Urteil des BSG vom 23.03.2010

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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 23.3.2010, B 8 SO 15/08 R
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R.
Tatbestand
1 Im Streit sind (noch) höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (51,80 Euro monatlich für die Zeit vom 1.3. bis 30.11.2005 und 61,80 Euro
monatlich für die Zeit vom 1.12.2005 bis 30.11.2006) - die Kosten für Unterkunft und Heizung
ausgenommen - als 310,05 Euro (265 Euro Regelsatz; 45,05 Euro Mehrbedarf).
2 Der am 11.1.1987 geborene Kläger lebt im Haushalt seiner Eltern. Seit September 2004 war
er im Ausbildungs- und Trainingsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)
tätig. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gewährte ihm bis November 2005 Ausbildungsgeld in
Höhe von 57 Euro, danach in Höhe von 67 Euro monatlich. Kindergeld wurde an den Vater
gezahlt; sonstiges Einkommen oder Vermögen war nicht vorhanden. Seinen Antrag vom
29.3.2005 auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lehnte die
Beklagte zunächst ab, weil sie den Kläger für nicht voll erwerbsgemindert hielt (Bescheid vom
27.5.2005; Widerspruchsbescheid vom 8.11.2005); sie bewilligte jedoch Sozialhilfe (Hilfe zum
Lebensunterhalt für die Zeit vom 29.3. bis 30.11.2005 in Höhe von insgesamt 262,26 Euro
monatlich).
3 Im Klageverfahren hat die Beklagte den Anspruch auf Grundsicherung dem Grunde nach
anerkannt; der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Sie bewilligte
Grundsicherungsleistungen unter "Verrechnung" mit der für die Zeit von März bis November
2005 in niedrigerer Höhe gezahlten Sozialhilfe in Höhe von insgesamt 320,38 Euro, für
Dezember 2005 in Höhe von 310,38 Euro und für die Zeit von Januar bis November 2006 in
Höhe von insgesamt 363,98 Euro monatlich unter Zugrundelegung eines Regelsatzes von
265 Euro und eines Mehrbedarfs wegen des Merkzeichens "G" von monatlich 45,05 Euro
(Bescheid vom 18.6.2007). Als Einkommen berücksichtigte sie dabei Sachbezüge für
kostenlose Mittagessen in der WfbM in Höhe von 19,80 Euro monatlich sowie für die Zeit von
März bis November 2005 das Ausbildungsgeld in Höhe von 57 Euro und für die restliche Zeit
in Höhe von 67 Euro monatlich - abzüglich Versicherungsbeiträge für eine Unfallversicherung
in Höhe von 5,20 Euro.
4 Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte "verpflichtet, dem Kläger unter Änderung des
Bescheids vom 18. Juni 2007 für die Zeit vom 1. März 2005 bis 30. November 2006
Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ohne Anrechnung von
Ausbildungsgeld als Einkommen zu gewähren" (Gerichtsbescheid vom 24.10.2007). Das
Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom
20.3.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, bei dem Ausbildungsgeld
nach § 107 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) handele es sich um
eine zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 83 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -
Sozialhilfe - (SGB XII). Es solle die Motivation des behinderten Menschen fördern und sei
deshalb nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Im Übrigen widerspreche es Art 3
Grundgesetz (GG), zwischen einer Person im Arbeitsbereich, bei der das in der WfbM erzielte,
von der Anrechnung freigestellte Einkommen das Ausbildungsgeld übersteige und einer
Person im Ausbildungsbereich einer WfbM zu unterscheiden; es dürfe nicht dem sozial
Schwächeren das geringe Einkommen genommen werden, während dem sozial
Bessergestellten höheres Einkommen verbleibe.
5 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 82, 83 Abs 1 SGB XII. Sie ist der
Ansicht, das Ausbildungsgeld falle nicht unter die Ausnahmeregelung des § 83 Abs 1 SGB XII
(zweckbestimmte Leistungen). Die vom LSG aus den §§ 104 bis 108 SGB III hergeleitete
Zweckbestimmung des Ausbildungsgelds als Arbeitstrainingsprämie bzw als Leistung zur
Erhöhung frei verfügbarer Mittel für den Leistungsberechtigten sei weder dem Gesetzestext zu
entnehmen noch mit Sinn und Zweck dieser Normen vereinbar; es diene vielmehr dem
Lebensunterhalt. Anders als das Arbeitsförderungsgeld unterfalle das Ausbildungsgeld nicht
der Ausnahmeregelung des § 82 Abs 2 SGB XII (nicht zu berücksichtigendes Einkommen).
