Urteil des BPatG vom 31.07.2018

Urteil vom 31.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:310718B18Wpat17.17.0
BUNDESPATENTGERICHT
18 W (pat) 17/17
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Teilanmeldung 199 84 047.4
hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
31. Juli 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn und die Richter
Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und Dipl.-Ing. Altvater
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beschlossen:
1. Das Bundespatentgericht ist für die Prüfung der aufgrund der
Teilungserklärung
vom
28. Dezember 2016
aus
der
Stammanmeldung 199 83 738.4 entstandenen Patentanmel-
dung 199 84 047.4 nicht zuständig.
2. Das aufgrund der Teilung durchzuführende Anmeldeverfahren
wird zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und
Markenamt verwiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Teilanmeldung 199 84 047.4 mit der Bezeichnung
„Universalressourcenzugriffssteuerung“
geht aus der Stammanmeldung 199 83 738.4 hervor, die wiederum aus der am
15. November 1999 eingereichten und als WO 2000/029955 A1 in englischer
Sprache veröffentlichten PCT-Anmeldung (PCT/US 1999/026994) hervorgeht,
welche
zwei
US-amerikanische
Prioritäten
vom
16. November 1998
(US 60/108 930) und vom 12. November 1999 (US 09/439 544) in Anspruch
nimmt.
Mit in der Anhörung vom 16. November 2011 verkündeten Beschluss, erstellt am
18. November 2011, hat die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Pa-
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tent- und Markenamts die Stammanmeldung 199 83 738.4 mit der Begründung
zurückgewiesen, dass die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 nach Haupt-
antrag und nach Hilfsanträgen 1 und 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit be-
ruhen würden.
Gegen diesen ihr am 18. November 2011 zugestellten Beschluss hat die Rechts-
vorgängerin der Anmelderin mit am 10. Dezember 2011 eingegangenen Schrift-
satz vom 9. Dezember 2011 Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde der beim Senat unter dem Aktenzeichen 18 W (pat) 172/14 an-
hängig gewesenen Stammanmeldung wurde von der Anmelderin mit Schriftsatz
vom 3. Januar 2017 zurückgenommen, nachdem die Anmelderin mit Schreiben
vom 16. November 2016 zur mündlichen Verhandlung geladen wurde. Im La-
dungszusatz wurde die Anmelderin u. a. auf mögliche Zulässigkeitsprobleme und
Bedenken gegen die Patentfähigkeit der damals geltenden Ansprüche 1 nach
Haupt- und Hilfsanträgen 1 und 2 hingewiesen.
Vor der Zurücknahme der Beschwerde hatte die Anmelderin mit am
28. Dezember 2016 beim Bundespatentgericht eingegangenen Schriftsatz vom
28. Dezember 2016 die Teilung der Anmeldung 199 83 738.4 erklärt. Die Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts hat dem
Bundespatentgericht mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 mitgeteilt, die Teilung sei
wirksam geworden, nachdem die Gebühren fristgerecht und vollständig bezahlt
und die Teilungsunterlagen fristgerecht und vollständig eingereicht worden seien.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat unter dem Aktenzeichen 199 84 047.4
die Teilungsakte angelegt.
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II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über die Teilanmeldung
nicht zuständig. Die Zuständigkeit für die Teilanmeldung liegt beim Deutschen
Patent- und Markenamt, sodass die Teilanmeldung zur weiteren Bearbeitung an
das Deutsche Patent- und Markenamt zu verweisen ist.
Die gemäß § 39 PatG wirksame Teilanmeldung ist zwar beim Bundespatentgericht
anhängig geworden, da die mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2016 erklärte Tei-
lung während des Beschwerdeverfahrens zur Stammanmeldung beim Bundes-
patentgericht eingegangen ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Gericht für
die Prüfung der Teilanmeldung zuständig ist (ebenso BPatG 7 W (pat) 44/11
– Beschluss vom 22. November 2013; 7 W (pat) 108/11 – Beschluss vom
30. März 2012; 21 W (pat) 1/09
– Beschluss vom 21. Dezember 2010; a. M. BGH
GRUR 1999, 574 ff.
