Urteil des BPatG vom 19.07.2018

Urteil vom 19.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:190718B30Wpat543.17.0
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 543/17
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2015 046 652
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung vom 19. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Dr. Meiser und Dr. von Hartz
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird
der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamtes vom 28. April 2017 aufgehoben, soweit
darin die teilweise Löschung der Marke 30 2015 046 652 wegen
des Widerspruchs aus der Marke 795 833 angeordnet worden ist.
Der Widerspruch aus der Marke 795 833 wird auch insoweit zu-
rückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
Pentotussin
ist am 20. Juli 2015 angemeldet und am 29. Oktober 2015 unter der Nummer
30 2015 046 652 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte
Register als Marke für nachfolgende Waren eingetragen worden:
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„Klasse 03:
Waschmittel; Bleichmittel; Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel;
Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren; ätherische Öle; Mittel zur Körper-
und Schönheitspflege; Haarwässer; Zahnputzmittel;
Klasse 05:
Pharmazeutische Erzeugnisse; veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygie-
nepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Lebensmittel und Er-
zeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke; Babykost;
Nahrungsergänzungsmittel für Menschen; Nahrungsergänzungsmittel für
Tiere; Pflaster; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel; Abdruckmassen für zahn-
ärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen
Tieren; Fungizide; Herbizide;
Klasse 10:
Chirurgische Instrumente; medizinische und veterinärmedizinische Appa-
rate und Instrumente; Zahnärztliche Instrumente; medizinische Instrumente
zur Anwendung an Tierkörpern; Applikationsgeräte für Arzneimittel; medizi-
nische Apparate zur Einführung pharmazeutischer Präparate in den
menschlichen Körper; Diagnosegeräte für medizinische Zwecke; künstliche
Gliedmaßen; künstliche Augen; künstliche Zähne; orthopädische Artikel“.
Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 4. Dezember 2015.
Hiergegen hat die Inhaberin der deutschen Wortmarke 795 833
SEDOTUSSIN
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welche für die Waren der Klasse 5
„Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheits-
pflege, pharmazeutische Drogen, Pflaster, Verbandstoffe, Tier- und Pflan-
zenvertilgungsmittel, Entkeimungs- und Entwesungsmittel (Desinfektions-
mittel)“
eingetragen ist, Widerspruch erhoben. Der Widerspruch ist beschränkt auf die Wa-
ren der Klassen 5 und 10 der angegriffenen Marke.
Mit Schriftsatz vom 22. April 2016 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die
Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke "vorsorglich" erhoben. Die
Widersprechende hat im Amtsverfahren Unterlagen (Bildschirmausdrucke, Rech-
nungen, eidesstattliche Versicherung) zur Benutzung vorgelegt, wegen deren In-
halte auf die entsprechenden Anlagen Bezug genommen wird.
Mit Beschluss vom 28. April 2017 hat die mit einer Beamtin des gehobenen
Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 5 dem Widerspruch teilweise stattge-
geben und zwar für die Waren
". Im Übrigen hat sie den Widerspruch zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Widersprechende eine Benutzung
der Widerspruchsmarke für "Hustenstiller" durch Vorlage einer eidesstattlichen
Versicherung, einer Abbildung von mit der Marke beschrifteten Packmitteln sowie
durch einen Auszug aus der Roten Liste und Rechnungskopien aus den Jahren
2010 bis 2015 ausreichend glaubhaft gemacht habe. Damit gelte die Marke nach
der erweiterten Minimallösung für die Hauptgruppe 24 der Roten Liste, die „Anti-
tussiva/Expektorantia“, als benutzt. Soweit die Waren der angegriffenen Marke
„“ betroffen wären, seien die zu vergleichenden Wa-
ren identisch. Den Waren „
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“ und den „“, welche die
jüngere Marke in Klasse 5 für sich in Anspruch nimmt, begegne die ältere Marke
im mittleren Ähnlichkeitsbereich.
