Urteil des BSG vom 29.07.2003

BSG: arbeitslosenversicherung, beihilfe, krankenversicherung, arbeitslosigkeit, flugsicherung, arbeitsförderung, anwartschaft, krankheitsfall, beitragspflicht, versorgung

Bundessozialgericht
Urteil vom 29.07.2003
Sozialgericht Düsseldorf S 34 KR 230/98
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 44/01
Bundessozialgericht B 12 KR 15/02 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2002 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung auf den Kläger entfallender Beitragsanteile zur Bundesanstalt für Arbeit
(BA) (Beigeladene zu 1) für die Zeit einer Beschäftigung bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) (Beigeladene
zu 2) vom 1. Februar 1994 bis 31. Dezember 1995.
Die 1993 gegründete DFS ist die bundeseigene privatisierte Nachfolgerin der Bundesanstalt für Flugsicherung. Ihre
Aufgabe ist die Sicherung der überörtlichen Luftfahrt in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Wahrnehmung der
allgemeinen Flugsicherungsaufgaben in Bezug auf militärische Flüge hat sich das Bundesministerium für Verteidigung
(BMVg) verpflichtet, militärisches Fachpersonal auf dessen Antrag unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge sowie der
unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung zur DFS zu beurlauben. Für die Dauer der Beurlaubung werden die
betreffenden Soldaten zum Amt für Flugsicherung der Bundeswehr versetzt und bleiben diesem truppendienstlich
unterstellt. Während der Tätigkeit bei der DFS können die Soldaten mit ihrem Einverständnis auch zur Teilnahme an
militärischen Übungen sowie an Aus- und Fortbildungslehrgängen verpflichtet werden. Die Beschäftigung bei der DFS
erfolgt jeweils auf einzelarbeitsvertraglicher Basis; sie liegt im dienstlichen Interesse, soll mindestens ein Jahr
betragen und darf zehn Jahre nicht übersteigen. Nach Ablauf des Beurlaubungszeitraums kehren die Soldaten in der
Regel in den Bundeswehrdienst zurück. Sofern dienstlich zwingend erforderlich, kann der Sonderurlaub auch schon
vorher widerrufen werden.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist Berufssoldat. Ab Februar 1994 wurde er vom BMVg unter Wegfall der Geld-
und Sachbezüge sowie des Anspruchs auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung für eine hauptberufliche
Beschäftigung bei der DFS beurlaubt. Diese meldete den Kläger für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis 31. Dezember
1995 bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) zur Arbeitslosenversicherung an und entrichtete
entsprechende Beiträge an sie als Einzugsstelle. Während dieser Zeit war der Kläger in der gesetzlichen
Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und stattdessen bei
einem privaten Versicherungsunternehmen im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags mit der DFS
krankenversichert. Zu dieser privaten Versicherung gewährte die DFS einen Beitragszuschuss; außerdem sicherte sie
allen beurlaubten Soldaten entsprechend § 23 Abs 3 des maßgeblichen Manteltarifvertrags eine im Krankheitsfall
unbefristete Fortzahlung der Vergütung zu. Darüber hinaus existiert eine pauschale Erklärung des BMVg, die
Rückkehr der beurlaubten Soldaten von dem Zeitpunkt an zu gewährleisten, ab dem die DFS Leistungen im
Krankheitsfall nicht mehr erbringt.
Den Antrag des Klägers auf Feststellung der Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung und Rückzahlung
der geleisteten Beiträge lehnte die Beklagte ab. Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung von Berufs- bzw
Zeitsoldaten in anderweitigen Beschäftigungen liege nur vor, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bei
Krankheit die Bezüge unbegrenzt fortgezahlt würden oder Anspruch auf Beihilfe bestehe. Diese Voraussetzungen
seien in der Beschäftigung bei der DFS nicht erfüllt (Bescheid vom 14. August 1998, Widerspruchsbescheid vom 1.
Oktober 1998).
Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 1. Februar
2001 und des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2002). Der Kläger könne sich nicht
darauf berufen, dass er wegen des fehlenden Risikos einer Arbeitslosigkeit nicht schutzbedürftig sei. Der Grundsatz
der Solidarität aller abhängig Beschäftigten schließe es aus, die Versicherungspflicht in der Sozial- und
Arbeitslosenversicherung über die gesetzlich geregelten Freistellungstatbestände hinaus von einem individuellen
Schutzbedürfnis abhängig zu machen. Eine erweiternde Auslegung des § 6 Abs 1 Nr 2 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) komme nicht in Betracht. Auch begegne die Regelung zur Beitragsfreiheit keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
Mit der Revision räumt der Kläger ein, dass er die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit in
der Arbeitslosenversicherung nicht erfülle; in seinem Falle sei jedoch eine analoge Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 2
SGB V geboten. Das Risiko der Arbeitslosigkeit könne ihn nicht treffen. Er besitze einen unbegrenzten
Gehaltfortzahlungsanspruch und würde im Falle der regulären wie auch der vorzeitigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zur DFS automatisch zurück in den Dienst als Berufssoldat wechseln. Es sei zudem zu
bedenken, dass das BMVg Soldaten nicht zu beliebigen Zwecken beurlaube: Im Spannungs- und Verteidigungsfall
oblägen die Aufgaben der überörtlichen Flugsicherung dem BMVg, der sich zur Vorbereitung auf eine solche
Ausnahmesituation deshalb schon in Friedenszeiten verpflichtet habe, militärisches Fachpersonal zur DFS zu
beurlauben.
Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2002 und des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1998 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die auf ihn
entfallenden Beitragsanteile zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis 31. Dezember 1995 zu
erstatten.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich dem Antrag des Klägers an.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das LSG hat seine Berufung zutreffend zurückgewiesen,
das SG seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm für den streitigen Zeitraum getragenen
Beiträge zur BA.
1. Auf den vorliegenden Sachverhalt finden die Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung
(SGB III) und des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV)
jeweils in der am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung
Anwendung (Art 83 Abs 1 Arbeitsförderungsreformgesetz (AFRG) vom 24. März 1997, BGBl I 594). Die Beklagte hat
erstmals nach diesem Zeitpunkt über den Erstattungsantrag des Klägers eine Entscheidung getroffen. Nach dem
damit maßgeblichen § 26 Abs 2 Halbsatz 1, Abs 3 Satz 1 SGB IV kann derjenige, der die Beiträge getragen hat,
grundsätzlich die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge verlangen. Das geltende Recht entspricht insofern
weitgehend dem vor Inkrafttreten des AFRG geltenden, das mit § 185a Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF des
am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen SGB IV vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) iVm § 26 Abs 3 SGB IV eine
praktisch identische Regelung enthalten hatte. Der Erstattungsanspruch richtet sich 1. gegen das Arbeitsamt, in
dessen Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, an welche die Beiträge entrichtet worden sind, 2. die Landesarbeitsämter,
wenn die Beitragszahlung wegen des Bezugs von Sozialleistungen oder Krankentagegeld erfolgte, 3. die zuständige
Einzugsstelle oder den Leistungsträger, soweit die BA dies mit den Einzugsstellen oder den Leistungsträgern
vereinbart hat (§ 351 Abs 2 SGB III). Nachdem vorliegend der Kläger Leistungen der beigeladenen BA unstreitig nicht
erhalten hat, ist grundsätzlich die beklagte AOK passiv legitimiert (Rz 3.3.1 der Gemeinsamen Grundsätze für die
Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung vom 20. November 1997, ANBA 1998, 163). Der Kläger war indes im streitigen Zeitraum
beitragspflichtig zur beigeladenen BA, sodass für ihn Beiträge zu Recht entrichtet wurden.
2. Als bei der beigeladenen Flugsicherung privat gegen Entgelt Beschäftigter gehörte der Kläger zum Personenkreis
des § 168 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des
Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand -
AFG-ÄndG - vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343). Er war damit nach generellen Merkmalen schutzbedürftig, ohne
dass es insofern einer gesonderten Prüfung seiner individuellen Verhältnisse bedurfte (so bereits jeweils ausdrücklich
Urteile des Senats BSGE 47, 60, 61 f = SozR 2200 § 169 Nr 6 (zur Beitragspflicht von beurlaubten
Grenzschutzbeamten) und SozR 2200 § 172 Nr 4 S 15 f mwN (zur Beitragspflicht von Soldaten auf Zeit in einem
Beschäftigungsverhältnis im Rahmen der Berufsförderung)). Die nach allgemeinen Merkmalen typisierend gewählte
Anknüpfung des Gesetzes an eine abhängige Beschäftigung verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Wie das
Bundesverfassungsgericht für das Arbeitsförderungsrecht bereits entschieden hat (BVerfGE 53, 313 = SozR 4100 §
168 Nr 12), war der Gesetzgeber auf Grund des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums ohne Verstoß gegen
Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) berechtigt, eine Form der sozialen Sicherung auszugestalten, die sich nicht
ausschließlich am Versicherungsprinzip orientiert und auf Schadensvergütung beschränkt. Vielmehr durfte er sich für
ein umfassendes Präventivkonzept entscheiden und hiernach auch den Kreis der Beitragspflichtigen bestimmen.
