Urteil des BPatG vom 02.08.2006

BPatG: farbe, unterscheidungskraft, hersteller, eugh, orange, ware, beschreibende angabe, schokolade, verpackung, mitbewerber

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 99/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 45 402.0
hat der 25.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
2. August 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die konturlose Farbmarke
orange (Pantone 152 C)
ist am 12. September 2002 für die Waren und Dienstleistungen
"Abformmaterial für zahnärztliche Zwecke; Schokolade; Dienst-
leistungen eines Zahnarztes"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
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Mit zwei Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 2. Februar 2004 und vom 13. Mai 2004, von denen letzterer im
Erinnerungsverfahren ergangen ist, wurde die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG zurückgewiesen, wobei das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG offen gelassen wurde.
Für die beanspruchten Waren "Abformmaterial für zahnärztliche Zwecke" habe die
angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft. Abdruckmassen würden regel-
mäßig eingefärbt. Die verschiedenen Farben gäben dem einschlägigen Verkehr
auf dem Gebiet der Dentalmedizin und -labortechnik dabei Hinweise auf die Ei-
genschaften der Abdruckmassen, nicht aber auf einen bestimmten Hersteller. Die
Anmelderin gehe selbst davon aus, dass die Zahnärzte anhand der Farben erken-
nen könnten, welche Komponenten miteinander zu vermischen seien oder welche
Viskosität und Abbindezeit sie aufwiesen. Dies sei jedoch eindeutig ein Hinweis
auf die Beschaffenheit und den Verwendungszweck der Waren. Die Anmelderin
verweise darauf, dass anhand der Farbe erkennbar sei, um welches Material es
sich handele, weshalb nicht nachvollziehbar sei, wieso trotz der von ihr selbst dar-
gelegten Beschaffenheitshinweise die angesprochenen Verkehrskreise aus der
Farbe auf den Hersteller schließen sollten. Zudem ermögliche bei Abformmassen
nur eine von der Farbe der Zähne und des Zahnfleisches deutlich abweichende
Farbe beim Umspritzen des zu präparierenden Zahnbereichs ein sauberes und
flächendeckendes Arbeiten; bzw. nur eine kräftige zeichnungsscharfe Farbe
werde bei der Sichtprüfung die Konturen des fertigen Abdrucks deutlich hervor-
treten lassen (so auch BPatG 30 W (pat) 287/96). Auch ästhetische Aspekte wür-
den einfließen. Eine über die ästhetische Wirkung und den Beschaffenheitshin-
weis hinausgehende Aussage sei der angemeldeten Marke nicht zu entnehmen,
weswegen ihr die Unterscheidungskraft mangele. Für die vergleichbare Farbe
"Lila" seien die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für Abdruckmas-
sen nur im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden (BPatG
30 W (pat) 287/96).
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Auch im Hinblick auf die Ware "Schokolade" weise die angemeldete Marke keine
Unterscheidungskraft auf. Für Schokolade, wie überhaupt für Süßwaren, sei die
Farbe lediglich ein dekoratives Verpackungselement, das den Kaufreiz fördern
solle.
Letztlich gebe die angemeldete Marke auch für die beanspruchten "Dienstleistun-
gen eines Zahnarztes" keinen Herkunftshinweis. Da es sich um unkörperliche
Produkte handele, würden Dienstleistungsmarken häufig als Logo oder auf Wer-
beartikeln, Rezepten und Terminzetteln angebracht. Farbliche Ausgestaltungen
seien dabei üblich. So würden gerade wichtige Informationen mit hervortretenden
Farben gekennzeichnet. Derartige Farben würden jedoch nur als dekorative Farb-
gestaltung, beispielsweise als Hintergrund einer Geschäftsanzeige, oder gegebe-
nenfalls als Hinweis auf die Wichtigkeit, nicht aber als Anbieterhinweis aufgefasst.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag (sinnge-
mäß),
die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 2. Februar 2004 und vom 13. Mai 2004 aufzuheben.
Abformmaterialien für zahnärztliche Zwecke seien Präzisionsabformmaterialien,
die Zahnärzte zur Herstellung von Zahnabdrücken bei Patienten verwendeten.
