Urteil des BSG vom 28.03.2007

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Bundessozialgericht
Urteil vom 28.03.2007
Sozialgericht Bremen S 24 KA 67/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 11 KA 14/01
Bundessozialgericht B 6 KA 10/06 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2005
wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten um höheres Honorar für das Jahr 1999.
2
Der Kläger, ein Zahnarzt, ist seit dem 1.10.1990 im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV)
zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
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Die von der Vertreterversammlung der Beklagten mit Wirkung ab 1.1.1999 beschlossenen
Honorarverteilungsregelungen (Honorarverteilungsmaßstab (HVM) mit Anlage) sahen für drei Leistungsbereiche sog
sektorale Praxisbudgets (Individualbudgets) vor. Sie waren jeweils aus den Abrechnungsbeträgen des
Vertragszahnarztes im Jahr 1997 (mit bestimmten Abschlägen) zu berechnen. Bis zu den so festgelegten
Bemessungsgrenzen erhielt der einzelne Zahnarzt Honorar für seine vertragszahnärztlichen Leistungen mit
Punktwerten entsprechend den gesamtvertraglichen Vereinbarungen mit den Krankenkassen (KKn). Weiteres Honorar
über die Budgetgrenzen hinaus wurde nicht gewährt (abgesehen von Möglichkeiten der Übertragung von
Unterschreitungen der Bemessungsgrenzen aus dem Vorquartal und der Übertragung von Überschreitungen als
Abrechnungsforderung in das Folgequartal, allerdings nicht über das vierte Quartal eines Jahres hinaus).
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Soweit sich für einen Vertragszahnarzt auf der Grundlage seiner Abrechnungswerte des Jahres 1997 ein
Individualbudget ergab, das unterhalb der im KZÄV-Durchschnitt gewährten Bemessungsgrenzen - also unterhalb des
durchschnittlichen Budgetvolumens - lag, wurde sein Budget in dem Umfang erhöht, in dem die Zahl seiner Patienten
im Jahr 1999 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 1997 zugenommen hatte, höchstens jedoch bis zur
Höhe des durchschnittlichen Budgetvolumens. Dieses wurde nicht anhand des arithmetischen Mittels, sondern
anhand des Medians errechnet. Die so ermittelten Bemessungsgrenzen lagen von 1999 bis 2002 unter denen bei
Berechnung nach dem arithmetischen Mittel.
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In Anwendung dieser Regelungen honorierte die Beklagte die vom Kläger im Jahr 1999 erbrachten Leistungen in den
Bereichen der konservierend-chirurgischen Behandlungen sowie der Behandlungen am Gesichtsschädel und von
Parodontopathien nach Maßgabe der für ihn errechneten Individualbudgets mit 214.425 DM - später erhöht auf
227.262 DM und zuzüglich einer späteren Nachzahlung von 5.295 DM - sowie mit 67.453 DM. Der Kläger machte
geltend, diese Vergütungsvolumina lägen zwar über dem nach dem Median bemessenen, aber noch unter dem nach
dem arithmetischen Mittel berechneten durchschnittlichen Budgetvolumen, bis zu dem ihm eine Steigerung durch
Erhöhungen seiner Patientenzahl möglich sein müsse. Dementsprechend habe er Anspruch auf weitere ca 26.000 DM
(ca 13.000 EUR).
