Urteil des BPatG vom 19.07.2018

Urteil vom 19.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:190718U2Ni55.16EP.0
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
2 Ni 55/16 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
19. Juli 2018
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 936 682
(DE 697 02 929)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Guth
sowie die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Friedrich, Dipl.-Phys. Univ. Dr. Zebisch,
Dr. Himmelmann und Dr.-Ing. Kapels
für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreck-
bar.
Tatbes tand
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutsch-
land erteilten europäischen Patents 936 682, das am 29. Juli 1997 als PCT-An-
meldung mit der Nummer PCT/JP97/02610 eingereicht worden ist und Prioritäten
von fünf japanischen Patentanmeldungen vom 29. Juli 1996 (JP 19858596),
17. September 1996 (JP 24433996), 18. September 1996 (JP 24538196),
27. Dezember 1996 (JP 35900496) und 31. März 1997 (JP 8101097) beansprucht.
Im Einspruchsverfahren ist es beschränkt aufrechterhalten und nachfolgend als
EP 0 936 682 B9 veröffentlicht worden (Streitpatent). Der deutsche Teil des in der
Verfahrenssprache Englisch am 23. August 2000 (EP 0 936 682 B1) bzw.
28. November 2007 (EP 0 936 682 B9) mit der Bezeichnung
- 3 -
veröffentlichten Patents wird vom Deutschen Patent- und Mar-
kenamt unter der Nummer 697 02 929 geführt.
Durch Urteil vom 16. August 2016 hat der Bundesgerichtshof bereits eine Nichtig-
keitsklage gegen das Streitpatent abgewiesen (Aktenzeichen X ZR 96/14).
Das Patent umfasst in seiner beschränkt aufrechterhaltenen Fassung
13 Ansprüche, von denen der mit Hauptantrag verteidigte Anspruch 1 gemäß der
DE 697 02 929 T4 in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:
„Eine lichtemittierende Vorrichtung, die ein lichtemittierendes
Teil (102) und einen Leuchtstoff (101) enthält, der in der Lage ist,
einen Teil des vom lichtemittierenden Teil ausgesandten Lichtes
zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die
sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet, wobei das
besagte lichtemittierende Teil (102) einen Verbindungshalbleiter
auf der Grundlage von GaN und der besagte Leuchtstoff ein Gra-
nat-Fluoreszenzmaterial entsprechend der Formel (Y
1-
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 enthält, in der Al mindestens teilweise durch
Ga und/oder In ersetzt sein kann, und in der das besagte licht-
emittierende Teil (102) eine blaue lichtemittierende Diode (LED) ist
und in der der besagte Leuchtstoff sich in einem direkten oder in-
direkten Kontakt mit der besagten blauen lichtemittierenden Diode
befindet, und in der ein Hauptemissionspeak der lichtemittieren-
den Diode innerhalb des Bereichs von 400 nm bis 530 nm liegt
und eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstoffs so liegt,
dass sie länger als der Hauptemissionspeak des lichtemittieren-
den Teils ist.“
Wegen der weiter angegriffenen und direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezo-
genen Ansprüche 2 bis 13 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
- 4 -
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils des
europäischen Patents.
Die Beklagte verteidigt ihr Streitpatent in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt
mit den Hilfsanträgen 1 und 2 vom 14. Mai 2018, bezüglich deren Wortlauts auf
den Akteninhalt verwiesen wird.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend
(Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ), insbe-
sondere der fehlenden Neuheit (Art. 54 EPÜ) und der fehlenden erfinderischen
Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) sowie den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung
(Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art.138 Abs. 1 lit. c) EPÜ) und der
mangelnden Ausführbarkeit (Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 IntPatÜG). Zur Stützung ihres Vorbringens nennt die Klägerin mit ih-
rem Klageschriftsatz und ihren weiteren Eingaben folgende Dokumente:
FROH02
geänderte Patentschrift EP 0 936 682 B9 (Streitpatent)
FROH02a
DE 697 02 929 T4 als deutsche Übersetzung der EP 0 936 682 B9
FROH03
Auszug aus dem Patentregister des DPMA vom 12. Dezember 2016
FROH04
Merkmalsgliederung des Anspruchs 1
FROH05
Prioritätsdokumente P1 bis P5 des Streitpatents
FROH06
JP 09-73807 A
FROH06a
englische Übersetzung der JP 09-73807 A
FROH06b
JP 39 31 355 B2 (Patentschrift zur JP 09-73807 A)
FROH07
Material Safety Data Sheet of Nichia Phosphor NP-204
FROH07a
Datenblatt zu NP-204, 16. Mai 1995
FROH07‘
bessere Kopie von FROH07 und FROH07a
FROH08
G. Blasse and A. Bril: „Investigation of Some Ce
3+
-Activated
Phosphors , In: The journal of chemical physics, Volume 47,
Number 12, 15. Dezember 1967
- 5 -
FROH09
