Urteil des BPatG vom 05.11.2003

BPatG (stand der technik, bundesrepublik deutschland, patentanspruch, wert, anlage, vergleich, fig, funktion, abhängigkeit, zelle)

BPatG 253
9.72
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 34/02 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
5. November 2003
In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das europäische Patent 0 248 034
(DE 36 67 448)
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hat der 4.Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 5. November 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dr. Schwendy, der Richter Dipl.-Ing. Küstner und Dipl.-Ing. Bork, der
Richterin Schuster sowie des Richters Dipl.-Ing. Bülskämper
für Recht erkannt:
Das europäische Patent 0 248 034 wird mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt,
dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Lenkvorrichtung (20) zum Drehen der lenkbaren Räder eines
Fahrzeugs bei einer Drehung des Fahrzeuglenkrades (26), die auf-
weist
eine Einrichtung (42, 22, 46, 24, 57, 58) zur mechanischen Kopp-
lung des Fahrzeuglenkrads (26) mit den lenkbaren Rädern des
Fahrzeugs;
eine Torsionserfassungs-Einrichtung (30) zum Erzeugen eines
ersten elektrischen Torsionssignals (A) und eines zweiten elektri-
schen Torsionssignals (B), wobei jedes erste elektrische Torsions-
signal (A) und das zweite elektrische Torsionssignal (B) als eine
Funktion des Betrags des Eingangsdrehmoments variiert, das an
das Lenkrad angelegt wird (26), und wobei das erste (A) und zweite
(B) elektrische Torsionssignal (i) sich auf einem im wesentlichen
gleichen Wert befinden, wenn an das Fahrzeuglenkrad (26) kein
Drehmoment angelegt wird, und (ii) beim Anlegen eines Eingangs-
drehmoments an das Lenkrad (26) entgegengesetzt von dem im
wesentlichen gleichen Wert ausgehend variieren;
eine elektronische Steuereinrichtung (32), die mit der Torsionser-
fassungs-Einrichtung (30) verbunden ist, zum Erzeugen eines
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Steuersignals (340) mit einem Wert, der funktionell mit dem erfaß-
ten Lenkdrehmoment in Beziehung steht, sowie
eine Lenkhilfe-Einrichtung (36) zur Bereitstellung einer Lenkhilfe zur
Unterstützung eines Fahrzeuglenkers bei einem Lenkmanöver, wo-
bei die Höhe der Hilfe in Abhängigkeit von dem Steuersignal (340)
steht;
dadurch gekennzeichnet, daß die elektronische Steuereinrichtung
(32) eine Einrichtung (326) zum Erzeugen des Steuersignals (340)
in Abhängigkeit von einem (A) der beiden erzeugten elektrischen
Torsionssignale und eine Einrichtung (355, 600, 660, 662) zum
Vergleich des Steuersignals mit dem anderen der erzeugten elekt-
rischen Torsionssignale umfaßt;
wobei die Einrichtung (355, 600, 660, 662) zum Vergleich des
Steuersignals eine Einrichtung (600) umfaßt, die auf das andere (B)
der zwei erzeugten Torsionssignale anspricht, sowie auf das Steu-
ersignal (340), um zu bestimmen, wann von dem Steuersignal (340)
eine starke Lenkhilfe gefordert wird, aber durch einen entsprechen-
den hohen Wert des anderen (B) der zwei erzeugten elektrischen
Torsionssignale nicht gerechtfertigt ist, sowie eine Einrichtung (660,
662, 680, 682), um bei dieser Bestimmung die Lenkhilfeeinrichtung
(36) zu sperren.
2. Lenkvorrichtung nach Anspruch 1, in der die Torsionserfassungs-
Einrichtung (30) zwei koaxiale Wellenabschnitte (42, 46) umfaßt,
die durch eine Torsionsfeder (22) verbunden sind, wobei ein Ein-
gangsdrehmoment, das an das Lenkrad (26) angelegt wird, für eine
Verwindung der Torsionsfeder (22) und für eine Drehung der ko-
axialen Wellenabschnitte (42, 46) relativ zueinander sorgt,
dadurch gekennzeichnet, daß eine erste (98) und eine zweite (100)
Hall-Effekt-Einrichtung vorgesehen sind, die jeweils eine Hall-Ef-
fekt-Zelle umfassen, die mit einer der Wellen (42) verbunden ist,
und eine Magnetgruppe (104,106), die mit der anderen Welle (46)
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verbunden ist, wobei jede Magnetgruppe (104, 106) voneinander
beabstandete Nord- (110, 122) und Südpole (112, 120) aufweist,
die so angeordnet sind, daß (i), wenn kein Eingangsdrehmoment an
das Lenkrad (26) angelegt wird, sich jede Hall-Effekt-Zelle (98, 100)
im wesentlichen in einer Mittelstellung zwischen den Polen (110,
112, 120, 122) ihrer zugeordneten Magnetgruppe (104, 106) befin-
det, daß (ii), wenn dem Lenkrad (26) in einer ersten Richtung ein
Lenkdrehmoment eingegeben wird, sich die Hall-Effekt-Zelle der
ersten Hall-Effekt-Einrichtung (98) näher zu dem Nordpol (110) ih-
rer zugehörigen Magnetgruppe (104) bewegt und sich die Hall-Ef-
fekt-Zelle der zweiten Hall-Effekt-Einrichtung (100) näher zu dem
Südpol (120) ihrer zugehörigen Magnetgruppe (106) bewegt, und
daß (iii), wenn dem Lenkrad (26) in einer zweiten Richtung ein
Lenkdrehmoment eingegeben wird, sich die Hall-Effekt-Zelle der
ersten Hall-Effekt-Vorrichtung (98) näher zu dem Südpol (112) ihrer
zugehörigen Magnetgruppe (104) bewegt und sich die Hall-Effekt-
Zelle der zweiten Hall-Effekt-Vorrichtung (100) näher zu dem Nord-
pol (122) ihrer zugehörigen Magnetgruppe (106) bewegt.
