Urteil des BSG vom 10.08.2000

BSG: krankenversicherung, befreiung von der versicherungspflicht, krankenkasse, leistungsbezug, niedersachsen, unternehmen, doppelversicherung, beitragspflicht, rückforderung, beschränkung

Bundessozialgericht
Urteil vom 10.08.2000
Sozialgericht Hildesheim
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Bundessozialgericht B 11 AL 119/99 R
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. November 1999
aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückverwiesen.
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger zur Erstattung von während des Bezugs von Arbeitslosengeld (Alg) von der Beklagten
aufgewendeten Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verpflichtet ist.
Der Kläger bezog seit 1. August 1997 von der Beklagten Alg. Er war infolge des Leistungsbezuges bei der KKH
(Kaufmännische Krankenkasse Halle) in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert.
Außerdem hatte er zeitlich zum Bezug von Alg ab 1. Oktober 1997 bei der Barmenia Krankenversicherung aG einen
privaten Kranken- und Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen. Als die Beklagte von der Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit ab 1. Februar 1998 erfuhr, welche der Kläger dem Arbeitsamt nicht angezeigt hatte, stellte sie
ab 1. April 1998 die Zahlungen ein. Ferner hob sie durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 6. Oktober 1998
die Bewilligung von Alg ab 1. Februar 1998 rückwirkend auf und forderte vom Kläger das vom 1. Februar bis 31. März
1998 gezahlte Alg zurück.
Durch weiteren Bescheid vom 5. November 1998 forderte die Beklagte auch die von ihr für die Zeit ab 1. Februar 1998
gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.061,71 DM vom Kläger zurück. Dessen
dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1999 zurück.
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. Mai 1999; Urteil des
Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 25. November 1999). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen
ausgeführt: Der Kläger habe die von der Beklagten in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März 1998 gezahlten Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten, da mit der bestandskräftigen rückwirkenden Aufhebung der
Bewilligung von Alg ab 1. Februar 1998 und der Rückforderung des Alg die gesetzlichen Voraussetzungen der
Erstattungspflicht erfüllt seien. Demgegenüber könne der Kläger nicht mit dem Einwand durchdringen, daß die
Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erstattungspflicht vorlägen, weil für denselben Zeitraum ein "weiteres
Krankenversicherungsverhältnis" bestanden habe. Darunter sei nach den erkennbar gewordenen Vorstellungen des
Gesetzgebers nur eine rechtliche Beziehung mit einer gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen. Auch wenn
der Kläger in der streitigen Zeit bei der Barmenia Versicherung privat versichert gewesen sei und laufend Beiträge
bezahlt habe, verbleibe es deshalb bei seiner Erstattungspflicht, da mit der Barmenia Versicherung kein gesetzliches
Krankenversicherungsverhältnis bestanden habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 335 Abs 1 Satz 2 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB III) und des Art 3 Grundgesetz (GG) und macht im wesentlichen geltend, gegen die
Auffassung, daß das Tatbestandsmerkmal "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" sich lediglich auf gesetzliche
Krankenversicherungsverhältnisse beziehe, spreche, daß der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal bewußt
offengelassen und nicht ausdrücklich die gesetzliche Krankenversicherung privilegiert habe. Die Beschränkung auf
gesetzliche Krankenversicherungsverhältnisse stelle auch angesichts der Liberalisierung des Rechts der
Krankenkassen und angesichts des Wahlrechts der Krankenkassen eine sachlich nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung mit demjenigen Personenkreis dar, welcher sich freiwillig bei einer gesetzlichen
Krankenversicherung versichert habe, da diese Leistungsempfänger bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen von
der Erstattungspflicht gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit (BA) befreit würden. Gegen die Beschränkung auf
gesetzliche Krankenversicherungsverhältnisse spreche zudem, daß die Einfügung des § 207a SGB III zu einer
Gleichbehandlung zwischen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen führe. Die von der Beklagten
behauptete Verankerung des Schutzes der gesetzlichen Versicherung werde im SGB III nicht mehr deutlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. November 1999 und den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Hildesheim vom 3. Mai 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 1998 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die nach § 160 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im übrigen zulässige Revision ist insoweit
begründet, als die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an
das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), weil noch Feststellungen zur Höhe des
Erstattungsbetrags erforderlich sind.
