Urteil des BPatG vom 24.07.2018

Urteil vom 24.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:240718B25Wpat529.18.0
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 529/18
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2017 208 084.8
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin
Kriener und des Richters Dr. Nielsen
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der
Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 27. Februar 2018 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
greenoffizin meine grüne Apotheke
ist am 10. März 2017 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen
Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren
angemeldet worden:
Klasse 3: Kosmetika;
Klasse 5: Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel;
Klasse 30: Süßwaren für nicht medizinische Zwecke; Zuckerwa-
ren.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese
unter der Nummer 30 2017 208 084.8 geführte Anmeldung mit Beschluss einer
Beamtin des gehobenen Dienstes vom 27. Februar 2018 wegen fehlender Unter-
scheidungskraft zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zur Begründung ist
ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung aus der Wortkombination „green-
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offizin“ und der erläuternden Wortfolge „meine grüne Apotheke“ bestehe. Das
Wort „Offizin“ sei eine zwar veraltete, gleichwohl noch gebräuchliche Bezeichnung
für eine Apotheke bzw. den Verkaufsraum einer Apotheke. Das Wort „grün“ bzw.
„green“ weise nach dem Verkehrsverständnis auf umweltfreundliche oder nach-
haltige Aspekte von Waren und Dienstleistungen hin. Der Zeichenbestandteil
„greenoffizin“ werde insgesamt ohne Weiteres im Sinne von „grüne Apotheke“
verstanden. Die angemeldete Bezeichnung sei damit ein beschreibender Sach-
hinweis auf eine Apotheke als Angebotsstätte, die besonders umweltfreundlich
geführt werde und entsprechende Produkte anbiete. Da die beanspruchten Waren
üblicherweise auch in Apotheken angeboten würden, verstehe der Verkehr die
angemeldete Bezeichnung auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Wa-
ren nicht als betriebliche Herkunftsbezeichnung. Ob der Eintragung der angemel-
deten Bezeichnung auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ent-
gegenstehe, könne als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Der angemeldeten
Bezeichnung könne die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, da
auch Zeichen, die beschreibende Anklänge enthielten, unterscheidungskräftig sein
könnten (BGH I ZR 101/15 – Micro Cotton). Dieser Rechtsprechung genüge die
angegriffene Entscheidung des DPMA nicht. Bei der angemeldeten Bezeichnung
handle es sich um ein Kunstwort, das aus einem englischen und einem veralteten
deutschen Wort zusammengesetzt sei. Es enthalte auch deswegen einen schöp-
ferischen Gehalt, weil sich die Wörter reimten und eine besonders eingängige
Wortmelodie bildeten. Zugleich habe das Kunstwort keine unmittelbare Wortbe-
deutung. Auch das Wort „green“ habe keinen festgelegten Sinngehalt, sondern
bleibe mehrdeutig. Es bedürfe mehrerer Gedankenschritte, um auf einen be-
schreibenden Bedeutungsgehalt im Sinne einer besonders umweltfreundlichen
Apotheke zu schließen. Zudem sei bei dieser Interpretation unklar, auf welchen
Aspekt der Verkaufsräume bzw. Waren sich die Bedeutung „umweltfreundlich“
beziehen solle.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 27. Februar 2018 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt
verwiesen.
II.
Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und
auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.
Ausgehend davon war der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des DPMA
vom 27. Februar 2018 aufzuheben. Ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Dies gilt ent-
sprechend für das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
1.
Auch wenn die angemeldete Bezeichnung im Hinblick auf die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen beschreibende Anklänge aufweist, kann ihr im Er-
gebnis das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft letztlich nicht abge-
sprochen werden.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom
Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die
Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichne-
ten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004,
428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der
Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vor-
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dergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850
Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor).
Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben,
die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht
unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem
betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
Ein in diesem Sinne enger beschreibender Bezug ist insbesondere zwischen Be-
zeichnungen von Produktions-, Verkaufs- und Vertriebsstätten und den dort ver-
triebenen Produkten gegeben. Zwar handelt es sich bei diesen sog. Etablisse-
mentbezeichnungen nicht um beschreibende Angaben i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG, da sie nicht der unmittelbaren Beschreibung der dort hergestellten oder
vertriebenen Waren dienen (vgl. BGH GRUR 1999, 988, Tz. 15 – HOUSE OF
BLUES). Daraus folgt aber noch nicht, dass eine solche Bezeichnung Unterschei-
dungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist. Insoweit ist zu beachten,
dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH Unterscheidungskraft
nicht nur solchen Angaben abzusprechen ist, denen der Verkehr für die fraglichen
Produkte einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuord-
net; vielmehr kann diese auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR
2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 – BIOMILD). So mangelt es vor allem
auch solchen Angaben an hinreichender Unterscheidungskraft, die sich auf Um-
stände beziehen, die zwar die beanspruchten Produkte selbst nicht unmittelbar
betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug hierzu hergestellt wird
und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden
Begriffsinhalt als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der
Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten
Produkte sieht (vgl. BGH GRUR 2009, 411, Tz. 9 – STREETBALL; GRUR 2008,
1093, Tz. 15 – Marlene-Dietrich-Bildnis; GRUR 2006, 850, Tz. 19 – FUSSBALL
WM 2006). Eine Bezeichnung, die in erster Linie als Umschreibung eines Ortes
verstanden wird, an dem üblicherweise die betroffenen Waren produziert und/oder
vertrieben werden, ist nicht geeignet, den Bezug zu einem bestimmten Geschäfts-
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betrieb herzustellen und die Waren eines Unternehmens von denen anderer kenn-
zeichenmäßig abzugrenzen. Dementsprechend sind Etablissementbezeichnun-
gen, welche nur auf irgendeine der vielen Produktion- bzw. Vertriebsstätten der
betreffenden Gattung hinweisen und vom Verkehr daher in der Regel nicht mit
einem ganz bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht werden können,
grundsätzlich als Herkunftshinweis nicht geeignet und daher regelmäßig in Bezug
auf in solchen Vertriebsstätten üblicherweise angebotene Waren nicht eintragbar
(vgl. die Senatsentscheidungen 25 W (pat) 70/09
– CHOCOLATERIA;
25 W (pat) 6/10 – BIOTEEMANUFAKTUR; 25 W (pat) 200/09 – Kaffeerösterei
Freiburg; 25 W (pat) 69/10 – Tea Lounge; 25 W (pat) 538/12 – Harzer Apparate-
werke; 25 W (pat) 515/16 – Privatmarmeladerie; alle Entscheidungen sind über die
Homepage des BPatG zugänglich).
