9). Alleinige Sorge liegt nur vor, wenn bei der Pflege und Erziehung keine andere Person in erheblichem Umfang
mitwirkt, insbesondere, wenn der hilfebedürftige Elternteil nicht von dem anderen Elternteil oder Partner nachhaltig
unterstützt wird oder wenn eine nachhaltige Entlastung innerhalb des Zeitraums, den das Kind sich bei dem anderen
Elternteil aufhält, eintritt (vgl BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R). Das entspricht dem aus der
Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck des Mehrbedarfs. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit § 21
Abs 3 SGB II an die entsprechende Vorschrift im Bundessozialhilfegesetz angeknüpft werden (vgl BT-Drucks 15/1516
S 57). Dort sah der Gesetzgeber diesen Mehrbedarfszuschlag dadurch gerechtfertigt, dass Alleinerziehende weniger
Zeit haben, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen für Kontaktpflege und zur Unterrichtung
in Erziehungsfragen tragen müssen (BT-Drucks 10/3079 S 5; kritisch dazu Hannes/Düring in Gagel, SGB II, Stand
Juni 2009, § 21 RdNr 20).
16
Der Senat folgt der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG, der bereits entschieden hat, dass ausgehend von dieser
Zweckbestimmung ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in den Fällen, in denen geschiedene und getrenntlebende
Elternteile die Pflege und Erziehung der Kinder gemeinsam - wenn auch je für sich - besorgen, nur dann in Betracht
kommt, wenn sich die Eltern in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die
anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen (Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R - RdNr 16). Bei einem geringeren
als hälftigen zeitlichen Anteil steht die Leistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG aaO RdNr 22).
17
Diese Mindestvoraussetzungen für den Mehrbedarf nach § 21 Abs 3 SGB II erfüllt die Klägerin zu 1 nicht, weil sie im
streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen ihres Umgangsrechts die Pflege und Erziehung der Kläger zu 2 bis 4 in
erheblich geringerem zeitlichen Umfang ausgeübt hat als die Kindesmutter. Zwar enthält das Urteil des LSG keine
Angaben dazu, an welchen konkreten Tagen die Kläger zu 2 bis 4 sich bei der Klägerin zu 1 aufgehalten haben.
Immerhin ist aber der Sitzungsniederschrift des LSG zu entnehmen, dass nach den übereinstimmenden Erklärungen
der Eltern die Kinder das erste Wochenende im März 2005 sowie die Zeit vom 21. bis 27. März 2005 bei der Klägerin
zu 1 verbracht haben. Dementsprechend hat das LSG die Beklagte zu Leistungen für insgesamt neun Kalendertage
an die Kläger zu 2 bis 4 verurteilt. Die Klägerin zu 1 hat damit bereits nach eigenem Bekunden in weniger als einem
Drittel des streitigen Monatszeitraums allein für die Pflege und Erziehung der Kläger zu 2 bis 4 gesorgt.
18
3. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das LSG sie zur Leistungsgewährung an die Kläger zu 2 und 3
verurteilt hat, § 170 Abs 2 Satz 1 SGG. Zwar waren nach dem "Meistbegünstigungsprinzip" grundsätzlich alle an einer
Bedarfsgemeinschaft Beteiligten in das Verfahren einzubeziehen (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils
RdNr 11; ablehnend für das SGB XII: BSG, Urteil vom 24. März 2009 - B 8 AY 10/07 R - RdNr 18 f). Klagen und
Berufungen der Kläger zu 2 und 3 sind jedoch mangels ordnungsgemäßer Vertretung unzulässig gewesen.
19
a) Einer Vertretung der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG noch 9- und 12-jährigen Kläger zu 2
und 3 hat es bedurft, weil diese nicht selbst prozessfähig iS des § 71 Abs 1 und 2 SGG iVm §§ 104 ff BGB gewesen
sind. Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs 1 SGG prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann.
Minderjährige sind gemäß § 71 Abs 2 Satz 1 SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des
bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Die
Kläger zu 2 und 3 waren nicht nach Vorschriften des öffentlichen Rechts handlungsfähig, weil die sozialrechtliche
Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) die Vollendung
des fünfzehnten Lebensjahres voraussetzt. Nach der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 107 BGB bedarf der
Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung
seines gesetzlichen Vertreters.
