Urteil des BSG vom 01.02.2000

BSG: arbeitsunfähigkeit, rkg, soziale sicherheit, krankengeld, invalidenrente, schlosser, arbeitslosigkeit, krankenversicherung, erwerbsunfähigkeit, inhaber

Bundessozialgericht
Urteil vom 01.02.2000
Sozialgericht Kiel
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 8 KN 4/98 R
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Januar
1998 und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 21. Februar 1996 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Änderung der
Bescheide vom 30. April 1992, 30. Januar 1993, des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 1994 und des
Bescheides vom 30. März 1994 verpflichtet, bei der Berechnung der Rente des Klägers die Zeit vom 1. Juli 1980 bis
zum 28. Dezember 1982 als Ausfallzeit rentensteigernd zu berücksichtigen. Die Beklagte hat dem Kläger die
außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die rentensteigernde Berücksichtigung einer Ausfallzeit im Zeitraum vom 1. Juli 1980 bis
28. Dezember 1982 bei der Berechnung der Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Der am 8. Februar 1932 geborene Kläger war bis zum 15. September 1989 im schlesischen Steinkohlenbergbau als
Monteur, Schweißer und Schlosser versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 18. Dezember 1989 lebt er in der
Bundesrepublik Deutschland und ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.
Bis zum 2. Januar 1980 war er im Steinkohlenbergwerk "S. -G. " als Schweißer unter Tage tätig. Anschließend bezog
er Krankengeld. Aufgrund seines Rentenantrags stufte ihn die Ärztekommission für Invalidität und Beschäftigung
wegen "allgemeiner Erkrankung", aber auch wegen der "Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit" in die Invalidengruppe
der "Kategorie III" ein. Mit Einstellung des Krankengeldes wurde dem Kläger vom 1. Juli 1980 an eine entsprechende
Rente bewilligt. Ab 29. Dezember 1982 war der Kläger wieder als Schlosser und Schweißer über Tage in seinem
früheren Betrieb versicherungspflichtig beschäftigt.
Auf den Antrag des Klägers vom 7. Februar 1990 bewilligte die Beklagte ab 1. März 1990 Knappschaftsrente wegen
Erwerbsunfähigkeit (Bescheide vom 30. April 1992 und vom 30. Januar 1993; Widerspruchsbescheid vom 22. Februar
1994), die sie ab 1. März 1992 in eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige
umwandelte (Bescheid vom 30. März 1994). Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie die Zeit des
Krankengeldbezugs in Polen als Ausfallzeit. Die Zeit des anschließenden Bezugs der polnischen Invalidenrente der
Kategorie III bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit ließ sie hingegen unberücksichtigt.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, ab 1. Juli 1980 arbeitsunfähig und gleichzeitig arbeitslos gewesen
zu sein. Krankheitsbedingt habe er nicht mehr unter Tage arbeiten dürfen. Erst ab 29. Dezember 1982 habe ihm sein
bisheriger Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz als Schlosser über Tage anbieten können. Das
Sozialgericht (SG) Kiel hat die Klage abgewiesen: Die umstrittene Zeit könne nicht als Ausfallzeit berücksichtigt
werden. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit habe nicht vorgelegen, weil der Kläger stets in der Lage gewesen
sei, eine gleichwertige Tätigkeit auszuüben. Arbeitsunfähigkeit sei auch nicht allein wegen des Bezugs der
Invalidenrente anzunehmen. Eine Wertung als Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit scheitere, weil der Kläger sich nicht
bei einem deutschen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet habe.
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat von Dr. T. , Arzt für innere Krankheiten und Psychiatrie,
ein Gutachten mit späterer Ergänzung über die Beweisfrage eingeholt, ob der Kläger in der umstrittenen Zeit
arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung gewesen sei, und im Anschluß daran mit Urteil vom 29. Januar 1998 die
Berufung zurückgewiesen: Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit habe im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen.
