Urteil des BPatG vom 23.10.2003

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 27 913.6-24
34 W (pat) 1/04
_______________________
ofer sowie
der Richter Hövelmann, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dr.-Ing. Baumgart
hat der 34. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
14. April 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Ipfelk
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse F 27 B des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 23. Oktober 2003 aufgehoben.
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:
B e z e i c h n u n g :
Vorrichtung zum Überwachen der Metall-
schmelzetemperatur beim Einfüllen in einem Warmhalte- und
Dosierofen
A n m e l d e t a g : 21. Juni 2002
Patentansprüche 1 bis 6 (gemäß Offenlegungsschrift DE 102 27
913 A1 2004.03.18 mit handschriftlichen Änderungen), eingegan-
gen am 25. Februar 2008
2 Blatt Beschreibungsseiten (gemäß Offenlegungsschrift DE
102 27 913 A1 2004.03.18, Seiten 2/3 und
3/3 mit handschrift-
lichen Änderungen), eingegangen am 25. Februar 2008.
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung
mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.
- 3 -
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des jetzigen Anmelders, auf
den die Anmeldung übertragen wurde.
Er legt im Beschwerdeverfahren einen neuen Anspruchssatz mit einem geän-
derten Anspruch 1 und neue Beschreibungsseiten mit einer geänderten Be-
zeichnung vor und beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Unterlagen zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Vorrichtung zum Überwachen der Temperatur von von einem
Schmelzofen zu Warmhalte- und Dosieröfen an einzelnen Gieß-
einheiten transportiertem flüssigen Metall bestehend aus einem in
einem Eingießtrichter eines jeden Warmhalte- und Dosierofens
angeordneten, die Temperatur der Metallschmelze beim Einfüllen
aufnehmenden Temperaturfühler und einer an jedem Warmhalte-
und Dosierofen gut sichtbar angeordneten Temperaturanzeige-
vorrichtung.
Hieran schließen sich Ansprüche 2 bis 6 als Unteransprüche an.
Im Verfahren befindet sich folgende Entgegenhaltung:
D1) DE 198 45 528 A1
Der Anmelder vertritt die Auffassung, dass die beanspruchte Vorrichtung zum
Überwachen der Metallschmelzetemperatur beim Einfüllen in einem Warmhalte-
und Dosierofen durch den ermittelten Stand der Technik auch in Verbindung mit
Fachwissen nicht nahegelegt sei.
- 4 -
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird
auf den Akteninhalt verwiesen.
I I .
A)
B)
Das geltende Patentbegehren ist zulässig. Zu formalen Bedenken gegen
die geltenden Patentansprüche besteht kein Anlass. Der Patentanspruch 1 ist
sprachlich klargestellt, die Unteransprüche entsprechen identisch den ursprüng-
lichen Fassungen. Die Beschreibung wurde in zulässiger Weise überarbeitet, die
geänderte Bezeichnung definiert den Anmeldungsgegenstand nunmehr
zutreffend.
C)
1.
In Gießereien wird Metall in einem Schmelzofen geschmolzen und von dort in
Tiegeln zu Warmhalte- und Dosieröfen transportiert. Warmhalte- und Dosieröfen
dienen der Bevorratung hinsichtlich der Temperatur gießfertig eingestellter
Schmelzen nahe einer Gießmaschine oder -form.
Während des Transports bis zum Einfüllen in die Warmhalte- und Dosieröfen kann
die Schmelze abkühlen. Soweit nicht jeder Transporttiegel mit einer Tempera-
turmesseinrichtung ausgestattet ist oder eine gesonderte Messung der Schmel-
zetemperatur im Transporttiegel vor dem Einfüllen in den Warmhalte- und
Dosierofen durchgeführt wird, ist die Temperatur nicht genau feststellbar. Wird
Schmelze mit zu niedriger Temperatur eingefüllt, kann dies zu einer zu starken
Absenkung der Schmelzetemperatur im Warmhalte- und Dosierofen führen. Bei zu
geringer Heizleistung des Warmhalte- und Dosierofens ist eine Fertigungs-
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unterbrechung die Folge, wenn die Schmelzetemperatur nicht innerhalb eines
vorgegebenen Temperaturbereiches liegt (vgl. Absätze [0002] bis [0004] in DE
02 27 913 A1).