20
Die Prozessführung ist für die Kläger zu 2 und 3 nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Die Geltendmachung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist bereits deshalb nicht lediglich rechtlich
vorteilhaft, weil eine Leistungsgewährung zum Erlöschen der Forderung führt (vgl für einen Rentenzahlungsanspruch
BSGE 53, 8, 9 = SozR 7610 § 1813 Nr 1 S 2; Ellenberger in Palandt, BGB, 68. Aufl 2009, § 107 RdNr 2; Jauernig,
BGB, 13. Aufl 2009, § 107 RdNr 4). Ob die Kläger zu 2 und 3 einer Aufhebung und Rückforderung hinsichtlich der
Leistungen, die sie in der Bedarfsgemeinschaft mit der Kindesmutter bezogen haben, ausgesetzt wären, kann offen
bleiben.
21
Die gesetzliche Vertretung des Kindes erfolgt gemäß § 1629 Abs 1 Satz 2 BGB gemeinschaftlich durch die Eltern.
Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, wenn er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung
nach § 1628 BGB übertragen worden ist, § 1629 Abs 1 Satz 3 BGB. Keine dieser Voraussetzungen für eine
Alleinvertretungsbefugnis der Klägerin zu 1 ist hier erfüllt. Die elterliche Sorge für die Kläger zu 2 und 3 wird von der
Klägerin zu 1 und der Kindesmutter gemeinsam ausgeübt. Auch eine an sich zulässige Bevollmächtigung des einen
durch den anderen Elternteil (vgl dazu Diederichsen in Palandt aaO, § 1629 RdNr 9) oder die nachträgliche
Genehmigung vollmachtlosen Handelns kommt hier nicht in Betracht, weil die Kindesmutter der Klageerhebung durch
die Klägerin zu 1 für die Kläger zu 2 bis 4 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ihre Zustimmung versagt hat.
22
b) Eine Vertretungsbefugnis der Klägerin zu 1 für das gerichtliche Verfahren folgt nicht aus § 38 Satz 1 SGB II.
Danach wird vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen auch für die mit ihm in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Die Vermutung erfasst alle
Verfahrenshandlungen, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der
Verfolgung des Antrags dienen, mithin auch die Einlegung eines Widerspruchs (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr
1, jeweils RdNr 29; kritisch zu dieser weiten Auslegung Pilz in Gagel aaO, § 38 RdNr 16, 17). Sie erstreckt sich aber
nicht auf das gerichtliche Verfahren, für das das SGG besondere Regelungen enthält (vgl Link in Eicher/Spellbrink,
aaO, § 38 RdNr 24).
23
c) Die Klägerin zu 1 konnte auch nicht in vermuteter Vertretung der Kläger zu 2 und 3 nach § 73 Abs 2 SGG Klage
erheben. Zwar konnte gemäß § 73 Abs 2 Satz 2 SGG in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung bei Ehegatten
oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie die Bevollmächtigung unterstellt werden. Die Vorschrift ist
jedoch bereits deshalb nicht einschlägig, weil sie nur die gewillkürte Stellvertretung ("Bevollmächtigung") betrifft und
nicht Fälle der gesetzlichen Vertretung (vgl Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 73
RdNr 1b). Auf die vom LSG erörterte Frage, ob die Vermutung widerlegt ist, wenn der andere sorgeberechtigte
Elternteil der Klageerhebung widerspricht, kommt es daher nicht an.
24
d) Eine Alleinvertretungsbefugnis der Klägerin zu 1 ergibt sich auch nicht aus § 1687 Abs 1 Satz 4 BGB. Solange sich
das Kind mit Einwilligung des Elternteils, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, oder auf Grund einer gerichtlichen
Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser danach zwar die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in
Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. Diese Befugnis beschränkt sich aber auf tatsächliche Umstände wie
die Ernährung, die Bettruhe oder den Fernsehkonsum (vgl Berger in Jauernig, aaO, § 1687 RdNr 4, 5; Finger in
Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl 2008, § 1687 RdNr 13); ein Vertretungsrecht abweichend von den allgemeinen
Regelungen des § 1629 BGB wird dem jeweiligen Elternteil dadurch nicht eingeräumt (vgl Diederichsen in Palandt,
BGB, 68. Aufl 2009, § 1687 RdNr 13). Bereits der Wortlaut der Vorschrift: "Angelegenheiten der tatsächlichen
Betreuung" schließt eine Entscheidung in rechtlich relevanten Angelegenheiten wie der Einlegung von Rechtsmitteln
aus.