Die damaligen Gesundheitsstörungen hätten zwar der Fortführung der Untertagetätigkeit entgegengestanden, aber
leichte Tätigkeiten über Tage bei Lärmschutz zugelassen. Der Kläger habe in Polen im streitigen Zeitraum weder
Krankengeld bezogen noch seien diese Zeiten im polnischen Versicherungsverlauf ausgewiesen. Die
Berücksichtigung einer Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit scheitere am fehlenden Nachweis durch den polnischen
Versicherungsträger. Da der Kläger die polnische Invalidenrente ohne Unterbrechung bis zum Zuzug in die
Bundesrepublik bezogen habe, könnten diese Zeiten nicht als Rentenbezugszeiten wie bei einer weggefallenen, aber
wiedergewährten Knappschaftsrente Berücksichtigung finden. Auch die Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG)
führe zu keinem anderen Ergebnis.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 57 Reichsknappschaftsgesetz (RKG)
sowie des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und
Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (Abk Polen RV/UV).
Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 30. April 1992, 30. Januar
1993, des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 1994 und des Bescheides vom 30. März 1994 zu verpflichten,
bei der Berechnung der Rente des Klägers die Zeit vom 1. Juli 1980 bis zum 28. Dezember 1982 als Ausfallzeit
rentensteigernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.
II
Die Revision ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide lassen zu Unrecht die Zeit vom 1. Juli 1980 bis zum 28. Dezember 1982 als Ausfallzeit
wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (§ 1 Satz 1 Buchst a FRG, § 14 FRG, § 57 Satz 1 Nr 1 Buchst a
RKG) unberücksichtigt. Die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der sog "Halbdeckung" sind erfüllt (§
56 Abs 2 RKG).
Entscheidend dafür sind die auf den Kläger als anerkannten Vertriebenen iS des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG)
jedenfalls auch unmittelbar anzuwendenden Vorschriften des FRG.
Der Kläger fällt einerseits unter den persönlichen Geltungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 nebst
Regierungsvereinbarung vom selben Tag (Abk Polen RV/UV - BGBl II 1976, 396 und 401), in Bundesrecht
transformiert durch Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976 (BGBl II 1976, 393), in Kraft getreten am 1. Mai 1976
(BGBl II 1976, 463). Das spätere Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über
soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (DPSVA - BGBl II 1991, 743) findet keine Anwendung, weil Zeiten in Polen
vor dem 31. Dezember 1990 streitig sind, der Kläger nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163
Sozialgerichtsgesetz (SGG)) aber im Jahre 1989 in die Bundesrepublik gezogen ist und seitdem hier lebt (Art 27 Abs
1 und 2, jeweils S 1 und 2 DPSVA).
Nach Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes zum Abk Polen RV/UV sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der
Rentenversicherung Berücksichtigung finden, gemäß Art 4 Abs 2 Abk Polen RV/UV in demselben zeitlichen Umfang
in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und
Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) - dessen Art 1 das FRG enthält -
zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich des Gesetzes wohnt. Gemäß Art 6 § 4 Abs 2 Satz 1
FANG idF des Art 16 Nr 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992
(RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 - BGBl I 2261), am 1. Juli 1990 in Kraft getreten (Art 85 Abs 6 RRG 1992), ist
das FRG in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung anzuwenden, wenn vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch
auf Zahlung einer Rente bestand. Dies gilt auch, wenn wie hier um einen solchen Anspruch gestritten wird (BSG vom
13. September 1990, BSGE 67, 214, 218 = SozR 3-6710 Art 4 Nr 1 S 5).
Das FRG gilt im Falle des Klägers andererseits aber auch unmittelbar, da er als Inhaber des Vertriebenenausweises A
nach § 1 Buchst a FRG zum berechtigten Personenkreis zählt. Für die Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung sind damit die §§ 14 ff FRG einschlägig, sei es entsprechend über das Abk Polen RV/UV, sei es
unmittelbar.