3. Lenkvorrichtung nach Anspruch 2, in der die Einrichtung zur me-
chanischen Kopplung des Fahrzeug-Lenkrads (26) mit den lenkba-
ren Rädern des Fahrzeugs umfaßt
eine Eingangswelle (42), die dem Lenkrad (26) für eine Drehung
zusammen mit ihm verbunden ist,
eine Ritzel (46),
ein Torsionselement (22), das die Eingangswelle (42) biegsam mit
dem Ritzel (46) verbindet, und
ein Lenkelement (24) mit Zahnstangenzähnen (55) darauf, die
durch das Ritzel (46) in Antriebseingriff gebracht sind, und das mit
den lenkbaren Rädern des Fahrzeugs verbunden ist, wobei die
Drehbewegung des Ritzels (46) das Lenkelement (24) axial an-
treibt, um die lenkbaren Räder zu drehen,
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dadurch gekennzeichnet, daß die Hall-Effekt-Zellen der ersten (98)
und zweiten (100) Hall-Effekt-Einrichtung jeweils entweder mit der
Eingangswelle (42) oder dem Ritzel (46) verbunden sind und die
Magnetgruppe (104, 106) mit der Eingangswelle (42) oder dem Rit-
zel (46) verbunden ist.
4. Lenkvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß die Einrichtung (355, 600, 660, 662)
zum Vergleich des Steuersignals (340) eine Einrichtung (630, 450)
umfaßt, um zu bestimmen, ob das Steuersignal (340) die Lenkhilfe-
Einrichtung (36) veranlassen würde, eine Lenkhilfe in einer
Richtung bereitzustellen, die mit der Richtung übereinstimmt, die
von dem anderen (B) der erzeugten elektrischen Torsionssignale
angegeben ist, sowie eine Einrichtung (660, 662, 680, 682) zum
Sperren der Lenkhilfe-Einrichtung (36), wenn eine Bestimmung
dahingehend vorliegt, daß die Lenkhilfe in einer Richtung angelegt
würde, die nicht mit der Richtung übereinstimmt, die von dem
anderen (B) der erzeugten elektrischen Torsionssignale angegeben
ist.
5. Lenkvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß die Verhältnisse zwischen jedem der
ersten (A) und zweiten (B) erzeugten elektríschen Torsionssignale
und dem Eingangsdrehmoment eine bilaterale Symmetrie darstel-
len, so daß die Summe der ersten (A) und zweiten (B) erzeugten
elektrischen Torsionssignale unabhängig von dem angelegten Ein-
gangsdrehmoment im wesentlichen konstant bleibt.
6. Lenkvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß die elektronische Steuereinrichtung
weiter eine Einrichtung (326, 340, 342) zum Aufstellen eines Wer-
tes für jeweils das erste (A) elektrische Torsionssignal und das
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zweite (B) elektrische Torsionssignal umfaßt, sowie eine
Einrichtung (356) zum Addieren der aufgestellten Werte für das
erste (A) und zweite (B) erzeugte Torsionssignal, eine Einrichtung
(358), um zu bestimmen, ob die addierten Werte der ersten (A) und
zweiten (B) erzeugten elektrischen Torsionssignale um mehr als
einen vorbestimmten Betrag von einem vorbestimmten Wert
abweichen, und eine Einrichtung (660, 662, 680, 682) zum Sperren
des Betriebs des elektrischen Lenkhilfe-Motors (36), wenn eine
Bestimmung dahingehend vorliegt, daß die addierten Werte um
mehr als den vorbestimmten Betrag von dem vorbestimmten Wert
abweichen.
7. Lenkvorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß
sie weiter eine Einrichtung (326) für eine Analog-/Digital-Umwand-
lung jedes der ersten (A) und zweiten (B) erzeugten elektrischen
Torsionssignale aufweist, sowie eine Einrichtung (340, 342) zum
Erstellen binärkodierter Werte für die zu addierenden ersten (A) und
zweiten (B) erzeugten elektrischen Torsionssignale.
8. Lenkvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, die weiter
eine Vergleichseinrichtung (350) sowie eine Sperreinrichtung (660,
662, 680, 682) umfaßt, dadurch gekennzeichnet, daß die Ver-
gleichseinrichtung jedes erste (A) und zweite (B) erzeugte elektri-
sche Torsionssignal gegenüber einem vorbestimmten Maximal- und
Minimalwert vergleicht, und daß die Sperreinrichtung die Lenkhilfe-
Einrichtung sperrt, wenn die Vergleichseinrichtung bestimmt, daß
entweder das erste (A) oder das zweite (B) erzeugte elektrische
Torsionssignal außerhalb der vorbestimmten Maximal- und Mini-
malwerte liegt.
9. Lenkvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Einrichtung zur Erzeugung des
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Steuersignals eine Einrichtung (328, 348) umfaßt, um ein Rich-
tungssignal zum Antrieb des elektrischen Lenkhilfe-Motors (36) in
der einen oder der anderen Richtung zu erzeugen und dadurch das
Lenkelement (24) in der einen oder der anderen Richtung anzutrei-
ben.
10. Verfahren zur Steuerung einer Lenkvorrichtung mit Lenkhilfe für
ein Fahrzeug nach einem der vorhergehenden Ansprüche mit den
Schritten,
a) ein erstes elektrisches Torsionssignal (A) zu erzeugen, das als
eine Funktion eines angelegten Lenkdrehmoments variiert;
b) ein zweites elektrisches Torsionssignal (B) zu erzeugen, das
als eine Funktion eines angelegten Lenkdrehmoments variiert, so
daß es im wesentlichen den gleichen Wert aufweist wie das erste
elektrische Torsionssignal (A), wenn kein Drehmoment an das
Lenkrad des Fahrzeugs angelegt wird, und das bei Anlegen
eines Eingangsdrehmoments auf das Lenkrad des Fahrzeugs
entgegengesetzt von dem ersten elektrischen Torsionssignal (A)
variiert,
gekennzeichnet durch die Schritte,
c) das Steuersignal in Abhängigkeit von dem erzeugten ersten
elektrischen Torsionssignal (A) zu erzeugen,
d) das Steuersignal mit dem zweiten erzeugten elektrischen
Torsionssignal (B) zu vergleichen, und
e) die Lenkhilfe-Einrichtung (36) zu sperren, wenn das Steuersig-
nal einen Fehlerzustand anzeigt
zu bestimmen, wann durch das Steuersignal eine starke Lenk-
hilfe gefordert wird;
zu überprüfen, daß die geforderte starke Lenkhilfe durch das
zweite elektrische Torsionssignal (B) gerechtfertigt ist; und
die Lenkhilfe-Einrichtung (36) zu sperren, wenn die Überprüfung
angibt, daß eine zu starke Lenkhilfe gefordert wird.
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11. Verfahren nach den Ansprüchen 10 und 4, gekennzeichnet
durch die Schritte,
das Steuersignal zu erzeugen, das eine Richtungskomponente
aufweist, die von dem erzeugten ersten elektrischen Torsionssignal
(A) abhängt, um eine Lenkhilfe in einer Richtung bereitzustellen;
die Richtungskomponente des erzeugten Steuersignals mit dem
zweiten erzeugten elektrischen Torsionssignal (B) zu vergleichen;
und
die Lenkhilfe-Einrichtung (36) zu sperren, wenn die Steuersignal-
Überprüfung einen Fehlerzustand anzeigt.
12. Verfahren nach den Ansprüchen 10 und 8, gekennzeichnet
durch die Schritte,
die ersten (A) und die zweiten (B) erzeugten elektrischen Torsions-
signale gegenüber vorbestimmten Minimal- oder Maximal-Grenz-
werten zu vergleichen; und
die Lenkhilfe-Einrichtung (36) zu sperren, wenn die ersten oder
zweiten erzeugten Torsionssignale außerhalb der vorbestimmten
Minimal- oder Maximal-Grenzwerte liegen.
13. Verfahren nach den Ansprüchen 10 und 6, gekennzeichnet
durch die Schritte,
Werte, die die ersten (A) und zweiten (B) erzeugten elektrischen
Torsionssignale angeben, zu addieren;
die addierten Wertem die die ersten (A) und zweiten (B) erzeugten
elektrischen Torsionssignale gegenüber einem vorbestimmten
Wertebereich angeben, zu vergleichen; und
die Lenkhilfe-Einrichtung (36) zu sperren, wenn die addierten
Werte, die die ersten (A) und zweiten (B) erzeugten elektrischen
Torsionssignale angeben, außerhalb des vorbestimmten Wertebe-
reichs liegen.
