Urteil des BPatG vom 08.08.2018

Urteil vom 08.08.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:080818B29Wpat3.18.0
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 3/18
_______________________
Aktenzeichen
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2015 215 821
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hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im
schriftlichen Verfahren am 8. August 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und der Richterin
Seyfarth
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und
Markenamtes vom 8. Januar 2018 aufgehoben.
Die Eintragung der angegriffenen Marke 30 2015 215 821 ist
wegen der Widersprüche aus den Marken UM 012 177 366 und
UM 005 227 251 zu löschen.
G r ü n d e
I.
Die Wort-/Bildmarke (schwarz, weiß, rot) Nr. 30 2015 215 821
der Beschwerdegegnerin ist am 9. August 2015 angemeldet und am 1. März 2016
als Marke in das beim Deutschen Patent und Markenamt (DPMA) geführte Re-
gister für die Dienstleistung der
Klasse 35:
Event-Marketing
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eingetragen worden.
Gegen die Eintragung der Marke, die am 1. April 2016 veröffentlicht wurde, hat die
Beschwerdeführerin aus zwei Unionsmarken Widerspruch erhoben, nämlich
1. aus ihrer in schwarz, weiß und rot ausgestalteten Marke UM 012 177 366
die am 19. Februar 2014 für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Papier und Schreibwaren, nämlich Notizbücher, Schreib-
stifte und Bleistifte, Aufkleber mit Kleberücken;
Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Konser-
viertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst
und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte;
Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;
Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Reis; Tapioka
und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine
Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig,
Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen
(Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren;
Veranstaltung von Reisen;
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Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung; Beherbergung von Gäs-
ten;
Klasse 45: Dienstleistungen in Bezug auf soziale Online-Netze.
eingetragen worden war und
2. aus ihrer (schwarz-weiß) Marke UM 005 227 251
die am 24. Juli 2008 eingetragen worden war für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Verkaufsförderung im Auftrag Dritter; Verkaufsförderung in
Form von Online-Unterhaltung und -Bildung; Verkaufsför-
derung in Form der gemeinsamen Nutzung von Multime-
diainhalten über das Internet und andere Computer- und
Kommunikationsnetze;
Klasse 38: Ausstrahlung, nämlich Hochladen, Versenden, Anzeigen,
Markieren, Bloggen, gemeinsames Nutzen oder sonstiges
Bereitstellen von elektronischen Medien oder Informatio-
nen über das Internet oder andere Kommunikationsnetze;
Rundfunk- und Fernsehdienste; Webcasting; Bereitstel-
lung eines Portals zur gemeinsamen Nutzung von Videos;
elektronischer Kommunikationsdienst; Übertragung von
Nachrichten, Daten und Inhalten über das Internet und
andere Computer- und Kommunikationsnetze; Bereitstel-
lung von Online-Foren, Chatrooms, Journalen, Blogs und
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Listenservern für die Übertragung von Nachrichten, Kom-
mentaren und Multimedia-Inhalten zwischen Benutzern;
Übertragung von elektronischen Medien, Multimediain-
halten, Videos, Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien,
Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten
und Informationen über das Internet und andere Compu-
ter- und Kommunikationsnetze; Bereitstellung von Online-
Gemeinschaftsforen für Benutzer zum Bekanntmachen,
Suchen, Betrachten, gemeinsamen Nutzen, Kritisieren,
Bewerten und Kommentieren von Videos und anderen
Multimedia-Inhalten; Vertrieb digitaler Programme für Au-
dio- und Videosendungen über ein weltweites Computer-
netz; Bereitstellung eines Portals zur gemeinsamen Vide-
onutzung für Unterhaltungs- und Bildungzwecke;
Klasse 41: Ausbildung zur Bereitstellung von elektronischen Medien
oder Informationen über das Internet oder andere Kom-
munikationsnetze; Unterhaltung, nämlich Bereitstellung
von Multimedia-Inhalten oder Informationen über das In-
ternet und/oder andere Kommunikationsnetze; Unterhal-
tungsdienstleistungen; Erziehung und Unterricht; Unter-
haltung und Bildung mit elektronischen Medien, Multime-
diainhalten, Videos, Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotogra-
fien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioin-
halten und Bereitstellung von diesbezüglichen Informatio-