25
Dass es sich bei den Befugnissen nach § 1687 Abs 1 Satz 4 BGB nur um solche in tatsächlichen Angelegenheiten
von geringer (auch wirtschaftlicher) Bedeutung handeln soll, verdeutlicht auch die Systematik der Norm: Während (im
Falle gemeinsamer elterlicher Sorge) bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von
erheblicher Bedeutung ist, das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich ist (§ 1687 Abs 1 Satz 1 BGB), ist
bereits der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, zur alleinigen Entscheidung nur insoweit befugt, als
es um Angelegenheiten des täglichen Lebens geht (§ 1687 Abs 1 Satz 2 BGB). Das sind nach § 1687 Abs 1 Satz 3
BGB in der Regel solche Angelegenheiten, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen
auf die Entwicklung des Kindes haben. Hinter diesen Angelegenheiten des täglichen Lebens haben bei
systematischer Betrachtung die Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, über die während der Ausübung des
Umgangsrechts zu entscheiden ist, hinsichtlich ihrer Bedeutung eher noch zurückzubleiben (vgl BT-Drucks 13/4899,
S 107, 108). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift dient die Entscheidungsbefugnis nach § 1687 Abs 1 Satz 4 BGB
der rechtlichen Absicherung der Erziehungsmaßnahmen des umgangsberechtigten Elternteils während der Ausübung
des Umgangsrechts. Um eine solche Angelegenheit handelt es sich bei der Vertretung eines Kindes im
sozialgerichtlichen Verfahren aber gerade nicht. Es ist vielmehr in aller Regel eine Angelegenheit von erheblicher
Bedeutung iS des § 1687 Abs 1 Satz 1 BGB anzunehmen.
26
e) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich eine Alleinvertretungsbefugnis der Klägerin zu 1 auch nicht aus einer
verfassungskonformen Erweiterung des § 1687 Abs 1 Satz 4 BGB im Lichte des Art 6 GG. Nach Art 6 Abs 1 GG
stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und Art 6 Abs 2 Satz 1 GG statuiert
das Recht und die Pflicht der Eltern, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen (vgl BVerfGE 107, 104, 117). Das LSG
verkennt bereits, dass auch die Kindesmutter aus Art 6 Abs 2 Satz 1 GG berechtigt und verpflichtet ist. Ihrer
Sorgeberechtigung und -verpflichtung kommt auch verfassungsrechtlich das gleiche Gewicht zu wie derjenigen der
Klägerin zu 1. Es kann offen bleiben, ob eine Erweiterung einfachgesetzlicher familienrechtlicher Vorschriften über die
gesetzliche Vertretung entgegen der unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte,
Gesamtzusammenhang und Zweck des Gesetzes gewonnenen Deutung im Wege der verfassungskonformen
Auslegung zulässig wäre (vgl BVerfGE 119, 247, 274; 118, 212, 234 mwN). Jedenfalls bedarf es einer solchen
Erweiterung zur Durchsetzung des verfassungsrechtlich geschützten Umgangsrechts (grundlegend hierzu zuletzt
BVerfG, NJW 2008, 1287 ff) nicht. Es stehen vielmehr familienrechtliche Instrumentarien zur Verfügung, die einerseits
eine Berücksichtigung der Belange aller familienrechtlich Beteiligten gewährleisten, andererseits aber ggf auch eine
Durchsetzung der grundsicherungsrechtlichen Ansprüche der Kläger zu 2 und 3 gegen den Willen der Kindesmutter
zulassen. Aus diesem Grund scheidet auch eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nach Art 19
Abs 4 Satz 1 GG aus.
27
Die Klägerin zu 1 hat die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB herbeizuführen.
Danach kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen, wenn sich
die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge,
deren Regelung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, nicht einigen können. Der Elternteil, dem die
Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist, vertritt gemäß § 1629 Abs 1 Satz 3 BGB das Kind allein. Auf diese
Weise kann auch im laufenden (fach-)gerichtlichen Verfahren die mangels Einvernehmens der sorgeberechtigten
Eltern fehlende gesetzliche Vertretung nur durch ein Elternteil hergestellt werden. In diesem gerichtlichen Verfahren ist
die Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen der Beteiligten sicherzustellen (vgl zu diesem Erfordernis
BVerfG, NJW 2008, 1287, 1292). Dass eine zeitnahe Entscheidung ergeht, kann ggf im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes sichergestellt werden (vgl dazu Roth, Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das FamFG,
JZ 2009, 585, 588).
