Urteil des BSG vom 06.02.2013

BSG: Kassenärztliche Vereinigung, Gebührenerhebung für erfolglos durchgeführtes Widerspruchsverfahren

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 6.2.2013, B 6 KA 2/12 R
Kassenärztliche Vereinigung - Gebührenerhebung für erfolglos durchgeführtes
Widerspruchsverfahren
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5.
Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 100 Euro für
einen von ihr ohne Erfolg erhobenen Widerspruch.
2 Die Klägerin, die als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, legte gegen den Honorarbescheid für das
Quartal II/2005 Widerspruch ein, den die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit
Widerspruchsbescheid vom 14.3.2007 zurückwies. Der Verfügungssatz zu II lautete: "Für
dieses Widerspruchsverfahren wird eine Gebühr in Höhe von 100,00 Euro festgesetzt."
Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf ihre Gebührenordnung, die für erfolglose
Widerspruchsverfahren Gebühren in dieser Höhe vorsehe.
3 Gegen diese Gebührenfestsetzung hat die Klägerin bei dem SG München erfolglos Klage
erhoben (Urteil vom 14.7.2009). Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 5.10.2011
zurückgewiesen. Die Gebührensatzung sei formell und materiell rechtmäßig. Sie beruhe
auf § 24 Abs 3 der Satzung der Beklagten als Ermächtigungsnorm. Danach könne die
Beklagte für Widerspruchsverfahren, soweit sie nicht erfolgreich seien, Gebühren erheben,
wobei die Gebührensätze nach dem Verwaltungsaufwand zu bemessen seien. Diese
Vorschrift verstoße ihrerseits nicht gegen höherrangiges Recht. Die Beklagte sei nach §
81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V verpflichtet, die Aufbringung und Verwaltung der Mittel zu
regeln. Bereits dem Wortlaut nach sei die Beklagte damit nicht auf die Erhebung von
Beiträgen im Sinne eines Verwaltungskostenbeitrags beschränkt. Anders als § 98 Abs 2
Nr 4 SGB V ("Verfahrensgebühren") spreche das Gesetz nicht von
"Verwaltungskostenbeiträgen", sondern weitergehend von der "Aufbringung der Mittel"
und räume damit der Beklagten im Rahmen ihrer Satzungsautonomie einen weiten
Gestaltungsspielraum ein. Ein Vergleich mit anderen Büchern des SGB bestätige, dass
der Terminus "Aufbringung der Mittel" als Oberbegriff verwendet werde. Die Beklagte habe
von der Ermächtigung des § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V auch in einer Weise Gebrauch
gemacht, die den Grundsätzen des Rechts der Gebührenerhebung entspreche. Die
Pauschalierung der Kosten für die Durchführung eines nicht erfolgreichen
Widerspruchsverfahrens mit 100 Euro sei im Rahmen der Satzungsautonomie nicht zu
beanstanden.
4 § 64 Abs 1 SGB X, wonach für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetz
keine Gebühren erhoben werden, schließe die Erhebung einer Widerspruchsgebühr nicht
aus. Nach § 37 Satz 1 SGB I sei § 64 Abs 1 SGB X nämlich nur anwendbar, soweit in den
weiteren Büchern des SGB nichts Abweichendes bestimmt werde. Die
Ermächtigungsnorm des § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V sei jedoch eine solche
abweichende Regelung. Mit ihr werde den KÄVen Satzungsautonomie auch hinsichtlich
der Aufbringung der Mittel gewährt. Außerdem sei die mitgliedschaftliche Stellung von
Vertragsärzten in der KÄV strukturell nicht mit der Stellung Sozialversicherter und -
leistungsberechtigter im Verhältnis zum Leistungsträger vergleichbar. Bei Letzteren diene
die Kostenfreiheit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte.
Demgegenüber sei im Bereich des Leistungserbringungsrechts, insbesondere im Bereich
des Vertragsarztrechts, eine kostenmäßige Privilegierung der betroffenen
Leistungserbringer nicht erforderlich. Konsequenterweise habe der Gesetzgeber wegen
dieses strukturellen Unterschieds mit § 197a SGG für den nichtprivilegierten
Personenkreis die Kostenpflicht für das Gerichtsverfahren eingeführt. Eine moderate
Widerspruchsgebühr in Höhe von 100 Euro stehe auch mit Art 19 Abs 4 GG in Einklang.
