Urteil des BSG vom 14.12.2005

BSG: schiedsspruch, kieferorthopädie, anknüpfung, angemessenheit, vergütung, veröffentlichung, versorgung, vergleich, gestaltungsspielraum, ausnahme

Bundessozialgericht
Urteil vom 14.12.2005
Sozialgericht Frankfurt S 27 KA 4456/00
Hessisches Landessozialgericht L 7 KA 425/02
Bundessozialgericht B 6 KA 25/04 R
Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2003 und des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2002 sowie der Schiedsspruch des Beklagten vom 12. Juli 2000
hinsichtlich der Festlegung der Punktwerte für die Gebührentarife C und D (Ziffern II.2 und III.2) aufgehoben. Der
Beklagte wird verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs, mit dem die Gesamtvergütung für das Jahr
2000 festgesetzt worden ist.
Die klagenden Ersatzkassen-Verbände und die beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) erzielten für
das Jahr 2000 keine Einigung über die Gesamtvergütung. Umstritten war ua, ob die für 1999 gesetzlich angeordnete
Reduzierung der Ausgabenvolumina und der gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerte in den Bereichen Zahnersatz
und Kieferorthopädie auf die Werte von 1997 abzüglich 5 % (Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG)) für
die folgenden Jahre fortwirkt. Das beklagte Landesschiedsamt, das von der Beigeladenen angerufen worden war,
setzte für die Gebührentarife C (Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen) und D (Kieferorthopädische Behandlung)
des Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrages die Punktwerte fest, indem es die für 1997 geltenden, nicht reduzierten
Punktwerte um 1,3 % erhöhte. Die im Jahr 2000 höchstzulässigen Ausgabenvolumina bestimmte es hingegen auf der
Basis der im Jahr 1999 - unter Beachtung der 5 %igen Reduzierung gemäß Art 15 Abs 1 GKV-SolG - vereinbarten
höchstzulässigen Ausgabenvolumina, die ebenfalls um 1,3 % erhöht wurden. Die höchstzulässigen
Ausgabenvolumina des Jahres 1999 seien dem Schiedsamt als Grundlage bindend vorgegeben. Demgegenüber sei
hinsichtlich der Punktwerte infolge des Wegfalls der durch Art 15 und Art 24 GKV-SolG angeordneten Absenkung
wieder von den für 1997 geltenden Beträgen auszugehen. Die nur teilweise Ausschöpfung des möglichen
Steigerungssatzes von 1,43 % solle dazu beitragen, die Vergütungen im Ersatzkassenbereich schrittweise den
niedrigeren Vergütungen bei den Primärkassen anzugleichen (Schiedsspruch vom 12. Juli 2000).
Mit ihrer Klage gegen den Schiedsspruch haben die Kläger ua geltend gemacht, der Beklagte habe den ihm
zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten, indem er auf die höchstzulässigen - und nicht auf die tatsächlichen
- Ausgabenvolumina für 1999 sowie auf die nicht abgesenkten Punktwerte des Jahres 1997 zurückgegriffen habe.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts (SG) vom 30. Januar 2002 und des
Landessozialgerichts (LSG) vom 10. Dezember 2003). In dem Berufungsurteil ist ausgeführt, das Urteil des SG und
der angefochtene Schiedsspruch seien rechtmäßig. Die 5 %ige Absenkung durch Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-
SolG habe sich allein auf das Jahr 1999 bezogen. Eine Fortschreibung der dort getroffenen Absenkung in das Jahr
2000 hätte als Eingriff in die Vertragsautonomie einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, die dem Gesetz
nicht zu entnehmen sei. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität stehe einer Anknüpfung an die höheren Punktwerte
des Jahres 1997 nicht entgegen, da für die Wahrung der Beitragssatzstabilität ausschließlich die Ausgabenvolumina
und nicht die Punktwerte von Bedeutung seien. Auch die Zugrundelegung der höchstzulässigen Ausgabenvolumina für
1999 sei nicht zu beanstanden.