Anhand dieser Abdrücke würden dann Brücken, Kronen etc. gefertigt. Die Ab-
formmaterialien bestünden in der Regel aus einer knetgummiähnlichen Masse, auf
der keine Schriftzeichen oder Symbole angebracht werden könnten. Die Silikon-
abformmassen seien stets einfarbig. Sie bestünden in der Regel aus zwei ver-
schiedenen Komponenten, die vor Gebrauch miteinander vermischt würden. Die
zu vermischenden Komponenten wiesen dabei in der Regel zwei verschiedene
Farbtöne auf. Die angemeldete Farbmarke diene zumindest auch der betrieblichen
Herkunftskennzeichnung. Der angesprochene Verkehrskreis, der ausschließlich
aus Zahnärzten, Zahnarzthelfern und Zahntechnikern bestehe, bestimme anhand
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der Farbe der Abdruckmassen, von welchem Hersteller das jeweilige Material
stamme. Die Farbe stelle für die Verbraucher letztlich auch die einzige Möglichkeit
dar, den Hersteller zu erkennen. Der angesprochene Verkehrskreis sei hier ge-
rade daran gewöhnt, die Herkunft der Abformmaterialien über die Farbe - und
ausschließlich darüber - zu bestimmen. Habe der angesprochene Verkehrskreis
anhand der Farbe den Hersteller bestimmt, könne er dann auch spezifische Ei-
genschaften (z. B. Viskosität, Abbindezeit) erkennen. Dies bedeute, dass der Her-
steller zunächst die Farbe frei wählen könne. Dies tue er, um sich damit als Her-
steller zu identifizieren. Im Rahmen dieser Farbwahl könne er dann der gewählten
Farbe bestimmte Eigenschaften zuordnen, so dass der angesprochene Verkehrs-
kreis wisse, welche Komponenten miteinander zu vermischen seien. Der be-
stimmte Farbton (orange, Pantone 152 C) sei für die einzelnen technischen Daten
nicht zwingend. Damit ergebe sich auch, dass die angemeldete Farbmarke nicht
ausschließlich zur Darstellung der Ware, als Dekor oder als Beschaffenheitshin-
weis diene. Der Hinweis des DPMA, die Farbe orange sei keine außerordentlich
ungewöhnliche oder spezielle Farbe, sei unerheblich im Hinblick darauf, ob die
angesprochenen Verkehrskreise in der Einfärbung des Abformmaterials mit der
Farbe orange einen Herkunftshinweis sähen, was der ständigen Rechtsprechung
des BGH entspreche (BGH GRUR 2002, 538 Farbmarke violettfarben). Die ange-
meldete Marke sei für die Verwendung auf einem sehr spezifischen Markt be-
stimmt und für eine beschränkte Zahl von Waren und Dienstleistungen angemel-
det. Es fehle ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft.
Bei Schokolade sei der Verkehr daran gewöhnt, die Hersteller nach der Farbe der
Schokoladenverpackung zu unterscheiden. Der Verkehr unterscheide z. B. zwi-
schen dem "Milka"- lila und dem "Alpia"-lila. Farben seien für den Verbraucher
herkunftshinweisend. Außerdem handele es sich auch hier um eine spezielle
Ware.
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Auch bestehe an der angemeldeten Farbmarke kein Freihaltungsbedürfnis. Für
die hier angemeldeten Waren und Dienstleistungen sei die angemeldete Farbe
nicht technisch bedingt. Die Hersteller achteten herkömmlicherweise darauf, dass
sie bei dentalen Abformmassen unterschiedliche Farbnuancen, auch innerhalb ei-
ner Primärfarbe, verwendeten, damit es gerade nicht zu Verwechslungen komme.
Dem Verkehr bzw. dem Mitbewerber stünde die gesamte Farbpalette des Pan-
tone-Fächers, der 2 686 Farben enthalte, zur freien Verfügung. Die Gefahr, dass
es für die Mitbewerber nicht genügend Farben gebe, sei damit ausgeschlossen.
