Urteil des BPatG vom 12.07.2018

Urteil vom 12.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:120718B11Wpat4.16.0
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 4/16
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
12. Juli 2018
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Patent 10 2008 046 978
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter Kruppa, Dipl.-Ing. (Univ.) Wiegele und
Dipl.-Ing. (Univ.) Gruber
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
17. November 2015 aufgehoben und das Patent mit folgenden
Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentansprüche 1–12, eingegangen am 29. Mai 2018 als
Hilfsantrag 1a,
- Beschreibung Seiten 2/13, 4/13 und 5/13 gemäß Patent-
schrift, Seite 3/13, eingereicht in der mündlichen Verhand-
lung,
- Figuren gemäß Patentschrift.
G r ü n d e
I.
Auf die am 12. September 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
reichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung
am 19. Juli 2012 veröffentlicht worden.
- 3 -
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden, worauf die Patentabteilung 16
des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent durch Beschluss vom
17. November 2015 widerrufen hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 16 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 17. November 2015 aufzuheben und das Patent
auf der Grundlage der folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht-
zuerhalten:
- Patentansprüche 1–12, eingegangen am 29. Mai 2018 als
Hilfsantrag 1a,
- Beschreibung Seiten 2/13, 4/13 und 5/13 gemäß Patent-
schrift, Seite 3/13, eingereicht in der mündlichen Verhand-
lung,
- Figuren gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht
patentfähig. Sie hat ihr Vorbringen auf die im Einspruchsverfahren berücksichtig-
ten Druckschriften
D1
US 4,752,142
D2
DE 10 2004 019 104 A1
D3
DE 29 42 161 A1
- 4 -
D4
DE 199 31 842 A1
D5
DE 20 2007 000 576 U1
D6
DE 32 38 028 A1
D7
EP 0 958 760 B1
D8
US 2,675,277
D9
DE 33 23 195 A1
gestützt.
Der geltende Patentanspruch 1 mit hinzugefügter Gliederungsnummerierung lau-
tet:
1.1
Auszugsführung für den Garraum eines Herdes mit
1.2
einer Führungsschiene (2) und
1.3
einer oberen Laufschiene (3), die in Biegetechnik hergestellt sind,
und
1.4
einer oberen Kugelbahn (4), die drei Kugelreihen (5, 6, 7) in einer
Y-Anordnung umfasst, wobei
1.5
die obere Laufschiene (3) die obere Kugelbahn (4) von oben um-
greift,
1.6
die obere Laufschiene (3) zwei vertikale Seitenwände (9, 11, 29, 31)
aufweist,
1.7
die obere Laufschiene (3) in ihrem unteren Bereich eine Öff-
nung (16) aufweist,
1.8
eine Kugelreihe (7) und zwei Kugelreihen (5, 6) auf verschiedenen
Seiten der Führungsschiene (2) liegen, und
1.9
die Auszugsführung ferner eine weitere, untere Laufschiene (23)
und eine weitere, untere Kugelbahn (24) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.10 eine vertikale Seitenwand (29) der unteren Laufschiene (23) höher
ist als jede vertikale Seitenwand (9) der oberen Laufschiene (3).
- 5 -
Der nebengeordnete Patentanspruch 6 mit hinzugefügter Gliederungsnummerie-
rung lautet:
6.1
Auszugsführung für den Garraum eines Herdes mit
6.2
einer Führungsschiene (2) und
6.3
einer Laufschiene (3), die in Biegetechnik hergestellt sind, und
6.4
einer Kugelbahn (4), die drei Kugelreihen (5, 6, 7) in einer Y-Anord-
nung umfasst, wobei
6.5
die Laufschiene (3) die Kugelbahn (4) von oben umgreift,
6.6
die Laufschiene (3) zwei vertikale Seitenwände (9, 11, 29, 31) auf-
weist,
6.7
die Laufschiene (3) in ihrem unteren Bereich eine Öffnung (16) auf-
weist, und
6.8
eine erste Kugelreihe (7) und zwei weitere Kugelreihen (5, 6) auf
verschiedenen Seiten der Führungsschiene (2) liegen,
dadurch gekennzeichnet, dass
6.9
an der Laufschiene (3) eine flache Laufbahn (37) für die erste Ku-
gelreihe (7) vorgesehen ist.
