Urteil des BPatG vom 22.01.1985

BPatG: stand der technik, holz, abhängigkeit, patentanspruch, gerät, messung, patentfähigkeit, zustand, aufwand, veröffentlichung

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
3 Ni 17/98
(Aktenzeichen)
URTEIL
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
9.72
- 2 -
betreffend das Patent 35 01 841
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters Grüttemann sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Deiß,
Dipl.-Chem. Dr. Niklas, Dipl.-Chem. Dr. Jordan und der Richterin Sredl in der
Sitzung vom 13. März 2000
für Recht erkannt:
Das Patent 35 01 841 wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitslei-
stung in Höhe von 12.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 22. Januar 1985 angemeldeten
Patents 35 01 841 (Streitpatent), das Verfahren und Vorrichtung zur Feststellung
des inneren Zustandes von Bäumen und Holzbauteilen betrifft und 10 Patentan-
sprüche umfaßt. Die Patentansprüche 1 und 7 lauten:
1.
Bäumen und Holzbauteilen, bei dem eine Nadel, deren Na-
delkopfdurchmesser größer ist als der Schaftdurchmesser, in
das Holz eindringt und in Abhängigkeit von der Eindringtiefe
der Eindringwiderstand gemessen wird, dadurch gekenn-
zeichnet,
- 3 -
- daß die Nadel rotiert wird,
- und daß die Leistungsaufnahme des elektrischen Rota-
tions- und/oder Vorschubantriebes der Nadel gemessen
wird.
7.
Vorrichtung zur Feststellung des inneren Zustandes von
Bäumen oder Holzbauteilen, mit einer Nadel mit größerem
Nadelkopfdurchmesser als Schaftdurchmesser, mit einem
Vorschubantrieb, der die Nadel zum Eindringen in das Holz
antreibt, und mit Meßvorrichtungen zur Messung des
Eindringwiderstandes in Abhängigkeit von der Eindringtiefe
der Nadel, gekennzeichnet durch einen zusätzlichen Rotati-
onsantrieb für die Nadel, welcher ebenso wie der Vorschub-
antrieb elektrisch ausgebildet ist, und ein Meßgerät für die
Leistungsaufnahme von Vorschub- und/oder Rotationsan-
trieb."
Wegen des Wortlauts der auf die Patentansprüche 1 bzw 7 mittelbar oder unmit-
telbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 bzw 8 bis 10 wird auf die Streit-
patentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfä-
hig, weil er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und auch nicht
so deutlich und vollständig offenbart sei, daß ein Fachmann ihn ausführen könne.
Darüber hinaus gehe das Streitpatent auch über den Inhalt der ursprünglich ein-
gereichten Unterlagen hinaus. Zur Begründung beruft sich die Klägerin im we-
sentlichen auf die Druckschriften
K 9
Drews-Wichelhaus-Wenzel: Regelung beim Reibschweißprozeß, in:
Schweißtechnische Mitteilungen, Industrie-Anzeiger 93. Jg, Nr 34, Ausg 2,
23.4.1971, S. 781 bis 784,
K 19 JP-OS 18165/1983,
K 20 DE-OS 22 34 372,
- 4 -
K 30 C. Hoffmann, Lehrbuch der Bergwerksmaschinen, Springer-Verlag, 1956,
S. 414,
K 31 DE-PS 27 14 010 und
K 32 DE-PS 31 39 996.
Die ursprünglich geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfä-
higkeit gemäß § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1, § 5 PatG wegen mangelnder ge-
werblicher Anwendbarkeit und der widerrechtlichen Entnahme gemäß § 22 Abs 1,
§ 21 Abs 1 Nr 3 PatG verfolgt die Klägerin laut ihrer Erklärung im Schriftsatz vom
24. August 1998 nicht mehr weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Patent 35 01 841 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für be-
standsfähig. Hilfsweise regt sie an, dem Streitpatent die Fassung einer der über-
Hilfsantrag 1
sprüche 1 und 7 wie folgt:
1.