Von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke könne –
entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke – nicht ausge-
gangen werden. Zwar sei der Markenbestandteil „TUSSIN“ von „tussis“ (lat.: Hus-
ten) abgeleitet, jedoch könne der Gesamtheit der älteren Marke kein beschreiben-
der Begriffsinhalt entnommen werden. Auch sei bei den angesprochenen Ver-
kehrskreisen keine gesteigerte Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung der Marken
anzusetzen. Einerseits handele es sich bei den Hustenmitteln um Arzneimittel zur
Medikation eines häufig auftretenden Krankheitsbildes, welches zu den leichten
Alltagsbeschwerden zähle. Andererseits würden Hustenmittel vielfach auch au-
ßerhalb von Apotheken vertrieben, so dass sie im Rahmen des täglichen Einkaufs
und auch im Wege der Selbstbedienung an das Publikum gelangen würden.
Unter diesen Voraussetzungen sei der Zeichenabstand für die zuvor genannten
Waren der angegriffenen Marke nicht eingehalten. In klanglicher Hinsicht seien die
Zeichen schon aufgrund des identischen Bestandteils „TUSSIN“, der den Gesamt-
eindruck durchaus noch mitbestimme, ähnlich. Darüber hinaus sei eine Ver-
wechslung zu besorgen, da die Zeichen eine identische Silbengliederung und Vo-
kalfolge aufwiesen und in der der Betonung übereinstimmen würden. Von insge-
samt zehn bzw. elf Buchstaben seien acht identisch. Die Unterschiede zwischen
„S“ und „P“ am Zeichenanfang würden zurücktreten, wenn man berücksichtige,
dass es sich bei beiden um stimmlose Konsonanten handele und die natürliche
Betonung der Zeichenwörter ohnehin am Wortende liege. Darüber hinaus würden
auch schriftbildlich nicht nur unerhebliche Gemeinsamkeiten zwischen den Marken
bestehen.
Gegen diesen Beschluss hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde
eingelegt.
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Sie ist unter Wiederholung ihrer Einrede der Nichtbenutzung der Auffassung, dass
die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung nicht dargelegt und glaub-
haft gemacht habe. Es würden Nachweise über die Stückzahl der vermarkteten
Produkte und den erzielten Umsatz fehlen. Bei der Beurteilung der rechtserhalten-
den Benutzung sei auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art des
Produkts, die Marktsituation, das Verhalten der Marktgegenseite und die Größe
und Struktur des benutzenden Unternehmens, abzustellen. Angesichts der Größe
des Unternehmens der Widersprechenden und des Einzelpreises der betroffenen
Waren, sei ein Umsatz von … bis … Euro pro Jahr, der aus den
Rechnungskopien hervorginge, zu gering, um eine ernsthafte Benutzung der Wi-
derspruchsmarke zu bejahen.
Es sei unzutreffend von einer mittleren Warenähnlichkeit zwischen der Wider-
spruchsware "Hustenstillern" und den Waren der angegriffenen Marke „
“ und „
“ auszugehen.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei geschwächt, da nicht nur
der Bestandteil „TUSSIN“ auf das lateinische Fachwort für Husten zurückzuführen
sei, sondern auch der Bestandteil „SEDO“ einen beschreibenden Begriffsinhalt
aufweise, da letzterer als Hinweis auf eine Beruhigung, Lokalanästhesie oder Se-
dierung verstanden werde.
Der Grad der Aufmerksamkeit, mit dem der angesprochene Verkehr den in Rede
stehenden Waren begegnet, sei als hoch einzustufen. Endverbraucher würden
generell allen Waren, die einen Gesundheitsbezug aufweisen, eine hohe Auf-
merksamkeit entgegenbringen. Fachkundigen Personen wie Ärzten oder Apothe-
kern, denen die Auswahl der apothekenpflichtigen Hustenblocker obliege, sei oh-
nehin eine gesteigerte Aufmerksamkeit zu unterstellen.