Der nebengeordnete Patentanspruch 12 lautet:
Herd, gekennzeichnet durch eine oder mehrere Auszugsführungen nach
einem der Ansprüche 1 bis 11.
Zum Wortlaut der abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 11 sowie den
weiteren Einzelheiten wird auf die Amts- und Gerichtsakten verwiesen.
- 6 -
II.
A.
Die zulässige Beschwerde ist nunmehr begründet.
1.
Das Streitpatent betrifft eine Auszugsführung für den Garraum eines Her-
des, insbesondere eines Backofens (vgl. Abs. [0001]).
In der Beschreibung ist angegeben, die Auszugsführung umfasse eine Führungs-
schiene, eine Laufschiene und eine Kugelbahn. Die Führungsschiene könne an
dem Herd, insbesondere an dessen Innenwand, angebracht werden. Die Lauf-
schiene könne an einem beweglichen Teil des Herdes fixiert werden, insbesondere
an einem Backblech oder an einer Schublade. Die Kugelbahn könne Kugeln oder
ähnliche Wälzkörper und einen Käfig für die Kugeln bzw. Wälzkörper umfassen
(Abs. [0002]).
Aus dem Stand der Technik seien Auszugsführungen mit Kugelbahnen bekannt,
die vier Kugelreihen umfassen würden, die im Quadrat oder Rechteck angeordnet
seien. Diese Anordnung sei aber aufwendig und sehr kostspielig (Abs. [0003]).
Aufgabe des Streitpatentes sei es, eine verbesserte Auszugsführung vorzuschla-
gen (Abs. [0007]).
Der mit der Lösung dieser Aufgabe befasste Fachmann ist ein Diplomingenieur
des Maschinenbaus mit Fachhochschulabschluss oder entsprechendem akademi-
schen Grad, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung und
Konstruktion von Auszugsführungen verfügt.
- 7 -
Die Lösung bestünde in Auszugsführungen mit den Merkmalen der Patentansprü-
che 1 oder 6 bzw. in einem Herd mit einer oder mehreren entsprechenden Aus-
zugsführungen.
2.
Einige Merkmale der vorgeschlagenen Lösung bedürfen der Erläuterung.
Die Patentansprüche 1 und 6 stellen auf Auszugsführungen für den Garraum
eines Herdes ab. Die anspruchsgemäßen Auszugsführungen sind also körperlich
so beschaffen, dass sie den besonderen Anforderungen in einem Herd, insbeson-
dere im Hinblick auf die zu erwartenden Temperaturen, dauerhaft standhalten. Zur
Lösung der Aufgabe ist es sicherlich für den Fachmann naheliegend, sich auch im
Bereich von Auszugsführungen für Schubladen zu informieren und ggf. auch eine
derartige Auszugsführung konzeptionell auf einen Herd zu übernehmen, wobei der
Fachmann dabei dann aber eine Anpassung der Werkstoffe für die Schienen und
Kugellager speziell zur Verwendung in einem Herd vornimmt und eine hierfür
ebenso notwendige Oberflächengüte sicherstellt. Die Merkmale 1.1 und 6.1 der
Auszugsführungen nach den Patentansprüchen 1 und 6 stellen somit beachtliche
Zweckangaben dar.
Im Patentanspruch 1 werden obere und untere Laufschienen bzw. Kugelbahnen
beansprucht. Die Offenbarung des Streitpatents lässt eine Spezifizierung der Lauf-
schienen und Kugelbahnen bezüglich ihrer relativen Position zu (vgl. Patentan-
spruch 5, Abs. [0018], i. V. m. Fig. 5), wobei sich angesichts verschiedenster mög-
licher Einbaulagen der Auszugsführung nur aufgrund dieser Definition der Lauf-
schienen und Kugelbahnen die Auszugsführung nach Patentanspruch 1 wohl
kaum vom Stand der Technik abgrenzen ließe.
Gemäß den Merkmalen 1.4 und 6.4 der Auszugsführungen nach den Patentan-
sprüchen 1 und 6 bilden drei Kugelreihen einer Kugelbahn eine Y-Anordnung.
Zum Verständnis einer Y-Anordnung ist im Streitpatent im Abs. [0035] angegeben,
- 8 -
dass die Kugeln der Kugelreihen 5, 6, 7 im Querschnitt Y-förmig angeordnet seien.