Die Kläger machen mit ihrer Revision geltend, die Festsetzung der Punktwerte auf der Basis der Werte des Jahres
1997 sei mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht vereinbar. Die vom Gesetzgeber in § 71 Abs 2 Satz 1
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgegebene Höchstgrenze der Veränderungsrate für die jeweilige Vergütung
sei nur auf das Vorjahr und nicht auf weiter zurückliegende Zeiträume zu beziehen. Die nach der Rechtsprechung bei
Vergütungsanpassungen maßgebliche Vorjahresanknüpfung komme auch bei einer vom Gesetzgeber selbst
festgelegten Vergütungshöhe zur Anwendung. Eine Auslegung von Art 15 Abs 1 GKV-SolG im Sinne einer punktuell
nur für 1997 geltenden Regelung widerspreche dem Zweck der Vorschrift, die erheblich gestiegenen Ausgaben für
Zahnersatz und Kieferorthopädie dauerhaft auf ein angemessenes Niveau zurückzuführen.
Nach Kenntnis des Senatsurteils vom 27. April 2005 (B 6 KA 22/04 R) verfolgen die Kläger ihre Revision, soweit sie
sich ursprünglich auch auf die Festlegung der Ausgabenvolumina für 2000 auf der Grundlage der höchstzulässigen
Volumina des Jahres 1999 erstreckte, nicht weiter.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2003 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main
vom 30. Januar 2002 sowie den Schiedsspruch des Beklagten vom 12. Juli 2000 in Ziff II.2 und III.2 hinsichtlich der
Festsetzung der Punktwerte für die Tarife C und D aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, insoweit unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Die Beigeladene beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen und die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs vom
12. Juli 2000 festzustellen.
Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen und des Beklagten für zutreffend.
Der Beklagte äußert sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
II
Die Revision der Kläger hat in dem zuletzt noch aufrechterhaltenen Umfang Erfolg. Hinsichtlich der Festsetzung der
Punktwerte für die Leistungsbereiche Zahnersatz und Kieferorthopädie können die Entscheidungen der Vorinstanzen
keinen Bestand haben. In diesem Umfang ist die Klage mit ihrem auf Verpflichtung zum Erlass eines neuen
Verwaltungsaktes gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 SGG gerichteten Antrag (vgl zur Klageart BSGE 91, 153 =
SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 10, mwN) begründet. Die in dem angefochtenen Schiedsspruch vorgenommene
Festsetzung der Punktwerte für das Jahr 2000 in den Gebührentarifen C und D auf der Basis der Punktwerte des
Jahres 1997 ist rechtswidrig.
Schiedssprüche gemäß § 89 SGB V unterliegen - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in
eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 11 mwN;
BSG SozR 4-5500 Art 11 Nr 1 RdNr 11; Senatsurteil vom 27. April 2005 - B 6 KA 42/04 R -, zur Veröffentlichung in
SozR 4 vorgesehen). Denn das Schiedsamt hat bei der Festsetzung von Gesamtverträgen über die
vertrags(zahn)ärztliche Vergütung einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen
ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich
angelegt und haben Kompromisscharakter (vgl vorgenannte BSG-Urteile aaO). Dementsprechend sind sie nur
daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die
zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von
ihm zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und
sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle
ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den
ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet
hat (BSG aaO).
Die Überprüfung des Schiedsspruchs anhand der aufgezeigten Maßstäbe ergibt, dass der Beklagte nicht befugt war,
in seinem Schiedsspruch über die Gesamtvergütung für das Jahr 2000 in den Leistungsbereichen Zahnersatz und
Kieferorthopädie die für 1997 geltenden Punktwerte zu Grunde zu legen. Gemäß § 85 Abs 3 SGB V (hier anzuwenden
in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266, die bis zum 31. Dezember
2003 galt) ist die im Vorjahr maßgebliche Gesamtvergütung der zutreffende Anknüpfungspunkt für die Festlegung der
Höhe der Gesamtvergütung im folgenden Jahr. Nach dieser Bestimmung sind bei der Vereinbarung von
Veränderungen der Gesamtvergütungen die Praxiskosten, die für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendende
Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen
Leistungsausweitung beruhen, zu berücksichtigen (Satz 1). Zudem ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in
Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten
(Satz 2 iVm § 71 SGB V, dieser in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999,
BGBl I 2626). Im Rahmen dieser Vorgaben war für die Festsetzung der Gesamtvergütung für das Jahr 2000 der
Regelung in Art 15 Abs 1 GKV-SolG Rechnung zu tragen, dh die Ausgabenvolumina für Zahnersatz und
Kieferorthopädie - jeweils ohne zahntechnische Leistungen (Satz 2 aaO) - und die im Rahmen der Gesamtvergütung
vereinbarten Punktwerte für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Kieferorthopädie
(Satz 7 aaO) waren in ihrer im Jahr 1999 geltenden, also um wenigstens 5 % unter den Stand von 1997 abgesenkten
Höhe zu Grunde zu legen.