6 Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG aufzuheben, soweit diese nicht die
Kosten der Unterkunft und Heizung betreffen.
7 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8 Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision ist unter Berücksichtigung der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgabe
unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch ). Die Höhe der Mehrleistung, zu
der die Beklagte verurteilt worden ist, war im Sinne der Maßgabe klarzustellen; sie ergibt
sich aus der Höhe des jeweils monatlich gewährten Ausbildungsgelds - abzüglich des
Versicherungsbeitrags für eine Unfallversicherung. Insoweit haben SG und LSG zu Unrecht
im Tenor den Mehrbetrag nicht ausdrücklich aufgenommen; dass sie die Beklagte jedoch zu
konkreten Mehrbeträgen verurteilt haben, ergibt sich bei sachgerechter Auslegung der
Urteilsgründe.
10 Streitbefangen ist (nur noch) der Bewilligungsbescheid vom 18.6.2007, der nach § 96 Abs 1
SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, soweit die Beklagte darin über
Regelsatzleistungen und Leistungen wegen Mehrbedarfs entschieden hat. § 96 SGG ist
vorliegend anwendbar, weil der Bescheid vom 18.6.2007 den Ablehnungsbescheid der
Beklagten von Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids von November 2005 (zur
Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts: Senatsurteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - RdNr 10)
jedenfalls für den streitigen Zeitraum bis November 2005 ersetzt hat. Die Rechtslage ist
damit nicht der vergleichbar, bei der die Leistung zunächst abgelehnt, für spätere Zeiträume
(nach Erlass des Widerspruchsbescheids) jedoch bewilligt worden ist (s dazu BSG SozR 4-
3500 § 21 Nr 1 RdNr 8). Über Kosten der Unterkunft und Heizung war nicht (mehr) zu
befinden, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin zur mündlichen
Verhandlung erklärt hat, diese seien nicht mehr im Streit. Da der Kläger gegen das
erstinstanzliche Urteil kein Rechtsmittel eingelegt hat, war auch über einen Anspruch auf
(noch) höhere Leistungen der Grundsicherung nicht zu entscheiden.
11 Richtige Beklagte ist die Landeshauptstadt Dresden. Landesrechtlich ist keine
Beteiligtenfähigkeit der Behörde (§ 70 Nr 3 SGG) bestimmt (vgl §§ 31 ff Sächsisches
Justizgesetz vom 24.11.2000 - Sächsisches Gesetz und Verordnungsblatt
482 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.12.2008 - SächsGVBl 940). Die Beklagte ist als
kreisfreie Stadt auch örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 10 Sächsisches Gesetz zur
Ausführung des Sozialgesetzbuches vom 6.6.2002 - SächsGVBl 168 -,
zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.2008 - SächsGVBl 866) und als solche für die
streitgegenständlichen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
zuständig (§ 97 Abs 1 SGB XII); eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers ist
landesrechtlich nicht begründet worden (§ 11 Abs 2 SächsAGSGB).
12 Gemäß § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII (in der hier anzuwendenden Normfassung des Gesetzes
zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I
3022) erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr
vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im
Sinne des § 43 Abs 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle
Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung. Ob der Kläger voll erwerbsgemindert ist und die
Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen dem Grunde nach
erfüllt, ist auf Grund des vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses (§ 101 Abs 2
SGG) nicht mehr zu prüfen.
13 Der Umfang der Leistungen bestimmt sich nach dem maßgeblichen Regelsatz (§ 42 Satz 1
Nr 1 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das
Sozialgesetzbuch iVm § 28 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des
Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 9.12.2004 -
BGBl I 3305), dem Mehrbedarf nach § 42 Satz 1 Nr 3 iVm § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII (in der
Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch)
und dem auf diesen Bedarf anzurechnenden Einkommen (§ 43 Abs 1, § 19 Abs 2 iVm §§ 82
ff SGB XII). Nach § 28 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm §§ 2, 3 Abs 1
Regelsatzverordnung hat der Kläger Anspruch auf 100 vH des Eckregelsatzes. Nach § 1
Abs 1 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Festsetzung der
Regelsätze nach § 28 Abs 2 SGB XII vom 14.1.2005 (SächsGVBl 2) betrug der Eckregelsatz
in der Zeit vom 1.1.2005 bis 31.12.2006 331 Euro.