nen über Computer- und Kommunikationsnetze; Unter-
haltungs- und Erziehungsdienste; Veröffentlichung von di-
gitaler Video-, Audio- und Multimediaunterhaltung; digitale
Online-Verlagsdienstleistungen;
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Klasse 42: Dienstleistungen eines Anwendungsdiensteanbieters; Be-
reitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Soft-
ware; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladba-
rer Software zur Ermöglichung des Hochladens, Herun-
terladens, der Erfassung, Bekanntgabe, Darbietung, Be-
arbeitung, des Abspielens, Streaming, Betrachtens, Be-
trachtens der Vorschau, der Anzeige, Markierung, des
Blogging, der gemeinsamen Nutzung, Bearbeitung, Ver-
breitung, Veröffentlichung, Wiedergabe oder anderweiti-
gen Bereitstellung von elektronischen Medien, Multime-
diainhalten, Videos, Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotogra-
fien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioin-
halten und Informationen über das Internet oder andere
Kommunikationsnetze; Bereitstellung des Zugangs zu
nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung des
Austausches von Multimediainhalten und Kommentaren
zwischen Benutzern; Bereitstellung des Zugangs zu nicht
herunterladbarer Software zur Ermöglichung der Verfol-
gung von Multimediainhalten durch Inhalteanbieter;
Hosting von Multimediainhalten für Dritte; Hosting von
Multimediaunterhaltung und Bildungsinhalten für Dritte.
Die Widersprechende macht geltend, dass die angegriffene Marke in unzulässiger
Weise die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Wider-
spruchsmarken ausnutze, so dass der Löschungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3
MarkenG greife. Zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marken hat die Wi-
dersprechende umfangreiche Unterlagen, u. a. eine eidesstattliche Versicherung
eingereicht. Die Widersprechende stützt ihren Widerspruch ferner auch auf den
Löschungsgrund der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
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Mit Beschluss vom 8. Januar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA
den Widerspruch zurückgewiesen. Zwischen den Marken bestehe keine Ver-
wechslungsgefahr. Zwar könnten sich die Marken teilweise, z. B. die Wider-
spruchsmarke UM 005 227 251 hinsichtlich der Klasse 35, auf identischen
Dienstleistungen begegnen, zumindest lägen sie aber in einem engen Ähnlich-
keitsbereich. Die in Frage stehenden Dienstleistungen richteten sich auch an
breite Verkehrskreise; da es sich aber teilweise um besondere Dienstleistungen,
die einen speziellen Zweck erfüllen sollen, handle, würden sie mit einer gewissen
Sorgfalt oder nach Beratung bzw. Information in Anspruch genommen. Zugunsten
der Widersprechenden könne bezüglich der Dienstleistungen der Klassen 38, 42
und 45 von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden; diese
seien allerdings nicht im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthalten. Bei An-
wendung einer gewissen Sorgfalt bei der Inanspruchnahme der Dienstleistungen,
die sich verwechslungsmindernd auswirke, seien diesbezüglich an den einzuhal-
tenden Abstand keine allzu strengen Maßstäbe zu stellen. Dieser zum Ausschluss
einer Verwechslungsgefahr erforderliche Abstand werde von der angegriffenen
Marke eingehalten.
Der Verkehr messe bei Wort-/Bildmarken in der Regel dem Wort als einfachster
und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu, so dass die ange-
griffene Marke mit „YouPot“ und die Widerspruchsmarken mit „YouTube“ benannt
würden. Die Unterschiede in dem zweiten Wort führten zu einer unterschiedlichen
Vokalfolge und einem anderen Sprech- und Betonungsrhythmus. Es bestehe fer-
ner kein Anlass, einen dieser Begriffe der jeweiligen Marken wegzulassen oder zu
vernachlässigen, insbesondere sei nicht ersichtlich, warum die Marken auf den
Bestandteil „You“ reduziert werden sollten. Insgesamt seien die Unterschiede der
Klangbilder so deutlich, dass Verwechslungen in klanglicher Hinsicht ausge-
schlossen seien. Die unterschiedliche Bedeutung von „Pot“ für „Topf, Tiegel,
Kanne“ und „Tube“ für „Röhre, Tunnel, Fernsehen“ trage zusätzlich dazu bei, die
Marken besser auseinander halten zu können und Hör- und Merkfehler zu vermei-
den. Eine schriftbildliche Verwechslung könne aufgrund der typischen Umrisscha-
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rakteristik der Bestandteile „Pot“ gegenüber „Tube“ ebenfalls ausgeschlossen
werden. Zudem würden bei Wahrnehmung der Marken diese insgesamt betrach-
tet, also mit ihren grafischen Bestandteilen. Bei der Widerspruchsmarke
UM 005 227 251 sei die Ausgestaltung zudem schwarz-weiß und nicht farbig.
