Urteil des BPatG vom 02.08.2018

Urteil vom 02.08.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:020818B30Wpat69.16.0
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 69/16
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2012 028 285
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hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung vom 2. August 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird
der Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 29. August 2016 aufgehoben, so-
weit die angegriffene Marke 30 2012 028 285 aufgrund des Wi-
derspruchs aus der Unionsmarke 009 438 136 für die Waren
„Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“
gelöscht worden ist.
Der Widerspruch aus der Unionsmarke 009 438 136 wird auch
insoweit zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 3. Mai 2012 angemeldete Wortmarke
VIGILA
ist am 30. Juli 2012 unter der Nummer 30 2012 028 285 für die Waren
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„Klasse 05: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeug-
nisse sowie diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen
worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 31. August 2012.
Gegen die Eintragung ist am 30. November 2012 Widerspruch erhoben worden
aus der am 27. September 2010 angemeldeten und am 11. Februar 2011 unter
der Nummer 009 438 136 für die Waren
„Klasse 05: pharmazeutische Präparate“
eingetragenen Unions(wort)marke
VUBILA
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die
Nichtbenutzungseinrede erhoben und diese damit begründet, dass die Wider-
spruchsmarke eine Wiederholungsmarke der ebenfalls zugunsten der Widerspre-
chenden
für identische Waren eingetragenen Wortmarke „VUBILA“
(UM 004 105 276) sei. Für diese ältere Marke sei die Benutzungsschonfrist am
18. Januar 2011 abgelaufen. Anhaltspunkte für eine Benutzung seien nicht gege-
ben. Die Neuanmeldung der Widerspruchsmarke sei lediglich zur Umgehung des
Benutzungszwangs erfolgt. Auf die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke
könne sich die Widersprechende in einem solchen Fall nicht berufen.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 05
des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 29. August 2016
unter Zurückweisung des weitergehenden Widerspruchs die Teillöschung der an-
gegriffenen Marke für die Waren „Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“ an-
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geordnet, da zwischen den sich gegenüberstehenden Marken insoweit Ver-
wechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe.
Die mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 seitens der Inhaberin der angegriffenen
Marke erhobene Einrede der Nichtbenutzung gegen die Widerspruchsmarke sei
unzulässig, da sich die am 11. Februar 2011 in das Markenregister eingetragene
Widerspruchsmarke zu diesem Zeitpunkt formell noch in der fünfjährigen Benut-
zungsschonfrist gemäß §§ 43 Abs. 1, 125b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 15 GMV
befunden habe.
Eine abweichende Bestimmung der Benutzungsschonfrist ergebe sich entgegen
der Auffassung der Markeninhaberin auch nicht daraus, dass es sich bei der Wi-
derspruchsmarke offenbar um eine sog. Wiederholungsmarke zu der ebenfalls für
die Widersprechende eingetragenen inhaltsgleichen Unions(wort)marke 004 105
276 „VUBILA“, deren Benutzungsschonfrist am 18. Januar 2011 abgelaufen sei,
handele. Zwar seien grundsätzlich auch im patentamtlichen Widerspruchsverfah-
ren sog. Wiederholungsmarken zu beachten mit der Folge, dass die Wider-
spruchsmarke als Wiederholungszeichen am Verfall der voreingetragenen Erst-
marke teilnimmt, allerdings nur dann, wenn keine weiteren Tatsachen aufklä-
rungsbedürftig seien.
Vorliegend sei jedoch aufklärungsbedürftig, ob die Widersprechende die Wider-
spruchsmarke rechtsmissbräuchlich angemeldet habe und/oder sich auf berech-
tigte Gründe der Nichtbenutzung berufen könne. Eine solche Aufklärung sei im
patentamtlichen Widerspruchsverfahren nicht statthaft. Maßgebend sei daher vor-
liegend allein die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke.
Nach Ablauf der danach allein maßgeblichen Benutzungsschonfrist der Wider-
spruchsmarke am 11. Februar 2016 habe sich die Inhaberin der angegriffenen
Marke in der Sache nicht mehr geäußert und insbesondere nicht zum Ausdruck
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gebracht, dass sie die Benutzungseinrede ausdrücklich aufrechterhalte, so dass
es an einer rechtswirksamen Benutzungseinrede fehle.
Ausgehend von der danach maßgeblichen Registerlage sowie einer durchschnitt-
lichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die Vergleichszeichen
im Klang- und Schriftbild so angenähert, dass eine Verwechslungsgefahr im Rah-
men der Gesamtabwägung jedenfalls im Bereich der Warenidentität nicht verneint
werden könne. Dies betreffe vorliegend die von der angegriffenen Marke bean-
spruchten Waren „Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“. In Bezug auf die
übrigen von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren liege hingegen ein
ausreichender Zeichenabstand vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. In
ihrer mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 eingereichten Beschwerdebegründung
hat sie unter Hinweis auf die am 11. Februar 2016 abgelaufene Benutzungs-
schonfrist die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke erneut bestrit-
ten.
Weiterhin macht sie geltend, dass mangels hinreichender Ähnlichkeit beider Zei-
chen die Gefahr von Verwechslungen auch insoweit ausgeschlossen sei, als sich
beide Marken auf identischen Waren begegnen könnten.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2016 aufzu-
heben, soweit darin die Teillöschung der angegriffenen Marke für
die Waren „Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“ angeordnet
worden ist.