Sowohl dem Abkommen mit Polen als auch dem FRG liegt das Eingliederungsprinzip zugrunde (vgl Denkschrift zum
Abkommen und zur Vereinbarung BT-Drucks 7/4310 A I, II, zu Art 4 S 15 ff). Die §§ 14 ff FRG sind von dem
Rechtsgedanken getragen, daß die in den Geltungsbereich des FRG zuziehenden Berechtigten rentenrechtlich so
gestellt werden sollen, als ob sie im Inland beschäftigt gewesen wären und hier ihr Arbeits- und Versicherungsleben
zurückgelegt hätten (Senatsurteile vom 29. September 1997 - 8 RKn 16/96 -, Kompaß 1998, 227; 6. August 1992,
SozR 3-5050 § 22 Nr 2; 14. Februar 1991, SozR 3-2960 § 59 Nr 1; 18. Dezember 1990, BSGE 68, 87 = SozR 3-2200
§ 1246 Nr 9 mwN). Das gleiche Ziel verfolgt Art 4 Abs 1 und 2 des Abk Polen RV/UV mit der Anordnung, daß der
Träger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt (hier die Bundesrepublik Deutschland), nach seinen
Vorschriften die Rente gewährt und dabei "Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte
Zeiten im anderen Staat" (hier Polen) so berücksichtigt, als ob sie im Gebiet des ersten Staates (hier also der
Bundesrepublik Deutschland) zurückgelegt worden wären.
Ob im vorliegenden Fall in Polen zurückgelegte Zeiten iS des Art 4 Abs 2 des Abk Polen RV/UV die Qualität von
Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder gleichgestellten Zeiten haben und bei der Rentenberechnung nach
deutschem Recht zu berücksichtigen sind, richtet sich nach polnischem innerstaatlichen Recht (sog
Abkommenszeiten, BSG vom 7. September 1989, SozR 6710 Art 4 Nr 4; 21. Juni 1989, BSGE 65, 144, 146 = SozR
6710 Art 4 Nr 8; 18. Februar 1992, SozR 3-6710 Art 4 Nr 5 S 18 zu einem Ausnahmefall). Soweit es sich aber nach
polnischem Recht nicht um Zeiten dieser Qualität handelt (zB nach polnischem Recht nicht gleichgestellte Ersatz-
und Ausfallzeiten), werden diese unter den Voraussetzungen des deutschen innerstaatlichen Rechts bei der
Rentenberechnung berücksichtigt (Begründung zu Art 2 des Entwurfs des Zustimmungsgesetzes zum Abkommen
nebst Vereinbarung, BT-Drucks 7/4310 S 6). Dies gilt zB für Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung (§ 57 Satz 1
Nr 4 Buchst b RKG, vgl Poletzky/LVA Berlin, Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Polen, 2. Aufl 1990, S 82 zu 7.5.7).
Die Beklagte hat die Zeit des Krankengeldbezuges vom 3. Januar 1980 bis 30. Juni 1980 als vom polnischem
Versicherungsträger bestätigte (Abschnitt II Art 4 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen vom 9. Oktober
1975) und nach polnischem Recht (vgl Art 11 Abs 2 Nr 1 des polnischen Gesetzes über die Rentenversorgung der
Arbeitnehmer und ihrer Familien vom 14. Dezember 1982 idF vom 30. Januar 1986, abgedruckt in deutscher
Übersetzung als Anlage 14, Poletzky/LVA Berlin, aaO, S 241 ff) gleichgestellte "Abkommensausfallzeit" bei der
Rentenberechnung entsprechend ihrer Verwaltungsübung (vgl Teil 3 Nr 1.1 des Katalogs der nach dem Abk Polen
RV/UV anrechenbaren und nicht anrechenbaren Zeiten, Poletzky/LVA Berlin, aaO, S 565, Anlage 57) berücksichtigt.
Ob die nach polnischem Recht vorgeschriebene Beschränkung, eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit nur bei
Krankengeldbezug anzurechnen, auch bedeutet, daß die anschließende Zeit der Arbeitsunfähigkeit ohne
Krankengeldbezug bei der Rentenberechnung nicht mehr als Ausfallzeit nach § 57 Satz 1 Nr 1 Buchst a RKG
berücksichtigt werden darf, ob das polnische Recht also auch den Umfang der Anrechenbarkeit einer Ausfallzeit nach
deutschem Recht definiert, kann hier dahingestellt bleiben (zur differenzierten Verwaltungsübung vgl Poletzky/LVA
Berlin, aaO, S 133).