Hiervon ausgehend lässt es Art 3 Abs 1 GG zu, in die Arbeitsförderung dem typischen Personenkreis einer
Arbeitnehmerversicherung zugehörende Personen wie den Kläger einzubeziehen, obwohl ihr Individualbedürfnis nach
finanzieller Sicherung durch Arbeitslosengeld praktisch nur gering ausgeprägt sein mag. Auch sie sind potenzielle
Bezieher jedenfalls sonstiger Leistungen der BA und stehen insbesondere im solidarischen Interesse der
Arbeitnehmer an der Gesunderhaltung des Arbeitsmarkts und damit einer möglichst leistungsfähigen
Arbeitsverwaltung (BVerfG aaO S 326 bzw S 23).
3. § 168 Abs 1 Satz 1 AFG wird für Fälle der vorliegenden Art weder gesetzlich eingeschränkt noch erfüllt der Kläger
den Tatbestand einer ihn spezialgesetzlich verdrängenden Norm mit der Folge, dass ausnahmsweise trotz Vorliegens
einer abhängigen entgeltlichen Beschäftigung von Beitragsfreiheit ausgegangen werden könnte. Der Kläger kann sich
insofern insbesondere nicht auf den allein in Betracht kommenden § 169 AFG in seiner bis zum 31. Dezember 1997
geltenden und zum 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Fassung des Altersteilzeitgesetzes vom 20. Dezember 1988
(BGBl I S 2343) berufen. Danach waren beitragsfrei Arbeitnehmer in einer Beschäftigung, insbesondere als Beamter,
Richter, Berufssoldat, in der sie die in § 6 Abs 1 Nr 2, 4, 5 oder 7 SGB V genannten Voraussetzungen für die
Krankenversicherungsfreiheit erfüllen. Nach dem hiervon allenfalls einschlägigen § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V sind ua
Berufssoldaten der Bundeswehr in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, wenn sie nach
beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf
Beihilfe oder Heilfürsorge haben.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beitragsfreiheit, die § 27 Abs 1 Nr 1 SGB III mit Wirkung vom 1. Januar
1998 inhaltlich unverändert fortführt, waren beim Kläger unstreitig nicht gegeben. § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V setzt nach
der Rechtsprechung des Senats eine streng statusbezogene Sicherung im Krankheitsfall voraus (BSGE 72, 298, 300
= SozR 3-2500 § 10 Nr 3 S 8, 10 und Beschluss vom 7. November 1995, 12 BK 91/94, DBlR 4265 AFG § 169 = USK
95157). Nur die sich gerade aus dem Soldatenverhältnis ergebende Anwartschaft auf truppenärztliche Versorgung und
Fortzahlung der Bezüge bei Krankheit (§ 30 Abs 1 Satz 1, 2 Soldatengesetz, § 70 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1
Bundesbesoldungsgesetz) kann daher zur Versicherungsfreiheit führen. Indes war der als Berufssoldat vom BMVg
unter Fortfall seiner Dienstbezüge beurlaubte Kläger gerade wegen des Fehlens einer vom früheren Dienstherrn
garantierten Krankenversorgung (sowie Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Grund
Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze) im streitigen Zeitraum gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit
privat versichert und hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit eine Anwartschaft bei der Beigeladenen zu 2) auf
unbefristete Fortzahlung der Vergütung. Hieran ändert auch die bloße Möglichkeit, die Beurlaubung zu beenden und
danach mit Wirkung für die Zukunft in den allgemeinen Status eines Berufssoldaten mit Anspruch auf freie
Heilfürsorge zurückzukehren, nichts. Auch sie begründet nämlich beamtenrechtliche Anwartschaften auf freie
Heilfürsorge und Fortzahlung der Bezüge nicht in der erforderlichen Weise zeitgleich ("aktuell") und kann damit nicht
zum sachlichen Vorrang der anderweitigen Absicherung in einem Sondersystem gegenüber der gesetzlichen
Krankenversicherung führen (Beschluss des Senats vom 7. November 1995 aaO).