Ausgehend hiervon sei keine Verwechslungsgefahr zwischen der älteren und der
jüngeren Marke gegeben. Die zu vergleichenden Zeichen „SEDOTUSSIN“ und
„Pentotussin“ würden von den ersten Wortbestandteilen geprägt, da die Wortan-
fänge stärker betont würden und den ersten Silben eines Zeichens generell eine
größere Bedeutung beigemessen werde. Darüber hinaus habe „TUSSIN“ einen
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beschreibenden Anklang und sei extrem kennzeichnungsschwach. Die prägenden
Bestandteile „SEDO“ bzw. „PENTO“ seien einander aber weder in klanglicher
noch in schriftbildlicher Hinsicht ähnlich. Auch die Gefahr, dass der Verkehr die
jüngere Marke für den Bestandteil einer Markenserie der Widersprechenden hal-
ten könnte, bestehe nicht.
Die Beschwerdeführerin beantragt daher sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 28. April 2017
aufzuheben, soweit darin die teilweise Löschung der angegriffe-
nen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch auch
insoweit zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht eingelassen. Im
Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat sie die Auffassung ver-
treten, dass die zu vergleichenden Waren der Klasse 5 größtenteils identisch
seien. Die Waren der Klassen 10 seien sehr ähnlich. Zwischen den Vergleichszei-
chen bestehe eine hochgradige schriftbildliche und klangliche Ähnlichkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige
Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg. Zwi-
schen den Vergleichsmarken besteht keine Gefahr von Verwechslungen (§§ 43
Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Beschwerdegegenständlich sind
lediglich die Waren der angegriffenen Marke
", da die Markenstelle nur insoweit eine Verwechslungs-
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gefahr bejaht und nur die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde einge-
legt hat; im Übrigen ist der Beschluss der Markenstelle bestandskräftig geworden.
Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Beachtung aller Umstände des Ein-
zelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 - Cal-
vin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 - BARBARA BECKER; BGH WRP 2018,
82 Rn. 9 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure). Von
maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Ver-
gleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleis-
tungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - da-
von abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Be-
trachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr
eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (z. B. EuGH
GRUR 2008, 343 Rn. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH WRP 2018, 82
Rn. 9 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2013, 833 Rn. 30 - Culinaria/Villa Culinaria;
GRUR 2012, 64 Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY).
1.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung
der Widerspruchsmarke mit Schriftsatz vom 22. April 2016 zulässigerweise be-
stritten. Ein „vorsorgliches“ Erheben der Einrede der fehlenden Benutzung ist zu-
lässig (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, 2018, § 43 Rn. 33).
Unabhängig davon hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede im Be-
schwerdeverfahren wiederholt. Da sie die Einrede der Nichtbenutzung undifferen-
ziert erhoben hat, ist davon auszugehen, dass die Einrede beide Zeiträume des
§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfassen soll (BGH GRUR 1998, 938 –
DRAGON).
a)
Da die Widerspruchsmarke am 28. Oktober 1964, mithin mehr als fünf
Jahre vor der am 4. Dezember 2015 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der
jüngeren Marke, eingetragen worden ist, ist die Einrede mangelnder Benutzung
nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG zulässig.
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Damit obliegt es der Widersprechenden, die wesentlichen Umstände der Benut-
zung ihrer Marke, insbesondere nach Zeit, Art, Ort und Umfang in den maßgebli-
chen Benutzungszeiträumen Dezember 2010 bis Dezember 2015 und Juli 2013
bis Juli 2018 darzulegen und glaubhaft zu machen. Letzterer ist der Zeitraum von
fünf Jahren vor der Entscheidung über die Beschwerde (vgl. BGH WRP 2017,
1209 Rn. 13 – Dorzo; BPatG, 28 W (pat) 109/12).
b)
Die Benutzung einer Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn sie deren
Hauptfunktion entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der maßgeblichen
Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese von
solchen anderer Herkunft zu unterscheiden. Hierzu ist es ausreichend, aber auch
erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die
Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. EuGH
GRUR 2003, 425 Rn. 382- Ansul/Ajax; BGH GRUR 2013, 68 Rn. 14 – Castell/VIN
CASTEL; GRUR 2011, 623 Rn. 23 - Peek & Cloppenburg II). Die Ernsthaftigkeit
der Benutzung einer Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu
beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsver-
kehr belegt werden kann; dazu gehören insbesondere eine Nutzung, die im be-
treffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für
die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder
hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des
Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl.
EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer; GRUR 2006,
582 Rn. 70 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 152 Rn. 21 - GALLUP).
c)
Zur Glaubhaftmachung muss von dem Widersprechenden daher konkret
angegeben werden, wer die Marke auf welche Weise für welche Waren und
Dienstleistungen in welchen Jahren an welchem Ort benutzt hat und wie viel Um-
satz damit erwirtschaftet worden ist. Dabei müssen die Angaben zu den Umsatz-
zahlen entweder in Geldbeträgen oder in Stück bzw. Auftragszahlen konkret auf
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die jeweiligen Waren und Dienstleistungen bezogen und in die jeweiligen für die
Benutzung rechtserheblichen Zeiträume aufgeteilt sein.
d)
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist mit der Markenstelle von einer
rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren „
“ auszugehen.
Die eingereichten Unterlagen sowie die eidesstattliche Versicherung lassen in ei-
ner Gesamtschau auf eine ausreichende rechtserhaltende Benutzung der Wider-
spruchsmarke für "" schließen.
Die Widersprechende hat beispielhafte Rechnungskopien, die vom 3. Januar 2011
bis zum 31. Juli 2015 datieren, für einen Hustenstiller in zwei Darreichungsformen,
als Saft und Tropfen, vorgelegt. Zwar erscheinen die an Eides statt versicherten
Zahlen, gemäß denen die Widersprechende über den gesamten Zeitraum hinweg
jährlich zwischen 460 (2011) und 2470 (2014) Einheiten des Hustenstillers ver-
kauft hat, angesichts der Größe des benutzenden Unternehmens relativ gering.
Auch der Umsatz von … EUR, der den beispielhaft vorgelegten Rechnun-
gen entnommen werden kann, erscheint relativ niedrig, wenn man berücksichtigt,
dass es sich um ein Mittel zur Behandlung eines häufig anzutreffenden Erkäl-
tungssymptoms handelt. Allerdings lässt dies nicht den Schluss eines fehlenden
Benutzungswillens zu. Es gibt viele unterschiedliche Hustenstiller. Auch hat die
Widersprechende kontinuierlich über einen längeren Zeitraum Hustenstiller, wel-
che mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet sind, auf den Markt gebracht.
Sie hat auch ihre Produkte einem Zulassungsverfahren unterworfen. Der Husten-
stiller-Saft mit der Zulassungsnummer 6083612.00.01 und die Hustenstiller-Trop-
fen mit der Zulassungsnummer 6083782.00.00 sind seit dem Jahr 2010 deutsch-
landweit in den als Abbildung vorgelegten Packmitteln vertrieben worden. Die Ab-
bildung zeigt, dass das Primärpackmittel jeweils in einer etikettierten Flasche und
das Sekundärpackmittel jeweils in einer bedruckten Faltschachtel bestehen. So-
wohl die Flaschen als auch die Faltschachteln sind bis auf ihre Größe und zwei
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unterschiedlich eingefärbte Elemente am oberen und unteren Rand der Vorder-
seiten identisch gestaltet. Sie weisen einen Hintergrund mit einem Farbverlauf von
grün nach weiß auf und sind im oberen Drittel mit dem Schriftzug „Sedotussin®“
versehen.