Bäumen oder Holzbauteilen, bei dem eine Nadel, deren Na-
delkopfdurchmesser größer ist als der Schaftdurchmesser, in
das Holz eindringt und in Abhängigkeit von der Eindringtiefe
der Eindringwiderstand gemessen wird, dadurch gekenn-
zeichnet,
-
- 5 -
-
daß die Nadel (3) rotiert wird
-
und daß die Leistungsaufnahme des elektrischen Rotati-
ons- und/oder Vorschubantriebs (1, 14) der Nadel (3)
gemessen wird.
7.
Bäumen oder Holzbauteilen mit einer Nadel mit größerem
Nadelkopfdurchmesser als Schaftdurchmesser, mit einem
Vorschubantrieb, der die Nadel zum Eindringen in das Holz
antreibt, und mit Meßvorrichtungen zur Messung des Ein-
dringwiderstandes in Abhängigkeit von der Eindringtiefe der
Nadel, gekennzeichnet durch
- einen zusätzlichen Rotationsantrieb (1) für die Nadel,
welcher ebenso wie der Vorschubantrieb (14) elektrisch
ausgebildet ist,
-
ein Meßgerät für die Leistungsaufnahme von Vorschub-
und/oder Rotationsantrieb (1, 14)
-
An die Patentansprüche 1 bzw 7 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2
bis 6 bzw 8 und 9 an.
Hilfsantrag 2
Wortlaut:
- 6 -
1.
Bäumen oder Holzbauteilen, bei dem eine Nadel, deren Na-
delkopfdurchmesser größer ist als der Schaftdurchmesser, in
das Holz eindringt und in Abhängigkeit von der Eindringtiefe
der Eindringwiderstand gemessen wird, dadurch gekenn-
zeichnet,
-
daß die Nadel (3) zwischen ihrem Einspannende (2) und
Kopf (43) durch mindestens ein beim Eindringvorgang
relativ zur Nadel (3) verfahrbares Abstützelement (19)
geführt wird;
-
daß die Nadel (3) rotiert wird
-
und daß die Leistungsaufnahme des elektrischen Rotati-
ons- und/oder Vorschubantriebes (1, 14) der Nadel (3)
wird.
4.
Bäumen oder Holzbauteilen, mit einer Nadel mit größerem
Nadelkopfdurchmesser als Schaftdurchmesser, mit einem
Vorschubantrieb, der die Nadel zum Eindringen in das Holz
antreibt, und mit Meßvorrichtungen zur Messung des Ein-
dringwiderstandes in Abhängigkeit von der Eindringtiefe der
Nadel, gekennzeichnet durch
-
einen zusätzlichen Rotationsantrieb (1) für die Nadel (3),
welcher ebenso wie der Vorschubantrieb (14) elektrisch
ausgebildet ist,
-
ein Meßgerät für die Leistungsaufnahme von Vorschub-
und/oder Rotationsantrieb (1, 14)
-
und mindestens ein beim Eindringvorgang relativ zur Na-
del verfahrbares Abstützelement (19), das die Nadel (3)
zwischen ihrem Einspannende (2) und Kopf (43) führt."
- 7 -
An die Patentansprüche 1 bzw 4 schließen sich die Patentansprüche 2 und 3 bzw
5 und 6 an.
Hilfsantrag 3
1.
Bäumen oder Holzbauteilen, bei dem eine Nadel, deren Na-
delkopfdurchmesser größer ist als der Schaftdurchmesser, in
das Holz eindringt und in Abhängigkeit von der Eindringtiefe
der Eindringwiderstand gemessen wird, dadurch gekenn-
zeichnet,
-
-
daß die Nadel (3) zwischen ihrem Einspannende (2) und
Kopf (43) durch mindestens ein beim Eindringvorgang
relativ zur Nadel (3) verfahrbares Abstützelement (19)
geführt wird;
-
daß die Nadel (3) rotiert wird
-
und daß die Leistungsaufnahme des elektrischen Rotati-
ons- und/oder Vorschubantriebes (1, 14) der Nadel (3)
durch Messen der Stromaufnahme des Antriebes (1, 14)
beim Eindringvorgang bestimmt wird.
4.