Darüber hinaus genüge eine allgemeine Gefahr der Behinderung von Produkt-
gestaltungen auf dem Warenmarkt sowieso nicht, um ein mögliches Interesse der
Mitbewerber einer generellen Freihaltung der Farben zu begründen.
Als Beweis dafür, dass der Verkehr bei den angemeldeten Waren die Farbe als
Hinweis auf den Hersteller ansehe, hält die Anmelderin Sachverständigengutach-
ten für geeignet.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg,
denn der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht für die beanspruchten Wa-
ren und Dienstleistungen aus den von der Markenstelle im Wesentlichen bereits
ausgeführten Gründen zumindest ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtspre-
chung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der ge-
kennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die
von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens ge-
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genüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr.
BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor). Es
muss also die Kennzeichnungskraft mit der Eignung zur Ausübung der Herkunfts-
funktion verbunden sein, auch wenn eine Marke zusätzlich noch weitere Funktio-
nen haben kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 8 Rdn. 39).
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren
und Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrs-
kreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durch-
schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrau-
chers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist.
Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche
Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren und
Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Beg-
riffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 – Postkantoor). Jedoch hat
der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Be-
deutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist.
Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl.
EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 – Biomild). Die Prüfung
der Schutzhindernisse darf nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern
muss streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Mar-
ken zu verhindern (EuGH GRUR 2003, 604 Libertel-Orange).
Die angemeldete Marke ist eine konturlose Farbmarke. Von außergewöhnlichen
Umständen abgesehen, kommt Farben nicht von vornherein Unterscheidungskraft
zu, doch können sie diese in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die
sie angemeldet werden, eventuell infolge einer Benutzung erwerben (EuGH,
GRUR 2004, 858, E 39 - blau/gelb Heidelberger Bauchemie GmbH). Dass die vor-
liegend angemeldete Marke infolge einer Benutzung Unterscheidungskraft erwor-
ben haben könnte, ist nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus anderen
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Gründen. Es sind auch sonst keine außergewöhnlichen Umstände ersichtlich, die
eine Bejahung der Unterscheidungskraft in Bezug auf die hier angemeldeten Wa-
ren und Dienstleistungen von vorneherein rechtfertigen könnten.
Für die angemeldeten Waren "Abformmaterial für zahnärztliche Zwecke" spielen
Farben zur Kenntlichmachung technischer Funktionen eine bedeutende Rolle,
auch wenn der einzelne Farbton dadurch noch nicht zwingend festgelegt ist. So
kann die Farbe der Abformmasse z. B. anzeigen, ob die verwendeten Kompo-
nenten korrekt vermischt sind. Die technische Funktion von Farben auf diesem
Warengebiet spricht dagegen, dass der Verkehr die angemeldete Farbe als Marke
ansieht.
In Bezug auf die Waren "dentale Abformmassen" hat der Bundesgerichtshof in ei-
ner Entscheidung vom 22. September 2005 in einem Verletzungsverfahren (Az:
I ZR 188/02) ausgeführt:
"Selbst wenn eine Farbe auf der Verpackung einer Ware oder für die Ware selbst
verwendet wird, ist nur ausnahmsweise anzunehmen, dass dies herkunftshinwei-
send geschieht. Denn die Endabnehmer sind es nicht gewöhnt, aus der Farbe von
Waren oder deren Verpackung ohne Beifügung von graphischen oder Wortele-
menten auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine Farbe als solche nach
den gegenwärtigen Gepflogenheiten grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizie-
rung verwendet wird (EuGH GRUR 2003, 604 Tz. 65 - Libertel; BGHZ 156, 126,
136 f. - Farbmarkenverletzung I; BGH GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade).