Ob und in welchem Umfang der Kläger der Beklagten die von ihr in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März 1998
gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu ersetzen hat, richtet sich nach § 335 Abs 1
und 5 SGB III (idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997, BGBl I 594). Diese
Regelungen begründen ua für die Bezieher von Alg eine Erstattungspflicht hinsichtlich der gezahlten Beiträge, soweit
die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Nach § 5
Abs 1 Nr 2 Halbsatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind ua die Bezieher von Alg versicherungspflichtig in
der gesetzlichen Krankenversicherung und ebenso in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Elftes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)). Hat für den Zeitraum, für den die Leistung zurückgefordert worden ist, ein weiteres
Krankenversicherungsverhältnis bestanden, so erstattet die Krankenkasse, bei der der Bezieher nach § 5 Abs 1 Nr 2
SGB V versicherungspflichtig war, der BA die für diesen Zeitraum entrichteten Beiträge; der Bezieher wird insoweit
von der Ersatzpflicht nach Satz 1 befreit (§ 335 Abs 1 Satz 2 SGB III). Für die Beiträge der BA zur sozialen
Pflegeversicherung für Versicherungspflichtige nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI sind diese Vorschriften
entsprechend anzuwenden (§ 335 Abs 5 SGB III).
Daß die nach § 335 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 5 SGB III erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen für einen
Erstattungsanspruch vorliegen, steht aufgrund der bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG) und wird auch
von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Denn der Kläger hat vom 1. August 1997 bis 31. März 1998 von der
Beklagten Alg bezogen und war in dieser Zeit nach den og Vorschriften versicherungspflichtig in der gesetzlichen
Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung. Für die Zeit vom 1. Februar bis 31. März 1998 ist durch
bindend gewordenen Bescheid die Bewilligungsentscheidung der Beklagten rückwirkend aufgehoben und das gewährte
Alg vom Kläger zurückgefordert worden. Hiernach sind die Voraussetzungen, unter denen der Kläger als Bezieher von
Alg der Beklagten die von ihr gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu ersetzen hat, für den streitigen
Zeitraum vom 1. Februar bis 31. März 1998 erfüllt. Ob der Erstattungsanspruch bei pflichtgemäßem Handeln des
Leistungsempfängers ausgeschlossen ist (vgl schon BSG SozR 3-4100 § 157 Nr 2), kann weiterhin offenbleiben, weil
die rechtswidrige Leistungsgewährung darauf beruhte, daß der Kläger seiner Pflicht zur Mitteilung der Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit nicht nachgekommen ist und die Beklagte deshalb die Aufhebung der Leistungsbewilligung auf
§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützen konnte.
Dagegen fehlt es entgegen der Ansicht des Klägers an den Tatbestandsvoraussetzungen für seine Befreiung von
dieser Ersatzpflicht (§ 335 Abs 1 Satz 2 SGB III). Denn die Befreiung von der Ersatzpflicht kann nur eintreten, wenn
für den Zeitraum, für den die Beklagte das Alg zurückgefordert hat, ein "weiteres Krankenversicherungsverhältnis"
bestanden hätte. Daß es an dieser Voraussetzung fehlt, hat das LSG zu Recht und mit im wesentlichen zutreffenden
Gründen entschieden. Denn die private Kranken- und Pflegeversicherung, die der Kläger ua in der maßgeblichen Zeit
vom 1. Februar bis 31. März 1998 bei der Barmenia Krankenversicherung a.G. unterhielt, stellt kein "weiteres
Krankenversicherungsverhältnis" iS des § 335 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III dar. Die Befreiung von der
Ersatzpflicht setzt vielmehr eine "Doppelversicherung" des Leistungsbeziehers in der gesetzlichen
Krankenversicherung - und entsprechend auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 335 Abs 5 SGB III) - voraus.