Bäumen oder Holzbauteilen mit einer Nadel mit größerem
Nadelkopfdurchmesser als Schaftdurchmesser, mit einem
Vorschubantrieb, der die Nadel zum Eindringen in das Holz
antreibt, und mit Meßvorrichtungen zur Messung des Ein-
dringwiderstandes in Abhängigkeit von der Eindringtiefe der
Nadel, gekennzeichnet durch
- 8 -
-
einen zusätzlichen Rotationsantrieb (1) für die Nadel (3),
welcher ebenso wie der Vorschubantrieb (14) elektrisch
ausgebildet ist,
-
ein Meßgerät für die Leistungsaufnahme von Vorschub-
und/oder Rotationsantrieb
(1,14) anhand von dessen
Stromaufnahme,
-
-
und mindestens ein beim Eindringvorgang relativ zu der
Nadel (3) verfahrbares Abstützelement (19), das die Na-
del (3) zwischen ihrem Einspannende (2) und Kopf (43)
führt."
An die Patentansprüche 1 bzw 4 schließen sich die Patentansprüche 2 und 3 bzw
5 und 6 an.
Die Parteien erklärten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1999 ihr Ein-
verständnis, das Verfahren schriftlich fortzusetzen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur
Nichtigerklärung des Streitpatents (§§ 81, 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG iVm § 4
PatG).
Ob dem Streitpatent zusätzlich die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Offenba-
rung und der unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprünglichen Anmelde-
unterlagen (§§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 2 und 4 PatG) entgegenstehen, kann bei
dieser Sachlage offen bleiben.
- 9 -
Die Entscheidung konnte wegen des erklärten Einverständnisses der Parteien
ohne erneute mündliche Verhandlung ergehen (§ 83 Abs 2 Satz 2 PatG).
I.
1)
des inneren Zustandes von Bäumen und Holzbauteilen zur Überprüfung even-
tueller Schäden durch Schädlingsbefall.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift (Sp 1 Z 11 bis 40) können solche Un-
tersuchungen entweder durch Ultraschall oder Röntgenstrahlen, also zerstörungs-
frei, oder durch Bohrungen festgestellt werden, wobei das Bohrloch mittels einer
Elektrosonde untersucht wird. Ebenso können die ausgebohrten Holzbestandteile
Hinweise auf den inneren Zustand des Holzes geben. Durch das relativ große
Bohrloch können jedoch Schädlinge eindringen und dadurch die Festigkeit des
Holzes beeinträchtigen.
Um auch den apparativen Aufwand zu verringern, wurde schon vorgeschlagen
(Sp 1 Z 22 bis 30), eine federbelastete Nadel, deren Kopfdurchmesser größer als
der Schaftdurchmesser ist, in das Holz zu stechen und in Abhängigkeit von der
Eindringtiefe den Eindringwiderstand zu messen. Die mit dieser Methode gewon-
nenen Meßergebnisse haben sich bei zunehmender Eindringtiefe im Hinblick auf
den Zustand des Holzes jedoch als zu ungenau erwiesen.
2)
stellung des inneren Zustandes von Bäumen und Holzbauteilen so zu verbessern,
daß es wesentlich bessere Meßergebnisse liefert und dabei zugleich praktikabel
und mit vertretbaren Kosten für Massenuntersuchungen einzusetzen ist.
- 10 -
3)
beschreibt
Patentanspruch 1
ein Verfahren zur Feststellung des inneren Zustandes von
Bäumen oder Holzbauteilen,
1. bei dem eine Nadel in das Holz eindringt,
1.1. wobei der Nadelkopfdurchmesser größer als der
Schaftdurchmesser ist,
1.2. und die Nadel rotiert wird,
1.2.1. wobei die Nadel mit einem Rotations- und/
oder Vorschubantrieb angetrieben wird,
2. und in Abhängigkeit von der Eindringtiefe der Eindringwi-
derstand gemessen wird,
2.1.
indem
die
Leistungsaufnahme des elektrischen Ro-
tations- und/oder Vorschubantriebes der Nadel ge-
messen wird.