4. Die akzessorische Verbindung von Soldatenstatus mit adäquater Absicherung des Soldaten für den Krankheitsfall
und Krankenversicherungsfreiheit in § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V schließt gleichzeitig eine - den Wortlaut überschreitende -
sinngemäße Anwendung der Norm auf das private Beschäftigungsverhältnis eines ohne Dienstbezüge beurlaubten
Soldaten aus (vgl Beschluss des Senats vom 7. November 1995 aaO). Seit dem 1. Januar 1989 kommt damit
insofern auch eine extensive Anwendung von § 169 AFG von vornherein nicht mehr in Betracht. Bis dahin hatte die
Rechtsprechung eine an Sinn und Zweck orientierte Ausdehnung seines Anwendungsbereichs ausnahmsweise dann
für möglich gehalten, wenn der öffentlich-rechtliche Dienstherr die Versorgungsanwartschaft hierfür in gleicher Weise
gewährleistete, wie dies nach dem damaligen Recht der §§ 169 AFG, 169 Abs 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung
(RVO) für die Versicherungsfreiheit im Soldatenverhältnis erforderlich war (vgl BSGE 40, 208, 210 und 47, 60, 61 =
SozR 2200 § 169 Nr 1 S 3 und Nr 6 S 2).
5. § 169 AFG nimmt § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V nicht in Bezug. Daher ist es ausgeschlossen, eine bestehende
Krankenversicherungs- und damit auch Beitragsfreiheit in der Beschäftigung als Berufssoldat auf eine gleichzeitige
private Beschäftigung zu erstrecken. Insofern unterscheidet sich das ab dem 1. Januar 1989 geltende
Arbeitsförderungsrecht nicht von demjenigen, das vorher bereits bis zum 31. Dezember 1988 galt (vgl exemplarisch
für die ständige Rechtsprechung die Nachweise in BSGE 40, 208 f und 47, 60, 61 = SozR, aaO). Den
Paradigmenwechsel des SGB V hinsichtlich der Erstreckung von Versicherungsfreiheit auf weitere Sachverhalte (vgl
hierzu etwa Urteile des Senats SozR 3-2500 § 257 Nr 3, 4) hat das AFG nicht mitvollzogen.
6. Die seit 1. Januar 1989 geltende Regelung der Beitragsfreiheit in § 169 AFG verstößt nicht gegen höherrangiges
Recht. Sie grenzt insbesondere den betroffenen Personenkreis sachgerecht ab und behandelt nicht etwa beurlaubte
Berufssoldaten unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG gegenüber anderen
Personengruppen ungleich. § 169 AFG nimmt in Fortführung des bis zum 31. Dezember 1988 geltenden früheren
Rechts (vgl hierzu BVerfG aaO S 330 bzw S 26) mit Beamten, Richtern und Berufsoldaten solche Personen von der
Beitragspflicht aus, deren Beschäftigung sich außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarkts vollzieht oder bei denen nur
eine geringe Beziehung zum allgemeinen Arbeitsmarkt besteht, sodass bei ihnen typischerweise ein unmittelbares
Interesse an seiner Gesunderhaltung nicht besteht. Zur näheren Umschreibung verwies die bis zum 31. Dezember
1988 geltende Vorgängerregelung des § 169 Nr 1 AFG ohne Unterschied in der Sache auf die damals in § 169 RVO
genannten Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung und machte die Beitragsfreiheit
ua der im Dienst "des Reichs" tätigen Beamten und sonstigen Beschäftigten vom Bestehen einer Anwartschaft auf
Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung abhängig (§ 169 Abs 1 Satz 1 RVO). Soweit § 169 AFG in der seit 1.
Januar 1989 geltenden Fassung mit der Bezugnahme auf § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V stattdessen darauf abstellt, dass die
Betroffenen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der
Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, liegt hierin kein Unterschied in der Sache. Wie der Senat in seinem
Urteil vom 11. Oktober 2001 (SozR 3-4100 § 169 Nr 7 S 10) bereits ausgeführt hat, besteht jeweils kein unmittelbarer
sachlicher Zusammenhang zwischen denjenigen Leistungen, die im Fall der Arbeitslosigkeit nach dem Recht der
Arbeitsförderung vorgesehen sind, und den Ansprüchen, die Voraussetzung für die Beitragsfreiheit waren und sind.