Hinweise darauf, daß als "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" nur ein solches mit einem Träger der
gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen ist, liefert zunächst der Gesetzeswortlaut. So hat der Gesetzgeber in §
335 Abs 1 Satz 3 SGB III Regelungen zum Beitragserstattungsanspruch nach Satz 2 der Vorschrift für den Fall
getroffen, daß die beiden "Versicherungsverhältnisse" bei verschiedenen "Krankenkassen" bestanden haben. Der
Begriff "Krankenkassen" kennzeichnet aber nach der Gesetzesterminologie nur jene rechtsfähigen Körperschaften
des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs 1 SGB V), die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind, nämlich die Orts-,
des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs 1 SGB V), die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind, nämlich die Orts-,
Betriebs- und Innungskrankenkassen, die Seekasse, die landwirtschaftlichen Krankenkassen, die Bundesknappschaft
und die Ersatzkassen (§§ 21 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, 4 Abs 2 SGB V). Träger der sozialen
Pflegeversicherung wiederum sind die bei diesen Krankenkassen errichteten "Pflegekassen", welche ebenfalls
Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (§§ 21a Abs 2 SGB I, 46 Abs 1 und 2 SGB XI). Private Unternehmen,
welche Versicherungsschutz gegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit anbieten, werden demgegenüber in der
Gesetzesterminologie nicht als "Krankenkassen" oder "Pflegekassen" bezeichnet, sondern als
"Krankenversicherungsunternehmen", "private Krankenversicherungsunternehmen" oder "private
Versicherungsunternehmen" (vgl §§ 8 Abs 1 Nr 1a SGB V, 207a, 335 Abs 1 Satz 5 SGB III, 22 Abs 1, 23 Abs 1 und 2
SGB XI).
Aus dieser unterschiedlichen Gesetzesterminologie kann entnommen werden, daß "Krankenkassen" iS des § 335 Abs
1 Satz 3 SGB III nur Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Aus dem systematischen Zusammenhang
dieser Vorschrift mit dem voranstehenden Satz 2 - Satz 3 regelt eine Ausnahme von dem
Beitragserstattungsanspruch gegen die "Krankenkasse" nach Satz 2 - erschließt sich wiederum, daß eine
Beitragserstattung durch die "Krankenkasse" (und damit eine Befreiung des Leistungsbeziehers von seiner
Ersatzpflicht nach Satz 1) nur bei zwei Sachverhaltsvarianten in Frage kommt, nämlich wenn entweder das "weitere
Krankenversicherungsverhältnis" bei derselben Krankenkasse bestanden hat, zu der auch die BA die
Versicherungsbeiträge während des Leistungsbezugs entrichtet hat, oder wenn Versicherungsverhältnisse bei
"verschiedenen Krankenkassen" bestanden haben. In beiden Fällen ist dann aber in Übereinstimmung mit der
differenzierenden Gesetzesterminologie unter einer "Krankenkasse" nur ein Träger der gesetzlichen
Krankenversicherung zu verstehen und nicht etwa auch ein privates Versicherungsunternehmen.
Für dieses Verständnis der Regelungen über einen Beitragserstattungsanspruch gegen eine Kranken- oder
Pflegekasse und die von einem solchen Anspruch abhängende Befreiung des Leistungsbeziehers von seiner
Ersatzpflicht spricht im übrigen auch der aus der Entstehungsgeschichte herzuleitende Zweck der Vorschrift. § 335
Abs 1 Sätze 1 bis 3 SGB III entsprechen bis auf redaktionelle Änderungen den Vorgängervorschriften in § 157 Abs 3a
Sätze 1 bis 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Diese Vorschriften wiederum waren vom Gesetzgeber durch das
Gesetz zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992
(BGBl I S 2044) eingefügt worden, weil die bis dahin bestehende Rechtslage als unbefriedigend empfunden wurde (vgl
BT-Drucks 12/3211 S 28 zu Nr 45).