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Das von ihm nach erfolglosem Widerspruch angerufene Sozialgericht hat seine Klage abgewiesen. Das
Landessozialgericht (LSG) hat seine Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 2.11.2005). In dem Urteil des LSG ist
ausgeführt, die Festlegung von Individualbudgets und auch deren Bemessung seien rechtmäßig. Solche Budgets
dürften grundsätzlich nach dem individuellen Honorarvolumen eines Vertrags(zahn)arzts in einem zurückliegenden
Zeitraum bemessen werden. Auch die Kürzungen nach Maßgabe des Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-
SolG) sowie um weitere Sicherheitseinbehalte von 5 % seien unbedenklich. Nicht zu beanstanden sei ferner, die
Erhöhung der Budgets für unterdurchschnittlich abrechnende Vertragszahnärzte daran zu binden, dass sie über einen
entsprechenden Patientenzuwachs verfügten, und diese Erhöhung auf das nach dem sog Median berechnete
durchschnittliche Budgetvolumen zu begrenzen. Dies sei mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V sowie mit der dies
konkretisierenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vereinbar, auch wenn in dessen Urteilen jeweils
nur allgemein vom "Durchschnitt" die Rede sei. In den Jahren, über die vom BSG entschieden worden sei, sei der
Durchschnittsberechnung üblicherweise das arithmetische Mittel zugrundegelegt worden. Eine Rechtswidrigkeit
ergebe sich nicht daraus, dass die Berechnung nach dem Median in den Jahren 1999 bis 2002 zu Werten geführt
habe, die um 9 % bzw 11 % niedriger gelegen hätten als bei Anwendung des arithmetischen Mittels. Die Beklagte
habe zu Recht beim Kläger auch keine Grundlage für die Anerkennung eines Härtefalls gesehen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Formelles Recht sei dadurch
verletzt, dass das Urteil des LSG "objektiv unverständlich" sei, weil darin Passagen aus dem Parallelurteil, gegen das
die Revision unter dem Az B 6 KA 9/06 R anhängig sei, nach der Baustein-Methode übernommen worden seien, ohne
diese sachgerecht einzupassen. In der Sache habe das LSG Inhalt und Umfang des Gebots leistungsproportionaler
Honorarverteilung und der Honorarverteilungsgerechtigkeit verkannt. Die insoweit von der Rechtsprechung des BSG
entwickelten Grundsätze seien verletzt. Zwar habe die Beklagte durch die Änderung ihres HVM vom 31.8.1999 diesen
Entscheidungen insofern Rechnung getragen, als nunmehr sog Neugründer-Praxen ihren Umsatz durch Erhöhung ihrer
Patientenzahlen bis zum durchschnittlichen Budgetvolumen hätten steigern können. Zu beanstanden sei aber, dass
die Beklagte der Berechnung des durchschnittlichen Budgetvolumens nicht wie bisher das arithmetische Mittel,
sondern jetzt den sog Median zugrundegelegt habe. Während die Bemessungsgrenze im Jahr 1999 für sog
Sachleistungen bei Anwendung des arithmetischen Mittels 237.300 DM betragen haben würde, habe die Festlegung
anhand des Medians diesen Wert um ca 24.500 DM auf 212.800 DM reduziert. Die Rechtsprechung des BSG habe
jedoch ausdrücklich vorgegeben, dass unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssten,
durch Steigerungen ihrer Fall- bzw Patientenzahl zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu
erreichen. Damit sei die Berechnung anhand des arithmetischen Mittels gemeint gewesen. Deshalb dürfe nicht
stattdessen auf den Median abgestellt werden. Die Beklagte habe bei der Berechnung des Durchschnitts keinen
Gestaltungsspielraum. Der Median sei keine mögliche Variante bei der Ermittlung des Durchschnitts, vielmehr nur
eine statistische Methode, um die Signifikanz wissenschaftlich statistischer Untersuchungen abzusichern. Bei einer
Grenzziehung anhand des Medians würden kleinere Praxen "künstlich klein gehalten", und zwar unterhalb des
arithmetischen Mittels. Gehe man - grob vereinfacht - von einer Gruppe von zehn Personen aus, in der eine Person
nichts verdiene, fünf Personen 100.000 EUR und drei Personen 200.000 EUR verdienten sowie eine Person 1.000.000
EUR, so ergebe sich ein arithmetisches Mittel von 210.000 EUR, während der Median, der an den Personen mit den
in der Mitte liegenden Verdiensten festgemacht werde, nur 100.000 EUR betrage. Der Median kennzeichne damit den
"typischen", nicht aber den Durchschnittsumsatz einer Vertragszahnarztpraxis. Für das dem Median innewohnende
Ziel der Eliminierung von sog Ausreißer-Werten sei insoweit - auch gemäß den Urteilen des BSG - kein Raum.