Für andere Arten der Verwechslung sei nichts ersichtlich. Insbesondere gingen die
angesprochenen Verkehrskreise auch nicht davon aus, dass es sich bei der jünge-
ren Marke um ein weiteres Produkt der Widersprechenden handle, weil die Mar-
ken – auch aufgrund der Grafik – unterschiedlich gebildet seien. Der gemeinsame
Bestandteil „You“ reiche zur Annahme einer Verwechlsungsgefahr nicht aus. Da
auch andere Firmen „You“ in ihren Marken verwendeten, weise dieser nicht zwin-
gend auf die Widersprechende hin. Ob der eher beschreibende Begriff „You“ für
„Dich/Sie“ überhaupt als Stammbestandteil geeignet sei, könne deshalb dahinge-
stellt bleiben. Auch seien die beiden in dem angegriffenen Zeichen enthaltenen
Bestandteile „You“ und „Pot“ in einer die selbstständig kennzeichnende Stellung
des Bestandteils „You“ entgegenwirkenden Art und Weise miteinander zu einer
gesamtbegrifflichen Aussage verbunden. Auch für einen Löschungsgrund unter
dem Aspekt des Sonderschutzes der bekannten Marke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3
MarkenG seien keine Anhaltspunkte gegeben. Zwar sei den Widerspruchsmarken
eine Bekanntheit zuzugestehen, jedoch werde das angegriffene Zeichen noch
nicht einmal als deren Abwandlung aufgefasst werden, weil Wortbildungen mit
„You“ nicht als Hinweis auf die Widersprechende zu sehen seien und zudem die
grafischen Gestaltungen hinlänglich unterschiedlich seien. Während der Bestand-
teil „Pot“ mit einem leuchtend roten Kreis unterlegt sei, sei dies bei den Bestand-
teilen „Tube“ der älteren Marken länglich und ein dunkleres Rot bzw. schattiertes
Grau. Eine Ausnutzung der Wertschätzung einer im Inland bekannten Marke
könne darin nicht gesehen werden.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie bean-
tragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2018 aufzuheben und die
Eintragung der Marke 30 2015 215 821 zu löschen.
Sie vertritt die Ansicht, dass die angegriffene Marke die Unterscheidungskraft und
Wertschätzung der bekannten Widerspruchsmarken ohne rechtfertigenden Grund
in unlauterer Weise im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG ausnutze. Bei den
Widerspruchsmarken handele es sich um weltweit und insbesondere in Deutsch-
land und der Europäischen Union bekannte Marken, die aufgrund ihrer umfassen-
den Benutzung und Bewerbung über eine deutlich erhöhte Kennzeichnungskraft
und damit einen erheblich erweiterten Schutzumfang verfügten. Die Widerspre-
chende biete unter den Widerspruchsmarken das Online-Video-Portal YouTube
an, das weltweit mehr als 1 Milliarde aktive Nutzer habe. Zwischen den jeweiligen
Vergleichsmarken bestehe hochgradige Zeichenähnlichkeit. In jedem Falle ent-
spreche der Gesamteindruck des jüngeren Zeichens demjenigen der Wider-
spruchsmarken. Die Unionsmarke 012 177 366 sei dadurch gekennzeichnet, dass
sie aus zwei separaten Wortelementen bestehe, wobei das erste Element, das
Wort „You“ in schwarzer Schrift vor weißem Hintergrund und der zweite Bestand-
teil, das Wort „Tube“ in weiß vor einem roten Hintergrund gestaltet sei. Genau
diese kennzeichnenden Elemente habe die jüngere Marke übernommen. Zu be-
rücksichtigen sei außerdem, dass der Schutz der bekannten Marke nicht voraus-
setze, dass der Grad der Markenähnlichkeit so hoch sei, dass auch eine Ver-
wechslungsgefahr bestehe. Es genüge vielmehr eine gedankliche Verknüpfung,
die hier im Hinblick auf die gleichen Strukturmerkmale der Vergleichsmarken statt-
finde. Hinzu komme, dass sich die Marken auf teilweise identischen Dienstleis-
tungsbereichen begegneten. Schließlich bestehe zwischen den Vergleichsmarken
angesichts der Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit sowie der erhöhten
- 10 -
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auch eine Verwechslungsgefahr
gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Amts- wie auch im Beschwerdeverfahren
weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt. Auch zu dem Verfahrenshinweis
des Senats vom 29. März 2018 hat sie keine Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat auch in
der Sache Erfolg.