Diese Rechtslage war dadurch gekennzeichnet, daß während eines unrechtmäßigen Alg-Bezugs geleistete
Krankenversicherungsbeiträge einerseits nicht von der Krankenkasse zurückverlangt werden konnten, weil das
Krankenversicherungsverhältnis nach § 155 Abs 2 Satz 3 AFG von einer rückwirkenden Aufhebung der Alg-
Bewilligung ausnahmslos unberührt blieb (vgl BSG Urteil vom 18. Mai 1983 - 12 RK 28/82 - USK 8390; BSGE 66, 176
ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 1). Dies führte andererseits dazu, daß gegenüber dem Leistungsbezieher ein
Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X schon deshalb nicht geltend gemacht werden konnte, weil die rückwirkende
Aufhebung einer Bewilligungsentscheidung der Beklagten wegen des davon unberührt bleibenden
Krankenversicherungsverhältnisses den Rechtsgrund für die geleisteten Krankenversicherungsbeiträge nicht entfallen
ließ (vgl BSG SozR 3-4100 § 157 Nr 1). Auch eine sonstige Grundlage für einen Erstattungsanspruch gegen den
Leistungsbezieher gab es nicht, da das Gesetz zwar die Erstattung der die Krankenversicherungspflicht auslösenden
Leistungen der Beklagten vorsah, nicht aber daneben auch die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge (vgl
BSGE 67, 232 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 2 (S 17 f); BGHZ 103, 255, 259). Auf einen ungeschriebenen öffentlich-
rechtlichen oder auf einen aus zivilrechtlichen Vorschriften abgeleiteten Schadenersatzanspruch gegen den
Leistungsempfänger konnte die BA eine Rückforderung der Krankenversicherungsbeiträge nach der Rechtsprechung
ebenfalls nicht stützen (vgl BSGE 66, 176 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 1; BSGE 67, 232 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 2;
BSG SozR 3-4100 § 157 Nr 1).
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, daß für den
Ausschluß eines Rückgriffs gegen den Leistungsbezieher wegen der Krankenversicherungsbeiträge jedenfalls dann
gute Gründe sprächen, wenn der Leistungsbezieher wegen eines Nebeneinanders von unrechtmäßigem
Leistungsbezug und einer versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund beider Tatbestände in der gesetzlichen
Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesen sei. Denn in solchen Fällen habe der Leistungsbezieher aus den
Beitragsleistungen der BA regelmäßig keinen Vorteil, sondern "bereichert" seien aufgrund der zweifachen Entrichtung
von Beiträgen letztlich die Krankenkassen, dh eine oder beide Krankenkassen, bei denen die beiden Versicherungen
durchgeführt worden seien (BSGE 66, 176 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 1; SozR 3-4100 § 157 Nr 1; vgl auch BSG Urteil
vom 18. Mai 1983 - 12 RK 27/82 - USK 8390). Zugleich hatte das BSG darauf hingewiesen, daß in solchen Fällen
zweifacher Beitragsentrichtung aufgrund zweier zur Beitragspflicht führender Tatbestände ein Ausgleich zugunsten der
BA ohne weiteres durch Rückzahlung der Beiträge von der "begünstigten" Krankenkasse erfolgen könnte, so daß
daran zu denken sei, der BA de lege lata eine solche Ausgleichsmöglichkeit zu eröffnen (BSGE 66, 176 ff = SozR 3-
4100 § 155 Nr 1; SozR 3-4100 § 157 Nr 1). Hierbei hatte das BSG auch wiederholt auf eine in dieselbe Richtung
gehende Anregung des Bundesrechnungshofs in seinen Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung 1987
(BT-Drucks 11/872, S 43 f) verwiesen (BSGE 66, 176 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 1; BSGE 67, 232 ff = SozR 3-4100 §