14 Die Beklagte ist demgegenüber zu Unrecht bei der Bedarfsberechnung für den Zeitraum vom
1.3.2005 bis 30.11.2006 von einem Bedarf in Höhe von 265 Euro monatlich (für
Haushaltsangehörige vom Beginn des 15. Lebensjahrs an = 80 % des Eckregelsatzes)
ausgegangen; hieran hat sie (zu Unrecht) auch den Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB
XII bemessen. Bereits mit Urteil vom 19.5.2009 (BSGE 103, 181 ff = SozR 4-3500 § 42 Nr 2)
hat der Senat entschieden, dass seit dem 1.1.2005, mit dem Inkrafttreten des SGB XII, zur
Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -
Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und dem SGB XII Einsparungen bei
gemeinsamer Haushaltsführung nur anzunehmen sind und damit ein abgesenkter Regelsatz
von 80 % als Haushaltsangehöriger nur gerechtfertigt ist, wenn die zusammenlebenden
Personen bei Bedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft iS des SGB II oder eine
Einsatzgemeinschaft iS des § 19 SGB XII bilden bzw bilden würden (näher dazu auch
Senatsurteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R). Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Eltern
Leistungen nach dem SGB II beziehen und hilfebedürftig sind, wie dies die Formulierung des
§ 7 Abs 3 SGB II nahelegen könnte, weil diese immer von einem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen - ggf über die Fiktion des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II - ausgeht. Entscheidend
ist, dass der Gesetzgeber die prozentualen Regelsatzabschläge des § 20 SGB II nur bei den
familiären Konstellationen des § 7 Abs 3 SGB II unterstellt. Diese Voraussetzungen liegen
hier jedoch nicht vor.
15 Hieran ändert sich nichts dadurch, dass nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II in der ab dem 1.7.2006
in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) auch volljährige
bedürftige Kinder bis zum 25. Lebensjahr - wie der Kläger - in die Bedarfsgemeinschaft
einbezogen wurden (vgl BT-Drucks 16/688, S 13). Die Regelung gilt nicht rückwirkend. Dies
belegt nicht zuletzt § 68 Abs 1 SGB II; danach ist ua § 7 SGB II weiterhin für
Bewilligungszeiträume anzuwenden, die - wie vorliegend - vor dem 1.7.2006 beginnen.
Dieser Rechtsgedanke muss aus Harmonisierungsgründen auch für den Leistungsanspruch
des Klägers gelten; der Regelsatz ist mithin nicht ab 1.7. bis 30.11.2006 auf 80 % des
Eckregelsatzes abzusenken. Es ist kein Grund ersichtlich, den Erwerbsunfähigen, der dem
SGB XII unterfällt, anders als den Erwerbsfähigen zu behandeln. Auf den Zeitpunkt der
Bewilligung - vorliegend den Zugang des Bescheids vom 18.6.2007 - kommt es nach dem
eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs 1 SGB II nicht an (Link in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2.
Aufl 2008, § 68 RdNr 23; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 68 RdNr 6, Stand Juli 2006).
16 Auf diesen Bedarf hat die Beklagte zu Unrecht Einkommen des Klägers (Ausbildungsgeld
und kostenloses Mittagessen) angerechnet. Das von der BA nach §§ 104 Abs 1 Nr 3, 107
SGB III geleistete Ausbildungsgeld wird ebenso wenig leistungsmindernd berücksichtigt wie
das kostenlose Mittagessen in der WfbM; sonstiges Einkommen ist nicht vorhanden, sodass
es auf mögliche Abzüge (Versicherungen) vom Einkommen nicht ankommt.
17 Zwar handelt es sich bei dem Ausbildungsgeld um Einkünfte in Geld und damit um
Einkommen iS des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII (in der Fassung, die die Norm durch das
Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch erhalten hat). Es ist
auch nicht als zweckbestimmte Einnahme iS des § 83 SGB XII von der
Einkommensanrechnung freigestellt; denn eine Zweckbestimmung ist mit seiner Leistung
nicht verbunden. Auf die Frage von deren Ausdrücklichkeit kommt es damit nicht an. Eine
Zweckbestimmung lässt sich weder gesetzeshistorisch begründen, noch gibt es sonstige
Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber mit der Gewährung von Ausbildungsgeld eine
besondere Zwecksetzung verfolgt hätte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es sich bei
dem Ausbildungsgeld nach der Vorstellung des Gesetzgebers um eine
Mehraufwandsentschädigung handeln sollte (so aber: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil
vom 26.2.2009 - L 8/13 SO 7/07; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.2.2008 - L 23 SO
269/06); auch kann in einem "Taschengeldcharakter" des Ausbildungsgelds (BSG SozR 3-
2500 § 44 Nr 8) und einer damit beabsichtigten Stärkung der Motivation zur Aufnahme oder
Fortsetzung der Ausbildung (BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 1) keine nach § 83 Abs 1 SGB XII
relevante Zwecksetzung gesehen werden (s dazu näher das Senatsurteil vom 23.3.2010 - B
8 SO 17/09 R). Denn die Zwecksetzung einer Leistung kann nur dann im Sinne des § 83 Abs
1 SGB XII beachtlich sein, wenn mit der Leistung ein Bedarf gedeckt werden soll, der sich
von den durch die Leistungen der Sozialhilfe zu deckenden Bedarfen unterscheidet. Nur
dann soll dem Empfänger der Leistung diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich
gemacht werden, dass er durch Versagung von Sozialhilfe gezwungen wird, die andere
Leistung ihrer Zweckbestimmung zuwider zu verwenden (BVerwGE 69, 177 ff = Buchholz
436.0 § 77 BSHG Nr 7). Das Ausbildungsgeld soll keinen über den Lebensunterhalt
hinausgehenden Bedarf decken.