Denn der Kläger ist Inhaber des Vertriebenenausweises A gemäß § 15 Abs 2 Nr 1 BVFG in der vor dem 1. Januar
1993 geltenden Fassung und zählt damit ungeachtet des Abkommens zum berechtigten Personenkreis des § 1 FRG.
Bei einer Rentenberechnung in unmittelbarer Anwendung der Regelungen des FRG sind aber nach § 14 FRG alle
Ausfallzeittatbestände nach deutschem Rentenrecht zu berücksichtigen, es sei denn, das FRG selbst trifft
abweichende Regelungen. § 29 FRG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung enthält keine derartige
Einschränkung. Im Gegenteil, Abs 1 aaO erleichtert die Anrechenbarkeit einer Zeit der Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit
und nach Abs 2 aaO wird "für die Zuordnung von Ausfallzeiten" (Plural) auf die Regelungen für die Ersatzzeiten
verwiesen. Das umfaßt mangels besonderer Einschränkungen die Berücksichtigung weiterer Ausfallzeiten bei der
Rentenberechnung nach den allgemeinen Rentenvorschriften des innerdeutschen Rechts ((§ 14 FRG) vgl zur
einschlägigen FRG-Rechtsprechung BSG vom 8. August 1990, BSGE 67, 171, 173 f = SozR 3-5050 § 15 Nr 2; 9.
November 1982, SozR 5050 § 15 Nr 23 S 78). Die Neufassung des § 29 FRG durch Art 15 Nr 17 RRG 1992 erwähnt
nunmehr auch die Zeit der Arbeitsunfähigkeit als Anrechnungszeit iS des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
VI), womit sich aber an der Berücksichtigung von Ausfallzeiten, die vor dem 1. Januar 1992 liegen, nichts ändern soll
(so die Begründung zu Art 10 Nr 16 (§ 29) des Entwurfs, BT-Drucks 11/4124 S 221).
Für den Anspruch des Klägers finden noch die Vorschriften des RKG in der im BGBl III, Gliederungs-Nr 822-1,
veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art 9 RRG 1992 Anwendung, denn der Rentenantrag auf
Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde bereits vor dem 31. Dezember 1991 gestellt und Leistungen
wurden vor dem 1. Januar 1992 gewährt (§ 300 Abs 2 SGB VI). Bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen
Versicherungsjahre werden die auf die Wartezeit anzurechnenden Versicherungszeiten, die Ausfallzeiten und die
Zurechnungszeit zusammengerechnet (§ 56 Abs 1 RKG). Hier relevante Ausfallzeiten sind ua Zeiten, in denen eine
knappschaftlich versicherungspflichtige Beschäftigung durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit
unterbrochen worden ist, wenn vor dem 1. Januar 1984 die Arbeitsunfähigkeit mindestens einen Kalendermonat
betragen hat und in der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 31. Dezember 1983 wegen des Bezugs von Krankengeld
bzw anderer - hier nicht zutreffender - Leistungen Versicherungspflicht nicht bestanden hat (§ 57 Satz 1 Nr 1 Buchst a
RKG).
Entgegen der Ansicht des LSG erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen im Zeitraum vom 1. Juli 1980 bis zum 28.