Dies gilt auch im Streitfall, zumal die Farbgebung in dem dort angesprochenen
Warenbereich die technische Anwendung unterstützt. Nach der Europäischen
Norm EN ISO 4823:2000 Nr. 6.1 müssen bei dentalen Abformmassen die zur An-
wendung in derselben Mischung vorgesehenen unterschiedlichen Komponenten in
Kontrastfarben geliefert werden, um anzuzeigen, wann die Komponenten gründ-
lich gemischt wurden. Dementsprechend hat auch das Bundespatentgericht in
seinem die Markenanmeldung der Klägerin betreffenden Beschluss festgestellt,
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dass in dem betreffenden Warenbereich von einer funktionellen Bedingtheit von
Farben auszugehen ist (BPatGE 42, 51, 53 f.). Danach sind die Anbieter der Ab-
formmassen auf die Verwendung solcher Farbtöne angewiesen und die Abnehmer
und Verwender daran gewöhnt, dass Farben technische Merkmale darstellen."
Der BGH ist in dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass Farben bei diesen
Waren regelmäßig nicht unterscheidungskräftig sind und die angesprochenen
Verkehrskreise in ihnen eine technische Funktion sehen. Dies gilt gerade auch für
den hier vorwiegend angesprochenen Fachverkehr.
Hinsichtlich der Dienstleistungen eines Zahnarztes ist die angemeldete Farbe
ebenfalls nicht unterscheidungskräftig.
Bei Dienstleistungen ist zu berücksichtigen, dass diese selbst keine Farbe aufwei-
sen, da sie unkörperlich sind. Andererseits geht der Verkehr - wozu auch die Mit-
glieder des entscheidenden Senats gehören - bei Dienstleistungen nicht von vor-
neherein davon aus, dass Farben, die ihm bei der Erbringung der Dienstleistun-
gen, zB auf Informationsmaterial und Prospekten begegnen, einen Hinweis auf
den Hersteller darstellen. Die angemeldete Farbe orange ist geeignet, auf be-
stimmte Angaben aufmerksam zu machen. Sie wird daher in der Regel als Her-
vorhebungsmittel oder Dekoration verstanden. Daher wird auch im Zusammen-
hang mit den angemeldeten Dienstleistungen die angemeldete abstrakte Farbe
orange nicht als Herkunftsangabe aufgefasst.
In Bezug auf die Waren "Schokolade" hat die Markenstelle zutreffend ausgeführt,
dass die Farbe orange im einschlägigen Süßwarenbereich z. B. auf Verpackungen
verwendet wird und der Verkehr ohne Verkehrsdurchsetzung in der Farbe als sol-
cher keinen betrieblichen Herkunftshinweis sieht. Wenn der Verkehr bei einzelnen
verkehrsdurchgesetzten Farben diese als Herstellerhinweis sieht, so kann daraus
nicht der Schluss gezogen werden, dass dies auch bei anderen Farben der Fall
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ist, zumal die Farbgebung auf der Verpackung häufig die Funktion hat, die einzel-
nen Schokoladensorten zu unterscheiden.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine an-
dere Beurteilung.
Soweit die Anmelderin hinsichtlich der Unterscheidungskraft darauf abstellt und
man dies zu Gunsten der Anmelderin unterstellt, dass der Verkehr bei dentalen
Abformmassen an den Farben den Hersteller erkenne, heißt dies allerdings noch
nicht, dass der Verkehr in der Farbe als solcher eine Marke sieht, insbesondere
wenn - wie hier - Farben eine technische Funktion haben. Dass die Mitbewerber
relativ frei wählen können, welche Farben sie für die jeweilige Funktion benutzten,
ändert nichts an der technischen Funktion der Farben und damit am grundsätzli-
chen Verständnis der Verkehrskreise. (vgl. auch BGH GRUR 2004, 683 Farbige
Arzneimittelkapsel). Hinzu kommt hier noch, dass die Farben des Abformmaterials
jedenfalls zum Teil bei der Mischung der Komponenten entstehen, bzw sich bei
der Mischung verändern. In einem solchen Fall hat der Verkehr noch weniger An-
lass, in einem bestimmten Farbton einen Herkunftshinweis zu sehen, zumal wenn
dieser erst beim Gebrauch und nicht schon im geschäftlichen Verkehr in Erschei-
nung tritt.