Das technische Problem liegt somit in der Überwachung der Schmelztemperatur in
einem Warmhalte- und Dosierofen beim Einfüllen mit einer schnellen und genauen
Anzeige hierfür (vgl. Absatz [0006]).
Mit der erfindungsgemäßen Anordnung
M1 - eines Temperaturfühlers in einem Eingießtrichter eines jeden Warmhalte-
und Dosierofens
und
M2 - einer gut sichtbar angeordneten Temperaturanzeigevorrichtung an jedem
Warmhalte- und Dosierofen
kann die Temperatur der den Temperaturfühler beim Einfüllen beaufschlagenden
Schmelze aufgenommen und zur Anzeige gebracht werden. Die Funktionsweise
der Überwachungsvorrichtung bedingt, dass u. U. auch eine Menge zu kalter
Schmelze in den Warmhalte- und Dosierofen gelangt (vgl. Absatz [0009]). Diese
technischen Merkmale M1 und M2 ermöglichen über die unmittelbare Erfassung
und Anzeige der Metallschmelzetemperatur beim Einfüllen hinaus - als Vorstufe
zur Einleitung einer ereignisbezogenen Maßnahme, nämlich den Abbruch des
Einfüllvorganges - jedoch mittelbar eine „Überwachung“ der Metallschmelze-
temperatur in einem Warmhalte- und Dosierofen.
Ein Gießereifachingenieur (FH) - als vorauszusetzender Durchschnittsfachmann -
erkennt ohne weiteres, dass mit der erfindungsgemäßen Anordnung nur die
Temperatur der abgegossenen Schmelzemenge während des Eingießens aufge-
nommen und zur Anzeige gebracht werden kann. Eine Überwachung „der Tem-
peratur von einem Schmelzofen zu Warmhalte- und Dosieröfen an einzelnen
- 6 -
Gießeinheiten transportiertem, flüssigen Metall“ während des Transports ist da-
gegen nicht möglich, auch nicht die Überwachung „des Füllstandes einer
Metallschmelze“. In den geltenden Beschreibungsunterlagen sind die entspre-
chend missverständliche Textpassagen dahingehend klargestellt.
2.
Metallschmelzetemperatur nach Anspruch 1 erweist sich gegenüber dem ermit-
telten Stand der Technik als neu; hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen
zur erfinderischen Tätigkeit verwiesen.
3.
derischen Tätigkeit.
Die einzige im Verfahren befindliche Druckschrift DE 198 45 528 A1 (D1) befasst
sich mit der automatischen Regelung für eine metallurgisch sichere Prozess-
führung beim Verarbeiten einer Metallschmelze in einem geschlossenen System
über kürzeste Wege. Die Gießtemperatur soll u. a. abhängig von der Menge und
Temperatur des zugeführten festen bzw. eingefüllten flüssigen Chargiermaterials
über Heizeinrichtungen zwischen Grenzwerten gehalten werden (vgl. Spalte 2
Zeilen 30 bis 34 sowie 45 bis 55 in D1).
Die DE 198 45 528 A1 vermittelt dem Fachmann hierfür die Lehre, Tempe-
raturfühler für Regelungszwecke in einem Transportgefäß und einem Dosierofen
oder auch in einem Bereich einer Chargiereinrichtung mit Vorerwärmung ein-
zufüllenden Materials - also auch flüssiger Schmelze - anzuordnen (vgl. An-
sprüche 1, 5 und 6 in D1).
Bei dem in D1 für verschiedene Ausführungsbeispiele beschriebenen Verfahren ist
mit der jeweils vorgeschlagenen kombinierten Anordnung von Temperaturfühlern
und Heizeinrichtungen sichergestellt, dass nur ausreichend vorerwärmtes Char-
- 7 -
giermaterial wie flüssige Schmelze in einen Dosierofen eingefüllt werden kann
(vgl. Spalte 3 Zeilen 21 bis 23 in D1).
Das der Anmeldung zugrunde liegende Problem kann bei den aus D1 bekannten
Vorrichtungen somit nicht auftreten.
Vielmehr kann beim Erfindungsgegenstand nach Anspruch 1 auf die Anordnung
von Temperaturfühlern und Heizeinrichtungen im Transportgefäß verzichtet wer-
den, während diese beim Stand der Technik nach D1 ausdrücklich vorgesehen
sind (vgl. Pos. 37 / Transportgefäß, Pos. 44 / Thermoelement und Pos. 42 /
Tauchheizkörper in Figur 4).