Dezember 1982. Das LSG hat den Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit (vgl BSG vom 24. Februar 1976, BSGE 41,
201, 203 = SozR 2200 § 182 Nr 12; 7. August 1991, BSGE 69, 180, 182 = SozR 3-2200 § 182 Nr 9 S 37 f; ferner
Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Juni 1999, SGB V § 44 RdNrn 53, 132 f) auf der
Grundlage seiner bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) unzutreffend ausgelegt. Der Begriff der
krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als maßgebliche Voraussetzung des Ausfallzeittatbestandes hat dieselbe
Bedeutung wie in der Krankenversicherung (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 16. Dezember 1981, BSGE
53, 22, 25 ff = SozR 2200 § 1259 Nr 59). Arbeitsunfähig in diesem Sinn ist demnach der Versicherte, der weder seine
zuletzt ausgeübte noch eine ähnliche bzw gleichgeartete Beschäftigung oder Tätigkeit infolge Krankheit nicht mehr
fortsetzen kann (BSGE aaO; 15. November 1984, BSGE 57, 227 = SozR 2200 § 182 Nr 96; 9. Dezember 1986,
BSGE 61, 66, 70 f = SozR 2200 § 182 Nr 104; Urteil vom 7. August 1991, aaO). Ob und auf welche Tätigkeiten der
Versicherte zumutbar und eventuell unter Hinnahme einer Lohneinbuße "verwiesen" werden darf, ist zunächst vom
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig. Dies beurteilt sich nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Kündigt der
Arbeitgeber nicht und beenden die Vertragspartner das Arbeitsverhältnis nicht aus anderen Gründen, ist von einem
fortbestehenden Arbeitsverhältnis auszugehen. Dann aber darf der Versicherte auf Tätigkeiten bei einem anderen
Arbeitgeber nicht "verwiesen" werden. Vielmehr sind ihm lediglich ähnliche oder gleichgeartete Tätigkeiten in
demselben Betrieb zuzumuten. Dies wiederum setzt voraus, daß der Arbeitgeber ein darauf gerichtetes konkretes
Angebot abgibt, das unter Beachtung des Direktionsrechts arbeitsrechtlich zulässig ist (BSG vom 7. August 1991,
BSGE 69, 180, 183 ff = SozR 3-2200 § 182 Nr 9 S 38 ff; vgl ferner Schmidt in Peters, Handbuch der
Krankenversicherung, Stand Juni 1999, SGB V § 44 RdNrn 77 ff; Höfler in KassKomm, Stand Januar 1993, § 44 SGB
V RdNrn 10 ff).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG ist der Kläger infolge der Lärmschwerhörigkeit und verschiedener
chronischer Gesundheitsstörungen im streitigen Zeitraum nicht mehr fähig gewesen, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit
als Schweißer unter Tage zu verrichten. Über Tage ist er jedoch unter Lärmschutz als Monteur, Schweißer oder
Schlosser arbeitsfähig gewesen. Damit war er auch, ungeachtet des Bezugs einer Invalidenrente der "Kategorie III",
noch nicht erwerbsunfähig (zu den Definitionsmerkmalen der Invalidengruppe III vgl I Art 24 Abs 2 Nrn 1 - 3 des
polnischen Gesetzes über die Rentenversorgung vom 14. Dezember 1982, aaO). Diese Tatsachenfeststellungen hat
das LSG unter Verwertung des Gutachtens und der Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen Dr. T. nach
Auswertung medizinischer Unterlagen aus Polen getroffen. Sie sind von der Beklagten nicht angegriffen worden. Nach
den tatsächlichen Feststellungen des LSG haben im streitigen Zeitraum Anhaltspunkte für eine Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nicht vorgelegen. Unstreitig ist auch, daß der Arbeitgeber dem Kläger erst zum 29. Dezember
1982 einen leidensgerechten Arbeitsplatz als Schlosser und Schweißer über Tage angeboten hat. An diesem Tag hat
der Kläger die Beschäftigung wieder fortgesetzt und die vereinbarte Arbeit verrichtet. Damit ist die krankheitsbedingte
Arbeitsunfähigkeit im Anschluß an die Vorerkrankungszeit erst am 29. Dezember 1982 beendet gewesen; denn vor
diesem Zeitpunkt hatte ein arbeitsrechtlich zulässiges, konkretes Angebot für eine ähnliche oder gleichgeartete
Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber nicht vorgelegen.
Diese mehr als einen Kalendermonat anhaltende Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat auch eine knappschaftlich
versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen. Die in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten, die der
Arbeitsunfähigkeit unmittelbar vorausgegangen bzw nachgefolgt sind, hat die Beklagte im Rentenbescheid vom 30.
