Urteil des BPatG vom 20.06.2018

Urteil vom 20.06.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:200618B25Wpat524.16.0
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 524/16
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 008 093.7
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
20. Juni 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin
Kriener sowie des Richters Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
SELECTION ASSET MANAGEMENT
ist am 16. März 2016 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) geführte Register für die folgenden Dienstleistungen an-
gemeldet worden:
Klasse 36:
Dienstleistungen im Zusammenhang mit Finanz- und
Geldangelegenheiten, insbesondere Dienstleistungen ei-
ner Investmentgesellschaft sowie einer Holdinggesell-
schaft wie Anlagevermittlung, Anlageberatung, Ab-
schlussvermittlung
sowie
Finanzportfolioverwaltung;
Dienstleistungen der Wertpapiermakler und der Gü-
termakler.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2016 hat die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA
durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die unter der Nummer
30 2016 008 093.7 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sowie einem bestehenden Freihaltebedürfnis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Marken-
stelle im Wesentlichen ausgeführt, dass der aus der englischen Sprache kom-
mende Begriff „SELECTION“ im deutschen Sprachraum in vielen Waren- und
Dienstleistungs
bereichen nachweislich im Sinne von „Auslese“ und „erste Wahl“
gebraucht werde, die Bezeichnung
„Asset Management“ sei der auf dem Finanz-
sektor gebräuchliche Fachbegriff für
„Vermögensverwaltung“. Aus der Kombina-
tion
“SELECTION ASSET MANAGEMENT“ ergebe sich eine Aussage darüber,
dass die beanspruchten Dienstleistungen eine erstklassige Vermögensverwaltung
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seien oder im Zusammenhang damit bzw. dafür erbracht werden könnten. Als er-
kennbare sachliche Angabe sei die angemeldete Marke daher lediglich geeignet,
die Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Art, Qualität und Bestimmung nach zu be-
schreiben. Ein Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen ergebe
sich aus ihr nicht. Daher mangele es dem angemeldeten Zeichen an der erforder-
lichen Unterscheidungskraft, zudem sei angesichts der unmittelbar beschreiben-
den Bedeutung ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber zu bejahen. Der Hinweis
der Anmelderin
, dass die Bezeichnung „SELECTION ASSET MANAGEMENT“
allein oder überwiegend von der Anmelderin benutzt werde oder werden sollte,
vermöge nicht die markenrechtliche Schutzfähigkeit zu begründen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, dass die Be-
zeichnung „SELECTION ASSET MANAGEMENT“ weder eine freihaltungsbedürf-
tige beschreibende Angabe darstelle, noch ihr die für eine Eintragung erforderliche
Unterscheidungskraft fehle. Die angesprochenen Verkehrskreise seien im Zu-
sammenhang mit Finanzdienstleistungen daran gewöhnt, mit sprechenden Mar-
ken konfrontiert zu werden, daher würden sie die angemeldete Bezeichnung
durchaus als Marke erkennen. So sei die Bezeichnung „SOLUTIO Asset Ma-
nagement“ (DE 398 49 329) als Marke eingetragen worden. Es sei nicht nachvoll-
ziehbar, dass ein Weglassen eines einzelnen Buchstabens die Eintragungsfähig-
keit begründen soll, wohingegen die Bezeichnung
„Selection Asset Management“
für nicht schutzfähig erachtet werde. Die angesprochenen Verkehrskreise würden
die Marke so wahrnehmen, wie sie ihnen entgegentrete und sie keiner analysie-
renden Betrachtung unterziehen. Die Markenstelle habe die angemeldete Marke
auf intensive Art und Weise analysiert um
der Wortfolge „SELECTION ASSET
MANAGEMENT“ einen beschreibenden Inhalt zuweisen zu können. Nach Auffas-
sung der Beschwerdeführerin werde der Verkehr das W
ort „SELECTION“ nicht
übersetzen und diesem
im Zusammenhang mit „ASSET MANAGEMENT“ auch
keine beschreibende Bedeutung entnehmen. Vielmehr werde der Verkehr die
Wortfolge als solche, ohne Übersetzung, zur Kenntnis nehmen und in Erinnerung
behalten. Daher sei die Bezeichnung schutzfähig.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 29. Juni 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin, den der Anmelderin mit Schreiben vom
20. Februar 2018 erteilten rechtlichen Hinweis nebst Anlagen und auf den übrigen
Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach § 64 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statt-
hafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Eintragung der Bezeichnung SELECTION ASSET MANAGEMENT als Marke
steht für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 jedenfalls das Schutz-
hindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ent-
gegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Kombination daher zu Recht die
Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zei-
chen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Her-
kunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt da-
rin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu
gewährleisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10
– HOT; GRUR 2013, 731
Rn. 11
– Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270
Rn. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10
– TOOOR!; GRUR 2010, 825
Rn. 13
– Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL
WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im
Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses da-
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rin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewah-
ren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 60
– Libertel; BGH, GRUR 2014, 565
Rn. 17
– Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich
auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei
dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Aus-
wirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und
angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Be-
reich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411
Rn. 24
– Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2;
GRUR 2004, 428 Rn. 30 f.
– Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL
WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR
2013, 1143, 1144 Rn. 15
– Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn.