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Der Widersprechenden ist der Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke
vom 15. Februar 2017 gegen Empfangsbekenntnis übermittelt worden. Die Ab-
sendung durch die zuständige Geschäftsstelle erfolgte am 17. Februar 2017. Das
vom Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden unterzeichnete, jedoch
nicht mit einer Datumsangabe versehene Empfangsbekenntnis ging per Fax am
7. März 2017 beim Bundespatentgericht ein. Die Widersprechende hat sich zu
diesem Schriftsatz nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt, insbesondere
hat sie weder etwas zu einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchs-
marke vorgetragen noch hierzu Unterlagen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Widersprechende hat auf die nach Ablauf der sog. Benutzungsschonfrist der
Widerspruchsmarke am 11. Februar 2016 erstmals im Beschwerdeverfahren mit
Schriftsatz vom 15. Februar 2017 in zulässiger Weise erhobene Nichtbenutzungs-
einrede der Inhaberin der angegriffenen Marke eine rechtserhaltende Benutzung
der Widerspruchsmarke gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m.
Art. 18 UMV nicht glaubhaft gemacht.
Mit am 16. Februar 2017 beim Bundespatentgericht eingegangenem Schriftsatz
vom 15. Februar 2017 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung
der Widerspruchsmarke bestritten. Dieses Bestreiten derder Wider-
spruchsmarke ist gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG zulässig,
nachdem
zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede die fünfjährige
der Widerspruchsmarke, die mit der Eintragung am
11. Februar 2011 zu laufen begonnen hatte, bereits abgelaufen war.
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Der Widersprechenden oblag es damit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Wi-
derspruchsmarke in dem nach §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG maß-
geblichen „wandernden“ Benutzungszeitraum, nämlich den letzten fünf Jahren vor
der Entscheidung über den Widerspruch - mithin für den Zeitraum August 2013 bis
August 2018 - nach Art, Zeit, Ort und Umfang glaubhaft zu machen, wobei sich die
Anforderungen an eine rechtserhaltende Benutzung bei der Widerspruchsmarke
VUBILA
bestimmen. Dieser Obliegenheit zur Glaubhaftmachung ist die Widersprechende
nicht nachgekommen. Weder hat die Widersprechende irgendetwas zur Benut-
zung der Widerspruchsmarke vorgetragen, erst recht nicht Unterlagen zur Glaub-
haftmachung vorgelegt, noch hat sie eine Glaubhaftmachung angekündigt
und/oder hierfür eine Frist beantragt.
Für den notwendigen Sachvortrag zur rechtserhaltenden Benutzung und die Ein-
reichung von Glaubhaftmachungsunterlagen bedurfte es im vorliegenden Fall
auch keines besonderen Hinweises durch den Senat nach § 139 ZPO. Die Wider-
sprechende hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus die erforderlichen
Unterlagen vorzulegen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl.,
§ 43 Rdnr. 5). Der im Rahmen des Benutzungszwangs danach herrschende Bei-
bringungsgrundsatz verbietet es dem DPMA wie auch dem BPatG grundsätzlich,
den Widersprechenden zur notwendigen Glaubhaftmachung einer bestrittenen
Markenbenutzung anzuhalten. Der Widersprechende darf daher auch nicht darauf
vertrauen, dass ihm mit oder nach der Übermittlung des die Nichtbenutzungsein-
rede enthaltenden Schriftsatzes eine ausdrückliche Aufforderung zur Glaubhaft-
machung zugeht und ihm entsprechende Äußerungsfristen gesetzt werden (vgl.
Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rdnr. 66 unter Hinweis auf BGH
GRUR 1997, 223, 224 – Ceco).
Zudem musste die Widersprechende damit rechnen, dass die Inhaberin der ange-
griffenen Marke, welche sich bereits im patentamtlichen Verfahren auf eine feh-
lende rechtserhaltende Benutzung der sich zu diesem Zeitpunkt formell noch in
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der Benutzungsschonfrist befindlichen Widerspruchsmarke unter Hinweis auf eine
Wiederholungsmarke berufen hatte, nach Ablauf der formellen Benutzungsschon-
frist der Widerspruchsmarke entweder vor dem DPMA, spätestens aber im Be-
schwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht die Einrede der Nichtbenutzung
der Widerspruchsmarke erneut erheben wird.
Die Widersprechende hat vorliegend auch ausreichend Gelegenheit gehabt, sich
zur Nichtbenutzungsreinrede des Inhabers der angegriffenen Marke zu äußern.
Der – nicht einer förmlichen Zustellung nach § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 1
Abs. 2 VwZG unterliegende - Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke
vom 15. Februar 2017 ist der Widersprechenden zugegangen, wie das zwar nicht
mit einem Datum versehene, jedoch vom Verfahrensbevollmächtigten der Wider-
sprechenden unterzeichnete und am 7. März 2017 beim Bundespatentgericht per
Fax eingegangene Empfangsbekenntnis belegt. Seit diesem Zeitpunkt ist weit
ein Jahr
erfolgte seitens der Widersprechenden nicht.
Mangels berücksichtigungsfähiger Widerspruchswaren kommt es auf die weiteren
Fragen der Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Vergleichsmarken nicht
mehr an.
Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass, § 71
Abs. 1 MarkenG. Zwar hat die Widersprechende keinen Versuch unternommen,
eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen.
Andererseits hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungsein-
rede erst im Beschwerdeverfahren (erneut) erhoben, obwohl ihr dies auch im pa-
tentamtlichen Verfahren noch möglich gewesen wäre, da die Markenstelle erst
29. August 2016 und damit nach Ablauf der Benutzungsschonfrist am
11. Februar 2016 entschieden hat. Dass nach Erhebung der Einrede weitere nen-
nenswerte und z. B. durch Rücknahme des Widerspruchs vermeidbare Verfah-
renskosten entstanden sind, ist ebenfalls nicht ersichtlich
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Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, da die
Widersprechende keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung
gestellt hat, auch nicht hilfsweise (§ 69 Nr. 1 MarkenG).
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Dr. Hacker
Dr. Meiser
Merzbach
Pr