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Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2005 und des
Sozialgerichts Bremen vom 14. Februar 2001 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 13. September
1999, vom 7. März 2000 und vom 9. Mai 2000 - in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2000 - und den
Bescheid vom 10. Oktober 2000 zu ändern sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm - dem Kläger - einen neuen
Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Das Urteil des LSG sei nicht zu beanstanden. Die formelle Rüge unzureichender Entscheidungsgründe greife nicht
durch, weil die als fehlerhaft gerügte Sachverhaltssicht des LSG die tragenden Urteilsgründe nicht berühre. In der
Sache sei das Urteil des LSG zutreffend. Ein HVM dürfe die Ausweitung des Honorars für unterdurchschnittliche
Praxen auf das anhand des Medians berechnete durchschnittliche Budgetvolumen begrenzen. Dies sei mit der
Rechtsprechung des BSG vereinbar, entspreche nämlich ihrem Sinngehalt, und halte sich im Rahmen der
Gestaltungsfreiheit, die bei der Ausformung der Honorarverteilung bestehe. Wäre dagegen das durchschnittliche
Budgetvolumen nach dem arithmetischem Mittel berechnet worden, hätte dies zwar zu höheren Budgets für die
Aufbaupraxen und damit für diese zu höheren Steigerungsmöglichkeiten geführt, aber zugleich mit der Folge, dass die
hierfür erforderlichen höheren Finanzmittel durch eine Erhöhung des Einbehalts von allen - also auch den
unterdurchschnittlich abrechnenden - Praxen hätten aufgebracht werden müssen.
II
11
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
12
Seine Rüge, das Berufungsurteil leide an dem formellen Fehler unzureichender Entscheidungsgründe (§ 202 SGG iVm
§ 547 Nr 6 ZPO), weil es objektiv unverständlich sei, greift nicht durch. Zwar trifft der Vorhalt des Klägers zu, dass
dem LSG Fehler dadurch unterlaufen sind, dass es in zu weitgehendem Ausmaß Urteilspassagen aus dem - im
Sachverhalt anders gelagerten - Parallelurteil übernommen hat, gegen das die Revision unter dem Az B 6 KA 9/06 R
anhängig ist. Solange aber trotz der Fehler noch eine Auseinandersetzung mit dem Kern seines Vorbringens
erkennbar sowie die Argumentation noch nachvollziehbar und verständlich ist, kann das Urteil nicht als fehlerhaft
aufgehoben werden (s die Rspr-Angaben bei Bolay in Lüdtke, SGG - Handkommentar -, 2. Aufl 2006, § 136 RdNr 17
bis 19 sowie bei Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 136 RdNr 7e; vgl auch zB
BVerwG NVwZ 2007, 216, 218). So liegt es hier. Ungeachtet der teilweise unzutreffenden Sachverhaltsverarbeitung in
dem Urteil ist diesem der zugrundeliegende, maßgebliche Grund für die Klageabweisung und Berufungszurückweisung
- dass nämlich unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zwar Umsatzsteigerungen durch Erhöhungen ihrer
Patientenzahlen eingeräumt werden müssen, aber durch den Median des durchschnittlichen Budgetvolumens
begrenzt werden dürfen - ausreichend deutlich zu entnehmen. Bezogen auf die tragende Urteilsbegründung kommt
den Mängeln weder ausschlaggebende Bedeutung zu, noch ist ihretwegen das Urteil als unverständlich zu
bezeichnen.
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In der Sache ist das Urteil des LSG nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der
angefochtene Honorarbescheid für das Jahr 1999 und die ihm zugrundeliegenden Bestimmungen des HVM, soweit
ihre Überprüfung in diesem Revisionsverfahren veranlasst ist, rechtmäßig sind.
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Der von der Beklagten für das Jahr 1999 beschlossene HVM - in der Fassung vom 31.8.1999 - sah sog
Individualbudgets vor. Nach dessen Regelungen (Anlage zum HVM, Abschnitt II Nr 2.1 bis 2.3 iVm Nr 1.1 bis 1.3)
galten für die Vertragszahnärzte grundsätzlich Bemessungsgrenzen für drei Bereiche, und zwar für konservierend-
chirurgische Leistungen sowie für die Behandlungen von Verletzungen und Erkrankungen des Gesichtsschädels und
der systematischen Behandlungen von Parodontopathien (KCH/KBR/PAR), für die Versorgung mit Zahnersatz und
Zahnkronen (ZE) sowie für die kieferorthopädischen Leistungen (KFO). Diese Budgets waren jeweils aus den
Abrechnungsbeträgen des Vertragszahnarztes im Jahr 1997 zu berechnen, wobei Honorarkürzungen gemäß Art 15
GKV-SolG (vom 19.12.1998, BGBl I 3853) sowie in allen drei Bereichen auch Sicherheitseinbehalte von 5 % erfolgten.