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Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, die Be-
klagte 2/3.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu voll-
streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesre-
publik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 248 034 (Streitpatent), das
am 14. Oktober 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität der amerikanischen
Patentanmeldung US 790376 vom 23. Oktober 1985 angemeldet worden ist. Das
in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deut-
schen Patent- und Markenamt unter der Nummer 36 67 448 geführt wird, betrifft
eine Lenkvorrichtung und ein Verfahren zur Steuerung einer Lenkvorrichtung. Es
umfasst 10 Vorrichtungs- und 5 Verfahrensansprüche. Die erteilten Patentansprü-
che 1 (Vorrichtung) und 11 (Verfahren) lauten wie folgt:
1. Lenkvorrichtung (20) zum Drehen der lenkbaren Räder eines Fahr-
zeugs bei einer Drehung des Fahrzeuglenkrades (26), die aufweist
eine Einrichtung (42, 22, 46, 24, 57, 58) zur mechanischen Kopplung
des Fahrzeuglenkrades (26) mit den lenkbaren Rädern des Fahr-
zeugs;
eine Torsionserfassungs-Einrichtung (30) zum Erzeugen eines ersten
elektrischen Torsionssignals (A) und eines zweiten elektrischen Torsi-
onssignals (B), wobei jedes erste elektrische Torsionssignal (A) und
das zweite elektrische Torsionssignal (B) als eine Funktion des Be-
trags des Eingangsdrehmoments variiert, das an das Lenkrad ange-
legt wird (26), und wobei das erste (A) und zweite (B) elektrische Tor-
sionssignal
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(i) sich auf einem im wesentlichen gleichen Wert befinden, wenn an
das Fahrzeuglenkrad (26) kein Drehmoment angelegt wird, und
(ii) beim Anlegen eines Eingangsdrehmoments an das Lenkrad (26)
entgegengesetzt von dem im wesentlichen gleichen Wert ausge-
hend variieren;
eine elektronische Steuereinrichtung (32), die mit der Torsionserfas-
sungs-Einrichtung (30) verbunden ist, zum Erzeugen eines Steuersig-
nals (340) mit einem Wert, der funktionell mit dem erfassten Lenk-
drehmoment in Beziehung steht, sowie
eine Lenkhilfe-Einrichtung (36) zur Bereitstellung einer Lenkhilfe zur
Unterstützung eines Fahrzeuglenkers bei einem Lenkmanöver, wobei
die Höhe der Hilfe in Abhängigkeit von dem Steuersignal (340) steht;
dadurch gekennzeichnet,
dass die elektronische Steuereinrichtung (32) eine Einrichtung (326)
zum Erzeugen des Steuersignals (340) in Abhängigkeit von einem (A)
der beiden erzeugten elektrischen Torsionssignale und eine Einrich-
tung (355, 600, 660, 862) zum Vergleich des Steuersignals mit dem
anderen der erzeugten elektrischen Torsionssignale umfasst.
11. Verfahren zur Steuerung einer Lenkvorrichtung mit Lenkhilfe für ein
Fahrzeug nach einem der vorhergehenden Ansprüche mit den Schrit-
ten,
a) ein erstes elektrisches Torsionssignal (A) zu erzeugen, das als
eine Funktion eines angelegten Lenkdrehmoments variiert;
b) ein zweites elektrisches Torsionssignal (B) zu erzeugen, das als
eine Funktion eines angelegten Lenkdrehmoments variiert, so
dass es im wesentlichen den gleichen Wert aufweist wie das
erste elektrische Torsionssignal (A), wenn kein Drehmoment an
das Lenkrad des Fahrzeugs angelegt wird, und das bei Anlegen
eines Eingangsdrehmoments auf das Lenkrad des Fahrzeugs
entgegengesetzt von dem ersten elektrischen Torsionssignal (A)
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variiert,
gekennzeichnet durch die Schritte,
c) das Steuersignal in Abhängigkeit von dem erzeugten ersten
elektrischen Torsionssignal (A) zu erzeugen,
d) das Steuersignal mit dem zweiten erzeugten elektrischen
Torsionssignal (B) zu vergleichen, und
e) die Lenkhilfe-Einrichtung (36) zu sperren, wenn das Steuersignal
einen Fehlerzustand anzeigt.
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf die Patentansprüche 1 bzw 11 zurückbe-
zogenen Patentansprüche 2 bis 10 bzw 12 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift
verwiesen.
Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu bzw beruhe nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent
mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu
erklären. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:
- DE 31 10 334 A1 (Anlage D1)
- FR 2 502 570 (Anlage D2)
- DE 31 46 566 A1 (Anlage D3)
- DE 33 06 724 A1 (Anlage D4)
- EP 0 124 418 A2 (Anlage D5)
- DE 32 11 748 A1 (Anlage D6)
- GB 2 163 110 A (Anlage D7)
- US 4 415 054 (Anlage D8)
- Conference Publication Number 229: Fourth International Conference on Auto-
motive Electronics, 14.-18. November 1983, S. 257-259 (Anlage D9)
- Körner/Fränkle,
Elektronische
Dieselregelung EDR für Nutzfahrzeug-Motoren,
VDI-Bericht Nr. 515, 1984, S 43 (Anlage D10)
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In der mündlichen Verhandlung hat sie noch auf das Fachbuch E. Schrüfer, „Elekt-
rische Meßtechnik“, 2. Auflage 1984, Carl Hanser Verlag München Wien,
S 216/217 hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 248 034 mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass an die
Stelle der erteilten Ansprüche die in der mündlichen Verhandlung
überreichten Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfs-
weise die Ansprüche 1 bis 14 gemäß den in der mündlichen Ver-
handlung überreichten Hilfsanträgen 2 und 3 treten.
Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent
zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für bestandsfähig.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art 138 Ab-
satz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeits-
grund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist teilweise begrün-
det. Das Streitpatent ist nur im Umfang der Ansprüche 1 bis 13 gemäß
Hilfsantrag 1 bestandsfähig.
Das Streitpatent betrifft eine elektrische Lenkunterstützung. Nach der Patentbe-
schreibung sind im Stand der Technik zahlreiche hydraulisch oder elektrisch ge-
steuerte Servolenkungen für Kraftfahrzeuge bekannt. Die hydraulischen Systeme
seien mechanisch so ausgelegt, dass gefährliche Fehlfunktionen im Betrieb aus-
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geschlossen seien. Die elektrischen Servolenkungen müssten demgegenüber be-
sondere Sicherheitsmerkmale aufweisen, die verhinderten, dass bspw überra-
schend zu hohe Servokräfte in die Lenkung eingeleitet würden bzw die Servolen-
kung in die falsche Drehrichtung arbeite.
Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, Mittel zur Ermittlung von elekt-
rischen Fehlern der Steuerungselektronik oder der Vorrichtung zur Messung des
vom Fahrer angeleiteten Eingangsdrehmoments zur Verfügung zu stellen.
Diese Aufgabe wird nach dem Hauptantrag durch eine Lenkvorrichtung mit den im
Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen sowie durch ein Verfahren mit den im
Patentanspruch 11 angegebenen Verfahrensschritten gelöst. Nach dem Hilfsan-
trag 1 wird sie gelöst durch eine Lenkvorrichtung mit den im Patentanspruch 1 an-
gegebenen Merkmalen sowie durch ein Verfahren mit den im Patentanspruch 10
angegebenen Verfahrensschritten.
Die Zulässigkeit der Patentansprüche nach dem Haupt- und den Hilfsanträgen ist
unbestritten. Ihre Merkmale gehen ohne weiteres aus der Streitpatentschrift her-
vor.
Als Durchschnittsfachmann legt der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fahrzeug-
technik einer technischen Hochschule oder Universität zugrunde, der bei einem
Fahrzeughersteller oder –zulieferer mit der Entwicklung und Konstruktion von
Lenkungen, insb elektrischen Servolenkungen, befasst ist, in einem Entwick-
lungsteam arbeitet und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.
A. Zum
Hauptantrag
Die Lenkvorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 und das Verfahren zur
Steuerung einer Lenkvorrichtung mit Lenkhilfe nach Patentanspruch 11 sind durch
die DE 31 10 334 A1 vorweggenommen.
a) Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1
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Eine elektrische Servolenkung zum Drehen der lenkbaren Räder eines Fahrzeugs
bei einer Drehung des Fahrzeuglenkrads ist aus der DE 31 10 334 A1 bekannt.
Die Lenkvorrichtung verfügt über eine Einrichtung zur mechanischen Kopplung mit
den lenkbaren Rädern des Fahrzeugs, bestehend aus einem Lenkrad 1, dessen
Flansch 2 durch eine Platte 10 mit einer/m Nabe/Flansch 4 der Lenksäule 3 ver-
bunden ist, vgl insb die Figuren 1 und 2 iVm Anspruch 6. Obwohl nicht im einzel-
nen dargestellt, liest der Durchschnittsfachmann als selbstverständlich mit, dass
eine mechanische Verbindung der Lenksäule zu den lenkbaren Fahrzeugrädern
besteht.
Um die Lenkhilfe betreiben zu können, verfügt die Lenkvorrichtung über eine Tor-
sionserfassungseinrichtung, die aus einem Widerstandsdehnungsmesser 9 be-
steht, der auf der als Biegebalken ausgebildeten Platte 10 angeordnet ist und de-
ren Biegung erfasst, vgl insb Anspruch 1. Die Auslenkung der Platte 10 ist ein
Maß für eine Torsion zwischen der Nabe 4 und dem Lenkrad 1, vgl insb S 10
Satz 1.