Patenanspruch 7
eine Vorrichtung zur Feststellung des inneren Zustandes von
Bäumen oder Holzbauteilen
1. mit einer Nadel,
1.1. deren Nadelkopfdurchmesser größer als der
Schaftdurchmesser ist,
- 11 -
2. mit einem elektrisch ausgebildeten Vorschubantrieb,
2.1. der die Nadel zum Eindringen in das Holz antreibt,
3. einem
zusätzlichen,
elektrisch ausgebildeten Rotations-
antrieb für die Nadel,
4. und mit Meßvorrichtungen in Form eines Meßgerätes
4.1. zur Messung des Eindringwiderstandes in Abhän-
gigkeit von der Eindringtiefe der Nadel.
II.
Es kann dahinstehen, ob das Verfahren und die Vorrichtung des Streitpatents neu
sind. Jedenfalls beruhen sie nach Auffassung des Senats nicht auf einer erfin-
derischen Tätigkeit, denn sowohl das Verfahren nach Patentanspruch 1 als auch
die Vorrichtung nach Patentanspruch 7 in der jeweils erteilten Fassung ergaben
sich für den Fachmann, hier einen Maschinenbauingenieur, der mit der Untersu-
chung und Bearbeitung von Holz sowie der Schaffung von hierfür geeigneten Vor-
richtungen befaßt und vertraut ist, in naheliegender Weise aus dem Stand der
Technik.
1)
gewiesen, daß zur Feststellung des inneren Zustandes von Bäumen vor 1962 ne-
ben den zerstörungsfreien Methoden durch Ultraschall bzw Röntgenstrahlen auch
Verfahren angewandt wurden, bei denen das Prüfobjekt angebohrt und durch Un-
tersuchung des relativ weiten Bohrloches mittels einer Elektrosonde oder durch
Untersuchung der ausgebohrten Holzbestandteile Rückschlüsse auf den inneren
Zustand des Holzes gewonnen wurden. Diese Verfahren waren jedoch vom appa-
rativen Aufwand her zu teuer bzw minderten wegen der relativ weiten Bohrlöcher
die Festigkeitseigenschaften des Holzes. Um diese Nachteile zu beseitigen, wurde
- 12 -
bereits 1962 vorgeschlagen, eine federbelastete Nadel, deren Durchmesser am
Kopf größer ist als am Schaft, in das Holz einzustechen und in Abhängigkeit von
der Eindringtiefe den Eindringwiderstand zu messen (vgl H. Zycha und L. Dimitri,
"Erfahrungen mit einem Gerät zur Fäuleermittlung an stehenden Stämmen",
"Forstwissenschaftliches Centralblatt" 81. Jg, 1962, S 222 bis 230, s Streit-
patentschrift Sp 1 Z 11 bis 30). Bei diesem Stichverfahren ist die Holzverletzung
wegen der geringen Dicke von nur 6 mm am Kopf und 4 mm am Schaft wesentlich
geringer als bei den zuvor angewandten Bohrverfahren. Mit der verwendeten Na-
del von 20 cm Länge konnte jedoch nur eine Eindringtiefe von 12 cm erreicht und
damit eine Untersuchung nur an Stämmen mit einem Durchmesser bis 25 cm
durchgeführt werden. Der Einsatz von längeren Nadeln wurde nach diesem Stand
der Technik wegen der Gefahr des Abknickens oder Brechens der Nadel als kaum
möglich angesehen und festgestellt, daß dieses Verfahren bei stärkeren Stämmen
das Erkennen einer Fäule im Zentrum nicht mehr ermögliche (vgl insbes S 222, le
Abs bis S 223, Abs 1, S 223, le Abs bis S 224, Abs 2, S 224, Z 5/4 von unten und
S 229, Abs 4).
