Urteil des BPatG vom 09.07.2018

Urteil vom 09.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:090718B7Wpat11.18.0
BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 11/18
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 012 508.3
hier: Beschwerde gegen den Erteilungsbeschluss
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts am 9. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die
Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr
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beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für
Klasse A47K des Deutschen Patent- und Markenamts vom
21. Februar 2018 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Pa-
tent- und Markenamt zurückverwiesen.
2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I.
Am 4. März 2008 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt
eine Erfindung mit der Bezeichnung „Tragfuß für eine Wanne“ zur Patentierung
ein. Am 11. Oktober 2014 stellte sie den Prüfungsantrag.
Im Anschluss an zwei vorangegangene Prüfungsbescheide wurde der Anmelderin
durch Bescheid vom 16. Januar 2018 eine Patenterteilung unter der Maßgabe der
Beseitigung einiger „handwerklicher“ Mängel und der Würdigung einer bestimmten
Druckschrift als Stand der Technik in Aussicht gestellt.
Daraufhin übermittelte die Anmelderin mittels Telefax am 1. Februar 2018 (im Ori-
ginal eingegangen am 2. Februar 2018) geänderte Unterlagen für die Erteilung,
nämlich einen neuen Satz Patentansprüche 1 bis 15, Beschreibungsseiten 1 bis
11 und Zeichnungen mit Figuren 1 bis 8; die Bezeichnung der Erfindung wurde
geändert in „Höhenverstellbarer Tragfuß für eine Wanne“.
Ohne weiteren Zwischenbescheid erteilte die Prüfungsstelle für Klasse A47K des
Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 21. Februar 2018 ein
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Patent auf Grundlage der am 1. Februar 2018 eingereichten Unterlagen, an denen
sie jedoch eine Reihe von (als „redaktionell“ bezeichneten) Änderungen vornahm.
So änderte sie den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 8, demzufolge
gemäß dem Antragswortlaut „Ausrichtemittel (25) vorgesehen sind, welche die
beiden Spannbacken (7, 8) beim Verspannen in der gewünschten Position zuei-
nander halten“ dahingehend, dass „eine Verdrehsicherung (25) vorgesehen ist,
welche die beiden Spannbacken (7, 8) beim Verspannen in der gewünschten Po-
sition zueinander hält“. In der Patentbeschreibung wird an verschiedenen Stellen
der Begriff „höhenverstellbares Fußelement“ durch den Begriff „höhenverstellbarer
Tragfuß“ ersetzt (Seite 1, Zeilen 1 bis 3, und Seite 2, Zeilen 24 bis 27). Außerdem
werden Schreibfehler korrigiert, so in der Beschreibung auf Seite 2, Zeile 21
(„g“ statt „q“ bei „Tragfuß“) und auf Seite 7, Zeile 30 (Streichung des doppelt
vorhandenen Wortes „sind“ im Relativsatz).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Anmelderin gegen den so ergangenen Be-
schluss. Sie beantragt sinngemäß,
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den Erteilungsbeschluss aufzuheben;
-
das Patent mit den Unterlagen ihres Antrags vom
1. Februar 2018 zu erteilen, wobei gegenüber diesen Unter-
lagen folgende Änderungen vorgenommen werden sollen:
-
im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 8:
„……, dass Ausrichtemittel, die eine Verdrehsicherung
(25) sein können, vorgesehen sind,….“;
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auf Beschreibungsseite 1, Zeilen 3 bis 5:
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„Die Erfindung betrifft einen höhenverstellbaren Trag-
fuß für eine Wanne, insbesondere eine Badewanne,
sowie ein Traggestell mit einem solchen Tragfuß.
Derartige Tragfüße dienen dazu, die Wanne stabil ab-
zustützen und“;
-
auf Beschreibungsseite 2, Zeile 21:
„sich eine Art Kreuzgelenk ergibt und das Auflager
gegenüber den Tragfüßen eine“
-
auf Beschreibungsseite 2, Zeilen 24 bis 27:
„Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zu-
grunde, einen höhenverstellbaren Tragfuß für eine
Wanne, insbesondere eine Badewanne, vorzuschla-
gen, der eine vereinfachte Montage an der Wanne
ermöglicht. Die Aufgabe ist weiter, ein Traggestell mit
einem solchen Tragfuß zum Tragen einer Wanne be-
reitzustellen.“
-
auf Beschreibungsseite 7, Zeile 30:
„gesehen, die aus einem Werkstoff mit höherer Fes-
tigkeit hergestellt sind“,
-
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen;
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hilfsweise: eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
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Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, der Erteilungsbeschluss sei un-
ter Missachtung des Antragsgrundsatzes und ihres rechtlichen Gehörs ergangen.
