Urteil des BSG vom 06.09.2007

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Bundessozialgericht
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Kassel, den 6. September 2007
Medieninformation Nr. 26/07
Angemessenes Kfz für erwerbsfähige Hilfebedürftige
Im Verfahren hatte der 14. Senat des Bundessozialgerichts am 6. September 2007 ua
darüber zu entscheiden, ob ein Pkw der Marke Seat Leon (Erstzulassung 2001, mit einem
Zeitwert von 9.600 €) bei erwerbsfähigen Arbeitsuchenden als angemessen anzusehen ist.
Der Grundsicherungsträger war davon ausgegangen, dass ein Pkw mit einem Wert von
mehr als 5.000 € unangemessen sei.
Als Vermögen war beim Kläger neben zwei Lebensversicherungen mit Rückkaufswerten von
4.002,74 € und 2.520,05 € noch eine Rentenversicherungspolice mit einem Rückkaufswert
von 6.557,50 € (bei eingezahlten Prämien iHv 12.655,95 €) vorhanden. Der
Grundsicherungsträger hatte in Bezug auf den Pkw 4.600 € und den Rückkaufswert der
beiden Lebensversicherungsverträge als Vermögen berücksichtigt und wegen der hieraus
resultierenden Überschreitung des Freibetrages die Gewährung von Arbeitslosengeld II
abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos.
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Die Urteile der Vorinstanzen und die
angefochtenen Bescheide der Beklagten wurden aufgehoben. Die Beklagte wurde verurteilt,
dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Die Beklagte hat
Leistungsansprüche des Klägers zu Unrecht deshalb abgelehnt, weil der Kläger in der Lage
sei, seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen zu sichern. Der Kläger verfügt nicht über
Vermögenswerte, die den ihm nach dem SGB II zustehenden Freibetrag übersteigen. Beim
Kläger sind lediglich die vorhandenen Lebensversicherungsverträge und der den Freibetrag
für einen angemessenen PKW (in Höhe von 7.500 €) übersteigende Wert des PKW als
Vermögen zu berücksichtigen.
Der PKW des Klägers überschreitet zwar die Grenze der Angemessenheit. Liegt der
Verkehrswert eines PKW über 7.500 €, so ist er im Regelfall ohne weitere Prüfung als
unangemessen anzusehen. Dies hat zur Konsequenz, dass der Verkehrswert des PKW als
Vermögen zu berücksichtigen ist, soweit der Grenzbetrag von 7.500 € überschritten wird
(hier also um 2.100 €). Der Gesetzgeber hat in der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung zu
erkennen gegeben, dass er einen Betrag in Höhe von 9.500 € für erforderlich hält, um ein
Kfz zu beschaffen, das ein Arbeitnehmer für Fahrten von und zum Arbeitsplatz benötigt.
Auch bei den Grundsicherungsleistungen des SGB II steht die Notwendigkeit der Integration
des Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben im Mittelpunkt, so dass die genannte Wertgrenze,
die im Zusammenhang mit der Teilhabe behinderter Arbeitnehmer am Arbeitsleben
aufgestellt worden ist, auf das Recht der Grundsicherung von Arbeitsuchenden übertragbar
ist. Allerdings geht der Gesetzgeber davon aus, dass Grundsicherungsempfänger nach dem
SGB II grundsätzlich nur einen Lebensstandard beanspruchen können, wie er den unteren
20 % der Gesellschaft entspricht. Von daher waren die aus der Kraftfahrzeughilfe-
Verordnung gewonnenen Anhaltspunkte für den Wert eines durchschnittlichen Arbeitnehmer-
PKW (unter Berücksichtigung der Entwicklung der Lebenshaltungskosten) auf den
Freibetrag von 7.500 € zu reduzieren.
Die Rentenversicherungspolice, deren Verwertung das Landessozialgericht (LSG) erwogen
hat, scheidet als verwertungspflichtiges Vermögen aus, weil eine Verwertung angesichts der
drohenden hohen Verluste bei einem Rückkauf offensichtlich unwirtschaftlich gewesen
wäre. Für die vom LSG ebenfalls erwogene erhöhte Verwertungspflicht wegen
voraussichtlich kurzer Dauer der Hilfebedürftigkeit bietet das Gesetz keine Grundlage.
Hinweis zur Rechtslage:
§ 12 SGB II enthält u. a. folgende Regelungen:
"(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
...
(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen:
1. ...
2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen..."
Az.: B 14/7b AS 66/06 R Z. ./. ARGE Deutsche Weinstraße