Der Auffassung der Beklagten, es habe daher ein Vorurteil dagegen bestanden,
den inneren Zustand von Bäumen mit Bohrern oder mit langen Nadeln festzustel-
len, kann sich der Senat nicht anschließen. So wird in der im Februar 1983 veröf-
fentlichten japanischen Offenlegungsschrift 18165/1983 (K19), die nachfolgend in
Form der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten beglau-
bigten deutschen Übersetzung als Stand der Technik herangezogen wird, ein Ge-
rät zur Prüfung des inneren Zustandes von Bäumen sowie dessen Anwendung
beschrieben, mit dem sich die Jahresringe sowie Fäulnisse in Holzstämmen fest-
stellen lassen. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in der Fachwelt
neuerdings ein mit Anbohren der Stämme arbeitendes Prüfgerät empfohlen und
speziell mit dem in dieser Druckschrift neu beanspruchten Gerät eine Verbesse-
rung der Erkennung des inneren Zustandes von Baumstämmen mittels Anbohren
erzielt wird. Ein allgemeines Vorurteil gegen eine Feststellung des inneren Zu-
standes von Bäumen durch Anbohren mittels eines Bohrgerätes bestand somit
Mitte der 80iger Jahre und damit am Anmeldezeitpunkt des Streitpatentes offen-
- 13 -
sichtlich nicht mehr. In der japanischen Offenlegungsschrift (K 19) wird hierzu ein
Bohrer beschrieben und eingesetzt, dessen Kopfdurchmesser größer ist als der
Schaftdurchmesser. Es wird ausdrücklich betont, daß der Schaft sehr fein gear-
beitet, dh sehr dünn sein soll (vgl insbes S 2, Z 7 bis 27 iVm Fig 1 und der den
Bohrer 1 betreffenden zugehörigen Beschreibung). Der Fachmann, dem die mit
dem Einsatz von relativ dicken Bohrern verbundenen Probleme - wie aus der Ver-
öffentlichung von Zycha hervorgeht - bereits 1962 bekannt waren, entnimmt aus
dem angesprochenen Hinweis, daß offensichtlich sehr dünne Bohrer eingesetzt
werden sollen.
Die in dieser Entgegenhaltung (K 19) weiter beschriebene Vorrichtung zur Fest-
stellung des inneren Zustandes von Bäumen oder Holzbauteilen mit einem dün-
nen Bohrer mit größerem Kopfdurchmesser als Schaftdurchmesser enthält einen
Rotationsantrieb für den Bohrer und einen Vorschubantrieb, der den Bohrer mit
einer konstanten Kraft nach vorne treibt. Der Rotationsantrieb und der Vorschub-
antrieb werden dabei durch eine Stromquelle gespeist und sind somit elektrische
Antriebe. Diese bekannte Vorrichtung enthält außerdem ein Meßgerät, mit dem in
Abhängigkeit von der Eindringtiefe des Bohrers in das Holz der Eindringwider-
stand gemessen wird. Dies erfolgt durch Bestimmen der Leistungsaufnahme des
elektrischen Rotations- und Vorschubantriebs des Bohrers, indem, wie auch im
erteilten Patentanspruch 3 des Streitpatents angegeben, die Änderung der Vor-
schubgeschwindigkeit beim Eindringvorgang gemessen wird. Hierzu wird die Po-
sitionsverschiebung des Bohrers über ein an eine Stromquelle angeschlossenes
lineares Potentiometer in Stromsignale überführt, die der Positionsänderung ent-
sprechen. Diese Positionsänderungssignale werden dann in Geschwindigkeits-
signale umgewandelt, die den Verlauf des Jahresringmusters bzw das Fehlen von
Jahresringen und damit Fäulnisstellen im untersuchten Stamm anzeigen. Nach
Auffassung der Beklagten ergibt sich aus Seite 2, vorletzter Absatz der japani-
schen Offenlegungsschrift, daß die Positionsänderung des Bohrers anhand der
Bewegung der durch das Vorantreiben des Bohrers gebildeten Späne festgestellt
werde; dies sei sehr ungenau und ermögliche daher keine exakte Bestimmung
des inneren Zustandes von Baumstämmen. Bereits im nachfolgenden Absatz wird