Der Umstand, dass die Widerspruchsmarke in diesem Schriftzug abweichend von
der eingetragenen Form in blauer Farbe wiedergegeben ist, verändert den kenn-
zeichnenden Charakter der Marke nicht. Auch die unterhalb des Schriftzuges mit
der Widerspruchsmarke angebrachten Angaben („Hustenstiller“, Wirkstoffkonzent-
ration, diverse Anwendungshinweise) können die Wahrnehmung der Marke durch
das Publikum nicht beeinflussen. Sie stehen in einem beschreibenden Bezug zu
den Produkten und sind somit nicht kennzeichnungskräftig.
e)
Der bisherige Sachvortrag ist auch glaubhaft gemacht worden. Die
Widersprechende hat die eidesstattliche Versicherung des Leiters der Rechtsab-
teilung im Original in Ergänzung zu den weiteren Unterlagen vorgelegt. Zwar han-
delt es sich bei dieser um eine sog. Erklärung vom Hörensagen, weil der Unter-
zeichner über keine eigenen Erkenntnisse in Bezug auf die erklärten Tatsachen
verfügt. Die Erklärung enthält jedoch Tatsachen, welche Kennzeichnung in wel-
chem Zeitraum und welchem Umfang für welche Waren in welcher Form verwen-
det worden ist. Es ist nicht erforderlich, eine Benutzungshandlung für jedes Jahr
des Benutzungszeitraums zu belegen, solange eine Scheinbenutzung ausge-
schlossen ist. Letzteres ist aus der Gesamtschau der eingereichten Unterlagen
nicht der Fall.
f)
Eine rechtserhaltende Benutzung ist vorliegend auf „Antitus-
siva/Expektorantia“ entsprechend der Hauptgruppe 24 der „Roten Liste“ zu erstre-
cken (vgl. BPatGE 41- Taxanil/Taxilan; BPatG, GRUR 2001-
CEFABRAUSE/CEFASEL; BPatG, MarkenR 2004, 361, 362 -
CYNARETTEN/Circanetten).
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2.
Unabhängig von der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke, ob
zwischen den zu vergleichenden Waren Identität oder Ähnlichkeit besteht, ist eine
Gefahr von Verwechslungen selbst bei Warenidentität nicht zu besorgen, so dass
sich weitere Ausführungen zum Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich erübrigen. In
jedem Fall besteht zwischen der Ware der angegriffenen Marke "
" als Oberbegriff Identität zur Widerspruchsware.
3.
Der Widerspruchsmarke „SEDOTUSSIN“ kommt in ihrer Gesamtheit eine
durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu (vgl. BPatG, 30 W (pat) 128/99 –
WEROTUSSIN/SEDOTUSSIN).
Von einer originär unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft kann vorliegend
nicht ausgegangen werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Wider-
spruchsmarke erkennbar an einen beschreibenden Begriff angelehnt wäre (vgl.
BGH MarkenR 2017, 412 Rn. 19 – Medicon-Apotheke/MedicoApotheke; GRUR
2014, Rn. 26 – REAL-Chips). Allerdings entspricht der Wortanfang „SEDO“ der
konjugierten Form des lateinischen Verbs „sedare“ in der ersten Person Singular.
In seiner Bedeutung „ich beruhige“ hat er einen beschreibenden Bezug zu den
Antitussiva, die den Hustenreiz stillen bzw. beruhigen sollen. Das Wortende
„TUSSIN“ kann als sprachliche Abwandlung des Begriffs „tussis“ (lat. für „Husten“)
aufgefasst werden.
Im Arzneimittelbereich sind jedoch häufig mehr oder weniger deutliche Sachhin-
weise in den Zeichen enthalten, die aber regelmäßig nicht zu einer Kennzeich-
nungsschwäche der Gesamtmarke führen, wenn diese insgesamt eine ausrei-
chend eigenständige Abwandlung einer beschreibenden Angabe darstellt (vgl.
BPatG, 25 W (pat) 58/15; 30 W (pat) 46/10). Das ist vorliegend der Fall, da die
Widerspruchsmarke in ihrer Kombination der jeweils abgewandelten Einzelbe-
standteile zu einem neuen Phantasiewort geworden ist. Der angesprochene Ver-
kehr erkennt die Bezugnahme nicht unmittelbar, sondern nur mit – zwei – gedank-
lichen Zwischenschritten.
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4.