Januar 1993 wie nach Bundesrecht zurückgelegte Beitragszeiten ausgewiesen. Wie das LSG festgestellt hat, ist der
hier streitigen Zeit eine weitere Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 3. Januar bis 30. Juni 1980
vorausgegangen, die ihrerseits die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen hat. Diesen Zeitraum hat
die Beklagte als Ausfallzeittatbestand anerkannt. Damit liegt eine Aneinanderreihung von Ausfallzeittatbeständen vor,
die das Beschäftigungsverhältnis unmittelbar und lückenlos unterbrochen haben (vgl BSG vom 22. September 1981,
BSGE 52, 108, 111 = SozR 2200 § 1259 Nr 54 S 142; 14. Oktober 1992, SozR 3-2600 § 252 Nr 2 S 11).
Entgegen der Auffassung des LSG steht dem nicht entgegen, daß der Kläger im streitigen Zeitraum kein Krankengeld
erhalten hat. § 57 Satz 1 Nr 1 Buchst a RKG setzt nicht voraus, daß im maßgeblichen Zeitraum Lohnersatzleistungen
bezogen worden sind. Zwar legt dies der Wortlaut der Norm zunächst nahe, doch ergibt sich aus der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift eine andere Bedeutung. § 57 Satz 1 Nr 1 RKG wurde durch Art 3 Nr 19 des
Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (HBegleitG 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) mit Wirkung vom 1. Januar
1984 neu gefaßt. Durch diese Neufassung sollte für die Zeit bis Ende 1983 keine Änderung des bisherigen
Rechtszustandes erfolgen. Vor dem 1. Januar 1984 normierte § 57 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RKG - in dem hier relevanten
Teil - Ausfallzeiten als Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch
Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden war. Dies war auch damals nicht an den Bezug von Krankengeld geknüpft.
Aus den Gesetzesmaterialien zum HBegleitG 1984 ergibt sich, daß keine Absicht bestand, hiervon abweichend
Änderungen für die Zeit vor 1984 vorzunehmen. Erst für Zeiten ab 1984 wurde mit der Vorschrift des - hier nicht
einschlägigen - § 57 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RKG das neue Erfordernis begründet, daß zu Beginn der
Ausfallzeiten Lohnersatzleistungen wie das Krankengeld bezogen worden sein mußten, wofür entsprechende Beiträge
nach § 130b Abs 1 RKG an die Rentenversicherung zu zahlen waren (Begründung zum Entwurf des HBegleitG 1984,
BT-Drucks 10/335, S 73 f zu § 1259 Reichsversicherungsordnung (RVO) und S 78 zu § 57 RKG). Mehrmals hat das
Bundessozialgericht (BSG) zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a RVO entschieden,
daß diese Norm in der hier entscheidenden Passage wie folgt zu lesen sei: "Ausfallzeiten iS des § 1258 sind Zeiten,
in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit bedingte
Arbeitsunfähigkeit ... unterbrochen worden ist, wenn a) vor dem 1. Januar 1984 die Arbeitsunfähigkeit begonnen ... hat
und, sofern in der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 31. Dezember 1983 Krankengeld bezogen worden ist, deswegen
Versicherungspflicht nicht bestanden hat" (vgl BSG Urteile vom 27. Februar 1990 - 5 RJ 67/88 -, SozSich 1991, 319;
22. April 1992, SozR 3-2200 § 1259 Nr 12 S 52; dem Sinn nach: Urteil vom 14. Oktober 1992, aaO, S 10). Nichts
anderes gilt für die Lesart des hier relevanten § 57 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a RKG. Deshalb ist es unschädlich, daß
der Kläger nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum kein Krankengeld bezogen hat.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen der sog "Halbdeckung" vor. Ausfallzeiten werden nur dann angerechnet,
wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der
Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen für eine
rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist (§ 56 Abs 2 Halbsatz 1 RKG). Aus dem im
Rentenbescheid der Beklagten vom 30. Januar 1993 dargestellten Versicherungsverlauf, der in den vom LSG in
Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten enthalten ist, ergibt sich, daß der Kläger diese Zeiten bei
weitem erfüllt hat.
Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger zusätzlich die Ausfallzeittatbestände wegen Arbeitslosigkeit
(§ 57 Satz 1 Nr 3 RKG) oder wegen des Bezugs einer der Knappschaftsrente gleichzustellenden polnischen
Invalidenrente (§ 57 Satz 1 Nr 5 RKG) erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.