Das Schaltbild dieser Torsionserfassungs-Einrichtung mitsamt einer zugehörigen
Auswerte- und Steuerschaltung für einen Servomotor ist in der nachstehenden Fig
5 der DE 31 10 334 A1 dargestellt.
Der Widerstandsdehnungsmesser wird durch zwei dem Fachmann bekannte Brü-
ckenschaltungen P1 und P2 gebildet und umfasst gleich große, veränderliche
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ohmsche Widerstände R1, R1’, R2, R2’, R3 und R3’, wobei die Widerstände R2
und R2’ beiden Brückenschaltungen gemeinsam sind. Die Ausgangssignale der
Brückenschaltungen P1 und P2 sind demnach Torsionssignale, die einer Aus-
werte- und Steuerschaltung C zugeleitet werden. Das erste elektrische Torsions-
signal wird durch die Spannung zwischen den Messpunkten 18 und 19 der Mess-
brücke P1 gebildet und liegt an den Eingängen 21-22 der Auswerte- und Steuer-
schaltung C an. Das zweite Torsionssignal wird durch die Spannung zwischen den
Messpunkten 19 und 20 der Messbrücke P2 gebildet und liegt an den Eingängen
25-26 an. Beide Torsionssignale variieren jeweils als eine Funktion des Betrags
des durch das Lenkrad aufgebrachten Drehmoments bzw der Betätigungskraft, vgl
insb Anspruch 7.
Wenn an das Fahrzeuglenkrad kein Drehmoment angelegt wird, befinden sich die
Brücken P1 und P2 in ihrer Gleichgewichtslage. Ihre Ausgangssignale an den
Eingängen 21-22 und 25-26 weisen dann denselben Wert auf. Beim Aufbringen
eines Drehmoments auf das Lenkrad werden die Brücken verstimmt. Für die bei-
den Brückenschaltungen ergibt sich daraus, dass die Spannung je nach Lenkrad-
drehrichtung zwischen den Messpunkten einer Brücke kontinuierlich abnimmt,
wohingegen sie zwischen den Messpunkten der anderen Brücke im gleichen
Maße ansteigt. Dh, die Torsionssignale variieren vom gleichen Wert (Gleichge-
wichtslage) ausgehend, entgegengesetzt.
In der elektronischen Steuereinrichtung C befindet sich ein Steuerschaltkreis C1,
der eine Einrichtung zum Erzeugen eines Steuersignals für den Servomotor 6 im
streitpatentgemäßen Sinn darstellt. Dabei ist beachtlich, dass ein Bezugszeichen
im Patentanspruch, hier 326, keine beschränkende Wirkung für die Auslegung des
Anspruchs auf ein Ausführungsbeispiel hat, vgl Schulte PatG § 34 Rdn 109. Die-
ses Steuersignal hat einen Wert, der auf der Basis des ersten Torsionssignals er-
mittelt wird und damit funktionell mit dem erfassten Lenkdrehmoment in Beziehung
steht. Das Steuersignal ist eine Gleichspannung und steht an den Ausgängen 23-
24 eines Verstärkers A zur Verfügung. Durch die Polarität des Steuersignals wird
die Drehrichtung des Servomotors 6 festgelegt.
Die Lenkhilfe-Einrichtung besteht aus dem Gleichstrommotor 6 und einem Ge-
triebe 7, vgl insb S 9 letzter Absatz. Die Höhe der Lenkhilfe ist abhängig von dem
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Steuersignal des Steuerschaltkreises C1, dh von der Größe der anliegenden
Gleichspannung, vgl insb S 14 Abs 3 und 4.
Das Steuersignal ist gleichzeitig auf die Eingänge 28-29 einer Vergleichseinrich-
tung CC geschaltet, in welcher es mit dem zweiten elektrischen Torsionssignal
verglichen wird, vgl insb S 15 Abs 2.
Wenn dieser Vergleich die Richtigkeit des ersten Torsionssignals bestätigt, wird
von der Vergleichseinrichtung CC der Schalter 31 betätigt, vgl insb S 16 Abs 2.
Dadurch wird die nach Polarität und Größe dem aufgebrachten Lenkdrehmoment
entsprechende Gleichspannung an den Servomotor 6 angelegt.
b) Verfahren gemäß Patentanspruch 11
Das Verfahren gemäß Patentanspruch 11 ist auf den Patentanspruch 1 zurückbe-
zogen und kennzeichnet daher kein allgemeines, von der Vorrichtung losgelöstes
Verfahren. Mit den sogenannten Verfahrensschritten a bis e wird lediglich die Wir-
kungsweise der Lenkvorrichtung nach Patentanspruch 1 dargestellt. Deutlich wird
dies am Beispiel der Schritte a und b. Diese Schritte erfolgen nämlich keineswegs
in verfahrensüblicher Weise nacheinander, sondern entsprechend der gesamten
Offenbarung der Streitpatentschrift findet die Erzeugung der beiden Torsionssig-
nale A und B gleichzeitig statt.