Den bei dieser Ausgangslage strengen Anforderungen an den Markenab-
stand wird die jüngere Marke noch gerecht. Es liegt nur eine weit unterdurch-
schnittliche Zeichenähnlichkeit vor.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der
Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und domi-
nierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 35 - Specsavers/Asda; BGH
GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen
Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt,
wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu
unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Rn. 53 – Henkel; BGH GRUR
2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehen-
der Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu
beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in
klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006,
413 Rn. 19 – ZIRH/SIR; BGH GRUR 2010, 235 Rn. 15 – AIDA/AIDU; NJW-RR
2009, 757 Rn. 32 METROBUS). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechs-
lungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Rich-
tung (BGH a. a. O. Rn. 18 – AIDA/AIDU; GRUR 2008, 724 Rn. 37 – idw).
a)
Eine hinreichende klangliche Zeichenähnlichkeit zwischen den
Vergleichszeichen "Pentotussin" und "Sedotussin" scheidet aus. In klanglicher
Hinsicht sticht die unterschiedliche Konsonantenfolge trotz sonstiger Übereinst-
immungen hervor. Der klangliche Unterschied wird durch die Anzahl der Konso-
nanten maßgeblich beeinflusst und durch die unterschiedliche Artikulationsart der
beiden Zeichenanfänge verstärkt. Die angegriffene Marke verfügt über zwei Ex-
plosivlaute, während dies bei der Widerspruchsmarke nur beim Buchstaben "d"
der Fall ist. Vorliegend unterscheiden sich die zu vergleichenden Zeichen "Pen-
totussin" und "Sedotussin" somit deutlich am Wortanfang, dem für den Gesamt-
eindruck eines Wortzeichens ein größeres Gewicht zukommt als den nachfolgen-
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den Wortbestandteilen. Der Verkehr schenkt dem Beginn eines Wortzeichens im
Allgemeinen größere Aufmerksamkeit (BGH WRP 2015, 1219 Rn. 36 – IPS/ISP).
Dies gilt vorliegend umso mehr, als die beiden zweiten Zeichenbestandteile der zu
vergleichenden Zeichen (tussin) sich an eine beschreibende Angabe anlehnen.
Sie werden vom Verkehr als sprachliche Abwandlung des Begriffs „tussis“ (lat. für
„Husten“) und damit als bloßer Indikationshinweis verstanden. Dies gilt sowohl für
den Fachverkehr, der ohne Weiteres in der Lage ist, diesen Zusammenhang zu
erkennen, als auch für den Endverbraucher, d.h. die Patienten, die derartige Mittel
einnehmen bzw. denen solche verschrieben werden, da Patienten in Bezug auf
alles, was mit der Wahrung der Gesundheit und mit der Verhinderung, Linderung
oder Heilung von Krankheiten zu tun hat, eine erhöhte Aufmerksamkeit beimessen
(BPatG GRUR 2014, 803 - PANTOPREM/PANTOPAN).
Richtet der Verkehr seine Aufmerksamkeit auf den Zeichenanfang, überwiegen die
Unterschiede bei den Vergleichsmarken, so dass bei einer Gesamtabwägung aller
vorgenannten Umstände eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt klanglicher
Markenähnlichkeit zu verneinen ist.
b)
Gleiches gilt in Bezug auf den Markenvergleich in schriftbildlicher Hinsicht.
Auch insoweit unterscheiden sich die Vergleichsmarken in allen üblichen Schreib-
weisen durch die unterschiedliche Buchstabenfolge „Pento“ gegenüber „Sedo“ am
Wortanfang noch hinreichend deutlich, zumal die angegriffene Marke einen Buch-
staben mehr aufweist, was auch zu einem Unterschied in der Wortlänge führt.
5. Auch andere Gründe für die Annahme einer Verwechslungsgefahr zwischen
den Vergleichsmarken sind nicht ersichtlich.
- 15 -
III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Rich-
teramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangen-
heit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesge-
richtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Hacker
Meiser
von Hartz
prö