W. W. Holloway Jr. and M. Kestigian: „On the fluorescence of
cerium-activated garnet crystals"; In: Physics Letters. Volume 25A,
Number 8, 23. Oktober 1967
FROH10
K. Bando et al.: „Development and applications of highbright white
LED lamps". The 264
th
proceedings on the Institute of Phosphor
Society, Seiten 5-14, 29. November 1996
FROH10a
englische Übersetzung von S. 1, The 264
th
proceedings on the
Institute of Phosphor Society und von FROH 10
FROH11
WO 97/50132 A1
FROH11a
DE 196 38 667 A1
FROH12
P. Schlotter et al.: „Luminescence conversion of blue light emitting
diodes“. Applied Phys. A64, S. 417-418 (1997)
FROH13
JP 07-99345 A
FROH13a
englische Übersetzung von JP 07-99345 A
FROH13b
deutsche Übersetzung von JP 07-99345 A
FROH14
JP 5-152609 A
FROH14a
englische Übersetzung von JP 5-152609 A
FROH15
JP 7-176794 A
FROH15a
englische Übersetzung von JP 7-176794 A
FROH15b
weitere englische Übersetzung von JP 7-176794 A
FROH16
Shuji Nakamura et al.: „Candela-class high-brightness InGaN/AIGaN
double-heterostructure blue-light-emitting diodes", Appl. Phys. Lett. 64
(13), 28. März 1994
FROH17
JP 8-7614 A
FROH17a
englische Übersetzung von JP 8-7614 A
FROH18
identisch mit FROH16
FROH19
Shuji Nakamura: „InGaN/AlGaN blue-light-emitting diodes“, J. Vac.
Sci. Technol. A 13(3), May/June 1995, Seiten 705 bis 710
FROH20
Bob Johnstone: „Brilliant!: Shuji Nakamura and the Revolution in
Lighting Technology“, Prometheus Books, Amherst, New York, 2007,
Seiten 121, 122
- 6 -
FROH21
Löschungsantrag der Beklagten gegen das Gebrauchsmuster
DE 297 24 382 U1
FROH22
G. Blasse, B. C. Grabmaier: „Luminescent Materials“, Springer Verlag
Berlin Heidelberg, 1994, Seiten 124, 125
FROH22a
Kapitel 6 der Anlage FROH22
FROH23
Klageerweiterung im Verletzungsverfahren 4b O 142/16
FROH24
Parteigutachten der Klägerin von Dr. D…,
in B…
FROH25
S. Nakamura; Nobel Lecture, December 8, 2014: Background
Story of the Invention of Efficient Blue InGaN Light Emitting
Diodes
FROH26
Farbtafel des sichtbaren Lichts
FROH27
Leuchtstoffhandbuch „Keikotai Handobukku“, Abschnitte 2 bis 3,
1987
FROH27a
Sh. Shionoya and W. M. Yen (Hrsg.): „Phosphor Handbook“,
CRC-Press, Boca Raton, 1999, englische Ausgabe der FROH27
und Abschnitte 5.6 und 5.7
FROH28
EP 0 936 682 A1, Offenlegungsschrift des Streitpatents
FROH29
S. Nakamura u. a.: Superbright Green InGaN Single-Quantum-
Well-Structure Light-Emitting Diodes; In. Jpn. J. Appl. Phys.
Vol. 34 (1995), S. L1332 – L1335
Die Klägerin macht insbesondere geltend,
− dass das Streitpatents die Prioritäten der fünf Voranmeldungen P1 bis P5,
insbesondere der P1 (JP 19858596 vom 29. Juli 1996) nicht wirksam
beanspruchen könne, denn
• das zumindest teilweise Ersetzen von Aluminium durch Indium gemäß
Anspruch 1 sei im Prioritätsdokument P1 nicht offenbart und für eine
Inanspruchnahme von Teilprioritäten für die beiden Alternativen
(Leuchtstoff mit/ohne Indium) fehle die Voraussetzung, da die
verschiedenen Substitutionsgrade von Gallium und/oder Indium eine
unbegrenzte Anzahl von Alternativen bildeten, wohingegen die
- 7 -
Rechtsprechung die Inanspruchnahme von Teilprioritäten nur dann
akzeptiere, wenn damit eine beschränkte Zahl eindeutig definierter
alternativer Gegenstände beansprucht werde,
• die chemische Formel (Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
:
Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 des
Anspruchs 1 sei in P1 nicht offenbart,
• in P1 sei nicht offenbart, in dieser Formel gleichzeitig Aluminium
(teilweise) durch Gallium und Yttrium (teilweise) durch Gadolinium zu
ersetzen,
• nicht die Prioritätsdokumente P1 bis P5 seien die erste Anmeldung für
das Streitpatent, sondern die am 6. September 1995 angemeldete und
mit der JP 09-73807 A (FROH06) am 18. März 1997 offengelegte
japanische Anmeldung,
− dass weder die Voranmeldungen P1 bis P5 noch die Ansprüche 1 und 2 des
Streitpatents dem Fachmann eine ausführbare Lehre gäben, denn
• den Prioritätsdokumenten könne kein Hinweis entnommen werden, wie
von einer GaN-basierten Halbleitersubstanz Licht mit einer Wellenlänge
von 400 nm erzeugt werden kann und
• die Lehre des Anspruchs 1 sei für
die beanspruchten
Zusammensetzungen des Leuchtstoffs nicht über den gesamten
beanspruchten Bereich der Lichtemission ausführbar, so sei u. a. die
beanspruchte Verbindung Y
3
Ga
5
O
12
:Ce nicht fluoreszierend,
− dass wegen der unwirksamen Inanspruchnahme der Prioritäten P1 bis P5
die Vorrichtung des Anspruchs 1 nicht neu sei jeweils hinsichtlich der
Druckschriften FROH10, FROH11 und FROH12,
− dass die Vorrichtung des Anspruchs 1 dem Fachmann durch die Druckschrift
FROH13 i. V. m. FROH07 bzw. FROH22 nahegelegt werde
− und dass die Vorrichtungen der abhängigen Ansprüche 2 bis 13 hinsichtlich
der Druckschriften FROH10, FROH11 und FROH13 bis FROH17 dem
Fachmann nahegelegt oder nicht neu seien.