- 14 -
in der Entgegenhaltung K19 jedoch ausgeführt, daß die Positionsänderung des
Bohrers in Richtung des Vortriebes festgestellt wird; daraus ergibt sich für den
Fachmann eindeutig, daß dies direkt an der Verschiebung des Bohrers und nicht
indirekt über die Bewegung der gebildeten Späne erfolgt. Somit werden in dieser
Entgegenhaltung eine Vorrichtung und ein Verfahren beschrieben, die sich von
den Gegenständen der Patentansprüche 7 bzw 1 des Streitpatents nur dadurch
unterscheiden, daß in der japanischen Offenlegungsschrift (K19) von einem Boh-
rer anstelle von einer Nadel die Rede ist und daß dort die Dicke des Bohrers nicht
genau angegeben wird. Wie bereits ausgeführt und von der Beklagten auch ein-
geräumt worden ist (s. ihren Schriftsatz vom 17. Juli 1998, S. 6 le. Abs.), umfas-
sen die Gegenstände des Streitpatents auch spanabhebende Vorrichtungen und
somit auch Bohrer und deren Verwendung. Die Angabe "Nadel" im Streitpatent
bringt offensichtlich nur zum Ausdruck, daß es sich um sehr dünne und lange Vor-
richtungen iSv Bohrnadeln oder Nadelbohrern handeln soll. In der japanischen
Offenlegungsschrift wird aber bereits darauf hingewiesen, daß der Bohrerschaft
sehr dünn sein soll. Nachdem dem Fachmann auch bereits aus der Veröffent-
lichung von Zycha bekannt ist, daß zur Vermeidung von Beschädigungen am zu
untersuchenden Baumstamm für die Bestimmung seines inneren Zustandes nur
sehr dünne nadelförmige Werkzeuge verwendet werden sollen, lag es für den
Fachmann auf der Hand, bei der in der Entgegenhaltung K19 beschriebenen Vor-
richtung einen Bohrer vorzusehen, der so dünn ist wie eine Nadel. Die Aussage
von Zycha, daß nur relativ kurze Nadeln für die Bestimmung des inneren Zustan-
des von Bäumen brauchbar seien, da längere Nadeln durch die Andruckkraft zum
Verbiegen, Abknicken oder Brechen neigen und daher dicke Baumstämme nicht
mit Nadeln untersucht werden könnten, bildet jedoch kein Vorurteil gegen den
Einsatz langer rotierender Nadelbohrer zur Bestimmung des inneren Zustandes
auch von dicken Stämmen. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 27 14 010 A1
(K31), die in ihrer Problemstellung, nämlich dem Einbringen beliebig tiefer Löcher
mit sehr kleinem Durchmesser in Holz bei hoher Standfestigkeit der Werkzeuge
und vernachlässigbarer Festigkeitsminderung des Holzquerschnitts - im Gegen-
satz zur Auffassung der Beklagten - geläufig sein mußte, war dem Fachmann seit
1978 bekannt, daß die Stabilität einer in Holz eingetriebenen Nadel durch deren
- 15 -
Rotation wesentlich verbessert und ein Abknicken der dünnen Nadel durch Ro-
tation der Nadel vermieden werden kann und so rotierende Nadeln beliebig tief in
Holz eingebracht werden können. Es lag daher nahe, den Bohrer gemäß Druck-
schrift K19 zur Untersuchung von dicken Stämmen als lange dünne Nadel auszu-
bilden, da bei einer rotierenden spanabhebenden Nadel und damit einem Nadel-
bohrer die von Zycha vor langer Zeit angesprochenen Probleme nicht mehr zu be-
fürchten waren. Hierfür auch einen nadelförmig dünnen Spitzbohrer vorzusehen
wie in der Vorrichtung des Patentanspruchs 8 des Streitpatents, lag ebenfalls
nahe, da Spitzbohrer dem Fachmann als dünne Bohrer geläufig sind.
Damit gelangt man in Kenntnis des vorstehend erörterten Standes der Technik
ohne erfinderisches Bemühen zu den Vorrichtungen gemäß Patentanspruch 7 in
der Ausführungsform eines Nadelbohrers und zu den Vorrichtungen gemäß Pa-
tentanspruch 8 sowie zu dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 mit einem Na-
delbohrer.