28
f) Waren die Kläger zu 2 und 3 damit im gerichtlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten, waren ihre
Rechtsmittel unzulässig. Zwar darf im sozialgerichtlichen Verfahren die Klage grundsätzlich nicht ohne Weiteres
wegen Prozessunfähigkeit des Klägers als unzulässig abgewiesen werden. Stellt sich die Prozessunfähigkeit heraus,
ist vielmehr eine Frist zu setzen für den Eintritt eines (ordnungsgemäßen) gesetzlichen Vertreters oder beim Fehlen
eines gesetzlichen Vertreters ein besonderer Vertreter nach § 72 SGG zu bestellen (vgl BSGE 5, 176, 178; BSGE 91,
146 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1 S 3, jeweils RdNr 8). Damit soll im Interesse des Prozessunfähigen Gelegenheit
gegeben werden, die Zulässigkeit des Rechtsmittels herbeizuführen. Eine solche Situation ist hier jedoch bereits
deshalb nicht gegeben, weil die Kläger zu 2 und 3 gesetzliche Vertreter haben, zwischen denen lediglich keine
Einigkeit besteht. Selbst wenn man aber auch in einem solchen Fall eine Fristsetzung grundsätzlich für erforderlich
hält, kann hiervon jedenfalls dann abgesehen werden, wenn - wie hier auf Grund der Erklärung der Klägerin zu 1 -
feststeht, dass die erforderliche Zustimmung nicht herbeigeführt wird. Die Mutter der Kläger zu 2 und 3 hat vor dem
LSG ausdrücklich zu Protokoll erklärt, dass sie einer Klageerhebung nicht zustimmt, die Klägerin zu 1 hat ihrerseits
erklärt, dass sie ein Verfahren nach § 1628 BGB nicht durchführen will. In dieser Konstellation kommt eine
Fristsetzung zur Herbeiführung eines Einvernehmens oder einer familiengerichtlichen Entscheidung nicht mehr in
Betracht.
29
4. Ob die Prozessfähigkeit des Klägers zu 4 ebenso zu beurteilen ist, kann der Senat nicht abschließend
entscheiden. Der Senat hält es für untunlich, insofern in der Revisionsinstanz die erforderlichen Prozesserklärungen
herbeizuführen, zumal es auch an den notwendigen Feststellungen für eine Sachentscheidung fehlt. Der Kläger zu 4
hat mittlerweile das 15. Lebensjahr vollendet und ist somit handlungsfähig nach § 36 Abs 1 SGB I geworden (vgl dazu
Coester, Zur sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit des Minderjährigen, FamRZ 1985, 982 ff). Er hat damit die
Möglichkeit, die bisherige Prozessführung zu genehmigen. Der Mangel der Prozessunfähigkeit kann grundsätzlich
auch noch im Revisionsverfahren mit Wirkung für die Vorinstanzen geheilt werden (vgl BSGE 76, 178, 181 = SozR 3-
4100 § 58 Nr 7 S 30 f; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008, § 71 RdNr 8e). Da nach § 36 Abs 1 Satz 2
SGB I der Leistungsträger den gesetzlichen Vertreter über die Antragstellung und die erbrachten Sozialleistungen
unterrichten soll, wäre hier aber im Fall einer Genehmigung eine entsprechende Information der Kindesmutter
erforderlich. Durch schriftliche Erklärung nach § 36 Abs 2 Satz 1 SGB I gegenüber dem Gericht könnte die
Handlungsfähigkeit des Klägers zu 4 wieder eingeschränkt werden (vgl Leitherer, aaO, § 71 RdNr 5a; Wagner in
Hennig, SGG, Stand: Februar 2009, § 71 RdNr 35). Allerdings würde hierzu nicht allein eine Erklärung der
Kindesmutter ausreichen, es bedürfte vielmehr einer gemeinsamen Erklärung der Sorgeberechtigten. Auch hier kommt
aber im Konfliktfall ein Verfahren nach § 1628 BGB in Betracht, für dessen Einleitung das LSG Gelegenheit geben
müsste (vgl Mrozynski, SGB I, 3. Aufl 2003, § 36 RdNr 15). Die Erklärung der Kindesmutter im Termin vor dem LSG
lässt noch keinen Schluss zu, ob auch eine Einschränkung der mittlerweile eingetretenen Handlungsfähigkeit
angestrebt wird. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch keine Handlungsfähigkeit iS des § 36 SGB I, sodass auch keine
Entscheidung darüber getroffen werden konnte, ob einer selbständigen Prozessführung durch den Kläger zu 4
entgegengetreten wird.