- 8 -
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 0 936 682 in vollem Umfang mit Wirkung
für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig
zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen, hilfsweise das Streitpatent unter Klageab-
weisung im Übrigen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutsch-
land dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass seine Ansprü-
che die Fassung eines der Hilfsanträge 1 und 2 gemäß Anlage
zum Schriftsatz vom 14. Mai 2018, in dieser Reihenfolge, erhalten.
Die Beklagte erklärt, dass sie die Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträ-
gen jeweils als geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Ge-
samtheit beansprucht.
Die Beklagte, die sich in vollem Umfang und mit den Hilfsanträgen 1 und 2 be-
schränkt verteidigt, tritt dem Vortrag der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie
vertritt die Auffassung, dass die Anmeldung JP 09-73807 A (FROH06) nicht die
erste Anmeldung des Streitpatents darstelle, da ihr nicht sämtliche Merkmale des
Anspruchs 1 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen seien, wohingegen das
Streitpatent die Prioritäten der Voranmeldungen P1 bis P5 wirksam beanspruchen
könne. Auch die Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre sei gegeben und
wegen der wirksamen Inanspruchnahme der Prioritäten seien die als neuheits-
schädlich angesehenen Druckschriften FROH10 bis FROH12 nachveröffentlicht.
Zudem könnte auch eine Kombination der Druckschrift FROH13 mit dem Datenblatt
FROH07 bzw. dem Lehrbuch FROH22 die Vorrichtung des Anspruchs 1 nicht na-
helegen. Zur Erläuterung hat sie ergänzend folgende Dokumente vorgelegt:
- 9 -
NB1
Berufungsurteil X ZR 96/14 des BGH vom 16. August 2016 im ersten
Nichtigkeitsverfahren
NB2
Beschluss G1/15 der Großen Beschwerdekammer vom
29. November 2016
NB3
Beschluss der Einspruchsabteilung des EPA vom 26.2.2007
NB4
Shuji Nakamura: „InGaN/AlGaN blue-light-emitting diodes"; In: J. Vac.
Sci. Technol. A 13(3), Mai/Juni 1995
NB5
Anspruchssätze nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 in
deutscher Sprache
NB6
Anspruchssätze nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 in
englischer Sprache
NB7
EP 0 936 682 A1, Offenlegungsschrift des Streitpatents
NB8
D. B. Eason u. a.; High-brightness blue and green light-emitting diodes;
In: Appl. Phys. Lett. 66 (2), 9 January 1995, S. 115 – 117.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit des Streit-
patentgegenstands (Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 IntPatÜG) sowie der unzulässigen Erweiterung (Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ
i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜG) und der mangelnden Ausführbar-
keit (Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IntPatÜG)
geltend gemacht werden, ist zulässig.
Sie ist aber nicht begründet. Das Streitpatent hat bereits in der im Einspruchsver-
fahren vor dem Europäischen Patentamt aufrechterhaltenen und vom Bundesge-
richtshof durch Urteil vom 16. August 2016 (X ZR 96/14) bestätigten Fassung
nach Hauptantrag Bestand, da dem Gegenstand des Patents in der Fassung des
Hauptantrags weder der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit noch die
- 10 -
Nichtigkeitsgründe der fehlenden Ausführbarkeit oder unzulässigen Erweiterung
entgegenstehen.
I.
1.
Das Streitpatent betrifft eine lichtemittierende Vorrichtung, die ein lichtemittie-
rendes Bauteil (Licht emittierende Diode LED) und einen Leuchtstoff enthält, der in
der Lage ist, das von dem lichtemittierenden Bauteil ausgesandte Licht in Licht mit
einer anderen Wellenlänge zu konvertieren. Bei einer LED handelt es sich übli-
cherweise um ein optoelektronisches Halbleiterbauelement, das elektrischen
Strom direkt in Licht umwandeln kann und aufgrund seiner Energieeffizienz und
Zuverlässigkeit in der lnnen- und Außenbeleuchtung sowie als Lichtquelle für die
Hintergrundbeleuchtung oder allgemein in Anzeigeelementen eingesetzt wird.