Höhe zu Grunde zu legen.
Bei der Festlegung einer Gesamtvergütung ist an die für das Vorjahr vereinbarte bzw durch das Schiedsamt
festgesetzte anzuknüpfen (§ 85 Abs 3 Satz 1 SGB V). Eine Erhöhung darf zudem den Steigerungssatz des
Beitragsaufkommens der Krankenkassen nicht überschreiten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität, § 85 Abs 3 Satz 2
iVm § 71 Abs 1 und 2 SGB V). Ausnahmen sind in § 71 SGB V für den Fall geregelt, dass die notwendige
medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen
nicht zu gewährleisten ist (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V), weiterhin für den Fall von Mehrkosten für gesetzlich
vorgeschriebene Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen (§ 71 Abs 1 Satz 2 SGB V) und für den Fall des
Ausgleichs von Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen
Leistungsbereichen (§ 71 Abs 2 Satz 2 SGB V). Raum für die Berücksichtigung anderer als gesetzlich benannter
Umstände, beispielsweise der Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs, besteht nicht (BSGE 91, 153 = SozR 4-
2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 16 bis 23 - zu §§ 266, 267 SGB V). Aus dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung (vgl dazu
Senatsentscheidung vom 27. April 2005 - B 6 KA 42/04 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, mwN) folgt
zugleich, dass bei einer Absenkung der vorjährigen Gesamtvergütung - sei es durch Vereinbarung oder durch Gesetz -
dieses geminderte Vorjahresniveau der Ausgangspunkt für die nachfolgend zu vereinbarende Gesamtvergütung ist, es
sei denn, aus dem Gesetz ergäbe sich eine andere Regelung. Eine einmal vorgenommene Absenkung behält somit
ihre Wirkung auch für Folgevereinbarungen. Demgemäß muss die für 1999 angeordnete partielle Absenkung des
Vergütungsniveaus gemäß Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG bei der Festlegung der Gesamtvergütung für 2000 zu
Grunde gelegt werden.
Einer Anknüpfung an die für 1999 festgelegte Gesamtvergütung steht nicht der Einwand der Beigeladenen entgegen,
dass die Absenkung für 1999 gesetzlich angeordnet worden war. Zwar gründet sich das Prinzip der
Vorjahresanknüpfung auf den in der früheren Rechtsprechung wiederholt betonten Grundsatz, dass nach Art einer
Vermutung von der Angemessenheit der vorjährigen Gesamtvergütung auszugehen ist (zusammenfassend BSGE 91,
153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 21 mwN); dieser ist anhand vereinbarter Gesamtvergütungen entwickelt
worden. Die Angemessenheitsvermutung gilt aber auch im Falle gesetzlicher Vergütungsregelungen. Denn es kann
nicht davon ausgegangen werden, dass Festlegungen des Gesetzgebers nicht der Angemessenheit Rechnung trügen.
Im Gegenteil ist es Teil der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, seinerseits die Angemessenheit der
Gesamtvergütungen näher zu bestimmen. Seinen Vorgaben kommt höherer Rang als Vereinbarungen der Beteiligten
zu. Deshalb kann die Vermutung der Angemessenheit nicht auf vereinbarte Gesamtvergütungen beschränkt werden;
sie gilt vielmehr erst recht insoweit, als deren Höhe - ganz oder teilweise - durch Gesetz vorgegeben ist.
Der Gesetzgeber hat keine Regelung getroffen, aus der sich entnehmen ließe, dass für die Gesamtvergütung im Jahr
2000 nicht an das Vorjahr anzuknüpfen sei. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus Art 15 Abs 1 GKV-SolG. Dort war
zwar lediglich die Absenkung des Vergütungsniveaus für 1999 festgelegt. Eine Begrenzung dieser Ausgestaltung der
vertragszahnärztlichen Vergütung dahingehend, dass für 2000 dann wieder an die nicht geminderten Werte
anzuknüpfen sei, lässt das Gesetz aber nicht erkennen. Die Ansicht der Beigeladenen, im Falle einer "offenen"
Bestimmung, die weder eindeutig die Fortwirkung über 1999 hinaus regele noch eindeutig eine Begrenzung auf 1999
enthalte, sei von Letzterem auszugehen, trifft nicht zu. Vielmehr ist gemäß dem Prinzip der Anknüpfung an die
vorjährige Gesamtvergütung grundsätzlich diese zu Grunde zu legen, es sei denn, eine Ausnahme hiervon käme
ausreichend deutlich im Gesetz zum Ausdruck.