Nachdem vorstehend sämtliche Merkmale der streitpatentgemäßen Lenkvorrich-
tung als bekannt nachgewiesen worden sind, ergibt sich deren Wirkungsweise aus
der DE 31 10 334 A1 ebenso wie in den beanspruchten Verfahrensschritten a bis
e. Auch dort werden zunächst die beiden an den Eingängen 21-22 und 25-26 der
Steuerschaltung anliegenden Torsionssignale erzeugt und in der oben erläuterten
Weise variiert. Anschließend wird in Abhängigkeit des ersten Torsionssignals das
am Verstärkerausgang 23-24 ausgegebene Steuersignal generiert. Das Steuer-
signal wird in der Vergleichereinrichtung CC mit dem zweiten Torsionssignal ver-
glichen. Je nach Ergebnis führt der Vergleich zu einer Sperrung oder Freigabe der
Lenkhilfe, indem der Schalter 31 geöffnet oder geschlossen wird, vgl insb S 18
Abs 3.
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Die Beklagte wendet dagegen ein, aus der DE 31 10 334 A1 sei keine Torsions-
erfassungseinrichtung bekannt, denn es fehle ein zu tordierender Körper wie er
beim Streitpatent als Torsionsstab
22 vorhanden sei. Durch den in der
DE 31 10 334 A1 verwendeten Biegebalken könnten ausschließlich Zug- und
Druckspannungen ermittelt werden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen, denn
ein zu tordierender Körper ist nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streit-
patents. Dessen Wortlaut beschränkt das Streitpatent auch nicht auf eine direkte
Messung von Schubspannungen, die mit Hall-Effekt-Sensoren bekanntlich auch
nicht direkt gemessen werden können. Vielmehr ist dem Fachmann die konstruk-
tive Auslegung der Torsions-Erfassungseinrichtung überlassen. Denn sie ist an-
spruchsgemäß lediglich dadurch definiert, dass sie zwei Ausgangssignale erzeu-
gen soll, die sich in bestimmter Weise zueinander und zum Eingangsdrehmoment
des Lenkrads verhalten. Dafür eignen sich grundsätzlich alle fachnotorisch be-
kannten Vorrichtungen, die eine Lenkraddrehung direkt oder indirekt nach Größe
und Richtung sensieren können, z.Bsp. induktive, kapazitive oder magnetische
Sensoren sowie Widerstandssensoren, wie sie beispielhaft in der einschlägigen
DE 32 11 748 A1 angeführt sind, vgl insb S 10 und 12 jeweils Abs 1 sowie S 13
Abs 2. Dass dafür auch die Erfassungseinrichtung mit einem Biegebalken und
Dehnungsmessstreifen nach der DE 31 10 334 A1 geeignet ist, wurde vorstehend
dargelegt.
Weiter meint die Beklagte, die bei der bekannten Lenkvorrichtung ermittelten Sen-
sorsignale seien hinsichtlich ihres Betrages und ihres Vorzeichens identisch. Dazu
verweist sie auf S 15 zweiter Abs und auf S 18 erster Abs der DE 31 10 334 A1.
Auch diese Interpretation kann letztlich nicht überzeugen.
Auf S 15 im zweiten Absatz ist überhaupt keine Rede von der Torsions-Erfas-
sungseinrichtung oder den beiden eingangseitigen Signalen der Steuerschal-
tung C. Statt dessen wird in diesem Absatz die Ausgangsseite der Steuerschal-
tung C betrachtet. Insbesondere wird erläutert, dass das am Ausgang 23-24 des
Verstärkers A vorliegende Signal sowohl an den Eingängen 28-29 der Verglei-
cherschaltung CC als auch an dem Servomotor 6 anliegt, wenn der Schalter 31
geschlossen ist. Mit anderen Worten dient die nach Größe und Polarität vom ein-
- 18 -
geleiteten Lenkraddrehmoment abhängige Versorgungsspannung des Servomo-
tors 6 gleichzeitig als Referenzsignal für den Vergleich mit dem separat ermittelten
zweiten Torsionssignal in der Vergleicherschaltung CC. Es ist platt selbstverständ-
lich, dass ein und dasselbe Signal seinen Wert und seine Polarität beibehält, auch
wenn es mehrfach verwendet wird. Dieser Sachverhalt ist in dem unteren Teil des
Schaltbildes der Fig 5 ohne weiteres nachvollziehbar. Daraus lassen sich aller-
dings keine Rückschlüsse auf die beiden Torsionssignale an den Eingängen der
Steuerschaltung C herleiten.