Aufgrund ihrer physikalischen Wirkungsweise senden lichtemittierende Halbleiter-
bauteile das Licht nur in einem eng begrenzten, bspw. im roten, grünen oder
blauen Wellenlängenbereich in effizienter Weise aus.
Nach den Ausführungen in der Patentbeschreibung seien vor dem Prioritätszeit-
punkt Versuche unternommen worden, Weißlichtquellen auf Basis lichtemittieren-
der Dioden aus einer additiven Mischung von rotem, grünem und blauem Licht
herzustellen. Dazu seien lichtemittierende Rot-, Grün- und Blau-Komponenten
dicht beieinander angeordnet und das von diesen ausgesendete Licht gestreut
und zu weißem Licht additiv gemischt worden. Die Nachteile einer derartigen An-
ordnung seien aber darin zu sehen, dass die drei Farbkomponenten wegen ihrer
unterschiedlichen Materialien über komplexere Ansteuerungen mit verschiedenen
Spannungen betrieben werden müssten, und die Änderung bereits einer einzigen
der drei Farbkomponenten, die ihrerseits zudem ein unterschiedliches Tempera-
tur-, Zeit- und Betriebsverhalten hätten, zu Fehlern bei der Mischfarbe führe.
Eine weitere nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung von der Patentin-
haberin in mehreren Publikationen vorgestellte Möglichkeit, weißes Licht emittie-
rende Vorrichtungen bereit zu stellen, bestehe darin, ein blaues Licht emittieren-
des Halbleiterbauteil in einer an der Spitze eines Leiterrahmens befindlichen
- 11 -
Schale anzubringen und mit einem Harz zu vergießen, das einen Leuchtstoff ent-
hält, der das blaue Licht absorbiert und in gelbes Licht konvertiert, das sich zu-
sammen mit dem nicht absorbierten blauen Licht zu weißem Licht additiv mischt.
Nachteilig bei den dort verwendeten Leuchtstoffen sei aber deren schnelle Degra-
dation, insbesondere bei der Verwendung von Halbleiterleuchtdioden mit großer
Bandlücke, und deren Temperaturempfindlichkeit, was in Summe die Lebens-
dauer der Weißlichtquelle stark verkürze,
2.
Ausgehend davon liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Auf-
gabe zugrunde, eine lichtaussendende Vorrichtung bereitzustellen, bei der die In-
tensität, der Wirkungsgrad und die Farbverschiebung des emittierten Lichts nicht
oder nur in geringem Umfang abnehmen und die Vorrichtung über einen langen
Benutzungszeitraum eine hohe Leuchtdichte aufweist,
3.
Diese Aufgabe wird durch die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 des Haupt-
antrags gelöst, die sich in funktionaler Hinsicht folgendermaßen gliedern lässt:
1. Die lichtemittierende Vorrichtung enthält
a) ein lichtemittierendes Teil und
b) einen Leuchtstoff .
2. Das lichtemittierende Teil (102)
a) ist eine blaues Licht emittierende Diode (LED),
b) die einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von
Galliumnitrid (GaN) enthält.
3. Der Leuchtstoff
a) ist in der Lage, einen Teil des von der Diode ausgesandten
Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszu-
- 12 -
senden, die sich von derjenigen des absorbierten Lichtes un-
terscheidet,
b) enthält ein Granat-Fluoreszenzmaterial der Formel
(Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
: Ce
(Zer-aktiviertes Yttrium-Aluminium-
Granat) mit 0≤r≤1, wobei
Aluminium (Al) mindestens teilweise durch Gallium (Ga)
und/oder Indium (In) ersetzt sein kann, und
c) befindet sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der
Diode.
4. Ein Hauptemissionspeak der Diode liegt innerhalb des Bereichs von
400 bis 530 nm.
5. Eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstoffs ist länger als die
Wellenlänge des Hauptemissionspeaks des lichtemittierenden Teils.
Für die lichtemittierende Vorrichtung des Anspruchs 1 ist wesentlich, dass sie eine
blaues Licht emittierende Diode (LED) auf der Grundlage von GaN mit einem
Hauptemissionspeak innerhalb des Bereichs von 400 bis 530 nm, d. h. im blauvi-
oletten bis grünen Lichtbereich, enthält, und zudem einen Leuchtstoff in direktem
oder indirektem Kontakt mit der LED umfasst, der in der Lage ist, einen Teil des
von der LED ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellen-
länge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet. Wie
in Abs. [0076] der Streitpatentschrift erläutert bedeutet direkter Kontakt, dass der
Leuchtstoff angrenzend zu der lichtemittierenden Diode angeordnet ist. Indirekter
Kontakt ist in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass der Leuchtstoff in der
Nähe der Diode, aber nicht an sie angrenzend angeordnet ist. Der Leuchtstoff
enthält als Fluoreszenzmaterial ein mit dem Element Zer (Ce), einem Metall aus
der Gruppe der Seltenen Erden, aktiviertes Yttrium-Gadolynium-Aluminium-Granat
entsprechend der Formel (Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1, in der Al mindestens
teilweise durch Ga und/oder In ersetzt sein kann, und dessen Hauptemissions-
- 13 -
wellenlänge so liegt, dass sie länger als die Wellenlänge des Hauptemissions-
peaks des lichtemittierenden Teils ist.