5 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie trägt zur Begründung vor, die
Ermächtigung zur Regelung der Aufbringung der Mittel in § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V
sei keine von § 64 SGB X abweichende Regelung iS von § 37 Satz 1 SGB I. Weder der
Wortlaut der Vorschrift noch der vom LSG vorgenommene Vergleich mit anderen Büchern
des SGB spreche dafür, dass "Aufbringung der Mittel" auch eine Gebührenerhebung
umfasse. Ein systematischer Vergleich mit anderen Vorschriften des SGB zeige vielmehr,
dass die Erhebung von Gebühren nur bei einer ausdrücklichen Regelung zulässig sei.
Das ergebe sich bereits aus § 98 Abs 2 Nr 4 SGB V, wonach Vorschriften über die
Verfahrensgebühren zum Inhalt der Zulassungsverordnungen gehören. Auch die
Abschaffung der Kostenfreiheit für vertragsärztliche Streitigkeiten vor den Sozialgerichten
durch das 6. SGGÄndG belege, dass solche Einschränkungen ausdrücklich im
Gesetzestext wiederzufinden seien.
6 Die Gebührenfestsetzung verstoße gegen das Kostendeckungs- und das
Äquivalenzprinzip. Sie sei schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil der Beklagten in §
24 Abs 3 Satz 1 der Satzung Ermessen hinsichtlich der Gebührenerhebung eingeräumt
werde, welches sie auszuüben habe, in der Gebührensatzung als Rechtsfolge hingegen
eine gebundene Entscheidung normiert worden sei.
7 Art 19 Abs 4 GG sei verletzt, weil die Gebühr Rechtsschutz ausschließe oder erschwere.
Im Gebührenverzeichnis seien für Widerspruchsverfahren Kosten von bis zu 253 Euro
vorgesehen, die sich durch Auslagen weiter erhöhen könnten. Außerdem gebe es auch
bei Vertragsärzten weniger gut situierte Berufsträger, für die eine solche Gebühr durchaus
eine zusätzliche Hürde darstellen könne.
8 Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 2011 und des
Sozialgerichts München vom 14. Juli 2009 sowie die Festsetzung einer Gebühr in Höhe
von 100 Euro im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14.3.2007 aufzuheben.
9 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10 Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
11 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von
100 Euro für das erfolglos durchgeführte Widerspruchsverfahren ist rechtmäßig.
12 1. Die Revision ist nicht nach § 144 Abs 4 iVm § 165 SGG ausgeschlossen. Um Kosten im
Sinne dieser Vorschrift handelt es sich nicht, wenn über die Kosten eines isolierten
Vorverfahrens gestritten wird (vgl BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 11
mwN).
13 2. Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte es entgegen § 78 Abs 1 SGG
nicht. Der Senat hat ein solches Erfordernis bereits für den Rechtsschutz gegen einen
Kostenfestsetzungsbeschluss des Berufungsausschusses (SozR 4-1300 § 63 Nr 9 RdNr
13) und gegen eine Kosten(grund)entscheidung nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X (SozR 4-
1300 § 63 Nr 13 RdNr 14) verneint. Das gleiche gilt für die Klage gegen die Festsetzung
einer Gebühr für das erfolglose Widerspruchsverfahren. Auch hier ist die
Widerspruchsstelle für die Kostenfestsetzung zuständig, sodass ein Vorverfahren
entbehrlich ist.
14 3. Das LSG hat für das BSG bindend den Inhalt des hier maßgeblichen Landesrechts
festgestellt und in nicht zu beanstandender Weise ausgelegt (§ 162 SGG; vgl BSG SozR
4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 18). Demnach ist Grundlage für die Erhebung der Gebühr § 1 Abs
1 Buchstabe b der Gebührenordnung der beklagten KÄV. Danach werden Gebühren
gemäß § 24 Abs 3 der Satzung erhoben für Widerspruchsverfahren nach § 4 Abs 6 der
Satzung, soweit sie nicht erfolgreich sind. § 24 Abs 3 der Satzung bestimmt, dass die
Beklagte für besonders aufwendige Verwaltungstätigkeiten und für
Widerspruchsverfahren, soweit sie nicht erfolgreich sind, auch Gebühren erheben kann.
