Urteil des BPatG vom 07.07.2003, 30 W (pat) 117/02
BPatG: kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, bestandteil, kauf, software, textilindustrie, gesamteindruck, aufmerksamkeit, markt, abstimmung
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 117/02 _______________ Verkündet am 7. Juli 2003
… (Aktenzeichen)
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
BPatG 154
6.70
betreffend die angegriffene Marke 39 604 912
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Buchetmann, des Richters Schramm und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Unter der Nr 396 04 912 am 31. Juli 1996 in das Markenregister eingetragen und
am 9. November 1996 veröffentlicht worden ist die Wort-/Bildmarke (orange-grau)
siehe Abb. 1 am Ende
für die Waren und Dienstleistungen
"Datenverarbeitungsprogramme für die Textilindustrie, den
Textilmaschinenbau und deren Zulieferbetriebe; Schulungen".
Widerspruch erhoben – gerichtet nur gegen die genannten Waren - hat am
24. Januar 1997 die Inhaberin der Marke 20 35 083
Ecofinish,
die seit dem 27. April 1993 eingetragen ist für
"Textilmaschinen für die Ausrüstung, insbesondere Kombination von Spannrahmen und Krumpfmaschinen für Web- und
Maschenware".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den
Widerspruch zurückgewiesen. Es bestehe zwar zwischen den Bestandteilen "ECO
FINISH" in der angegriffenen Marke und "Ecofinish" in der Widerspruchsmarke
klangliche Identität, jedoch genüge angesichts einer nur geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein mittlerer Abstand, welcher mangels Warenähnlichkeit - gemeinsame Herstellungsstätten seien der Markenstelle nicht bekannt - eingehalten werde.
Hiergegen hat die Widersprechende Erinnerung eingelegt mit der Begründung, sowohl die Widersprechende als auch deren Konkurrenzbetriebe stellten die für den
Betrieb ihrer Maschinen zum Erstellen spezieller Ausrüstungen erforderliche Software selbst her, da die Software jeweils den speziellen Bedürfnissen des Kunden
bzw dessen Ausrüstungswunsch angepasst werden müsse.
Die Erinnerung wurde zurückgewiesen, da auch bei der Annahme gemeinsamer
Herstellungsstätten die sich daraus ergebenden höheren Anforderungen an den
markenrechtlichen Abstand gewahrt seien, da die Widerspruchsmarke nur eine
äußerst geringe Kennzeichnungskraft aufweise und diese lediglich auf der konkreten eingetragenen Form, also aus der Zusammenziehung der Bestandteile zu einem einheitlichen Gesamtwort beruhe.
Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt mit der Begründung, der Verkehr bezeichne die Waren mit dem Markenwort, das hier praktisch identisch sei, der Bildbestandteil könne dem Widerspruch nicht entgegengehalten werden. Der Bestandteil "finish" werde zwar der Textilbearbeitung zugeordnet, es gehe aber um
die Steuerung der Textilmaschinen, so dass die Widerspruchsmarke für die im Widerspruch angegriffenen Waren eine relativ hohe Kennzeichnungskraft habe.
Die Widersprechende beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt sowie auf die Beschlüsse des Patentamts Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Es besteht
auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9
Absatz 1 Nr 2 Markengesetz. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle
gemäß §§ 42 Absatz 2 Nr 1, 43 Absatz 2 Satz 2 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG ab von
der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und
andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren. Darüber hinaus sind auch alle weiteren Umstände zu berücksichti-
gen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die
Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung stehen (vgl BGH GRUR 201, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506,
508 ATTACHÉ/TISSERAND).
Die nur schwache Warenähnlichkeit und unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke lässt trotz Markenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr nicht besorgen.
Ausgehend von der Registerlage liegen die sich gegenüberstehenden Waren nur
in einem entfernteren Ähnlichkeitsbereich.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft,
ihre regelmäßige Vertriebs- oder Erbringungsart sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte. Entscheidend ist somit,
ob in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren die beiderseitigen Waren so
enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind. Entscheidend ist dabei, ob der Verkehr erwarten kann, dass die beiderseitigen Waren
unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben bzw erbracht werden, welches für ihre Qualität verantwortlich ist (vgl Ströbele/Hacker,
MarkenG, 7. Aufl § 9 Rdn 57, 58).
Bei Sachgesamtheiten wie sie die in der Widerspruchsmarke beanspruchten Textilmaschinen darstellen, kann indes nach der Rechtsprechung nur dann Warenähnlichkeit mit den in sie eingebauten Einzelteilen angenommen werden, wenn
diese einzelnen Bauteile nach der Verkehrsauffassung bestimmend für das We-
sen der Sachgesamtheit sind und deshalb vom Verkehr als selbständige Waren
des Herstellers der Sachgesamtheit gewertet werden (Ströbele/Hacker, aaO
Rdn 112; BGH BlPMZ 1958,137 Technika; BPatGE 34,117 LITRONIC). Diese Annahme liegt dabei allenfalls bei solchen Bestandteilen nahe, die den Kern der
Sachgesamtheit bilden und für ihre Funktion wesensbestimmend sind. Dies ist hier
eher fraglich.
Bei Textilmaschinen wird die Grundfunktionsfähigkeit und damit die wesentlichen
Arbeitsprozesse vorrangig durch den Einsatz der mechanischen Maschinenelemente bestimmt, weniger durch die in Steuerungselementen enthaltenen Datenprogramme.