Bei einer bevorzugten Vorrichtung absorbiert der Leuchtstoff teilweise das von der
lichtemittierenden Diode (LED) ausgesandte blaue Licht und gibt Licht mit größe-
rer Wellenlänge, insbesondere gelbes Licht, ab. Die additive Mischung der
Lichtemissionen von LED und Leuchtstoff im blauen und gelben Lichtspektrum
ergibt weißes Licht.
4.
Als hier zuständiger Fachmann ist demnach ein Diplomphysiker auf dem
Gebiet der Halbleitertechnologie oder ein Chemiker auf dem Gebiet der
physikalischen Chemie zu definieren, der über mehrjährige Erfahrung in der
Entwicklung von Halbleiterleuchtdioden verfügt und speziell mit der Entwicklung
weißer Leuchtdioden betraut ist.
II.
1.
Abgesehen von der Merkmalsalternative, dass Aluminium zumindest teil-
weise durch Indium ersetzt sein kann, ist für die Ansprüche 1 und 2 die Priorität
der ersten Prioritätsanmeldung (Prioritätsdokument P1 mit Prioritätsdatum
29. Juli 1996) wirksam, denn dieses Dokument offenbart die entsprechenden
Merkmale unmittelbar und eindeutig und stellt auch die erste Anmeldung des
Streitpatents dar.
1.1
der Offenlegungsschrift bzw. [0076] der Streitpatentschrift findet sich in Ab-
satz [0020] der prioritätsbegründenden Anmeldung P1 wieder, und die übrigen
Merkmale sind dort durch
• den Anspruch 1 mit der Formel RE
3
(Al,Ga)
5
O
12
:Ce, wobei RE mindestens
eines der Elemente Yttrium (Y), Gadolinium (Gd) und Samarium (Sm)
umfasst, was dem Fachmann die unmittelbare und eindeutige Lehre gibt
- 14 -
dass die Elemente Y, Gd und Sm alleine oder in Kombination enthalten sein
können,
• den Rückbezug des Anspruchs 3, in dem der (Al,Ga)-Anteil als (Al
s
Ga1-
s
) mit
0≤s≤1 beschrieben ist (dort anders als in der Beschreibung in der Formel von
Abs. [0012] fehlerhafterweise als Al
y
Ga
1-y
bezeichnet), auf Anspruch 1,
woraus folgt, dass die Formel RE
3
(Al,Ga)
5
O
12
:Ce so zu lesen ist, dass
entweder nur Al oder nur Ga oder beides enthalten ist,
• und die Absätze [0021] bis [0023]
offenbart.
Die beiden Alternativen, wonach Aluminium nicht (Alternative 1) oder zumindest
teilweise (Alternative 2) durch Indium ersetzt ist, stellen zudem zwei eindeutig
voneinander zu unterscheidende Varianten dar, weswegen die Inanspruchnahme
von Teilprioritäten zulässig ist.
Die Offenbarung von InGaN als Verbindungshalbleiter für die lichtemittierende Di-
ode mit einem Hauptemissionspeak von 400 bis 530 nm gemäß Anspruch 2 des
Streitpatents findet sich in der ersten Prioritätsanmeldung P1 bspw. in den Absät-
zen [0029] und [0032].
1.2
der FROH06 (JP 09-73807 A) offengelegte japanische Patentanmeldung
7-228831 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig das Merkmal des Anspruchs 1,
wonach das lichtemittierende Teil einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage
von GaN enthält. An keiner Stelle dieser Druckschrift findet sich eine Angabe,
dass die verwendeten LEDs einen GaN-Verbindungshalbleiter umfassen. Denn
das eingesetzte lichtemittierende Teil wird durchgehend lediglich als „blaue LED
“ bzw. „blaue LED mit hoher Leuchtkraft
“ beschrieben, insbesondere auch in der Beschreibung der beiden
Ausführungsbeispiele in den Abs. [0018] bis [0022], von denen speziell das zweite
Ausführungsbeispiel mit dem Leuchtstoff NP-204, der nach Dokument FROH07
unter den beanspruchten Leuchtstoff fällt, relevant ist.
- 15 -
Aus dem in den Abs. [0004] bis [0007] im Rahmen der Darstellung des Stands der
Technik erfolgten Verweis auf die beiden Dokumente FROH15 und FROH17
ergibt sich ebenfalls keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merk-
mals, dass der Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN gebildet ist.