Die Gebührensätze sind nach dem Verwaltungsaufwand (Kostendeckungsprinzip) zu
bemessen. Das Nähere regelt die Gebührenordnung, die von der Vertreterversammlung
zu beschließen ist. Das LSG hat rechtsfehlerfrei der Formulierung "kann" in § 24 Abs 3
Satz 1 der Satzung eine Ermächtigung entnommen und nicht die Vorgabe einer
Ermessensentscheidung. § 4 Abs 6 der Satzung regelt die Zuständigkeit des Vorstands
als Widerspruchsstelle und die Möglichkeit der Übertragung der Zuständigkeit auf
Widerspruchsausschüsse. Die Voraussetzungen von § 1 Abs 1 Buchstabe b
Gebührensatzung liegen nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen
des LSG vor, da die Klägerin - wie sich aus dem Verfügungssatz zu I des
Widerspruchsbescheides ergibt - ohne Erfolg gegen einen Verwaltungsakt Widerspruch
erhoben hat; auch die Höhe der festgesetzten Gebühr entspricht den Vorgaben des
maßgeblichen Gebührenverzeichnisses. Dort ist unter Ziffer II Nr 1 für
Widerspruchsverfahren, soweit sie nicht erfolgreich sind, eine Gebühr in Höhe von 100
Euro vorgesehen.
15 4. Das LSG hat auch zu Recht entschieden, dass die Kostenregelung nicht gegen
Bundesrecht verstößt. § 64 SGB X steht der Erhebung der Gebühr nicht entgegen. Zwar
werden nach dieser Vorschrift für das Verfahren bei den Behörden nach diesem
Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben. Behörden in diesem Sinne sind auch
die KÄVen nach § 77 SGB V (vgl zur Anwendung des SGB X auch im vertragsärztlichen
Zulassungsrecht BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 9 RdNr 16; BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr 3, RdNr 12 mwN; zur Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 10 S
33). Die Vorschrift gilt insbesondere auch für Widerspruchsverfahren (BT-Drucks 8/2034 S
36 zu § 62). Abweichungen von den Kostenregelungen des SGB X sind den KÄVen damit
grundsätzlich nicht gestattet (vgl zu § 63 SGB X BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 4 RdNr 16;
SozR 3-1300 § 63 Nr 10 S 34 ff). Die Auferlegung von Kosten in begrenztem Umfang für
den Fall eines erfolglosen Widerspruchs ist durch § 64 SGB X jedoch nicht
ausgeschlossen.
16 Nach § 37 Satz 1 SGB I gelten das Erste und Zehnte Buch Sozialgesetzbuch nur, soweit
sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Anderweitige Regelungen iS
von § 37 Satz 1 Halbsatz 1 SGB I können unmittelbar gesetzliche Regelungen sein, aber
auch untergesetzliche Regelungen aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm, die
Bestandteil der besonderen Teile des SGB ist (vgl BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 4 S 16 f;
Didong, in: juris-PK SGB I, 2. Aufl 2011, § 37 RdNr 9; Lilge, SGB I, 3. Aufl 2012, § 37 RdNr
19).
17 a) Eine ausdrückliche abweichende Regelung findet sich für das Vertragsarztrecht etwa in
§ 98 Abs 2 Nr 4 SGB V. Für das Zulassungsrecht - für das ungeachtet der Regelungen in
§§ 36 ff Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) auch das SGB X gilt (vgl BSG
SozR 4-1300 § 63 Nr 9 RdNr 16; BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 12
mwN; Hess, in: Kasseler Komm, § 96 SGB V - Stand Dezember 2012 - RdNr 12) -
bestimmt § 98 Abs 2 Nr 4 SGB V, dass die Zulassungsverordnungen Vorschriften "über
die Verfahrensgebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der
Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner sowie über die Verteilung der
Kosten der Ausschüsse auf die beteiligten Verbände" enthalten müssen. Hierauf
beruhende Gebührenregelungen enthalten § 46 Ärzte-ZV und § 46 Zahnärzte-ZV.