A) Die Beschwerdeführerin kann ihr Löschungsbegehren mit Erfolg auf § 9 Abs. 1
Nr. 3 MarkenG stützen. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin
bei Benutzung der angegriffenen Marke für die Event-Marketing-Dienstleistungen
die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Widerspruchsmarken
in unzulässiger Weise ausnutzt, so dass der angegriffene Beschluss aufzuheben
und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen waren, §§ 9 Abs. 1 Nr. 3,
42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 125 b MarkenG.
1. Die angegriffene Marke ist am 9. August 2015 angemeldet worden, so dass der
Bekanntheitsschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG im Widerspruchsverfahren
geltend gemacht werden kann (§ 158 Abs. 2 MarkenG).
2. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1,
§ 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG – (auch) im Bereich unähnlicher Waren und Dienst-
leistungen – zu löschen, wenn sie mit einer prioritätsälteren, im Inland bekann-
ten Marke identisch oder ähnlich ist und ihre Benutzung geeignet ist, die Unter-
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scheidungskraft oder Wertschätzung der Widerspruchsmarke ohne rechtferti-
genden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. Diese
Voraussetzungen sind bei im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG zu unter-
stellender markenmäßiger Benutzung der jüngeren Marke für die Dienstleistun-
gen „Event-Marketing“ - entgegen den Ausführungen der Markenstelle, die in
Teilen ohnehin kaum nachvollziehbar sind - gegeben.
a) Bei den Widerspruchsmarken handelt es sich um in der Union bekannte
Marken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG i. V. m. § 125 b Nr. 1 MarkenG.
Voraussetzung für das Vorliegen einer bekannten Marke ist, dass das jeweilige
Zeichen als Marke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, welches
von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist,
ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind.
Insgesamt muss erkennbar sein, dass die Marke durch erfolgreiche wirtschaftli-
che Anstrengungen des Markeninhabers einen wirtschaftlichen Wert erlangt
hat, der – auch branchenübergreifend – einer unlauteren Ausbeutung oder Be-
einträchtigung durch Dritte zugänglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
sich die Bekanntheit nicht auf das Zeichen als solches beschränken darf, son-
dern die Bekanntheit der Marke, also als Herkunftszeichen für die betreffenden
Waren und/oder Dienstleistungen notwendig ist (BGH GRUR 2004, 235, 23
– Davidoff II). Bei der Prüfung, ob eine Marke bekannt ist, sind alle relevanten
Umstände des Falles zu berücksichtigen. Zu den maßgeblichen Bekanntheits-
faktoren zählen dabei neben der Bekanntheit im demoskopischen Sinne der
Marktanteil der Marke, die Intensität ihrer Benutzung (Umsatzstärke), die geo-
grafische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der
Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, wie z. B.
Werbeaufwendungen (vgl. EuG
BGH GRUR 2017, 75 Rn. 37 – WUNDERBAUM II; GRUR 2015, 1214 Rn. 20
– Goldbären; GRUR 2015, 1114 Rn. 10 – Springender Pudel). Tatsachen, aus
denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und
deshalb offenkundig im Sinne dessein. Dazu rechnet auch, dass
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die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt
erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl.