10 - Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22
– test; EuGH, MarkenR 2010,
439 Rn. 41
– 57 – Flugbörse). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere
Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten
Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschrei-
benden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19
– FUSSBALL
WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86
– Postkantoor). Darüber hinaus fehlt
die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände
beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen,
mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt
hergestellt wird (BGH GRUR 2006, 859 Rn. 19
– FUSSBALL WM 2006).
Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Wortmarke für die bean-
spruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG.
Die englischsprachige
Wortfolge „Asset Management“ ist auch in deutschen Wör-
terbüchern vielfach lexikalisch und im Übrigen in zahlreichen Fachbüchern der
Finanzwissenschaft und des Bankwesens als Fachbegriff mit der Bedeutung
„Vermögensverwaltung“ nachweisbar (vgl. dazu die der Anmelderin mit dem Hin-
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weis des Senats vom 20. Februar 2018 beigefügten Anlagen 1 und 2). Der Begriff
wird zudem sehr intensiv im Sprachgebrauch von Banken, Versicherungen und
von zahlreichen Unternehmen benutzt, die sich im weitesten Sinne mit Vermö-
gensanlagen beschäftigen (vgl. die der Anmelderin mit dem Hinweis des Senats
vom 20. Februar 2018 beigefügten Rechercheunterlagen 3 bis 9b; siehe auch die
als Anlage 10 beigefügte Senatsentscheidung im Verfahren 25 W (pat) 508/16
vom 12. Oktober 2017 zur Bezeichnung MAM Munich Asset Management).
Der Begriff
„Selection“ wiederum wird in zahlreichen unterschiedlichen Waren- und
Dienstleistungszusammenhängen verwendet, um auf eine besondere Aus-
wahl/Wahl/Auslese im Sinne einer Premium-Qualität der so bezeichneten Waren
und Dienstleistungen hinzuweisen. So findet sich der Begriff im Zusammenhang
mit Kochtöpfen, Keksen, Weinen (Selection-Weine im Gegensatz zu Standard-
Weinen), Haushaltsgeräten, Kraftfahrzeugen (BMW Premium Selection für beson-
ders hochwertige Gebrauchtwagen, http://www.bmw.de/de/topics/ gebrauchtfahr-
zeuge/premium-selection/auf-einen-blick.html), Wandfarben, Fitnessstudios, Ma-
nufaktur-Produkten, Antriebselementen, besonderen Reiserouten, Fischspeziali-
täten sowie hochwertigen Produkten im Supermarkt (vgl. die der Anmelderin mit
dem Hinweis des Senats vom 20. Februar 2018 beigefügten Anlagen 11 bis 18).
Ebenso werden Finanzprodukte und zahlreiche weitere Dienstleistungen im Be-
reich der Wert- und Vermögensanlagen i
n großem Umfang mit „Selection“ bewor-
ben (vgl. die der Anmelderin übersandten Anlagen 18 bis 20).
In der konkret angemeldeten Bezeichnung ergibt sich ohne weiteres eine dienst-
leistungsbeschreibende Bedeutung der Gesamtheit SELECTION ASSET
MANAGEMENT dahingehend, dass im Bereich der beanspruchten Dienstleistun-
gen eine Vermögensverwaltung mit einer besonders exklusiven Auswahl an Anla-
gemöglichkeiten bzw. eine besonders exklusive Vermögensverwaltung angeboten
werden. Für den angesprochenen Verkehr ist es damit fernliegend, in der ange-
meldeten Wortfolge im Zusammenhang mit den beanspruchten Finanz- und Ver-
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mögensanlagedienstleistungen einen Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleis-
tungen aus einem ganz bestimmten Geschäftsbetrieb zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund ist der Anmelderin nicht dahingehend zu folgen, dass ein
sachbezogenes Verständnis Ergebnis einer analytischen Herangehensweise oder
mehrerer zahlreicher Gedankenschritte sei. Vielmehr drängt sich ein solches Ver-
ständnis der angesprochenen Verbraucherkreise nach Auffassung des Senats
ohne weiteres auf, da Selection wie auch der Fachbegriff Asset Management be-
reits umfangreich verwendet werden.
Soweit die Anmelderin auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen verweist,
ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des
EuGH (vgl. GRUR 2009, 667
– Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die
Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674
Rn. 42-44
– Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-
Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175
– Burg Lissingen;
MarkenR 2010, 139
– VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010,
145
– Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine In-
dizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl.,
§ 8 Rn. 72 ff. mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Ent-
scheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern
eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische Vorein-
tragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintra-
gung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen von unbestimmten Rechtbegriffen
keine Selbstbindung der Markenstellen des DPMA und erst recht keine irgendwie
geartete Bindung für das Gericht. Das Gericht und auch das Patentamt haben in
jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.
Im Übrigen ist die von der Anmelderin genannte Eintragung
von „SOLUTIO Asset
Management“ angesichts des unterschiedlichen Anfangswortes SOLUTIO ohnehin
mit der vorliegenden Fallkonstellation in keiner Weise vergleichbar.
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Nach alledem war die Beschwerde daher zurückzuweisen.
Nachdem die Anmelderin keinen Antrag auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung gestellt hat, konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden wer-
den, § 69 Nr. 1 MarkenG.
III.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbe-
schwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.
Knoll
Kriener
Dr. Nielsen
Pr