Urteil des BPatG vom 10.01.2000
Urteil vom 10.01.2000
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 55/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 198 03 812.7
(hier: Antrag auf Gewährung von Verfahrens-
kostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren)
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
10. Januar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Petzold
sowie der Richter Dipl.-Ing. Winklharrer, Dipl.-Ing. Küstner und Rauch
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß
des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabtei-
lung 11 - vom 13. April 1999 aufgehoben.
2.
Das Verfahren wird zur weiteren Prüfung an das Deutsche
Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Der Antragsteller hat für das Verfahren seiner am 31. Januar 1998 eingereichten
Patentanmeldung 198 03 812.7 mit der Bezeichnung "vollelektronisch autorisierte
Velo-Gangschaltung" am 7. Februar 1998 Verfahrenskostenhilfe sowie die Bei-
ordnung eines Patentanwalts beantragt.
Auf Grund der vom Antragsteller vorgelegten Erklärung über seine wirtschaftlichen
und persönlichen Verhältnisse hat die Patentabteilung 11 des Deutschen Patent-
und Markenamts seine Bedürftigkeit als nachgewiesen angesehen. Mit
Zwischenbescheid vom 3. Februar 1999 hat sie dem Antragsteller mitgeteilt, daß
mit einer Zurückweisung seines Antrags wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten
Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) zu rechnen sei. Er habe bis zum Anmeldetag mehr
als 55 Schutzrechtsanmeldungen auf den verschiedensten technischen Gebieten
eingereicht und hierfür Verfahrenskostenhilfe beantragt. Seitdem habe er bereits
wieder 23 Verfahrenskostenhilfeanträge gestellt. Durch die Verfahrenskostenhilfe
solle ein bedürftiger Anmelder beim Zugang zum gewerblichen Rechtsschutz und
im Rechtsstreit einem vermögenden Anmelder gleichgestellt werden, jedoch solle
ihm nicht auf Kosten der Allgemeinheit eine Prozeßführung ermöglicht werden,
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von der ein Vermögender bei vernünftiger Einschätzung seiner Sach- und
Rechtslage absehen würde. Mutwilligkeit sei auch anzunehmen, wenn die Ver-
wertung des erstrebten Schutzrechts als nicht aussichtsreich erscheine, weil Ver-
wertungsversuche vergeblich gewesen oder dem Deutschen Patent- und Marken-
amt die Verwertung nicht bekannt gegeben worden sei, eine Fremdnutzung an der
fehlenden Aufnahmebereitschaft des Marktes und eine Eigennutzung an den
fehlenden Finanzmitteln des Schutzrechtsinhabers scheitere. In einem solchen
Fall sei die Erstreitung des Schutzrechts im Ergebnis nutzlos und deshalb nicht
sinnvoll. Das der Öffentlichkeit gegenüber verantwortliche Deutsche Patent- und
Markenamt könne es sich auf Dauer nicht leisten, unbegrenzt öffentliche Mittel
und unverhältnismäßig viel Zeit und Arbeit in eine Flut möglicherweise zwar pa-
tentfähiger, jedoch ersichtlich wirtschaftlich nicht verwertbarer Erfindungen zu in-
vestieren, von denen ein sozialer Nutzen und ein Rückfluß der eingesetzten
Geldmittel in die öffentlichen Kassen nicht zu erwarten sei.
Der Antragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 23. Februar 1999 u. a. geltend
gemacht, seine Erfindung diene dazu, den Antrieb von Fahrrädern zu erleichtern
und das Fahrradfahren dadurch sicherer zu machen, daß sich der Fahrer intensi-
ver auf den Verkehr konzentrieren könne.
Mit Beschluß vom 13. April 1999 hat die Patentabteilung den Antrag auf
Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es in dem Be-
schluß, der Antragsteller habe keine sachdienlichen Argumente vorgebracht, die
zu einer gegenüber dem Bescheid vom 3. Februar 1999 veränderten Beurteilung
des Sachverhalts veranlassen könnten.
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Dagegen richtet sich der Beschluß des Antragstellers, der sinngemäß den Antrag
stellt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben, ihm die beantragte
Verfahrenskostenhilfe zu gewähren sowie einen Patentanwalt als
Vertreter beizuordnen.
Zur Begründung verweist der Antragsteller darauf, daß es für einen freien Erfinder
wie ihn problematisch sei, seine Erfindungen wirtschaftlich zu verwerten. Aus
bislang gescheiterten Bemühungen dürfe aber nicht gefolgert werden, daß die
Verwertung unmöglich sei. Die vorliegende Erfindung werde von umweltbewußten
Bürgern sicherlich begrüßt. Er wolle mit seinen Erfindungen das Leben der Bevöl-
kerung erleichtern, schützen und bewahren. Daher sei es angezeigt, sein Bestre-
ben eher zu fördern und nicht ab einer gewissen Anzahl von Erfindungen im
Rahmen der Verfahrenskostenhilfe zu blockieren.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. § 114 ZPO erhält im Verfahren zur Er-
teilung eines Patents jeder Anmelder, der die Kosten für eine Patentanmeldung
nicht aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn hinreichende Aus-
sicht auf Patenterteilung besteht und die beabsichtigte Rechtsverfolgung (d. h. das
Erteilungsbegehren) nicht mutwillig erscheint.