Beim Stand der Technik nach D1 ist auch kein Temperaturfühler in einem
Eingießtrichter im anmeldungsgemäßen Sinne entsprechend Merkmal M1 ange-
ordnet, von dem eine eingegossene Metallschmelzenmenge unweigerlich in den
Dosierofen abfließt.
Die für die Ausführungsbeispiele nach den Figuren 1 und 2 in D1 beschriebenen
Chargiereinrichtungen weisen Schleusen auf, für die eine Ausrüstung mit Tem-
peraturfühlern und zudem geregelten Heizeinrichtungen vorgeschlagen ist (vgl.
Ansprüche 17 und 22 in D1). Diese Schleusen verhindern ein Abfließen der
Schmelze bzw. des Chargiermaterials bis zum Erreichen einer definierten
Temperatur (vgl. Spalte 7 Zeilen 28 bis 34 in D1), während beim Erfindungs-
gegenstand gerade eine Temperaturmessung während des Einfüllens der Schmel-
ze erfolgt (vgl. Absatz [0009] in DE 102 27 913 A1). Somit sind die Tempe-
raturfühler nach den Vorschlägen in D1 einem dem anmeldungsgemäßen „Ein-
gießtrichter“ ähnlichen Einfüllbereich vorgelagert (vgl. „Siphon“ / Spalte 3 Zeilen 21
bis 33, oder „Auflageschiene“ / Pos. 14 in Figuren 1 und 2).
- 8 -
Bei dem mit D1 vorgeschlagenen Verfahren bzw. den hierfür vorgeschlagenen
Anordnungsbeispielen ist es auch nicht erforderlich, über die Messung der Tem-
peratur in Transportbehältern, Chargiereinrichtungen oder Warmhalteöfen selbst
hinaus noch zusätzlich die tatsächliche Übergabetemperatur jeweils in einem Ein-
füllbereich zu messen. Der Fachmann konnte ausgehend von D1 hierin auch
keinen weiteren Vorteil erkennen.
Ein Hinweis auf die Anordnung einer Temperaturanzeigevorrichtung entsprechend
Merkmal M2 findet sich in der Druckschrift D1 ebenfalls nicht. Bei einer auto-
matischen Regelung nach dem in D1 beschriebenen Verfahren sind visuali-
sierende Anzeigegeräte für die Temperatur auch nicht erforderlich. Selbst wenn
der Fachmann diese dort prinzipredundante Maßnahme in Erwägung zieht, ist
eine Anordnung am Warmhalte- und Dosierofen selbst jedenfalls nicht zwingend
geboten.
Während die technische Entwicklung im Gießereiwesen vor dem Anmeldetag
ausweislich D1 in Richtung einer aufwendigen, für eine automatisierte Betriebs-
weise ausgelegten Anlage verlaufen ist, wird mit der Erfindung ein neuer Weg
aufgezeigt. Für die Zuerkennung einer erfinderischer Tätigkeit spricht auch die
Einfachheit der Lösung: Selbst ein fachnotorischer Wunsch nach Vereinfachung
der Temperaturüberwachung würde den Fachmann allenfalls zu der in der
Anmeldung als bekannt vorausgesetzten Lösung führen, jeden Transporttiegel
lediglich mit einer Temperaturmesseinrichtung auszustatten und auf eine Heiz-
einrichtung zu verzichten (vgl. Absatz [0003] in DE 102 27 913 A1). In Kenntnis
der D1 war der Fachmann jedoch gehindert, darüber hinaus in eine Richtung zu
entwickeln, bei der prinzipbedingt in Kauf genommen wird, dass zumindest eine
geringe Menge Schmelze mit ggf. unzureichender Temperatur in den Warmhalte-
und Dosierofen gelangt.
Nach alledem ist der Patentanspruch 1 gewährbar, weil der zu berücksichtigende
Stand der Technik dem Gießereifachmann weder eine Anregung gibt, die Tem-
- 9 -
peratur der Schmelze im Eingießtrichter eines Warmhalte- und Dosierofens auf-
zunehmen, noch die Temperatur mit einer Vorrichtung daran anzuzeigen.
D.
richtung zum Überwachen der Metallschmelzetemperatur nach Anspruch 1 und
können sich diesem anschließen.
Dr. Ipfelkofer
Hövelmann
Sandkämper
Dr. Baumgart
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