Die Argumentation der Anmelderin, die Farbe der Abdruckmasse sei der Herstel-
lerhinweis, da die Abdruckmassen keinen Stempel oder Aufdruck zur Kennzeich-
nung haben könnten, ist nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon, dass eine
konturlose Farbmarke nicht zwingend nur durch Einfärbung des Produkts benutzt
werden könnte, wird eine Marke häufig nur auf der Verpackung angebracht, so
dass die Farbe des Produkts vom Verkehr in der Regel gerade nicht als Marke
angesehen wird.
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Für die von der Anmelderin angesprochene Beweiserhebung durch Einholung ei-
nes Sachverständigengutachtens besteht kein Anlass. Zunächst handelt es sich
auch bei dem Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft letztlich
um eine Rechtsfrage, wenngleich für ihre Beurteilung tatsächliche Gesichtspunkte
eine Rolle spielen können, die von Amts wegen zu ermitteln sind. Insoweit ist das
BPatG auch nach dem neuen MarkenG ausdrücklich nicht an Beweisanträge ge-
bunden (§ 73 Abs. 1 MarkenG). Die Einholung von Sachverständigengutachten
zur Verkehrsauffassung kommt vor allem bei geltend gemachter Verkehrsdurch-
setzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) in Betracht im Rahmen der Prüfung, ob die betei-
ligten Verkehrskreise ein Zeichen trotz originärer Schutzhindernisse etwa infolge
intensiver kennzeichnender Benutzung als Marke auffassen. Dafür ist hier nichts
vorgetragen und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich. Soweit die An-
melderin sich darauf berufen will, dass bezüglich der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen die Verkehrskreise ausnahmsweise aufgrund besonderer Um-
stände in Farben markenmäßige betriebliche Herkunftskennzeichen sehen, ist
hierzu nichts vorgetragen, was weitere Ermittlungen in diese Richtung geboten er-
scheinen ließe. Eine solche Annahme widerspricht auch der Lebenserfahrung,
was die Mitglieder des Senats nicht nur bezüglich von Schokolade und Dienst-
leistungen eines Zahnarztes beurteilen können, sondern auch hinsichtlich des
Abformmaterials für zahnärztliche Zwecke, da hier ein allgemeiner Gesichtspunkt
durchgreift, der keine einschlägigen Fachkenntnisse erfordert.
Maßgeblich für die Auffassung der Anmelderin ist nämlich die Annahme, die an-
gesprochenen Verkehrskreise bestimmten anhand der Farbe der Abdruckmassen,
von welchem Hersteller diese stammten und welche spezifischen Eigenschaften
sie deshalb hätten. Ausgangspunkt ist danach die - nach dem Vortrag erst durch
Mischung von Komponenten entstehende - Einfärbung des gebrauchsfertigen
Endprodukts, wobei dies der Markenanmeldung nicht entnommen werden kann,
denn die beanspruchte Farbe könnte auch oder sogar nur für die Verpackung,
Werbung usw. verwendet werden. Der angesprochene Rückschluss auf Hersteller
und Wareneigenschaften würde danach erst in einem Zeitpunkt erfolgen, der nach
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dem Erwerbsvorgang und dem vor Gebrauch erforderlichen Auspacken des Ab-
formmaterials liegt und zwar unter Außerachtlassung der auf der Verpackung und
den beiliegenden Produktinformationen verwendeten Marken und Sachhinweise.
Dieses Vorgehen erscheint umso unwahrscheinlicher, als die Entscheidung über
die patientenbezogene Verwendung eines bestimmten Produkts mit bestimmten
Eigenschaften zwangsläufig vor der Mischung der Komponenten oder dem Entpa-
cken des Abformmaterials fällt.
Im Übrigen würde auch die objektiv bestehende Möglichkeit, ein Produkt aufgrund
seiner Farbgestaltung einem Hersteller zuzuordnen, aus Gründen, die der Senat
bezüglich Arzneimittelkapseln ausgeführt hat (GRUR 2003, 521, 527 - Farbige
Arzneimittelkapsel), nicht den Schluss rechtfertigen, der Verkehr sähe deshalb
darin eine Marke. Dieser Gesichtspunkt trifft für viele Waren zu. So ist es z. B. si-
cher möglich, durch Farbanalyse von Autolacken auf den Hersteller zu schließen,
ohne dass es deshalb gerechtfertigt wäre, die Farben von vornherein als Marken
anzusehen. Auch aus diesem Grund wäre die Einholung eines Sachverständigen-
gutachtens im vorliegenden Fall unbehelflich.