Bereits bei Einführung der Arbeitslosenversicherung lag auf der Hand (vgl Urteil des Senats aaO S 10 f), dass das
Schutzbedürfnis für den Fall der Arbeitslosigkeit nicht durch die Gewährleistung einer Anwartschaft auf Versorgung
entfällt. Ebenso wenig treten Ansprüche auf Gehaltsfortzahlung bei Krankheit und auf Beihilfe oder Heilfürsorge nach
beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen an die Stelle des mangels Arbeitsgelegenheit entfallenen
Erwerbseinkommens aus abhängiger Beschäftigung. Indes haben Beamte, Richter und Soldaten in der Regel sowohl
eine Versorgungsanwartschaft als auch Ansprüche auf Gehaltsfortzahlung und Beihilfe oder Heilfürsorge, sodass
beide Aspekte typisierend jeweils allein herangezogen werden können, um auf eine rechtliche Gesamtsituation zu
schließen, die ein Sicherungsbedürfnis auch gegen die Folgen von Arbeitslosigkeit entfallen lässt.
Entgegen der Auffassung der Revision kann § 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht entsprechend auf
Sachverhalte der vorliegenden Art angewandt werden. Hierfür fehlt es bereits an der erforderlichen Lücke, dh einer
unvollständigen Realisierung des gesetzlichen Regelungskonzepts (vgl zu den Voraussetzungen der Analogie etwa
BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4 f und Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 202 ff).
Es mangelt nämlich erkennbar an Anhaltspunkten, dass das Gesetz den Kreis derjenigen, die bei typisierender
Bewertung ihrer Schutzbedürftigkeit ausnahmsweise trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung nicht der
Beitragspflicht zur BA unterliegen, nur unvollständig erfasst hätte. Hiervon wäre allenfalls auszugehen, wenn die
Zugehörigkeit zu einem - allerdings weder benannten noch sonst erkennbaren - Personenkreis unberücksichtigt
geblieben wäre, dessen Beschäftigung Beamten und Soldaten vergleichbar statusbedingt ebenfalls außerhalb des
allgemeinen Arbeitsmarkts ausgeübt wird. Dagegen macht eine allenfalls individuell und hinsichtlich eines Teilrisikos
herabgesetzte Schutzbedürftigkeit nicht etwa die Ausnahmeregelung defizitär, sondern lässt gerade die
Anwendbarkeit des hieran - wie dargelegt - gerade nicht anknüpfenden Regeltatbestands unberührt.
7. Als Organ der Rechtsprechung ist der Senat im Übrigen nicht dazu berufen, eine zwar rechtlich vollständige, sozial-
oder rechtspolitisch jedoch von einzelnen Personen oder Gruppen als defizitär empfundene Regelung fortbildend zu
ergänzen und sich damit unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) in die
Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben (BVerfGE 34, 269, 290; 65, 182, 194; 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280).
Privatisiert der Staat früher hoheitlich betriebene Einrichtungen, unterwirft er damit auch grundsätzlich die dort
Beschäftigten den für den neuen Bereich geltenden allgemeinen Regelungen. Dies gilt auch insofern, als er zur
Erfüllung der sich nunmehr ergebenden Aufgaben Beamte, Richter oder - wie hier - Berufssoldaten einsetzt und diese
unter Suspendierung ihres hoheitlichen Status ohne freie Heilfürsorge oder zumindest Beihilfeberechtigung beurlaubt.
Eine abweichende Regelung verbietet zudem nicht zuletzt der Grundsatz fairer Wettbewerbsbedingungen. Hätte es
der Staat in der Hand, den ihm gehörenden privaten Unternehmen Beamte, Richter oder Berufssoldaten im Wege einer
Beurlaubung zeitweise zum Zweck einer abhängigen Beschäftigung zu "überlassen", ohne für diese in den einzelnen
Zweigen der Sozialversicherung oder im Bereich der Arbeitsförderung Beiträge entrichten zu müssen, wären andere
Unternehmen, die auf derartiges Personal nicht zurückgreifen können, in ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsfähigkeit
nicht unerheblich benachteiligt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.