Wie von der Widersprechenden allerdings durch Vorlage ihres Firmenprospektes
vorgetragen, erfordert der Einsatz von Textilmaschinen zum Ausrüsten und Veredeln des fertigen Stoffes eine genaue und stufenweise Abstimmung der aufeinanderfolgenden Arbeitsprozesse der nacheinander geschaltenen Einzelmaschinen
hinsichtlich der Laufgeschwindigkeit, der verwendeten Temperatur und Feuchtigkeit. Das optimale Zusammenspiel der Einzelmaschinen in den Fertigungsprozess
wird durch eine umfangreiche Steuerung erreicht. Wie von der Widersprechenden
dargelegt, werden zwar nicht die Hardwarekomponenten für die Textilmaschinen
von der Widersprechenden produziert, diese bietet aber auch die Steuerungsprogramme für ihre Textilmaschinen an, die speziell an den jeweiligen Kundenwünschen ausgerichtet sind.
Dem Fachverkehr der Textilbranche ist diese Verbindung von Textilmaschinen
und individuellen Steuerungsprogrammen als Angebot auf dem überschaubaren
Markt der Textilmaschinenhersteller bekannt; er wird die Steuerungsprogramme
aber eher als Ausstattungs- bzw. Zubehörangebot in Zusammenhang mit dem
Verkauf der Textilmaschinen verstehen, weniger als gesondert und unabhängig
vom Kauf einer Textilmaschine beim Maschinenhersteller zu beziehende Einzelware.
Da die Steuerungsprogramme für ihre Textilmaschinen nach Darstellung der Widersprechenden aber nach den jeweiligen Kundenwünschen individuell ausgestaltet werden, mag dieser Bestandteil zu einem gewissen Umfang auch die Qualitätsvorstellung des Verkehrs über die Sachgesamtheit Textilmaschinen (vgl. BPatG
LITRONIC S. 120 aaO) mitbestimmen, so dass sich den Datenverarbeitungsprogrammen ein gewisser wirtschaftlich bestimmender Einfluss für die Textilmaschinen wohl nicht ganz absprechen lässt.
Es mag daher zugunsten der Widersprechenden noch von einer schwachen Warenähnlichkeit ausgegangen werden.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Ecofinish erscheint eher unterdurchschnittlich. Die Widerspruchsmarke besteht aus den beiden Bestandteilen
"Eco" als Abkürzung für "ecologic" (ökologisch) und "economic" (ökonomisch) und
"finish" in der textilen Fachsprache in der Bedeutung von "Appretur, Ausrüstung,
veredeln, Veredelung". Die Widerspruchsmarke besteht damit aus zwei glatt beschreibenden Bestandteilen und gibt den Hinweis darauf, dass die beanspruchten
Waren - Textilmaschinen für die Textilveredelung umweltfreundlich bzw wirtschaftlich einzusetzen sind. Die Widersprechende selbst weist hieraufhin in ihrem Firmenprospekt bei der Herausstellung der ökonomisch optimal eingestellten Behandlung bei Einsatz des Systems Ecofinish hin. Die Widerspruchsmarke ist damit
nur schwach kennzeichnend.
Unter Berücksichtigung der schwachen Warenähnlichkeit und der unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann vorliegend schon
ein geringer Unterschied der beiden Marken als ausreichend erachtet werden, um
Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dies ist hier gegeben.
Die beiden Marken unterscheiden sich in ihrem Gesamteindruck noch in ausreichendem Umfang. Die Wortbestandteile der angegriffenen Marke „ECO“ und
"FINISH" sind in ihrer oben dargelegten Bedeutung für den Textilbereich auch für
die beanspruchten Waren der angegriffenen Marke – Datenverarbeitungsprogramme für die Textilindustrie, den Textilmaschinenbau und Zulieferbetriebe – be-
schreibende Hinweise auf Inhalt und Zweckbestimmung der Waren und daher
eher kennzeichnungsschwach.
Daneben tritt der Bildbestandteil der angegriffenen Marke nicht in einer Weise zurück, dass er für den Gesamteindruck gänzlich vernachlässigt werden könnte.
Der Bildbestandteil stellt sich nicht lediglich als graphische Ausgestaltung dar, der
den Wortbestandteil ergänzt, sondern ist ein Bildelement, das nach Größe und inhaltlicher Aussage - dynamischer Pfeil oder stilisierte Masche – eine Eigenständigkeit neben den Wortbestandteilen aufweist.
Zudem wird dem Fachverkehr ein zusätzliches graphisches Gestaltungselement
auffallen, da er den Marken seines Fachgebietes üblicherweise mit Aufmerksamkeit begegnet und vor allem die Auswahl und den Kauf von Teilen einer Textilmaschinenanlage in der Regel anhand von schriftlichen Angeboten, Katalogen und
technischen Beschreibungen vornehmen wird.
Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß sind daher nicht zu befürchten.
Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb
br/Ko
Abb. 1
Letze Urteile des Bundespatentgerichts
Urteil vom 30.04.2015
2 ZA (pat) 10/14 vom 30.04.2015
Urteil vom 23.07.2015
2 Ni 20/13 (EP) vom 23.07.2015
Urteil vom 16.06.2016
10 W (pat) 20/16 vom 16.06.2016
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