– TÜV II;– OTTO Cap).
Dass den Widerspruchsmarken nach diesen Kriterien eine entsprechende Be-
kanntheit in der Union zukommt, ist gerichtsbekannt, wird aber auch glaubhaft
gemacht durch die von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen, u. a.
zahlreiche Presseartikel, eine statistische Übersicht über die Besucherzahlen
der TOP 20 Videoportale im März 2012 in Deutschland (danach ist YouTube mit
34 Millionen Besuchern [Unique Visits] das beliebteste Videoportal) sowie eine
eidesstattliche Versicherung der „Senior Trademark Counsel“ B… vom
13. Dezember 2016; die Bekanntheit bzw. die Tatsachen, aus denen sich die
Bekanntheit ergibt, sind von der Inhaberin der jüngeren Marke im Übrigen auch
nicht bestritten worden.
Die Widersprechende und Beschwerdeführerin betreibt seit dem Jahr 2005 un-
ter den Widerspruchsmarken eine Online-Videoplattform, die das kostenlose
Einstellen, Suchen, Ansehen und Kommentieren von Videoclips aller Art er-
möglicht. Das Portal verfügt aktuell weltweit über 1 Milliarde aktive Nutzer, d. h.
solche, die die Plattform mindestens einmal im Monat besuchen. Jeden Tag
wird YouTube weltweit hunderte Millionen Stunden lang genutzt und finden Mil-
liarden sogenannte „Views“, d. h. einzelne Videoaufrufe, statt. Bei den Wider-
spruchsmarken, die von Haus aus mindestens durchschnittliche Kennzeich-
nungskraft besitzen, handelt es sich im Hinblick auf die äußerst intensive und
lange Benutzung hierfür – mithin im Bereich der Dienstleistungen der Klasse 45
bezüglich der Marke UM 012 177 366 und der konkret auf eine Videoplattform
bezogenen Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 42 bezüglich der Marke
UM 005 227 251 – offenkundig um überragend bekannte Marken im Sinne von
§ 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Das Markenzeichen wird insoweit als Logo umfas-
send benutzt und ist auch vielfach in den Medien präsent; die Nutzung des von
der Widersprechenden farbig verwendeten Logos, das die Widerspruchsmarke
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UM 012 177 366 darstellt, kommt dabei auch der weniger präsenten schwarz-
weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke UM 005 227 251 zugute. Denn einer
schwarz-weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke kann grundsätzlich auch die
durch Benutzung in irgendeiner anderen Farbe erworbene Kennzeichnungskraft
zugerechnet werden, wenn sich durch die Wiedergabe in der anderen Farbge-
staltung die Charakteristik der Marke nicht ändert (vgl. EuGH GRUR 2013, 922
Rn. 37-41 – Specsaver; BGH GRUR 2006, 859 Rn. 34 – Malteserkreuz); eine
solche Fallgestaltung liegt hier vor, so dass auch der schwarz-weiß registrierten
Widerspruchsmarke eine Bekanntheit im Rechtssinne zukommt (vgl. auch
Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 171).
Aufgrund der langjährigen und intensiven Benutzung sind die älteren Marken ei-
nem bedeutenden Teil des Publikums bekannt, was sowohl für den Zeitpunkt
der Anmeldung der angegriffenen Marke im August 2015 als auch für den heu-
tigen Zeitpunkt offensichtlich ist; dem steht nicht entgegen, dass die Widerspre-
chende ihr Logo im August 2017 verändert hat, so tritt sie seither wie folgt auf:
. Die Bekanntheit der Widerspruchsmarken dürfte sich
dadurch - allerdings nur geringfügig - verringert haben.
b) Die Klägerin kann sich auf den Bekanntheitsschutz in entsprechender
Anwendung vauch im Bereich identischer oder
ähnlicher Waren und Dienstleistungen berufen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 37
– WUNDERBAUM II; a. a. O. Rn. 24 – Goldbären; a. a. O. Rn. 14 – Springen-
der Pudel).