Dem seitens der Beklagten vorgetragenen Einwand, es sei ein Indiz für das Nicht-
naheliegen der beanspruchten Gegenstände gemäß den Patentansprüchen 7, 8
und 1 des Streitpatents, daß die Feststellung des inneren Zustandes von Bäumen
mit Nadeln und Bohrern nach Zycha schon 1962 bekannt gewesen und die bean-
spruchten Gegenstände dennoch vor dem Anmeldetag des Streitpatents nicht
veröffentlicht worden seien, kann nicht gefolgt werden. Erst durch die japanische
Offenlegungsschrift K19 iVm der Entgegenhaltung K31 wurde dem Fachmann
nämlich nahegelegt, daß man eine lange dünne Nadel nur dann stabilisieren und
ohne Gefahr des Abknickens tief in einen Holzstamm einbringen kann, wenn man
die Nadel rotiert, dh daß hierfür die in der japanischen Offenlegungsschrift be-
schriebene Vorrichtung mit einem Bohrer verwendet werden kann, der so dünn
wie eine Nadel ist.
Der Hinweis der Beklagten auf den mit den beanspruchten Gegenständen er-
reichten wirtschaftlichen Erfolg führt zu keiner anderen Beurteilung. Wirtschaftliche
Erfolge können zwar im Einzelfall ein Indiz für das Ausmaß der erfinderischen
- 16 -
Leistung sein. Sie vermögen jedoch die fehlende erfinderische Tätigkeit nicht zu
ersetzen (vgl BGH GRUR 1967, 25, 29 liSp "Spritzgußmaschine III").
Einen eigenen erfinderischen Gehalt der auf den Verfahrensanspruch 1 rückbe-
zogenen Patentansprüche 2 bis 6 sowie der auf die Vorrichtungsansprüche 7 und
8 rückbezogenen Patentansprüche 9 und 10 hat die Beklagte nicht geltend ge-
macht. Er ist für den Senat auch nicht ersichtlich, so daß diese Patentansprüche
ebenfalls keinen Bestand haben können.
2)
erteilten Patentansprüchen nur durch Aufnahme des Merkmals "daß die Nadel (3)
zwischen ihrem Einspannende (2) und Kopf (43) durch mindestens ein beim Ein-
dringvorgang relativ zur Nadel verfahrbares Abstützelement (19) geführt wird" bzw
"und mindestens ein beim Eindringvorgang relativ zur Nadel verfahrbares Ab-
stützelement
(19), das die Nadel
(3) zwischen ihrem Einspannende
(2) und
Kopf (43) führt" aus dem erteilten Anspruch 10 in den Verfahrensanspruch 1 bzw
den Vorrichtungsanspruch 7. Ein derartiges verfahrbares Abstützelement vorzu-
sehen, liegt jedoch für den Fachmann ebenfalls nahe, wenn er die Stabilität des
zur Bestimmung des inneren Zustandes von dicken Bäumen erforderlichen langen
Nadelbohrers weiter verbessern will (vgl zB K31). Bei diesem Zusatzmerkmal der
beanspruchten Gegenstände handelt es sich um dem Fachmann geläufige Maß-
nahmen, die im Rahmen des handwerklichen Könnens liegen und deren Wir-
kungsweise zu erwarten war.
- 17 -
Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 7 und 8 des 1. Hilfsantrags beruhen da-
her ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gilt auch für die auf den
Verfahrensanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 sowie für den
auf die Vorrichtungsansprüche 7 und 8 zurückbezogenen Patentanspruch 9, die
jeweils keinen eigenen erfinderischen Gehalt aufweisen.