Auch die Ansicht der Anmelderin, es handele sich bei dem Warenbegriff "Abform-
material für zahnärztliche Zwecke" um eine spezielle Ware, so dass das Allge-
meininteresse an Farben im Sinne der Libertel-Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs (GRUR 2003, 604 Libertel-Orange) nicht so berührt sei wie bei einer
größeren Zahl von beanspruchten Waren, vermag die Unterscheidungskraft hier
nicht zu begründen. Es erscheint bereits fraglich, ob die Frage der Unterschei-
dungskraft von der Anzahl der angemeldeten Waren abhängig gemacht werden
kann, da jeweils nur das angemeldete Zeichen in Bezug auf die einzelne Ware zu
prüfen ist, und es willkürlich wäre, eine Unterscheidungskraft anzunehmen, wenn
die einzelnen Waren und Dienstleistungen auf verschiedene Anmeldungen verteilt
würden, sie aber abzulehnen, wenn sie in einer Anmeldung beansprucht werden.
Das entsprechende Kriterium des EuGH ist dahin zu verstehen, dass um so weni-
ger von speziellen Ausnahmetatbeständen auszugehen ist, je breiter und vielfälti-
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ger der Bereich der beanspruchten Waren/Dienstleistungen ist. Insbesondere bei
einer für sehr weite Oberbegriffe angemeldeten Marke wächst die Wahrscheinlich-
keit, dass unter diesen Produkten und Leistungen auch solche sind, bei denen
Farben als lediglich dekorative, nicht als betriebskennzeichnende Elemente auf-
gefasst werden (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 65). Auch kann
die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft für eine ganz spezielle
Ware leichter festzustellen sein. Die Anmelderin hat ganz unterschiedliche Waren
und Dienstleistungen und dabei mit zum Teil weiten Oberbegriffen angemeldet
und sich nicht nur auf eine Ware beschränkt. Entscheidend ist hier jedoch, dass
Farben bei dentalen Abformmaterialien eine technische Funktion haben können
und deshalb der Verkehr nicht von vornherein darin eine Marke sieht, selbst wenn
die Festlegung, welche konkrete Farbe dafür verwendet wird, nicht zwingend ist.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass eine Schutzfähigkeit nicht schon des-
halb gegeben ist, weil die Mitbewerber noch andere Möglichkeiten haben, etwas
zu beschreiben (EuGH GRUR 2004, 674 Postkantoor zu Synonymen) oder zu
konstruieren EuGH GRUR 2002, 804 Philips/Remington). Auch dies spricht dafür,
dass der Verkehr nicht schon deshalb in der für die technische Funktion gewählten
Farbe eine Marke sieht, weil man dafür auch eine andere Farbe hätte wählen kön-
nen. Auch hinsichtlich der angemeldeten "Dienstleistungen eines Zahnarztes" und
den Waren "Schokolade" handelt es sich nicht um solche speziellen Dienstleistun-
gen oder Waren, bei denen es für den Verkehr nahe läge, in einer abstrakten
Farbe eine Kennzeichnung zu sehen. Farben haben hier häufig die Funktion, als
Hervorhebungsmittel zu dienen, um auf einen wichtigen Hinweis aufmerksam zu
machen, oder als bloße Dekoration zu dienen.
Insgesamt wird der Verkehr daher in der angemeldeten Farbe in Bezug auf die
angemeldeten Waren und Dienstleistungen keine Marke sehen.
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Da die Anmeldung bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückzuweisen
ist, kann dahingestellt bleiben, ob sie für die angemeldeten Waren und Dienst-
leistungen eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist,
wofür allerdings - insbesondere in Bezug auf die angemeldeten Waren "Abform-
material für zahnärztliche Zwecke" - aus den oben genannten Gründen einiges
spricht.
Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
gez.
Unterschriften