Der Senat hat sich in seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß vom
20. Dezember 1999 im Verfahren 9 W (pat) 59/98 ausführlich zu den von der an-
gefochtenen Entscheidung der Patentabteilung aufgeworfenen, die Auslegung des
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Merkmals "Mutwilligkeit" betreffenden Rechtsfragen geäußert. An seinen damals
vertretenen Auffassungen hält der Senat auch im vorliegenden Zusammenhang
fest. Danach können zwar mangelnde Aussichten für die wirtschaftliche
Verwertung eines Patents im Einzelfall die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung be-
gründen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn gravierende, gegen eine wirt-
schaftliche Verwertung sprechende Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Ergeb-
nis nicht entkräftet werden können. Bloße Zweifel an der Verwertbarkeit sind für
eine Versagung nicht ausreichend. Ebensowenig wie für die Annahme von Mut-
willigkeit die fehlenden Gewinnaussichten mit letzter Sicherheit ausgeschlossen
werden müssen, bedarf es umgekehrt für den Ausschluß der Mutwilligkeit eines
exakten Nachweises, daß das angestrebte Patent wirtschaftlich verwertbar sein
wird.
Nach Auffassung der Patentabteilung verhält sich der Antragsteller mutwillig, weil
es keine Hinweise gebe, daß auch nur eine seiner bisherigen Erfindungen wirt-
schaftlich verwertet worden sei. Dieser Schlußfolgerung kann nicht zugestimmt
werden.
Zwar kann für die Prüfung, ob die Rechtsverfolgung im konkret vorliegenden Fall
mutwillig ist, durchaus von Bedeutung sein, daß ein Antragsteller mit seinen zahl-
reichen bisherigen Anmeldungen keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielen konnte.
Dies gilt insbesondere dann, wenn die früheren Erfindungen mit dem Gegenstand
der jetzigen Anmeldung eng zusammenhängen. Konnte der Antragsteller in einem
solchen Fall schon bisherige Schutzrechte nicht verwerten, so kann dies nach der
Lebenserfahrung ein Indiz dafür sein, daß auch mit der konkreten verfahrensge-
genständlichen Anmeldung keine Verwertungsaussichten verbunden sind.
Eine automatische Schlußfolgerung von dem bisherigen Anmeldeverhalten des
Antragstellers und von seiner wirtschaftlichen Erfolglosigkeit auf die Mutwilligkeit
der jetzigen Anmeldung wäre jedoch mit dem im Verfahren der Prozeß- und Ver-
fahrenskostenhilfe geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nicht vereinbar. Die Pa-
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tentabteilung darf sich daher in den genannten Fällen nicht mit der bloßen
Feststellung begnügen, daß die bisherigen Verwertungsversuche erfolglos ge-
blieben sind. Vielmehr muß sie die Gründe benennen, die den Schluß rechtferti-
gen, daß auch der aktuellen Anmeldung voraussichtlich kein wirtschaftlicher Erfolg
beschieden sein wird. Diese Gründe können sich aus dem Erfindungsgegenstand
ebenso ergeben wie aus der Person oder dem Verhalten des Antragstellers oder
aus objektiven Gegebenheiten des Marktes. Die Patentabteilung muß aber auch
den Gesichtspunkten nachgehen, die geeignet sind, das sich aus der bisherigen
wirtschaftlichen Erfolglosigkeit ergebende Indiz zu entkräften. Bei offensichtlich
besonders erfolgversprechenden Anmeldungen ist die Annahme von Mutwilligkeit
stets fehl am Platz.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller geltend gemacht, seine Erfindung diene
dazu, das Fahrradfahren zu erleichtern und gleichzeitig sicherer zu machen. Dar-
aus zieht er den Schluß, daß durchaus ein Interesse an der Vermarktung seiner
Erfindung bestehen müsse. Damit hat der Antragsteller Gründe angegeben, die es
nicht zulassen, von seiner bisherigen Erfolglosigkeit im Bemühen um die wirt-
schaftliche Verwertung seiner Erfindungen ohne weiteres darauf zu schließen, daß
auch im konkret zu beurteilenden Fall keine Gewinne zu erwarten seien.
Der angefochtene Beschluß ist daher insoweit fehlerhaft, als die Patentabteilung
auf die Argumentation des Antragstellers mit keinem Wort eingegangen ist und
allein auf Grund der Vielzahl der Anmeldungen angenommen hat, daß die
verfahrensgegenständliche Erfindung nicht verwertbar sei. Zur Ablehnung des
Antrags wäre es erforderlich gewesen, gravierende Anhaltspunkte für das Vorlie-
gen von Mutwilligkeit im konkreten Fall anzuführen. Solche Anhaltspunkte sind
nach Aktenlage nicht ohne weiteres ersichtlich. Insbesondere kann den einge-
reichten Unterlagen - unabhängig von der Prüfung, ob hinreichende Aussichten
auf Patenterteilung bestehen - kein unmittelbarer Hinweis auf mangelnde Ver-
wertungsaussichten entnommen werden.
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Die Patentabteilung durfte daher den Antrag auf Gewährung von Verfahrens-
kostenhilfe mit der angegebenen Begründung nicht wegen Mutwilligkeit der
Rechtsverfolgung zurückweisen. Unter den Voraussetzungen, daß sich im weite-
ren Verfahren keine für die Begründung der Mutwilligkeit tragfähigen Gesichts-
punkte ergeben und der Antragsteller weiterhin nicht über ausreichende eigene
Mittel verfügt, wird der Erfolg seines Antrags demnach allein davon abhängen, ob
hinreichende Aussichten auf Erteilung des beantragten Patents bestehen. Da sich
die Patentabteilung zu dieser Frage bislang noch nicht geäußert hat, sieht der
Senat davon ab, die hierzu erforderliche Untersuchung im Rahmen seiner
Rechtsmittelzuständigkeit vorzunehmen. Statt dessen wird die Sache unter Auf-
hebung des angefochtenen Beschlusses zur weiteren Prüfung an das Deutsche
Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Petzold Winklharrer
Küstner
Rauch
prö