c) Die Vergleichsmarken sind in für die Anwendung v
hinreichender Weise ähnlich. Diese Markenähnlichkeit ist im
Ausgangspunkt nach den auch fürgeltenden
Grundsätzen zu beurteilen, mithin kann sie sich gleichermaßen aus Überein-
stimmungen im Klang, im (Schrift)bild oder in der Bedeutung ergeben (vgl. BGH
- 14 -
a. a. O. Rn. 34 – Goldbären; a. a. O. Rn. 23 – Springender Pudel), wobei es
auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehen-
den Marken ankommt. Besteht keine Markenähnlichkeit, scheidet der Bekannt-
heitsschutz aus (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 68 – CK Calvin Klein;
Nicht Voraussetzung für den Bekanntheitsschutz ist, dass eine Verwechslungs-
gefahr oder eine Herkunftstäuschung besteht (vgl. EuGH GRUR 2009, 56
Rn. 58 – Intel/CPM; BGH a. a. O. Rn. 29 und 36 – Springender Pudel). Es ge-
nügt vielmehr, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke
und dem jüngeren Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das
Zeichen und die Markemiteinander
– Intel/CPMund 31 – Adidas/Fitnessworld;
– adidas/Marca; BGH a. a. O. Rn. 33 – Springender
Pudel).
Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Marken stattfindet,
ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles zu
beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehen-
den Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich
des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre
originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und (ohne
dass dies erforderlich wäre) das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen
f. – Intel/CPM). Eine solche gedankliche Verknüpfung ist aus
Sicht des Senats hier zweifellos zu bejahen, die angegriffene Marke stellt nicht
lediglich allgemeine Assoziationen zu den bekannten Widerspruchsmarken her.
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Ein Vergleich der Zeichen
und
bzw.
zeigt sehr deutlich, dass die Charakteristik, nämlich der Aufbau der älteren
Marken in Schriftart und Anordnung in die angegriffene Marke übernommen
wurde; das Wort „You“ ist in Schriftbild und Anordnung (nahezu) identisch, le-
diglich das Rechteck mit den abgerundeten Ecken ist durch einen Kreis, und
das darin befindliche Wort „Tube“ ist durch das Wort „Pot“ ersetzt. Das ange-
griffene Zeichen erreicht gerade durch die Annäherungen an die Wider-
spruchsmarken bzw. Übereinstimmungen in der Markenstruktur die Aufmerk-
samkeit des angesprochenen Verkehrs, der Senat geht davon aus, dass dies
von der Inhaberin der angegriffenen Marke bei ihrer Markengestaltung auch
bewusst so angestrebt bzw. bezweckt wurde. Hinzu kommt, dass die angegrif-
fene Marke in dem verwendeten Kreis die rote Farbgebung der Widerspruchs-
marke UM 012 177 366 übernimmt. All dies ruft beim hier angesprochenen Ver-
kehr sofort und unmittelbar die Widerspruchsmarken in Erinnerung, der Ver-
braucher wird die jüngere Marke gedanklich mit den Widerspruchsmarken ver-
knüpfen.
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d) Die Verwendung einer dermaßen ähnlichen jüngeren Marke würde die
Wertschätzung und Unterscheidungskraft der bekannten Widerspruchsmarke
ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen. Von der Ausnut-
zung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn
ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähn-
lich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben,
um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzi-
elle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf an-
dere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines
der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (vgl.
Rn. 49 – L'Oréal/Bellure;– VOLKS-
WAGEN/Volks.Inspektion; – OTTO Cap). Diese
Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, die Beschwerdegegnerin und
Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich mit ihrem Zeichen zweifellos in den
Bereich der Sogwirkung der bekannten Marke der Widersprechenden und Be-
schwerdeführerin begeben.
Einen rechtfertigenden Grund dafür hat sie weder im Amtsverfahren noch im
Beschwerdeverfahren vorgetragen, noch ist ein solcher ansonsten ersichtlich.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden war der Beschluss der Markenstelle
daher aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
B) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die Frage, ob darüber hinaus auch eine
Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG besteht, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
C) Für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen
gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.
- 17 -
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statt-
haft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abge-
lehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrif-
ten über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bun-
desgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch eine beim Bundesgerichtshof zugelas-
sene Rechtsanwältin oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt
schriftlich einzulegen.
Dr. Mittenberger-Huber
Akintche
Seyfarth
Pr