Die Kugeln würden bei der in Figur 1 gezeigten Anordnung, also wenn die Kugel-
reihe 5 links oben, die Kugelreihe 6 rechts oben und die Kugelreihe 7 in der Mitte
unten legen, eine Y-Anordnung ausbilden. Demnach ist gemäß Streitpatent bereits
eine reine V-Anordnung oder Dreiecks-Anordnung der Kugeln auf eine Y-Anord-
nung zu lesen. Dabei sind mit dem Begriff der Y-Anordnung auch keine Vorgaben
hinsichtlich der Orientierung des Kugeldreiecks verbunden. So muss das Ypsilon
nicht vertikal aufrecht ausgerichtet sein, vielmehr ist gemäß Streitpatent eine auf
dem Kopf stehende, bzw. horizontal umgeklappte derartige Anordnung, wie sie
auch aus Ausführungsbeispielen des Streitpatents mit einer zweiten unteren Lauf-
schiene und einer zweiten unteren Kugelbahn hervorgeht (vgl. Fig. 5), ebenfalls
als Y-Anordnung zu verstehen (vgl. Abs. [0017]). Demnach bildet eine Kugelan-
ordnung, bei der die Kugelmittelpunkte auf den Schenkeln eines um den Schen-
kelschnittpunkt beliebig gedrehten Ypsilons zum Liegen kommen, auch eine Y-An-
ordnung im Sinne des Streitpatents.
In den Merkmalen 1.8 und 6.8 der Auszugsführungen nach den Patentansprü-
chen 1 und 6 werden verschiedenen Seiten der Führungsschiene definiert. Für
den Senat bilden die Bereiche der Führungsschiene ober- bzw. unterhalb einer die
Führungsschiene kreuzenden Horizontalen bereits eine Ober- und Unterseite der
Führungsschiene. Im Streitpatent (vgl. Abs. [0035], Oberseite, Unterseite) finden
sich auch keine Hinweise darauf, dass der Begriff demgegenüber enger bspw.,
wie von der Patentinhaberin vorgebracht, anhand eines Fertigungsverfahrens für
die Führungsschiene, auszulegen wäre.
Mit Blick auf das Merkmal 6.9 der Auszugsführung nach Patentanspruch 6 und der
diesbezüglichen Offenbarung im Streitpatent (vgl. Abs. [0047] i. V. m. Fig. 7, 8) ist
unter der anspruchsgemäßen flachen Laufbahn eine ebene, horizontal orientierte
Fläche der Laufschienenwand zu verstehen, die den Kugeln der ersten Kugelreihe
ein horizontales Spiel ermöglicht, also nicht nur in die Tiefe der Auszugsvorrich-
- 9 -
tung, sondern auch quer dazu, wobei alle möglichen Berührungspunkte der Ku-
geln der ersten Kugelreihe mit der Laufschiene in dieser Horizontal-Ebene liegen.
B.
1.
Das geltende Patentbegehren ist zulässig.
Die Merkmale 1.1 bis 1.9 der Auszugsführung nach Patentanspruch 1 gehen auf
die ursprünglichen Patentansprüche 1, 2, 4, 5 und 10 sowie die Absätze [0001],
[0031], [0034] und [0051] i. V. m. Fig. 1 und 5 der Offenlegungsschrift und
entsprechend auf die erteilten Patentansprüche 1 und 3 i. V. m. Fig. 1 und 5 der
Patentschrift zurück.
Das kennzeichnende Merkmal 1.10 findet seine Stütze im ursprünglichen Patent-
anspruch 7 i. V. m. den Abs. [0042] und [0050] und Figur 5 der Offenlegungsschrift
bzw. im Patentanspruch 5 i. V. m. Abs. [0045] und [0053] sowie Figur 5 des Streit-
patents.
Der Patentanspruch 6 basiert auf den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 2, 4, 9
und 10 sowie den Abs. [0001], [0031], [0034] und [0044] i. V. m. mit den Figuren 1
und 5 bis 8 der Offenlegungsschrift respektive dem Patentanspruch 1 sowie dem
Abs. [0047] i. V. m. den Figuren 1 sowie 5 bis 8 des Streitpatents.
Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 sowie 7 bis 11 gehen auf die ursprüngli-
chen Patentansprüche 3 sowie 5 bis 9 bzw. die erteilten Patentansprüche 2, 4, 6
und 7 sowie 2 bis 6 zurück.
Dabei wird unter Bezug auf Abs. [0040] der Offenlegungsschrift respektive Abs.
[0043] des Streitpatents sowie den ursprünglichen Patentansprüchen eine Zusam-
menschau der zweiten Ausführungsform der Auszugsführung mit der ersten Aus-
- 10 -
führungsform im Hinblick auf den grundsätzlichen Aufbau der ersten Laufschiene
und Kugelbahn als zulässig erachtet.
Der Nebenanspruch 12 ist im ursprünglichen Patentanspruch 11 i. V. m. Abs.
[0051] der Offenlegungsschrift bzw. dem erteilten Patentanspruch 8 offenbart.
In der geltenden Beschreibung wird auf nicht mehr zur Erfindung gehörende Aus-
führungsformen hingewiesen, wobei die erteilte Fassung der Beschreibung auf
übliche Art und Weise an die im Prüfungsverfahren geänderten Patentansprüche
angepasst wurde.
2.
Die gewerblich anwendbaren Auszugsführungen für einen Garraum gemäß
den Patentansprüchen 1 und 6 sind patentfähig.
a)
Die Auszugsführung nach Patentanspruch 1 ist neu.
Aus der Druckschrift D2 (vgl. Patentanspruch 1, Abs. [0023], [0031], [0032], Fig. 1,
2) ist eine Auszugsführung (Auszugssystem) für den Garraum eines Gargerätes in
Form eines Herdes (vgl. Abs. [0023], [0030], Backblech, Pyrolysebetrieb) bekannt
[M1.1]. Die Auszugsführung umfasst auch eine Führungsschiene (Zwischen-
schiene 25) und eine obere Laufschiene (Auszugsschiene 27). Die in Figur 2 die-
ser Druckschrift gezeigte Formgebung der Schienen 25 und 27 lässt erkennen,
dass beide Schienen 25, 27 in Biegetechnik hergestellt wurden [M1.2], [M1.3]. Es
ist eine obere Kugelbahn mit drei Kugelreihen 29 (vgl. Fig. 2, drei obere Kugeln 29
im Bereich der Laufschiene 27) offenbart, wobei, wie in der nachstehenden, der
Druckschrift D2 (Fig. 2) entnommenen, Figur erkennbar ist, die Kugelreihen 29 in
einer ausgehend von der Vertikalen um 135° gegen den Uhrzeigersinn gedrehten
Y-Anordnung (in Figur zur Verdeutlichung durch Senat eingezeichnet) angeordnet
sind [M1.4].
- 11 -
Die Druckschrift D2 lehrt, dass die obere Laufschiene 27 die Kugelbahn von oben
umgreift [M1.5], dabei zwei vertikale Seitenwände [M1.6] und in ihrem unteren Be-
reich eine Öffnung aufweist [M1.7] (vgl. jeweils obenstehende Figur). Es ist
darüber hinaus aus dieser Druckschrift bekannt, dass eine Kugelreihe (untere ein-
zelne Kugel 29 der oberen Kugelbahn) auf einer unteren Seite und zwei Kugelrei-
hen (obere, horizontal nebeneinander liegende Kugeln 29 der oberen Kugelbahn)
auf einer oberen Seite der Führungsschiene 25, bezogen auf eine durch den um-
gebogenen Mittelteil der Führungsschiene 25 verlaufende Horizontale (vgl. oben-
stehende Fig., Strichpunktlinie durch Senat eingezeichnet), liegen [M1.8]. Die Aus-
zugsführung ist mit einer weiteren, unteren Laufschiene (Schiene 23) und einer
weiteren, unteren Kugelbahn (vgl. Kugeln 29 im Bereich der untern Lauf-
schiene 23) ausgestaltet [M1.9]. Die linke vertikale Seitenwand der unteren Lauf-
schiene 23 ist offensichtlich höher als die linke vertikale Seitenwand der oberen
Laufschiene und gleich hoch wie die rechte vertikale Seitenwand der oberen Lauf-
schiene. Die Druckschrift D2 offenbart demnach nicht das Merkmal 1.10 der Aus-
zugsführung nach Patentanspruch 1.