155 Nr 2; SozR 3-4100 § 157 Nr 1).
Bei der Einfügung des § 157 Abs 3a AFG hat der Gesetzgeber ua diese Hinweise bzw Anregungen aufgegriffen, wie
aus den Gesetzesmaterialien entnommen werden kann. Denn aus der Begründung des Regierungsentwurfs des
Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen (BT-Drucks 12/3211, S 28
zu Nr 45), die ausdrücklich auf die Urteile des BSG vom 30. Januar 1990 (BSGE 66, 176 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr
1) und vom 26. September 1990 (BSGE 67, 232 ff = SozR 3-4100 § 155 Nr 2) Bezug nimmt, geht einerseits hervor,
daß der Gesetzgeber den in § 157 Abs 3a Satz 1 AFG (jetzt § 335 Abs 1 Satz 1 SGB III) normierten
Erstattungsanspruch gegen den Leistungsbezieher deshalb eingeführt hat, weil er die bis dahin geltende Rechtslage,
nämlich das Fehlen einer Anspruchsgrundlage für die Rückforderung von Krankenversicherungsbeiträgen vom
Leistungsbezieher, als unbefriedigend empfand. Andererseits zeigt die Begründung der Ausnahmeregelung in § 157
Abs 3a Satz 2 AFG (jetzt § 335 Abs 1 Satz 2 SGB III), wonach der Leistungsempfänger dann von seiner
Erstattungspflicht entlastet werden soll, wenn aufgrund eines weiteren Krankenversicherungsverhältnisses die
Beiträge "doppelt" entrichtet wurden, daß der Gesetzgeber sich auch die Überlegung des BSG zu eigen gemacht hat,
daß ein Rückgriff auf den Leistungsempfänger dann nicht sachgerecht scheint, wenn er wegen zweier zur
Beitragspflicht führender Tatbestände aus der "Doppelversicherung" letztlich keinen Vorteil hatte.
Das aber bestätigt, zusätzlich zur Gesetzesterminologie und zum systematischen Zusammenhang der Regelungen in
§ 335 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB III, daß unter einem "weiteren Krankenversicherungsverhältnis" nur ein solches mit
einer Krankenkasse, die zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, zu verstehen ist. Zwar mag es
sein, daß der Leistungsempfänger auch dann von den Beitragszahlungen der Beklagten an eine Krankenkasse
letztlich keinen "Vorteil" hat, wenn er - wie der Kläger - für denselben Zeitraum aufgrund von ihm selbst entrichteter
Beiträge auch bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Versicherungsschutz genießt. Dennoch treffen
die Gründe für die in § 335 Abs 1 Satz 2 SGB III getroffene Ausnahmeregelung nicht zu, weil der
Leistungsempfänger, der zusätzlich einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen, der "doppelten
Versicherung" ohne weiteres hätte ausweichen können. Auf den Kläger trifft deshalb der mit der Vorschrift verfolgte
Zweck nicht zu, denjenigen von der Erstattung zu entlasten, dessen Beitragspflicht auf dem Eingreifen von zwei
Versicherungspflichttatbeständen beruht. Denn die Versicherungspflicht tritt bei Vorliegen ihrer gesetzlichen
Voraussetzungen kraft Gesetzes ein. Eine Dispositionsbefugnis steht dem Leistungsempfänger insoweit nicht zu.
Ist danach unter einem "weiteren Krankenversicherungsverhältnis" iS des § 335 Abs 1 Satz 1 SGB III, welches zur
Befreiung des Leistungsempfängers von seiner Erstattungspflicht führen kann, nur eine Pflichtversicherung in der
gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen, so läßt sich dem auch nicht entgegenhalten, daß die
Versicherungspflicht von Alg-Beziehern in der gesetzlichen Krankenversicherung heute nicht mehr ausnahmslos gilt.