18 Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit auf der Grundlage einer
gesetzlichen Regelung hat der Senat für das Verwaltungsverfahren bei
Disziplinarmaßnahmen bejaht (BSG 28.8.1996 - 6 BKa 22/96 - Juris RdNr 6; bestätigt mit
Beschluss vom 28.6.2000 - B 6 KA 1/00 B - Juris RdNr 7; ebenso Hencke, in: Peters,
Handbuch der Krankenversicherung, Stand Januar 2012, § 81 SGB V RdNr 7 und 45;
Hess aaO, § 81 SGB V RdNr 12), für das ebenfalls grundsätzlich das SGB X gilt (BSG
Beschluss vom 9.12.2004 - B 6 KA 70/04 B - Juris RdNr 5). Der Senat hat sich dabei auf §
81 Abs 5 Satz 1 SGB V gestützt, wonach die Satzungen der KÄVen die Voraussetzungen
und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen
müssen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen.
Diese gesetzliche Ermächtigung gestatte die Einführung von Vorschriften über die
Beteiligung des Arztes, dem ein disziplinarisch zu ahndendes Verhalten zur Last falle, an
den allgemeinen Verfahrenskosten bis zu einem in der Satzung selbst festgelegten
Höchstbetrag.
19 Ebenfalls gebilligt hat der Senat Vorschriften zur Sanktionierung von
Fristüberschreitungen durch Honorarabzüge (vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 37 RdNr
11). Ein Honorarverteilungsmaßstab darf danach für den Fall, dass
Abrechnungsunterlagen verspätet oder unvollständig eingereicht werden, Regelungen
enthalten, wonach die KÄVen den dadurch entstehenden Sonderaufwand durch einen
prozentualen Abschlag vom vertragsärztlichen Honorar kompensieren dürfen. Vorschriften
über die Modalitäten der Abrechnung und Folgen von Verstößen können aufgrund der
allgemeinen Befugnis zur Regelung der Honorarverteilung erlassen werden (vgl BSG
aaO; SozR 4-2500 § 85 Nr 19 RdNr 13 ff). Auch in diesem Zusammenhang kann ein
zusätzlicher Verwaltungsaufwand die Auferlegung von Kosten rechtfertigen.
20 b) Rechtsgrundlage für die hier streitige Kostenregelung für das Widerspruchsverfahren ist
§ 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Danach muss die Satzung der KÄV insbesondere
Bestimmungen über Aufbringung und Verwaltung der Mittel enthalten. In dieser Regelung
sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung die Ermächtigungsgrundlage für Vorschriften
über die "Festsetzung von Verwaltungskosten" (vgl zuletzt SozR 4-2500 § 81 Nr 4 RdNr
13; aaO § 81 Nr 3 RdNr 15; SozR 3-2500 § 81 Nr 5 S 12 noch zu § 368m RVO, aber mit
Hinweis auf § 81 Abs 1 SGB V). Da die Vorschrift keine näheren Vorgaben für die
Ausgestaltung der Erhebung von Beiträgen durch die KÄVen macht, sind Art und Weise
der Einnahmenerhebung dem Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers überlassen, der
dabei die allgemeinen Grundsätze des Beitragsrechts sowie den Gleichheitssatz zu
beachten hat (BSG SozR 4-2500 § 81 Nr 4 RdNr 13). Die Verwaltungskostenbeiträge hat
der Senat als Gegenleistung für Vorteile angesehen, die das Mitglied aus der
Zugehörigkeit zu einer Körperschaft oder aus einer besonderen Tätigkeit dieser
Körperschaft zieht oder potentiell ziehen kann (aaO RdNr 17 ff).
21 Der Umstand, dass jeder Vertragsarzt mit seinem Verwaltungskostenbeitrag die
allgemeine Tätigkeit der KÄV wie etwa die Honorarabrechnung bereits finanziert, schließt
aber nicht aus, dass für besondere Tätigkeiten, die vom Vertragsarzt veranlasst werden
und erhöhten Aufwand und Kosten verursachen, Gebühren erhoben werden. Aus der
allgemeinen Finanzierungsregelung des § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V kann vielmehr
auch die Berechtigung zur Erhebung von Gebühren abgeleitet werden (ebenso Feddern,
in: juris-PK SGB X, 2013, § 64 RdNr 24 unter Hinweis auf die hier angefochtene
Entscheidung; vgl auch Schiller, Erhebung von Beiträgen und Gebühren durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen, MedR 2004, 348, 351; sowie LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 1.9.2004 - L 5 KA 1529/03 - MedR 2005, 483, 484 zu einer Pfändungsgebühr).
Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der "Mittel" begrenzt schon vom Wortsinn die
KÄV nicht auf die Erhebung von Beiträgen. Der Senat hat noch zu § 368m Abs 1 Satz 2 Nr
4 RVO, der Vorgängervorschrift des § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V, entschieden, dass es
nicht generell unzulässig ist, über die Beiträge im engeren Sinne hinaus Gegenleistungen
für die Inanspruchnahme besonderer Einrichtungen der KÄV zu verlangen (SozR 2200 §
368m Nr 4 S 8; SozR 3-2500 § 81 Nr 5 S 12). Dementsprechend hat der Senat im
Grundsatz nicht beanstandet, dass eine KÄV Sonderbeiträge wie einen Fuhrkostenbeitrag
von den am ärztlichen Notfalldienst teilnehmenden Ärzten erhoben hatte. Der in § 81 Abs
1 Satz 1 Nr 5 SGB V enthaltene Auftrag an die KÄVen, im Rahmen ihrer
Satzungsautonomie Regelungen über die Aufbringung der Mittel zu treffen, unterscheidet
die Vorschrift strukturell grundlegend von den Bestimmungen über die Aufbringung der
Mittel für die gesetzliche Krankenversicherung. § 220 Abs 1 SGB V legt abschließend fest,
dass die Mittel der Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen
aufgebracht werden und überlässt damit die Entscheidung, wie die erforderlichen Mittel
aufzubringen sind, nicht der Regelung der einzelnen Krankenkasse selbst. Strukturell
gleiche Regelungen finden sich in der allgemeinen Vorschrift des § 20 Abs 1 SGB IV zur
Aufbringung der Mittel generell für die Sozialversicherung sowie etwa in § 54 Abs 1 SGB
XI für die Pflegeversicherung und in § 340 SGB III für die Leistungen der Arbeitsförderung
und die sonstigen Ausgaben der Bundesagentur.
22 Dass § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die
Einführung von Gebühren für erfolglose Widerspruchsverfahren bildet, bestätigt ein Blick
auf die Entstehungsgeschichte des § 64 Abs 1 SGB X. Nach der Begründung des
Entwurfs der Bundesregierung zum SGB X (BT-Drucks 8/2034 S 36 zu § 62) sollte die
Vorschrift der Zusammenfassung der verschiedenen Kostenvorschriften des Sozialrechts
dienen. Das Kassenarztrecht und seine Besonderheiten fanden dabei erkennbar keine
Berücksichtigung. Erfasst wurden vielmehr alle Bereiche des Sozialrechts, in denen
Sozialleistungen beansprucht werden konnten und bei denen traditionell von einer
besonderen Schutzwürdigkeit der Anspruchsteller bzw Leistungsempfänger ausgegangen
wurde. Da dieser Gedanke im Vertragsarztrecht nicht greift, besteht eher eine Nähe zum
allgemeinen Verwaltungsrecht, wo § 80 Abs 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz bei
erfolglosem Widerspruchsverfahren eine Erstattung auch der notwendigen Aufwendungen
des Verwaltungsträgers vorsieht. Die Erhebung einer Gebühr entspricht insoweit
strukturell dieser allgemeinen Kostenregelung.
23 Die Einführung der Kostenpflicht in vertragsärztlichen Streitsachen durch § 197a Abs 1
SGG zum 2.1.2002 lässt erkennen, dass der Gesetzgeber anders als bei Versicherten,
Leistungsempfängern, behinderten Menschen und deren Sonderrechtsnachfolgern eine
Kostenprivilegierung der Vertragsärzte nicht für gerechtfertigt hielt. Zwar hat er darauf
verzichtet, eine zwingende Sonderregelung auch für Kosten des Verwaltungsverfahrens
zu schaffen. Es ist aber nicht erkennbar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers
Widerspruchsverfahren bei der KÄV zwingend kostenfrei durchzuführen wären. Eine
Beteiligung der Vertragsärzte an den Kosten eines erfolglos durchgeführten
Widerspruchsverfahrens auf der Grundlage von § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V steht
jedenfalls nicht in einem Wertungswiderspruch mit der Entscheidung des Gesetzgebers,
für das gerichtliche Verfahren Kosten zu erheben.