- 12 -
b)
Die Auszugsführung nach Patentanspruch 6 ist neu.
Der Patentanspruch 6 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 hinsichtlich seiner
Merkmale 6.1 bis 6.8 lediglich dadurch, dass er auf eine Auszugsführung mit nur
einer Laufschiene und nur einer Kugelbahn gerichtet ist, wobei die nur eine Lauf-
schiene und die nur eine Kugelbahn ansonsten gemäß den Merkmalen 1.3 bis 1.7
der oberen Laufschiene und der oberen Kugelbahn der Auszugsführung nach Pa-
tentanspruch 1 ausgestaltet sein sollen.
Die Druckschrift D2 (vgl. obige Ausführungen um Patentanspruch 1) offenbart
demnach auch eine Auszugsführung mit den Merkmalen 6.1 bis 6.8 der Auszugs-
führung nach Patentanspruchs 6. Zu einer an der Laufschiene vorgesehenen fla-
chen Laufbahn für die erste Kugelreihe, wie über das zusätzliche Merkmal 6.9 der
Auszugsführung nach Patentanspruch 6 gefordert, ist in der Druckschrift D2 nichts
offenbart.
Die Einsprechende ist der Meinung, das Merkmal 6.9 der Auszugsführung nach
Patentanspruch 6 sei ebenfalls aus Figur 2 der Druckschrift D2 bekannt, da sich
im Bereich der ersten Kugelreihe 29 an einen gekrümmten Bereich der Lauf-
schiene 27 ein vertikaler Bereich anschließe, der auch eine anspruchsgemäße
flache Laufbahn ausbilden würde. Dem kann nicht gefolgt werden, denn schon
rein gegenständlich ist weder eine im wesentlichen gekrümmte Laufbahn noch ein
vertikaler Laufbahnbereich als flache, also horizontale Laufbahn bzw. Lauffläche
im Sinne des Streitpatents verstanden werden (vgl. auch Abschnitt A dieses Be-
schlusses zur Auslegung des Merkmals 6.9 der Auszugsführung nach Patentan-
spruch 6). Auch lässt sich durch die in der Druckschrift D2 offenbarte Laufbahn der
Laufschiene 27 funktional ein horizontales Spiel für die Kugeln nicht gewährleis-
ten.
- 13 -
Daher ist auch ein Herd gemäß Patentanspruch 12, der eine oder mehrere Aus-
zugsformen mit zumindest den Merkmalen der Patentansprüche 1 oder 6 umfasst,
neu gegenüber der Druckschrift D2.
Die übrigen berücksichtigten Druckschriften vermitteln keine weitergehenden Er-
kenntnisse im Hinblick auf die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 1, 6
und 12, da in keiner dieser Druckschriften eine Auszugsführung offenbart wird, die
körperlich zur Verwendung in dem Garraum eines Herdes ausgestaltet ist.
c)
Die Auszugsführung nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit.
Als geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird
die Druckschrift D2 ausgewählt.
Im Patentanspruch 1 ist angegeben, dass eine vertikale Seitenwand der unteren
Laufschiene höher ist als jede vertikale Seitenwand der oberen Laufschiene.
Zu einer solchen Ausgestaltung der oberen und unteren Laufschienen (vgl. Merk-
mal 1.10) ist bei der aus der Druckschrift D2 bekannten Auszugsführung nichts
ausgeführt.
Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten,
dem Fachmann sei ausgehend von der Druckschrift D2 in einer Zusammenschau
mit der Druckschrift D1 eine Auszugsführung auch mit dem Merkmal 1.10 nach
Patentanspruch 1 nahegelegt.
Die Druckschrift D1 (vgl. Sp. 1, Z. 67 bis Sp. 2, Z. 60, Fig. 1, 2) offenbart eine Aus-
zugsführung (ball slide system) für eine Schublade (drawer) mit einer Laufschiene
(outer runner 10), einer Führungsschiene (inner runner 11) und einer Kugelbahn
mit drei in einer Y-Anordnung (Y-shape) angeordneten Kugelreihen (balls 13, 14,
- 14 -
15). Zur Erhöhung der Biegesteifigkeit der Auszugsführung wird gelehrt, beide ver-
tikalen Seitenwände der Laufschiene zu erhöhen (vgl. Sp. 2, Z. 56 bis Z. 60,
Fig. 4).