30
a) Für den Fall einer wirksamen Genehmigung der bisherigen Prozessführung ist das LSG dem Grunde nach zu Recht
vom Bestehen einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 4 iS des § 7 Abs
3 SGB II ausgegangen. Ebenfalls zu Recht hat es ausgeführt, dass ein möglicher Anspruch nicht bereits durch
Leistungen für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit der Kindesmutter erfüllt worden ist.
31
Die Regelung des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II verlangt schon nach ihrem Wortlaut ("dem Haushalt angehörend") kein
dauerhaftes "Leben" der unverheirateten Kinder im Haushalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, wie es etwa für
andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in den Tatbeständen des § 7 Abs 3 Nr 2 und 3 SGB II vorausgesetzt wird.
Es genügt vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger
als einen Tag bei einem Elternteil wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen. Diese Auslegung des § 7
Abs 3 Nr 4 SGB II, die eine SGB-II-immanente Lösung des Problems der Umgangskosten sicherstellt und der Lösung
des SGB XII in dessen § 28 Abs 1 Satz 2 nahe kommt, ist angesichts der besonderen Förderungspflicht des Staates
nach Art 6 Abs 1 GG geboten (BSGE 97, 242, 252 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 27; kritisch Münder, Die
Kosten des Umgangsrechts im SGB II und SGB XII, NZS 2008, 617, 621 ff). Diesen Voraussetzungen genügt die
zwischen der Klägerin zu 1 und der Kindesmutter getroffene und auch tatsächlich umgesetzte Umgangsregelung, der
zufolge die Kläger zu 2 bis 4 sich vierzehntägig an den Wochenenden sowie jeweils für die Hälfte der Schulferien im
Haushalt der Klägerin zu 1 aufhalten.
32
Das LSG wird ggf festzustellen haben, für welche Tage (vgl zur erforderlichen Dauer des Aufenthalts in der
temporären Bedarfsgemeinschaft Senatsurteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 75/08 R) dem Kläger zu 4 für den Monat
März 2005 in Bezug auf die zeitweise Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 Leistungen zustehen. Nicht
festgestellt ist bislang, ob die zeitweise Bedarfsgemeinschaft, wie vom LSG angenommen, im Monat März 2005
tatsächlich für insgesamt neun Tage bestanden hat. Das LSG wird dabei zu berücksichtigen haben, dass Leistungen
gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden können (zur Bedeutung der
Antragstellung vgl Urteile des Senats vom 30. Juli 2008, insbesondere B 14 AS 26/07 R). Ausgehend davon kommt
eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen für neun Tage nur in Betracht, wenn alle neun
Aufenthaltstage des Klägers zu 4 bei der Klägerin zu 1 im März 2005 nach der Antragstellung am 9. März 2005
gewesen sind. Zweifel bestehen hieran deshalb, weil die Kläger zu 2 bis 4 in der mündlichen Verhandlung Leistungen
"für das erste Wochenende Monat März 2005" beantragt haben, das kalendermäßig die Zeit vom 4. März bis 6. März
2005 umfasste.
33
b) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass im Rahmen der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft das der
Kindesmutter für den Kläger zu 4 gewährte Kindergeld nicht als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II berücksichtigt
werden kann. Eine anteilige Zurechnung des Kindergeldes zu den Kindern kommt auch nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB
II in der hier maßgeblichen Fassung (aF) des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) nicht in Betracht (vgl dazu Urteil des Senats vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 75/08 R).
Alleinige Anspruchsinhaberin ist hier die Kindesmutter als diejenige Person, die den Kläger zu 4 in ihren Haushalt
aufgenommen hat, §§ 62 Abs 1, 63 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 64 Abs 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz. Dort führt das
Kindergeld ggf zu einer Minderung des Anspruchs des Kindes.
34
c) Als Einkommen des Klägers zu 4 iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist hingegen der für ihn gezahlte
Unterhaltsvorschuss anteilig zu berücksichtigen. Insofern ist anders als beim Kindergeld anspruchsberechtigt nach §
1 Abs 1 Unterhaltsvorschussgesetz nicht die Kindesmutter, sondern der Kläger zu 4 selbst.
35
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.