Denn diesen beiden Absätzen kann der Fachmann keinen Hinweis entnehmen,
dass bestimmte technische Merkmale der Dokumente FROH15 und FROH17 zur
Lehre der Druckschrift FROH06 gehören sollen. Vielmehr wird auf diese beiden
Dokumente lediglich insofern Bezug genommen, als die dort eingesetzten und als
lichtstarke blaue LEDs verwendenden folienartigen Lichtquellen nachteilig hin-
sichtlich der Größe, der Gleichmäßigkeit der Lichtabstrahlung und des äußeren
Erscheinungsbildes seien, weshalb die Aufgabe der FROH06 darin bestehe, eine
weißes Licht abstrahlende folienartige Lichtquelle bereitzustellen, die diese Nach-
teile nicht aufweise und zuverlässig funktioniere. So ist den Abs. [0004] bis [0007]
der FROH06 auch kein deutlicher Hinweis zu entnehmen, für die blauen LEDs
solche wie in den Dokumenten FROH15 und FROH17 einzusetzen, denn im Vor-
dergrund der Druckschriften FROH06, FROH15 und FROH17 steht nicht die Art
der einzusetzenden LED, sondern die geometrische Ausgestaltung der folienarti-
gen, planaren Lichtquelle, zumal die Lehren der FROH06, FROH15 und FROH17
grundsätzlich unabhängig vom verwendeten LED-Typ sind.
Den in Druckschrift FROH06 verwendeten Begriff
“ verstand der Fachmann an deren Anmeldetag auch nicht als Synonym für
blaues Licht emittierende LEDs auf der Grundlage von GaN. Denn wie durch
Druckschrift NB8 belegt, wurden zu diesem Zeitpunkt zumindest blaues Licht
emittierende LEDs basierend auf II-VI-Halbleiter-ZnSe/ZnCdSe-Heterostrukturen
ebenfalls als bezeichnet.
Daher ist der Verweis auf die hohe Leuchtkraft der LEDs in der nicht speziell auf
die LED selbst gerichteten und nicht auf einen bestimmten LED-Typ beschränkten
FROH06 keine Offenbarung für eine bestimmte chemische Zusammensetzung der
LEDs, sondern lediglich ein Hinweis, unabhängig vom Material lichtstarke blaue
- 16 -
LEDs einzusetzen, was auch für die in FROH06 erläuterten Ausführungsbeispiele
gilt.
Die Umschreibung „ist folglich
keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für das Merkmal des Anspruchs 1,
wonach das lichtemittierende Teil einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage
von GaN enthält.
Somit sind in der japanische Patentanmeldung FROH06 nicht sämtliche Merkmale
des Anspruchs 1 nach Hauptantrag unmittelbar und eindeutig offenbart, weshalb
die Patentanmeldung FROH06 die Prioritätsanmeldung P1 des Konvoluts
FROH05 als erste Anmeldung des Streitpatents nicht in Frage stellen kann.
2.
Sowohl das Streitpatent als auch das Prioritätsdokument P1 offenbaren die
Lehre des Anspruchs 1 nach Hauptantrag so deutlich und vollständig, dass der
Fachmann sie ausführen kann.
Nach den Ausführungen der Klägerin enthalte die in der Prioritätsanmeldung P1
beanspruchte Zusammensetzung des fluoreszierenden Materials auch das nicht
fluoreszierende Granatmaterial Y
3
Ga
5
O
12
:Ce, weshalb die technische Lehre der
P1 nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei. Zudem umfasse An-
spruch 1 des Streitpatents auch einen Leuchtstoff mit der Zusammensetzung
Y
3
Al
2,5
Ga
2,5
O
12
:Ce, der aber gemäß Anlage FROH10 bei 530 nm nicht anregbar
sei, so dass die Lehre des Streitpatents nicht im gesamten beanspruchten Bereich
ausgeführt werden könne.
Die Klägerin hat darüber hinaus angeführt, dass der auf Anspruch 1 rückbezogene
Anspruch 2 des Streitpatents fordere, dass die Halbleitersubstanz auf GaN-Basis
Indium enthalte und einen Hauptemissionspeak im Bereich von 400 nm bis
530 nm aufweise. Im Prioritätsdokument P1 sei in den Abs. [0047] und [0055] aber
lediglich offenbart, dass GaInN-basierte Halbleiter Licht mit einer Wellenlänge von
450 nm emittierten und die Wellenlänge durch Anhebung des Indiumanteils im
- 17 -
Halbleiter auf 460 nm erhöht werden könne, jedoch gebe es in P1 keine ausführ-
bare Lehre, wie der Emissionspeak auf eine niedrigere Wellenlänge von 400 nm
gebracht werden könne.
Die von der Klägerin vorgetragenen Einwände sind jedoch unbegründet. Denn
eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthal-
tenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information
vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage
ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Es ist nicht erforderlich, dass mindes-
tens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und ein-
deutig offenbart ist. Insbesondere reicht es aus, wenn der Fachmann ohne eige-
nes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzen und sich notfalls mit
Hilfe orientierender Versuche Klarheit verschaffen kann (vgl. dazu etwa BGH
GRUR 2010, 916-918 Rn. 17 – Klammernahtgerät; BGH GRUR 2010, 901, Rn. 31
– Polymerisierbare Zementmischung; BGH GRUR 2016, 361-365 Rn. 45f. – Fu-
genband).