Allerdings hat der Gesetzgeber durch § 207a SGB III, eingefügt mit Wirkung ab 1. April 1998 durch das Erste Gesetz
zur Änderung des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze ((1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997,
BGBl I S 2970), die Möglichkeit der Übernahme der Beiträge für eine Versicherung gegen Krankheit oder
Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen anstelle der gesetzlichen
Pflichtversicherung während des Bezugs von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit eröffnet. Aus dieser Neuregelung läßt
sich jedoch - abgesehen davon, daß sie ohnehin erst nach Ablauf des hier streitigen Erstattungszeitraums (1. Februar
bis 31. März 1998) in Kraft getreten ist - nichts für die vom Kläger erstrebte erstattungsrechtliche Gleichstellung einer
Versicherung bei einem privaten Unternehmen mit einer weiteren Versicherung in der gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung herleiten.
Beweggrund für die Neuregelung war, daß die Pflichtversicherung zu finanziellen Nachteilen für vor dem
Leistungsbezug privat kranken- und pflegeversicherter Arbeitnehmer führen kann, wenn sie für die Zeit der
Arbeitslosigkeit ihre private Versicherung mit Rücksicht auf eine spätere Arbeitsaufnahme ruhend stellen und nicht
völlig aufgeben wollen (Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum 1. SGB III-ÄndG, BT-Drucks
13/8653, S 19; ebenso die Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktion der CDU/CSU und der FDP, BT-Drucks
13/8012, S 18). Die Übernahme der Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung durch die BA ist
dementsprechend nach § 207a Abs 1 Nr 1 SGB III nur zulässig, wenn der Leistungsbezieher nach § 8 Abs 1 Nr 1a
SGB V (ebenfalls mit Wirkung ab 1. April 1998 durch das 1. SGB III-ÄndG eingefügt) von der Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Krankenversicherung befreit ist. Diese Befreiung wiederum ist nach der zuletzt genannten Vorschrift
nur zu gewähren, wenn der durch den Bezug von Leistungen der BA versicherungspflichtig gewordene Arbeitslose
bereits in den letzten fünf Jahren vor dem Leistungsbezug nicht mehr gesetzlich krankenversichert war. Durch diese
Tatbestandsvoraussetzung, die auf Initiative des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in den § 8 Abs 1 Nr 1a
SGB V aufgenommen wurde, sollte verhindert werden, daß auch Arbeitslose von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch
machen können, die längere Zeit versicherungspflichtig beschäftigt waren, weil in solchen Fällen eine Befreiung von
der Versicherungspflicht als sachlich nicht gerechtfertigt angesehen wurde (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des
11. Ausschusses, BT-Drucks 13/8994, S 33 (Art 3 Nr 1) und S 68 zu Art 3, Nr 1).
Die Neuregelung bedeutet danach keine Abkehr vom Prinzip der gesetzlichen Pflichtversicherung, sondern erfaßt nur
denjenigen Teil der Leistungsbezieher, der dadurch gekennzeichnet ist, daß er schon seit längerer Zeit nicht zum
Kreis der Pflichtversicherten gehört, was bei Arbeitnehmern insbesondere bei langjähriger Überschreitung der für die
Versicherungsfreiheit maßgebenden Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) in Betracht kommt. Die
Regelung modifiziert damit die Versicherungspflicht während des Leistungsbezuges. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern
die Neuregelung Rückschlüsse auf erforderliche Ausnahmen von der Ersatzpflicht erlauben könnte. Sie gibt deshalb
keinen Anlaß zu einer von dem oben Gesagten abweichenden Auslegung des Begriffs des "weiteren
Krankenversicherungsverhältnisses" iS von § 335 Abs 1 Satz 2 SGB III.