Bis zu den so festgelegten Bemessungsgrenzen erhielt der einzelne Zahnarzt Honorar für seine
vertragszahnärztlichen Leistungen. Diese wurden bis zu diesen Grenzen nach den mit den KKn gesamtvertraglich
vereinbarten Punktwerten vergütet. Weiteres Honorar über die Budgetgrenzen hinaus wurde nicht gewährt.
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Soweit sich für einen Vertragszahnarzt eine Bemessungsgrenze ergab, die unterhalb des anhand des Medians
ermittelten durchschnittlichen Budgetvolumens lag (im HVM mit "KZÄV-Landesdurchschnitt der Bemessungsgrenzen"
bezeichnet), galt für ihn eine höhere Bemessungsgrenze; sein Budget wurde in dem Umfang heraufgesetzt, in dem
seine Patientenzahl im Jahr 1999 gegenüber dem früheren Bemessungszeitraum (1997) zugenommen hatte, aber
nicht über das durchschnittliche Budgetvolumen hinaus.
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Diese Regelungen sind rechtmäßig. Nach ihnen konnten unterdurchschnittlich abrechnende Praxen ihren Umsatz
durch Erhöhungen der Zahl ihrer Patienten bis zum durchschnittlichen Budgetvolumen steigern, wobei dieses anhand
des Medians und nicht nach dem arithmetischen Mittel errechnet wurde. Während bei Anwendung des arithmetischen
Mittels die Individualbudgets aller Vertragszahnärzte summiert und dann durch deren Anzahl dividiert werden, werden
bei der Berechnung anhand des Medians innerhalb der nach Betragsgrößen geordneten Individualbudgets zwei der
Zahl nach gleich große Gruppen gebildet. Der in der Mitte liegende Betrag (oder wenn zwei in der Mitte liegen: der in
der Mitte zwischen diesen liegende Betrag) stellt den Median dar, der auch als "Zentralwert" bezeichnet wird (vgl
Brockhaus, 2002, Stichwort "Median"). Auf diese Weise wirken sich Ausreißerwerte, die ein arithmetisches Mittel
atypisch nach oben oder nach unten ziehen können, nicht aus. Durch die Berechnung des durchschnittlichen
Budgetvolumens anhand des Medians statt anhand des arithmetischen Mittels hat der Kläger nach seiner
Vergleichsberechnung ein um ca 26.000 DM (ca 13.000 EUR) geringeres Honorar erhalten.
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Die vom Kläger angegriffenen Bestimmungen des HVM über die Berechnung der Individualbudgets sind mit der
Regelung des § 85 Abs 4 SGB V und dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG herzuleitenden Grundsatz der
Honorarverteilungsgerechtigkeit sowie mit der diese Vorgaben konkretisierenden Rechtsprechung des BSG vereinbar.