Im vorliegenden Fall geben bereits die von der Klägerin genannten Absätze [0047]
und [0055] der Prioritätsanmeldung P1 dem Fachmann die technische Information,
dass sich bei GaInN-basierten Verbindungshalbleitern die Wellenlänge des durch
die Bandlückenenergie vorgegebene Emissionspeaks durch Variation der Materi-
alzusammensetzung dahingehend ändern lässt, dass die Wellenlänge mit stei-
gendem Indiumgehalt zu- und mit fallendem Indiumgehalt abnimmt. Dies ist auch
in Übereinstimmung mit seinem durch Druckschrift NB4 belegten Fachwissen, die
bspw. in den Figuren 3 bzw. 4 die Emissionsspektren von GaInN-basierten Ver-
bindungshalbleitern mit unterschiedlichem Indiumgehalt (13%, 18%, 33%) und mit
Emissionspeaks bei Wellenlängen von 400 nm, 420 nm und 465 nm bzw. die Ab-
hängigkeit der Bandlücke und damit der Wellenlänge des Emissionspeaks vom
Indiumgehalt zeigt, und die auf Seite 707 eine bekannte Formel (1) für die Be-
rechnung der Bandlückenenergie bzw. der Wellenlänge des Emissionspeaks auch
für einen höheren Indiumgehalt angibt.
- 18 -
Die Prioritätsanmeldung P1 vermittelt dem Fachmann somit so viel an technischer
Information, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage
ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen, indem er bei InGaN-LEDs die Wellen-
länge des Hauptemissionspeaks durch Variation des Indiumgehalts im Bereich
von 400 bis 530 nm ändert.
Zudem bezieht sich die beanspruchte Lehre bzw. der Anspruch 1 ersichtlich nicht
auf die Fälle, bei denen das Granat-Fluoreszenzmaterial nach Anspruch 1 bzw.
gemäß dem Prioritätsdokument P1 nicht fluoreszierende oder bei 530 nm nicht
anregbare Zusammensetzungen enthält, was der Fachmann auch erkennt, wes-
halb er solche Stoffe aufgrund der fehlenden Fluoreszenz oder fehlenden Anreg-
barkeit durch blaues Licht als untauglich für die beanspruchte Lehre ausschließt.
Ein Hemmnis, die beanspruchte Lehre auszuführen, stellt dies nicht dar:
Die beanspruchte Lehre ist somit im Streitpatent und im Prioritätsdokument P1
ausführbar offenbart.
3.
Die nach dem frühesten Prioritätsdatum aber vor dem Anmeldetag des Streit-
patents veröffentlichten Druckschriften gemäß den Anlagen FROH10 bis FROH12
stehen dem Streitpatent nicht patenthindernd entgegen. Wie vorstehend darge-
legt, ist für die Alternative des erteilten Anspruchs 1, wonach der Leuchtstoff (Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 enthält, und bei dem Al mindestens teilweise durch
Ga ersetzt sein kann, die Priorität vom 29. Juli 1996 wirksam, wohingegen für die
Alternative, wonach der Leuchtstoff (Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 enthält, und
bei dem Al mindestens teilweise durch In oder durch In und Ga ersetzt sein kann,
lediglich der Anmeldetag 29. Juli 1997 gilt.
Da in den Anlagen FROH10 bis FROH12 zwar der Leuchtstoff (Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
:
Ce mit 0 ≤ r ≤ 1, wobei Al mindestens teilweise durch Ga ersetzt sein kann, offen-
bart ist (vgl. FROH10a, Kap. 4.2 // FROH11a (Anmeldetag 20.9.96), Sp. 2, erster
Absatz // FROH12, Abstract), es in diesen Dokumenten aber keinen Hinweis gibt,
das Aluminium des Leuchtstoffs mindestens teilweise durch Indium zu ersetzen,
stehen diese Druckschriften dem Streitpatent nicht patenthindernd entgegen, denn
- 19 -
hinsichtlich der ersten Variante sind sie nachveröffentlicht, und hinsichtlich der
zweiten Variante können sie den Gegenstand des Anspruchs 1 weder neuheits-
schädlich vorwegnehmen noch nahelegen.
4.