– Mehrfachsteuersystem; BGH GRUR 1998, 458 ff. – Text-
datenwiedergabe; BPatG 17 W (pat) 6/13
– Beschluss vom 22. Oktober 2013).
Die gegenteilige Auffassung beruht auf der Annahme, dass es sich bei der Teilung
nach § 39 Abs. 1 PatG um einen der Prozesstrennung nach § 145 ZPO vergleich-
baren Vorgang handelt (vgl. BGH a. a. O.
– Mehrfachsteuersystem; u. a. – Text-
datenwiedergabe). Wie der 21. Senat des Bundespatentgerichts in seiner Ent-
scheidung vom 7. Dezember 2010 (21 W (pat) 10/09, GRUR 2011, 949
– Teilung
einer Patentanmeldung im Beschwerdeverfahren) im einzelnen dargelegt hat, ist
dies jedoch nicht der Fall. Danach entsteht bei einer Teilung nach § 39 PatG viel-
mehr ein neuer Verfahrensgegenstand, der im bisherigen Erteilungsverfahren bis
zur Erklärung der Teilung keine Rolle gespielt hat. Dementsprechend fällt der Ge-
genstand der Teilanmeldung auch nicht in der Beschwerde an. Denn der Beurtei-
lung durch das Beschwerdegericht unterliegt ein Rechtschutzbegehren nur inso-
weit, als darüber in der Vorinstanz entschieden wurde. Nur in diesem Umfang
kommt einer Beschwerde der Devolutionseffekt zu (sog. Anfallwirkung). Sie ist das
Mittel, um angegriffene Entscheidungen in der höheren gerichtlichen Instanz
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nachprüfen zu lassen. Entscheidend ist, dass das Rechtsmittelgericht alleine über
das prozessuale Schicksal des erstinstanzlichen Streitgegenstandes entscheidet
(vgl. Bay. VGH NVwZ 2000, 210 f. m. w. N.). Demgegenüber ist die erstmalige
Prüfung von Patentanmeldungen
– wozu auch die Prüfung einer Teilanmeldung
gehört
– grundsätzlich die Sache des Deutschen Patent- und Markenamts. Wegen
der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den o. g. Be-
schluss des 21. Senats Bezug genommen, dem sich der erkennende Senat im
vollem Umfang anschließt.
Der Senat hält eine Verweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt insbe-
sondere auch deshalb für sachgemäß, damit der Anmelderin für die abgetrennte
Teilanmeldung zwei Instanzen zur Verfügung stehen (vgl. Busse, PatG, 8. Aufl.,
§ 39 Rn. 27). Die mit den Teilungsunterlagen eingereichten neuen Ansprüche wa-
ren in dieser Form nicht Gegenstand im Prüfungsverfahren der Stammanmeldung.
Über den Anspruchsgegenstand der Teilanmeldung wurde daher inhaltlich bisher
noch nicht entschieden.
Zwar hätte die Anmelderin auch im Beschwerdeverfahren die gemäß Teilungser-
klärung geltenden Ansprüche hilfsweise einreichen können. Da sie aber die An-
meldung „jederzeit“ bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Stammanmel-
dung teilen darf, dürfte sie auch ein berechtigtes Interesse daran haben, zur Prü-
fung „neuer“ Aspekte in einer solchen Teilanmeldung alle Instanzen des Prüfungs-
verfahrens nutzen zu können.
Ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis wegen Verfahrensverschleppung (vgl.
Schulte, PatG, 10. Aufl., § 39 Rn. 17) liegt nicht vor, weil die Teilungserklärung
keinen Einfluss auf das Beschwerdeverfahren der Stammanmeldung hatte.
Da es somit an einer sachlichen Zuständigkeit des Bundespatentgerichts zur Ent-
scheidung über die Teilanmeldung mangelt, ist diese durch Beschluss gemäß
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§ 17 a Abs. 2 i. V. m. § 13 GVG, § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG an das Deutsche Patent-
und Markenamt zu verweisen.
2. Die Rechtschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach
§ 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen, da der Senat zwar mit der Rechtsprechung
des 21. Senats des Bundespatentgerichts übereinstimmt, hiermit aber von der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Senate des
Bundespatentgerichts abweicht.
III. Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Wickborn
Kruppa
Dr. Schwengelbeck
Altvater
Fi