3)
den
Patentansprüchen 1 bis 6 des 2. Hilfsantrags, deren Ansprüche 2, 3, 5
und 6 den Ansprüchen 5, 6, 8 und 9 des 1. Hilfsantrags und der erteilten Unter-
lagen entsprechen, unterscheiden sich der Verfahrensanspruch 1 und der Vor-
richtungsanspruch 4 vom Verfahrensanspruch 1 bzw Vorrichtungsanspruch 7 des
1. Hilfsantrags nur dadurch, daß aus all den in den erteilten Patentansprüchen 2
bis 4 für die Messung der Leistungsaufnahme angegebenen Möglichkeiten eine
Beschränkung auf die Bestimmung der Leistungsaufnahme durch Messen der
Stromaufnahme des Rotationsantriebes und/oder des Vorschubantriebes beim
Eindringvorgang erfolgt und dementsprechend in der Vorrichtung ein Meßgerät
zum Messen der Leistungsaufnahme von Vorschub- und/oder Rotationsantrieb
anhand von dessen Stromaufnahme vorhanden ist. Bei derartigen Verfahren und
Vorrichtungen zur Messung des inneren Zustandes von Bäumen wird der elek-
trische Rotations- und/oder Vorschubantrieb, wie auch aus der Druckschrift K19
ersichtlich, üblicherweise durch eine Batterie oder einen Akkumulator und damit
aus einer Stromquelle mit konstanter Spannung mit Strom versorgt. Dem Fach-
mann ist jedoch geläufig, daß die elektrische Leistung P = U
x I, dh gleich der
Spannung multipliziert mit der Stromstärke ist, daß also bei konstanter Spannung
die Leistung direkt proportional der Stromstärke ist. Es lag für den Fachmann da-
her nahe, die Leistungsaufnahme des elektrischen Rotations- und/oder Vorschub-
antriebes des Nadelbohrers auf die für ihn erkennbar einfache Weise durch Mes-
sen der Stromaufnahme des Antriebes beim Eindringvorgang zu bestimmen. Auch
die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 4 gemäß 2. Hilfsantrag beruhen so-
mit nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dies gilt in gleicher Weise für die auf den
Verfahrensanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 und die auf
den Vorrichtungsanspruch 4 zurückbezogenen Patentansprüche 5 und 6, weil sie
über die nicht erfinderische Leistung der Gegenstände der Patentansprüche 1 und
- 18 -
4 nicht hinausgehen. Diese Patentansprüche haben daher ebenfalls keinen
Bestand.
4)
2. Hilfsantrags durch die Aufnahme des Merkmals "daß die Nadel vorn in einer
Lünette geführt wird" in den Patentanspruch 1 bzw des Merkmals "eine die Nadel
vorn führende Lünette" in den Patentanspruch 4. Dem Fachmann war jedoch
bspw aus der Druckschrift K31 (vgl insbes den Anspruch 2 iVm S 6, handge-
schriebene Seitenangabe, Abs 2) bekannt, daß man beim Eintreiben einer rotie-
renden Nadel in Holz zweckmäßigerweise eine Schablone mit Zentralbohrung und
damit eine Lünette vorsieht, in welcher die Nadelspitze oberhalb der Holz-
oberfläche geführt wird, um hierdurch ein Verlaufen der Nadelspitze aus der Bohr-
achse und daraus resultierende Probleme zu vermeiden. Der Einsatz einer
Lünette bei der vorliegend beanspruchten Vorrichtung und dem hier beanspruch-
ten Verfahren lag daher aufgrund des dem Fachmann bekannten Fachwissens
nahe. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 4 des 3. Hilfsantrags beruhen
daher ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die abhängigen Patentan-
sprüche 2 und 3 sowie die Patentansprüche 5 und 6 teilen dieses Schicksal.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm §§ 91 Abs 1, 92 Abs 2
ZPO. Die Klägerin hatte zwar zunächst ihre Klage auf die Nichtigkeitsgründe der
§§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nrn 1 bis 4 PatG gestützt, mit Erklärung vom 28. Au-
gust 1998 die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit unter dem Ge-
sichtspunkt der fehlenden gewerblichen Anwendbarkeit und der widerrechtlichen
Entnahme (§§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nrn 2 und 4 PatG) aber fallengelassen. Diese
als teilweise Klagerücknahme zu beurteilende Erklärung hat jedoch keine teilweise
Kostenauferlegung zu Lasten der Klägerin zur Folge, da der Klage bereits aus
dem Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der
fehlenden erfinderischen Tätigkeit stattzugeben war und die weiteren von der Klä-
- 19 -
gerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe demgegenüber nicht ins Gewicht fal-
len.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 99 Abs 1
PatG iVm § 709 ZPO.
Grüttemann
Dr. Deiß
Dr. Niklas
Dr. Jordan
Sredl
Ko