24 5. Auch die Höhe der Gebühr ist nicht zu beanstanden. Der Senat hat bereits mehrfach
entschieden, dass die KÄVen im Rahmen der ihnen zukommenden Satzungsautonomie
die für das öffentliche Beitrags- und Gebührenrecht geltenden verfassungsrechtlichen
Maßstäbe, insbesondere das Äquivalenzprinzip, beachten müssen (vgl BSG SozR 4-2500
§ 81 Nr 4 RdNr 17; aaO Nr 3 RdNr 18; Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 40/03 R - USK 2004-
145). Letzteres erfordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des
Beitragspflichtigen ein Zusammenhang besteht. Hierfür genügt, dass die Beitragshöhe
nicht in einem groben Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die der Beitrag abgelten soll
(BSG SozR 4-2500 § 81 Nr 4 RdNr 17 unter Bezugnahme auf BVerfGE 108, 1, 19; BSG
SozR 4-2500 § 81 Nr 3 RdNr 18; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 110;
BVerwGE 125, 384 = Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr 6, RdNr 21 mwN). Ein solches
Missverhältnis ist bei der Gebühr in Höhe von 100 Euro ausgeschlossen. Es ist davon
auszugehen, dass die verwaltungstechnische und inhaltliche Bearbeitung eines
Widerspruchs bei einer zulässig typisierenden Betrachtung einen finanziellen Aufwand
der Behörde weit oberhalb dieses Betrages verursacht. Aus diesem Grund ist auch ein
Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip nicht gegeben. Angesichts der moderaten
Höhe der Verfahrensgebühr ist nicht ersichtlich, dass ihre Erhebung über die Deckung des
für das Widerspruchsverfahren erforderlichen Verwaltungsaufwandes hinaus in
unzulässiger Weise der Finanzierung allgemeiner Aufgaben der KÄV dient. Gebühren der
hier streitigen Art dürfen die Finanzierung der KÄV durch umsatzbezogene
Verwaltungskostenbeiträge aller Vertragsärzte lediglich für besondere Aufgabenbereiche
ergänzen, aber nicht im originären Aufgabenbereich ersetzen. Für Letzteres fehlt es hier
schon im Hinblick auf die Relation zwischen den gesamten Verwaltungskosten der
Beklagten (nach dem Rechenschaftsbericht für das Geschäftsjahr 2010 mehr als 150 000
000 Euro) und dem potentiellen Aufkommen durch die Widerspruchsgebühr an jedem
Anhaltspunkt. Das dürfte angesichts des besonderen Aufwandes im Übrigen auch gelten,
soweit die Satzung für erfolglose Widerspruchsverfahren, in denen Qualitätsprüfungen
anhand von Unterlagen durchzuführen sind, erhöhte Gebühren vorsieht.
25 Ein Verstoß der Gebühr gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG kommt wegen der
pauschalierten Bemessung nicht in Betracht. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Höhe des
Betrages war eine Abstaffelung nach Maßgabe der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit
der Mitglieder der Beklagten rechtlich nicht geboten (vgl BSG SozR 4-2500 § 81 Nr 3
RdNr 21 mwN).
26 Schließlich scheidet auch ein Verstoß gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes
nach Art 19 Abs 4 GG aus. Dieser Grundsatz verbietet eine Ausgestaltung des
Verwaltungsverfahrens, die die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes
unzumutbar erschwert (vgl BVerfGE 118, 168, 207; 61, 82, 110; vgl auch BSG SozR 4-
1920 § 52 Nr 1 RdNr 13 bis 15 zur Streitwertbemessung in Zulassungsangelegenheiten).
Gebühren als Gegenleistung für behördliches Handeln dürfen mithin nicht in einer Höhe
festgesetzt werden, die Mitglieder der KÄV an der Wahrnehmung ihrer Rechte hindern
könnte (vgl dazu auch BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 - WM 2013, 279,
284). Eine Gebühr, die die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu einem wirtschaftlich
unkalkulierbaren oder jedenfalls hohen Risiko machen würde, wäre unzulässig. Eine
pauschale Gebühr in Höhe von 100 Euro ist jedoch grundsätzlich nicht geeignet,
Mitglieder der KÄVen von der Einlegung von Rechtsbehelfen abzuhalten.
27 6. Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm
einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 VwGO. Die Klägerin trägt auch die
Kosten des von ihr erfolglos eingelegten Rechtsmittels.