Gemessen an diesen Maßstäben ist das angemeldete Zeichen im Zusammen-
hang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen letztlich inhaltlich zu
unbestimmt bzw. hinreichend phantasievoll, um das Schutzhindernis der fehlen-
den Unterscheidungskraft zu bejahen. Auch wenn das Zeichen aus mehreren Be-
standteilen zusammengesetzt ist, die jeweils für sich genommen zumindest für die
auch angesprochenen Fachkreise ohne Weiteres im Sinne einer Etablissement-
bezeichnung verständlich sind, ist die vorliegende Kombination der kennzeich-
nungsschwachen Bestandteile ihrem gedanklichen Inhalt nach noch ausreichend
diffus bzw. fantasievoll, um von einem rein sachbeschreibenden Verständnis weg-
zuführen.
Das Wort „Offizin“ im Sinne von „Apotheke“ bzw. „Apothekenverkaufsraum“ ist
lexikalisch nachweisbar (www.duden.de) und zumindest den Fachkreisen, deren
Verständnis insoweit ausreichend maßgeblich wäre, als Fachbegriff weitgehend
geläufig. So bestimmt beispielsweise § 4 Abs. 2 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung
(ApBetrO), dass eine Apotheke aus mindestens einer Offizin, einem Laboratorium,
ausreichend Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen muss. Das
DPMA hat zutreffend festgestellt, dass das Wort „green“ (bzw. das deutsche Wort
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„grün“) im Zusammenhang mit unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen
als Hinweis auf ein besonders umweltfreundliches Produkt benutzt wird. Insbe-
sondere im Zusammenhang mit der in Klasse 3 beanspruchten Ware „Kosmetika“
hat sich ein entsprechendes Verkehrsverständnis etabliert, sodass im allgemeinen
Sprachgebrauch die Wortkombination „Grüne Kosmetik“ als feststehender Begriff
benutzt wird, um eine bestimmte Art von Kosmetik zu bezeichnen, die in irgendei-
ner Art und Weise ökologischer oder natürlicher sein soll als „herkömmliche“ Pro-
dukte. Der Fachverkehr wird daher – unabhängig von dem weiteren, erläuternden
Zeichenbestandteil „meine grüne Apotheke“ – die Wortkombination „greenoffizin“
im Sinne von „grüne Apotheke“ verstehen. Ausgehend von diesem Verkehrsver-
ständnis ist gleichwohl der Anmelderin dahingehend beizutreten, dass der Wort-
kombination eine Verfremdung bzw. ein gewisser Fantasiegehalt nicht abgespro-
chen werden kann. Die vorliegende Kombination aus einem veraltet anmutenden
Fachbegriff und einem Wort der englischen Sprache erscheint in relevantem Aus-
maß ungewöhnlich. Auch wenn in der Werbesprache ein Sprachenmix grundsätz-
lich nicht ungewöhnlich ist, weicht die vorliegende Wortkombination ersichtlich von
üblichen Werbeschlagwörtern und Werbeslogans ab. Selbst unter Berücksichti-
gung der weiteren Zeichenbestandteile (meine grüne Apotheke), die als Erläute-
rung der Bezeichnung „greenoffizin“ verstanden werden können, stellt damit die
angemeldete Bezeichnung insgesamt keinen hinreichend engen beschreibenden
Bezug mehr zu den betreffenden Waren her. Auch wenn es sich vorliegend um
einen Grenzfall handeln mag, kann der angemeldeten Marke nach Auffassung des
Senats das für eine Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft
nicht abgesprochen werden.
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2.
Ausgehend hiervon wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Be-
zeichnung auch nicht als Zeichen oder Angabe verstehen, welches die
beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar beschreibt, sodass auch
ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Ergebnis nicht be-
jaht werden kann.
Knoll
Kriener
Dr. Nielsen
Fi