Dieses hat die Weite der Gestaltungsfreiheit des Normgebers bei der Ausformung von Honorarverteilungsregelungen
betont, aber auch deren Grenzen beschrieben. Danach sind - die Vorgabe leistungsproportionaler Vergütung in § 85
Abs 4 Satz 3 SGB V modifizierend - Honorarbegrenzungen zulässig, um einerseits den Vertrags(zahn)ärzten für einen
Großteil ihrer Leistungen stabile Punktwerte zu gewährleisten und ihnen so zu ermöglichen, ihr zu erwartendes
vertrags(zahn)ärztliches Honorar genauer abzuschätzen (sog Kalkulationssicherheit), und um andererseits zu
erreichen, dass auch bei steigenden Leistungsmengen die Honorierung im Rahmen des begrenzten
Gesamtvergütungsvolumens bleibt (vgl zB BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 23, 24 und 27;
BSG, Urteile vom 19.7.2006 - B 6 KA 8/05 R - RdNr 12, 14 und 16, sowie vom 29.11.2006 - B 6 KA 42/05 R - RdNr
15, jeweils zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Art und Weise der Ausformung der dafür erforderlichen
Begrenzungen liegt in der Gestaltungsfreiheit der K(Z)ÄV, die dafür vielfältige Möglichkeiten hat (s die Aufzählungen
in BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 23, und in BSG, Urteil vom 19.7.2006 - B 6 KA 8/05 R - RdNr
14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
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Diese Grundsätze konkretisierend, können bei der Honorarverteilung Individualbudgets vorgesehen werden. Dabei
werden für jeden Vertrags(zahn)arzt individuelle Honorarbegrenzungen in Anknüpfung an sein Honorarvolumen in
einem bestimmten früheren Zeitraum festgesetzt (stRspr, zB BSG, Urteile vom 19.7.2006 aaO RdNr 14 am Ende
mwN und vom 29.11.2006 aaO - RdNr 13). In diesem Zusammenhang hat das BSG aber - abgeleitet aus Art 12 Abs 1
GG und aus dem dieses Grundrecht konkretisierenden Prinzip der Honorarverteilungsgerechtigkeit - gefordert, dass
Vertragszahnärzten mit unterdurchschnittlichem Umsatz - zB solche, deren Praxis sich noch im Aufbau befindet -
ermöglicht werden muss, ihren Umsatz durch Erhöhung ihrer Fall- bzw Patientenzahl zumindest bis zum
Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu steigern (grundlegend BSG, Urteile vom 21.10.1998, zB BSGE 83, 52, 57 f =
SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; aus neuerer Zeit zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 18 ff).
Diese Steigerung muss für Praxen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren
bemessen werden kann, sofort möglich sein, für andere, noch nach der Aufbauphase unterdurchschnittlich
abrechnende Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren (s dazu zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils
RdNr 20-22; besonders deutlich - betr Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen - BSGE 92, 233 = SozR 4-2500
§ 85 Nr 9, jeweils RdNr 18).
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Die in den bisherigen Urteilen anzutreffende Formulierung, unterdurchschnittlich abrechnende Vertrags(zahn)ärzte
müssten ihren Umsatz "zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz" steigern können (so wörtlich BSGE 83, 52, 55
und 57 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 203 und 206 f; in der Sache ebenso zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5,
jeweils RdNr 19, und BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18), beruht darauf, dass diesen Urteilen
jeweils ein HVM zugrunde lag, der auch in anderen Regelungszusammenhängen auf einen Durchschnittsumsatz
abstellte. Es ist deshalb nicht zwingend, die Vorgabe einer möglichen Steigerung bis zum durchschnittlichen Umsatz
ausschließlich in dem Sinne zu verstehen, dass dieser im Wege des arithmetischen Mittels zu berechnen sei. Die
Formulierung ist vielmehr nach dem Sinngehalt der zugrundeliegenden Rechtsprechung auszulegen. Dieser geht - wie
sich aus obiger Darstellung der Rechtsprechung ergibt - dahin, dass unterdurchschnittlich abrechnende
Vertrags(zahn)ärzte - wegen ihres Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog
Honorarverteilungsgerechtigkeit - die Möglichkeit haben müssen, ihre Praxis zu einer mit typischem Umsatz
auszubauen. Dabei kann der "typische" Umsatz anhand des arithmetischen Mittels ermittelt werden. Es kann aber
auch festgelegt werden, dass er, um atypische "Ausreißer" aus der Betrachtung herauszulassen, nach anderen
Methoden bestimmt wird, soweit damit dem Sinngehalt der Rechtsprechung des BSG Rechnung getragen wird.