Für die Auffassung, im Zweifel sei von einer Begrenzung der Vergütungsabsenkung auf ein Jahr auszugehen, spricht
auch nicht der Vergleich mit anderen Bestimmungen, in denen die Fortwirkung für spätere Jahre ausdrücklich normiert
wurde. Diese beruhen jeweils auf besonderen Konstellationen. So lag der in § 85 Abs 2b SGB V enthaltenen
ausdrücklichen Regelung für das Folgejahr (Satz 2 aaO) zu Grunde, dass sich im Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens die Konzeption bei der Frage der Geltungsfortwirkung änderte (vgl dazu BT-Drucks 12/3209
S 7 und 12/3608 S 11) und dass eine Klarstellung der Geltungsdauer auch wegen der Berührung mit der - von 1993
bis 1995 geltenden - Regelung des § 85 Abs 3a SGB V nahe lag (s hierzu insbes dessen Satz 3 zu zahnprothetischen
und kieferorthopädischen Leistungen). Eine Klarstellung der Geltungsdauer war auch in Art 21 § 1 GKV-
Gesundheitsreformgesetz 2000 wegen der Differenzierung zwischen alten und neuen Bundesländern und des in
letzteren bestehenden besonderen Steigerungsbedarfs veranlasst. Anders als in diesen speziellen Konstellationen
bestand demgegenüber im Fall des Art 15 Abs 1 Satz 2 und 7 GKV-SolG kein Anlass zu einem Hinweis auf die
Fortwirkung der Vergütungsabsenkung.
Das aufgezeigte Prinzip der Vorjahresanknüpfung bei der Veränderung der Gesamtvergütung hat seit dem 1. Januar
2000 eine weitere eigenständige Verankerung durch die Verweisung in § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V auf den Grundsatz
der Beitragssatzstabilität erfahren (§ 71 SGB V; dazu grundlegend BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S
296 ff). Dieser Grundsatz ist bei der Festlegung des Ausgabenvolumens für die Gesamtheit der zu vergütenden
vertragsärztlichen Leistungen zu beachten (Satz 2 aaO iVm § 71 Abs 2 und 3 SGB V). Er besagt, dass sich die
Gesamtvergütungen grundsätzlich nur nach Maßgabe der vorjährigen - mit allgemeinen Einkommenssteigerungen im
Regelfall verbundenen - Erhöhungen des Beitragsaufkommens der Krankenkassen verändern dürfen, also an bereits
realisierte Vermehrungen von deren Einnahmen gekoppelt sind. Anders als nach der bis 1999 geltenden Fassung, die
auf die in § 141 Abs 2 SGB V geregelten bloßen Empfehlungen der Konzertierten Aktion Bezug nahm, besteht seit
dem 1. Januar 2000 eine strikte Koppelung an diesen Maßstab der Beitragssatzstabilität (zu einzelnen gesetzlichen
Ausnahmen s obige Ausführungen; zur Neufassung vgl BSG aaO S 139 bzw S 300 sowie Senatsurteil vom 27. April
2005 - B 6 KA 42/04 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Damit stünde es in Widerspruch, durch
Außerachtlassung der für 1999 erfolgten Absenkung eine Anhebung der Gesamtvergütungen von 1999 auf 2000 zu
gestatten, die höher läge als die entsprechende Steigerung des Beitragsaufkommens der Krankenkassen im Zeitraum
vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 (§ 71 Abs 3 Satz 4 SGB V). Eine gesetzliche Sonderregelung, die hier zu
einer Ausnahme berechtigen könnte in dem Sinne, dass für 2000 wieder an die nicht geminderten Werte von 1997
habe angeknüpft werden sollen, ergibt sich - wie ausgeführt - weder aus Art 15 Abs 1 GKV-SolG noch aus dem
Vergleich mit anderen Vorschriften wie § 85 Abs 2b SGB V und Art 21 § 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000.
Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität lässt sich - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht auf die Festsetzung
des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern wird auch durch die Festlegung der für die
Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt. Denn aus diesen ergibt sich, solange das höchstzulässige
Ausgabenvolumen nicht voll ausgeschöpft wird, die tatsächliche Ausgabensumme und dementsprechend der
Finanzierungsbedarf mit eventueller Auswirkung auf den Beitragssatz. Der Punktwert ist ein Faktor zur Ermittlung der
von den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütung und wird deshalb vom Wortlaut des § 71 SGB V miterfasst,
durch den die "Vergütungen des jeweils folgenden Kalenderjahres" zur Verhinderung übermäßiger
Ausgabensteigerungen begrenzt werden (§ 71 Abs 3 Satz 1, s auch Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB V). Deshalb
muss die gesetzliche Begrenzung der Vergütungsanpassung sowohl für das höchstzulässige Ausgabenvolumen als
auch für die Punktwerte gelten, zumal diese Punktwerte in der vertragszahnärztlichen Versorgung auch für die
Bemessung der Eigenanteile der Versicherten (§ 29 Abs 2 sowie § 30 Abs 2 SGB V) herangezogen werden. Nur das
entspricht dem Ziel der Beitragssatzstabilität (zur Notwendigkeit, auch Punktwerte am Grundsatz der
Beitragssatzstabilität auszurichten, s bereits BSGE 86, 126, 143 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 304 f). Die gelegentlich
geäußerte Ansicht, ihm komme es noch näher, an die vorjährige faktische Ausgabensumme statt an das
höchstzulässige Ausgabenvolumen anzuknüpfen, trifft dagegen nicht zu. Würde hierauf abgestellt, so könnte das für
die Vertrags(zahn)ärzte einen Anreiz schaffen, den zulässigen Rahmen der tatsächlichen Ausgaben jedes Jahr
weitestgehend auszuschöpfen, um so für Folgejahre die höchstmögliche Basis für die Festlegung der weiteren
Ausgabenvolumina zu haben. Es liegt im Interesse der Beitragssatzstabilität, einen solchen Anreiz nicht zu geben.
Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Art 15 Abs 1 Satz 2 GKV-SolG nicht das tatsächliche,
sondern (nur) das höchstzulässige Ausgabenvolumen begrenzt.
Die vom Beklagten in Ziff II.2 und III.2 des Schiedsspruchs für die Bereiche Zahnersatz und Kieferorthopädie
festgesetzten Punktwerte verstoßen infolge der Anknüpfung an die Punktwerte des Jahres 1997 gegen den Grundsatz
der Beitragssatzstabilität. Dieser erlaubte gemäß § 71 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1 und 4 SGB V iVm der
Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 3. Januar 2000 (BAnz Nr 1 S 2) für das Jahr 2000
lediglich eine Veränderung der Gesamtvergütungen gegenüber dem Vorjahr in Höhe von maximal +1,43 %.
Demgegenüber beträgt die Veränderungsrate der vom Beklagten festgesetzten Punktwerte im Vergleich zu den
Punktwerten des Jahres 1999 +6,6 %. Sie überschreitet damit eine vom Schiedsamt zwingend zu beachtende
rechtliche Vorgabe und führt zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Punktwerte für die Gebührentarife C und D.
Der Beklagte hat in dem von ihm insoweit neu zu beschließenden Schiedsspruch für das Jahr 2000 die durch Art 15
Abs 1 Satz 7 GKV-SolG für 1999 angeordnete Absenkung der Punktwerte sowie als Obergrenze eine
Veränderungsrate von maximal +1,43 % zu Grunde zu legen. Weitere Vorgaben können für die Neubescheidung nicht
gegeben werden. Denn zum einen haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf diese Fragen begrenzt (vgl dazu
BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 7), und zum anderen verbleibt den Vertragsparteien und ebenso
dem Schiedsamt die Befugnis, die Auswirkungen der neuen Beurteilung auf das Gesamtergebnis zu überprüfen und
nötigenfalls weitergreifend auch den sonstigen Vertragsinhalt neu zu gestalten (s hierzu BSG aaO RdNr 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 Satz 2 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und
hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff). Da die Kläger nur mit einem Teil
ihres ursprünglichen Revisionsantrags erfolgreich waren und im Übrigen die Revision zurückgenommen haben, ist es
angemessen, dass jeder der Beteiligten seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.