Ausgehend von Druckschrift FROH13 beruht die Vorrichtung des An-
spruchs 1 nach Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Die vorveröffentlichte Druckschrift FROH13 offenbart eine mit einem Wellenlän-
genkonversionsmaterial versehene Leuchtdiode, nennt aber weder das Halb-
leitermaterial des LED-Chips noch das Material des Leuchtstoffes. Vielmehr steht
bei diesem Dokument die allgemeine Aufgabe im Vordergrund, wie die Leuchtdi-
ode auszugestalten ist, um einerseits die gegenseitige Beeinflussung benachbar-
ter Leuchtdioden zu verringern und andererseits die Leuchtstärke und Fokussie-
rung der Leuchtdioden zu erhöhen, wobei insbesondere auf die Problemstellung
zweier benachbarter Leuchtdioden eingegangen wird, die beide auf blaues Licht
emittierenden LED-Chips basieren, von denen eine Leuchtdiode zusätzlich ein
Konversionsmaterial enthält, das blaues Licht in grünes Licht umwandelt, und bei
denen es zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den beiden Leuchtdio-
den kommt. Als Lösung schlägt die FROH13 vor, den LED-Chip (1), wie in Fig. 3
und 4 gezeigt, in einem schalenförmigen Reflektor (3) anzuordnen, in den Reflek-
tor das Kunstharz (11) mit dem Wellenlängenkonversionsmaterial (5) so einzu-
bringen, dass es nicht über den Rand des Reflektors reicht, und schließlich, wie in
Fig. 1 dargestellt, den Reflektor mit dem Chip in ein zweites Kunstharz einzubet-
ten. Mit diesen Maßnahmen soll zum einen erreicht werden, dass das vom
Leuchtstoff generierte Licht über den Reflektor fokussierter abgegeben und insge-
samt eine größere Helligkeit der Leuchtdiode erhalten wird, und dass zum ande-
ren das Wellenlängenkonversionsmaterial durch die Reflektorwände vor der Licht-
strahlung benachbarter Leuchtdioden geschützt wird und es zu keiner uner-
wünschten Fluoreszenz aufgrund benachbarter LED-Chips kommt.
Somit ist Druckschrift FROH13 eine Vorrichtung zu entnehmen, die bis auf die
Merkmale 2b) und 3b) sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 aufweist.
- 20 -
Aufgrund der dem Fachmann bspw. aus Druckschrift NB4 bekannten Vorteile von
auf GaN-Halbleitermaterial basierenden LEDs wird der Fachmann solche auch in
naheliegender Weise bei der in Druckschrift FROH13 beschriebenen Vorrichtung
einsetzen, weshalb das Merkmal 2b) von Anspruch 1 als für den Fachmann nahe-
liegend anzusehen ist.
Die Frage, ob es für den Fachmann naheliegend ist, entsprechend dem verblei-
benden Merkmal 3b) Zer-dotiertes Yttrium-Aluminium-Granat bei einer Vorrich-
tung, wie sie in der FROH13 beschrieben ist, als Leuchtstoff einzusetzen, wenn
dem Fachmann dieses Material als Leuchtstoff aus anderen Dokumenten prinzipi-
ell bekannt ist, – vorliegend sind dies die Dokumente FROH07, FROH22 und
FROH27 – ist in der BGH-Entscheidung X ZR 96/14 (Anlage NB1) verneint wor-
den, sofern der Fachmann keine konkreten Anhaltspunkte dafür hat, vgl. dort die
Ausführungen auf den Seiten 22 bis 26.
An solchen konkreten Anhaltspunkten fehlt es in Druckschrift FROH13.
So finden sich in der deutschen Übersetzung FROH13b in Abs. [0010] lediglich
folgende allgemeine Ausführungen zum einzusetzenden Leuchtstoff:
- 21 -
Da zudem bei dem einzigen in Druckschrift FROH13 konkret beschriebenen Aus-
führungsbeispiel durch den Leuchtstoff eine Lichtkonversion von blauem in grünes
Licht erfolgt, kann der Fachmann diesen Fundstellen lediglich einen Hinweis be-
züglich eines grünes Licht emittierenden Leuchtstoffs entnehmen.
Im Gegensatz dazu konvertiert der beanspruchte Zer-dotierte Yttrium-Aluminium-
Granat-Leuchtstoff das von der LED emittierte blaue Licht jedoch nicht in grünes,
sondern in grünlich-gelbes Licht, vgl. FROH27a, Tabelle 11 auf S. 394.
Daher können weder das Ausführungsbeispiel noch obige Ausführungen der
Druckschrift FROH13 dem Fachmann eine konkrete Anregung geben, ein Granat-
Fluoreszenzmaterial entsprechend der Formel (Y
1-r
Gd
r
)
3
Al
5
O
12
: Ce
mit 0 ≤ r ≤ 1
als Leuchtstoff bei der dort beschriebenen Vorrichtung einzusetzen.
Zu den weiteren Druckschriften FROH14 und FROH15 hat die Klägerin nichts vor-
getragen und auch dem Senat ist nicht ersichtlich, dass diese der Patentfähigkeit
von Anspruch 1 des Streitpatents entgegenstehen könnten.
Die ebenfalls angegriffenen direkt oder indirekt auf Patentanspruch 1 rückbezoge-
nen Ansprüche 2 bis 13 beinhalten Ausgestaltungen der Vorrichtung des An-
spruchs 1 nach Hauptantrag und werden von dem bestandsfähigen Anspruch 1
getragen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
- 22 -
V.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG
gegeben.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des in
vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung. Die Berufung ist durch einen in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Die Berufungsschrift muss
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Guth
Dr. Friedrich
Dr. Zebisch
Dr. Himmelmann
Dr. Kapels
Pr