Wäre von der Prüfungsstelle ein entsprechender Hinweis ergangen, so hätte sie
den Patentanspruch 8 entsprechend dem nunmehr mit der Beschwerde vorge-
legten Antrag geändert. Aus den Anmeldeunterlagen sei ersichtlich, dass die Aus-
richtemittel nur in einer konkreten Ausgestaltung eine Verdrehsicherung sein
könnten. Die von der Prüfungsstelle vorgenommene Ersetzung des Wortes „Aus-
richtemittel“ durch „Verdrehsicherung“ stelle nicht nur eine redaktionelle Änderung
dar. Die weiteren mit der Beschwerde beantragten Änderungen entsprächen den
vom Prüfer im Erteilungsbeschluss vorgenommenen Änderungen, wobei lediglich
an einer Stelle (Beschreibung Seite 2, Zeilen 24 bis 27) noch ein grammatikali-
scher Fehler behoben worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Ertei-
lungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Pa-
tentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
1.
Die gemäß § 73 Abs. 1 PatG statthafte Beschwerde ist form- und fristge-
recht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Anmelderin
mit den im Erteilungsbeschluss vorgenommenen und von ihr beanstandeten Än-
derungen im Wortlaut des Patentanspruchs 8 und in der Patentbeschreibung Ab-
weichungen vom Erteilungsantrag und damit schlüssig eine Beschwer geltend
gemacht. Dies reicht für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus (vgl.
Schulte, PatG, 10. Aufl., § 73 Rn. 51).
2.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
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Ein Patent darf grundsätzlich nur so erteilt werden, wie es beantragt ist. Jede Än-
derung der Unterlagen, die nicht nur in geringfügigen redaktionellen Korrekturen
wie der Berichtigung von Schreibfehlern oder offensichtlichen grammatikalischen
oder sprachlichen Unrichtigkeiten besteht, setzt das schriftlich erklärte Einver-
ständnis des Anmelders voraus (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung Rn. 7, § 49
Rn. 16, m. w. N.).
Die Anmelderin hat sich mit den im Erteilungsbeschluss vorgenommenen Ände-
rungen nicht einverstanden erklärt. Diese Änderungen stellen – abgesehen von
den sprachlichen Korrekturen auf Seite 2, Zeile 21 und Seite 7, Zeile 30 – auch
keine lediglich redaktionellen Änderungen im vorgenannten Sinne dar. Dies gilt
insbesondere für die Ersetzung des Begriffs „Ausrichtemittel“ durch den spezielle-
ren Begriff „Verdrehsicherung“ in Patentanspruch 8.
Somit durfte der Prüfer die beanstandeten Änderungen nicht ohne Einverständnis
der Anmelderin vornehmen. Die Änderungen stellen daher eine Verletzung des
Antragsgrundsatzes dar. Aus diesem Grund ist der angefochtene Beschluss auf-
zuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2
PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr über die Erteilung des Patents nach Maß-
gabe des von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren bzw. im weiteren Verlauf
des Erteilungsverfahrens gestellten Antrags erneut zu beschließen haben.
3. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80
Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit
entspricht. So liegt der Fall hier. Der angefochtene Beschluss erging unter Verlet-
zung des Grundsatzes der Bindung an den Erteilungsantrag, womit die Anmelde-
rin zugleich auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist.
Diese Verfahrensfehler sind für die Erhebung der Beschwerde ursächlich gewe-
sen.
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4. Die Durchführung der von der Anmelderin hilfsweise beantragten mündlichen
Verhandlung war aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Deutsche
Patent- und Markenamt entbehrlich (vgl. Schulte, a. a. O., § 78 Rn. 12, m. w. N.).
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Rauch
Püschel
Dr. Schnurr
Fi