Greift der Fachmann, im Bestreben die Biegesteifigkeit der in der Druckschrift D2
offenbarten Auszugsführung mit einer oberen und einer unteren Laufschiene zu
erhöhen, diesen Hinweis aus der Druckschrift D1 auf, so wird er die vertikalen Sei-
tenwände der oberen und auch die der unteren Laufschienen23, 25 auf eine ein-
heitliche Größe verlängern, um auch nach dieser Anpassung zwei identische (vgl.
D2, Abs. [0034]) und somit unverändert im Rahmen ein und desselben Fertigungs-
verfahrens herstellbare Laufschienen vorliegen zu haben. Es bestehen erhebliche
Zweifel, dass er ohne das Streitpatent zu kennen, im Rahmen üblichen fachmänni-
schen Handelns die Laufschienen unterschiedlich gestaltet oder weitere Überle-
gungen in die Richtung ohne Veranlassung anstellt.
Auch die übrigen berücksichtigen Druckschriften vermitteln dem Fachmann dies-
bezüglich keine weitergehenden Hinweise oder Anregungen, so dass die bean-
spruchte Auszugsführung als nicht naheliegend gilt.
d)
Die Auszugsführung nach Patentanspruch 6 beruht ebenfalls auf einer erfin-
derischen Tätigkeit.
Im Patentanspruch 6 der verteidigten Fassung ist angegeben, dass an der Lauf-
schiene eine flache Laufbahn für die erste Kugelreihe vorgesehen ist.
Die Einsprechende argumentiert, derartige flache Laufbahnen seien aus den
Druckschriften D6 und D8 bekannt und deren Übernahme auf die in der Druck-
schrift D2 offenbarte Laufschiene der Auszugsführung für den Fachmann nahelie-
gend.
- 15 -
Die Druckschrift D6 (vgl. Patentanspruch 1, S. 9 oben bis S. 10, zweiter Absatz,
Fig. 1) offenbart eine Längsführung für Fahrzeugsitze, wobei mit Blick auf Figur 1
an einer Laufschiene (Schiene 20) ein flacher Spurflansch 34 vorgesehen ist. Als
Abrollfläche bzw. Lauffläche für eine erste Kugelreihe (Kugel 38) ist am Spur-
flansch 34 eine Laufrille 42 (vgl. Patentansprüche 1, 6) ausgebildet.
Aus der Druckschrift D8 (vgl. Sp. 2, Z. 31 bis Z. 48, Fig. 5) ist eine Auszugsfüh-
rung für eine Schublade bekannt, wobei an einer Schiene (web 26) eine V-förmige
Rinne als Laufbahn (V-ball race way) für eine erste Kugelreihe (mittlere untere
Kugelreihe 44 der oberen Kugelbahn) vorgesehen ist.
Laufrillen (vgl. Druckschrift D6) oder Laufrinnen (vgl. Druckschrift D8) bilden
schräge oder gekrümmte Laufbahnen für Kugeln aus und entsprechen entgegen
der Auffassung der Einsprechenden daher nicht einer anspruchsgemäßen flachen
Laufbahn bzw. Lauffläche (vgl. Merkmal 6.9).
Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liefern keine diesbe-
züglichen Hinweise, und Anhaltspunkte, eine anspruchsgemäße Ausgestaltung
(vgl. Merkmal 6.9) der Auszugsführung im Rahmen fachmännischen Handelns
vorzunehmen, sind nicht erkennbar oder vorgetragen worden.
Die Gesamtbetrachtung des Standes der Technik ergibt somit, dass die über die
Patentansprüche 1 und 6 vorgeschlagenen Lösungen nicht nahe lagen.
e)
Die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 5 sowie 7 und 11 betreffen
zweckmäßige und nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Auszugsführun-
gen nach den Patentansprüchen 1 bzw. 6. Sie sind mit diesen ebenfalls bestands-
fähig. Die Patentansprüche 1 und 6 stützen den auf einen Herd mit einer oder
mehreren anspruchsgemäßen Auszugsführungen gerichteten Nebenanspruch 12;
er ist demnach ebenfalls bestandsfähig.
- 16 -
III.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens ge-
rügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung die-
ses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe,
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
tigten schriftlich einzulegen.
Dr. Höchst
Kruppa
Wiegele
Gruber
Fa