Insofern ist die Rechtslage ähnlich derjenigen im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, bei der im Rahmen der
Methode des sog statistischen Vergleichs entweder das arithmetische Mittel der Fachgruppe angewendet oder die
Gauß sche Normalverteilung mit Kennzeichnung der sog Standardabweichung - und Herauslassung von
Ausreißerwerten - zugrunde gelegt werden kann (zur Freiheit der Methodenwahl s stRspr des BSG, zB BSGE 71, 90,
93 = SozR 3-2500 § 106 Nr 13 S 75). In entsprechender Weise kann für die Ermittlung des Bereichs, bis zu dem
geringer abrechnenden Vertrags(zahn)ärzten ein Wachstum möglich sein muss, auf das anhand des Medians
ermittelte durchschnittliche Budgetvolumen abgestellt werden, statt auf eine Berechnung anhand des arithmetischen
Mittels. Auch dies wird der Vorgabe des BSG gerecht, dass unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit
haben müssen, zu einer Praxis typischer Gestalt und mit typischem Umfang ihres Umsatzes aufzuschließen.
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Das Abstellen auf das nach dem Median berechnete durchschnittliche Budgetvolumen für die Begrenzung des
Wachstumsanspruchs kann - entgegen der Ansicht des Klägers - auch nicht deshalb beanstandet werden, weil
dadurch die Gruppe der Zahnärzte mit unterdurchschnittlichem Umsatz systematisch benachteiligt werde. Dies trifft
nicht zu. Der Median liegt nicht notwendigerweise stets niedriger als das arithmetische Mittel. Zwar mag dies bei den
Vertragszahnärzten im Bezirk der Beklagten häufig der Fall sein, weil es hier möglicherweise statistisch mehr sog
Ausreißer im oberen als im unteren Umsatzbereich gibt. Dafür spricht, dass das nach dem Median berechnete
durchschnittliche Budgetvolumen in den Jahren 1999 bis 2002 jeweils um ca 10 % unterhalb desjenigen lag, das sich
anhand des arithmetischen Mittels ergeben hätte. Aber ein zwingender Zusammenhang derart, dass ein
Zuwachsanspruch bis zu einer nach dem Median ermittelten Grenze stets schlechter ist als im Falle ihrer Berechnung
anhand des arithmetischen Mittels, ist nicht feststellbar. Zutreffend hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen, dass zur Finanzierung eines Umsatzzuwachses unterdurchschnittlich abrechnender Vertragszahnärzte
bis zur Erreichung eines durchschnittlichen Budgetvolumens, das nach dem arithmetischen Mittel errechnet würde,
höhere Honorarabschläge für alle Zahnärzte als die bislang hierfür in ihrem HVM vorgesehenen in Höhe von 5 %
erforderlich gewesen wären. Dies hätte gerade für kleine Praxen, insbesondere dann, wenn sie keinen zu
berücksichtigenden Umsatzzuwachs erzielt hatten, erhebliche negative Auswirkungen gehabt, weil die ihnen zur
Verfügung stehende Liquidität durch höhere Honorareinbehalte beschnitten worden wäre.
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Auch sonst besteht kein rechtliches Verbot, für die Begrenzung des Wachstumsanspruchs unterdurchschnittlich
abrechnender Vertrags(zahn)ärzte das nach dem Median berechnete durchschnittliche Budgetvolumen heranzuziehen.
So ergibt sich daraus, dass der Median in der Mathematik bzw in der Lehre der Statistik dazu diene, die Signifikanz
wissenschaftlich statistischer Untersuchungen abzusichern, entgegen der Ansicht des Klägers kein rechtsrelevanter
Einwand gegen seine Heranziehung im vorliegenden Zusammenhang. Solche Modifizierungen der Honorarverteilung
halten sich, wie oben ausgeführt, im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers. Auch der von dem Kläger
angeführte Berechnungsvergleich vermag Bedenken nicht zu begründen. Er ist nicht typisch. Die dabei
zugrundegelegte geringe Zahl von nur zehn Personen bei gleichzeitiger Annahme extremer Ausreißerfälle begünstigt
die Möglichkeit großer Unterschiede zwischen dem Median und dem arithmetischen Mittel. Im Falle einer Gruppe mit
vielen Personen - wie hier im Bezirk der Beklagten - ist der Abstand zwischen Median und arithmetischem Mittel
regelmäßig kleiner (vgl Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hrsg), KZBV Jahrbuch 2006; Tabelle 5.1, Spalten 7
bzw 9).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und hier noch
anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).