Eine andere Auslegung der Erstattungsregelung ist schließlich auch nicht unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten geboten. Insbesondere verstößt die Beschränkung der Befreiung von Beziehern unrechtmäßiger
Leistungen von ihrer Erstattungspflicht auf die Fälle eines Nebeneinanders mehrerer Versicherungsverhältnisse in der
gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung nicht gegen den in Art 3 Abs 1 GG verankerten
allgemeinen Gleichheitssatz.
Das hier zu beurteilende Nebeneinander einer Krankenversicherung bei einem privaten Unternehmen und bei einer zur
gesetzlichen Krankenversicherung gehörenden Krankenkasse einerseits und das Nebeneinander zweier
Versicherungsverhältnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits unterscheiden sich nämlich - wie
bereits dargelegt - sachlich dadurch, daß eine Inanspruchnahme wegen des Eingreifens zweier
Versicherungspflichttatbestände deshalb als unbillig erscheint, weil der Leistungsbezieher die gesetzlichen
Rechtsfolgen nicht abzuwenden vermag. Hingegen beruht die Begründung eines privaten
Krankenversicherungsverhältnisses unmittelbar auf einer Willensentschließung des Leistungsempfängers. Es sind bei
einer derartigen Situation keine durchgreifenden Gründe dafür vorhanden, den Leistungsempfänger von seiner
Ersatzpflicht gerade bezogen auf die gesetzliche Versicherung zu entlasten, so daß die gesetzliche Differenzierung
den Unterschieden der zugrundeliegenden Sachverhalte Rechnung trägt.
Soweit der Kläger eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der bei einem privaten Unternehmen
Versicherten gegenüber den freiwilligen Mitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse beanstandet, übersieht er, daß
die durch Beitritt begründete freiwillige Mitgliedschaft (§ 9 SGB V) kraft Gesetzes ua mit dem Beginn einer
Pflichtmitgliedschaft endet (§ 191 Nr 2 SGB V). Das bewirkt, daß es von vornherein nicht zu einer
"Doppelversicherung" kommen kann, wenn ein freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse durch
Leistungsbezug von der Beklagten versicherungspflichtig wird (§ 5 Abs 1 Nr 2, 1. Halbsatz SGB V) und bis zum Ende
des Leistungsbezugs - selbst wenn er unrechtmäßig ist - bleibt (§§ 5 Abs 1 Nr 2, 2. Halbsatz, 190 Abs 12 SGB V).
Somit kommt eine freiwillige Mitgliedschaft nicht als "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" während des
Leistungsbezugs iS des § 335 Abs 1 Satz 2 SGB III in Betracht, und die Annahme des Klägers, freiwillige Mitglieder
einer gesetzlichen Krankenkasse kämen - im Unterschied zu privat Versicherten - in den Genuß des
Befreiungstatbestands, erweist sich als falsch.
Nach alledem hat das LSG den Kläger zu Recht als verpflichtet angesehen, der Beklagten die von ihr im streitigen
Zeitraum gezahlten Beiträge zu ersetzen. Ob die Ersatzpflicht allerdings auch in der von der Beklagten geltend
gemachten Höhe von 2.061,71 DM besteht, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, weil das LSG dazu keine
Feststellungen getroffen hat. Zu ersetzen sind die Beiträge in der von der Beklagten rechtmäßig gezahlten Höhe
(Urteil vom 5. Februar 1998, SozR 3-4100 § 157 Nr 2). Für die zutreffende Beitragshöhe kommt es insbesondere auf
die zugrunde zu legenden beitragspflichtigen Einnahmen (vgl §§ 232a Abs 1 SGB V, 57 Abs 1 SGB XI) sowie auf den
jeweiligen Beitragssatz an, so daß es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbetrags entsprechender
Feststellungen bedarf (BSG, aaO). Da solche hier bisher noch nicht getroffen wurden, wird sie das LSG nachzuholen
haben.
Deshalb führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das LSG, das im
Rahmen der erneuten Entscheidung auch über die Frage der Erstattung von Kosten des Revisionsverfahrens zu
befinden haben wird.