18 § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII sieht jedoch bei der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung die Absetzung bestimmter Freibeträge vor (30 vH, höchstens 50 vH des
Eckregelsatzes); in begründeten Fällen kann nach Abs 3 Satz 3 dieser Vorschrift ein anderer
als in Satz 1 (für das Einkommen aus nichtselbständiger und selbständiger Tätigkeit)
festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Um einen solchen "begründeten
Fall" handelt es sich - mit Rücksicht darauf, dass es wie Einkommen aus einer
nichtselbständigen Tätigkeit zu behandeln ist - bei dem dem Kläger gewährten
Ausbildungsgeld, selbst wenn es kein Einkommen aus einer Tätigkeit im eigentlichen Sinn
ist (näher dazu das Senatsurteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R). Würde das
Ausbildungsgeld auf den Bedarf des Klägers angerechnet, stünde er sich insbesondere
schlechter als ein im Arbeitsbereich einer WfbM Beschäftigter, von dessen Arbeitsentgelt das
Arbeitsförderungsgeld (§ 43 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen - ) in Höhe von 26 Euro monatlich nach § 82 Abs 2 Nr 5
SGB XII von vornherein und darüber hinaus nach Abs 3 Satz 2 der Vorschrift 25 vH des
Arbeitsentgelts abzusetzen sind. Das der Beklagten durch Satz 3 ("… kann …") eingeräumte
Ermessen ist vorliegend auf die eine richtige Entscheidung der Nichtanrechnung des
Ausbildungsgelds - mithin auf Null - reduziert (s dazu näher das Senatsurteil vom 23.3.2010 -
B 8 SO 17/09 R).
19 Zu Unrecht hat die Beklagte zudem das dem Kläger kostenlos zur Verfügung gestellte
Mittagessen in der Werkstatt mit einem monatlichen Betrag von 19,80 Euro auf die
Leistungen angerechnet hat. Nach der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom
11.12.2007 (BSGE 99, 252 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 3) kommt eine bedarfsmindernde
Berücksichtigung von Zuwendungen nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII nur in Betracht, wenn
diese Leistungen von einem (anderen) Träger der Sozialhilfe erbracht werden, was
vorliegend nicht der Fall war. Im Hinblick auf die Rechtslage im Rahmen des SGB II ist es
aus Harmonisierungsgründen - wie dort - auch nicht als Einkommen zu berücksichtigen (s
dazu Senatsurteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R). Im SGB II fehlte es bei einer dem SGB
XII ähnlichen Rechtslage bis 31.12.2007 an einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage
(§ 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - ); für die Zeit ab 1.1.2008,
für die die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung
von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom
17.12.2007 (BGBl I 2942) dann eine genaue Regelung enthielt (§ 2 Abs 5 Alg II-V), wurden
vom 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) jedoch deutliche Zweifel an der
Ermächtigungskonformität angemeldet (BSGE 101, 70 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 11; BSG,
Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R). Unter Hinweis hierauf (vgl die nichtamtliche
Begründung, abgedruckt bei Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 13 RdNr 259, Stand
März 2010) wurde die VO später - rückwirkend zum 1.1.2008 - wieder dahin geändert, dass
die Regelung des § 2 Abs 5 Alg II-V für kostenlos bereitgestellte Verpflegung nur noch bei
Einkommen aus nichtselbständiger und selbständiger Arbeit sowie bei Wehr- und
Ersatzzeiten Anwendung findet (§ 1 Abs 1 Nr 11 Alg II-V). Keine dieser Varianten ist
vorliegend einschlägig.
20 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.