Beginnend in den letzten beiden Absätzen auf S 17 und weiter auf S 18 erster Ab-
satz ist am Beispiel eines am Lenkrad im Uhrzeigersinn eingeleiteten Drehmo-
ments F1 (siehe Figuren 2 und 4) beschrieben, wie die Torsionserfassungs-Ein-
richtung bei Ungleichgewicht der Brückenschaltungen P1 und P2 arbeitet. Diese
Beschreibung stimmt mit den vorstehenden Ausführungen zu der Lenkvorrichtung
nach der DE 31 10 334 A1 überein, mit Ausnahme des letzten Satzes von S 18
Abs 1. Dieser lautet: „Auch die Polarität der Signale ist die gleiche.“ Seine Aus-
sage steht in offensichtlichem Widerspruch zu der Schaltung nach Fig 5 und dem
tatsächlichen Verhalten der Brückenschaltungen P1 und P2, die im Ungleichge-
wicht zwei betragsgleiche Signale mit unterschiedlicher Polarität erzeugt, wie vor-
stehend dargetan. Er muss deshalb die kritische Aufmerksamkeit des eingangs
definierten Durchschnittsfachmannes bei der Auswertung der Druckschrift auf sich
ziehen.
Da der in Rede stehende Satz die Physik nicht umkehren kann, muss der Durch-
schnittsfachmann ihn bei genauerer Überprüfung als offensichtlichen Fehler er-
kennen. Aus der Fig 5 entnimmt er nämlich ohne weiteres, dass die Signale an
den Eingängen 21-22 und 25-26 bei Ungleichgewicht der Brückenschaltungen P1
und P2 immer entgegengesetzte Vorzeichen haben müssen. Notfalls wäre dem
Durchschnittsfachmann zuzumuten, die Brückenschaltungen gemäß Fig 5 in ei-
nem einfachen Experiment nachzuvollziehen. Dabei muss er ebenfalls feststellen,
dass die Polarität der betragsgleichen Ausgangssignale der Torsionserfassungs-
Einrichtung ungleich ist, sobald ein Eingangsdrehmoment angelegt wird.
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Allenfalls könnte der Fachmann den in Rede stehenden Satz so verstehen, dass
eines der beiden Torsionserfassungssignale in der Steuerschaltung C invertiert
wird und danach die Polarität der Signale gleich ist. Dieses Verständnis beträfe
dann allerdings die Wirkungsweise der Steuerschaltung C und könnte nichts an
der Tatsache ändern, dass die vorbekannte Torsions-Erfassungseinrichtung bei
Ungleichgewicht ihren beiden Brückenschaltungen P1 und P2 zwei betragsgleiche
Ausgangssignale mit entgegengesetzter Polarität zur Verfügung stellt.
B.
Zum Hilfsantrag 1
Hinsichtlich der beschränkt verteidigten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 vermochte
die Klägerin den Senat nicht vom Vorliegen des geltend gemachten Nichtigkeits-
grundes zu überzeugen.
a) Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1
Im Unterschied zum Hauptantrag ist die Lenkvorrichtung gemäß Patentanspruch 1
nach dem Hilfsantrag 1 zusätzlich durch die Merkmale des erteilten Patentan-
spruchs 4 gekennzeichnet. Demnach umfasst die Einrichtung zum Vergleich des
Steuersignals zusätzlich eine Einrichtung, die auf das andere (B) der zwei er-
zeugten Torsionssignale anspricht, sowie auf das Steuersignal, um zu bestimmen,
wann von dem Steuersignal eine starke Lenkhilfe gefordert wird, aber durch einen
entsprechenden hohen Wert des anderen (B) der zwei erzeugten elektrischen
Torsionssignale nicht gerechtfertigt ist, sowie eine Einrichtung, um bei dieser Be-
stimmung die Lenkhilfeeinrichtung zu sperren. Inhaltlich wird damit zusätzlich zu
dem bereits abgehandelten Vergleich des Steuersignals mit dem zweiten Signal
der Torsions-Erfassungseinrichtung eine eigenständige Extremwertkontrolle voll-
zogen, für die es in dem in Betracht gezogenen Stand der Technik weder ein Vor-
bild noch eine Anregung gibt. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht vorgetra-
gen.
Soweit die nunmehr beanspruchte Lenkvorrichtung mit derjenigen des Hauptan-
trages merkmalsmäßig übereinstimmt, gelten die vorstehenden Ausführungen zur
DE 31 10 334 A1 entsprechend, dh die daraus bekannte Lenkvorrichtung kommt
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der beschränkt verteidigten des Streitpatents am nächsten. Unter Bezugnahme
auf die dazu bereits gemachten ausführlichen Erläuterungen führt die dortige Ver-
gleichsschaltung CC lediglich einen Vergleich des Steuersignals 23-24 = 28-29 mit
dem zweiten Signal 25-26 der Torsionserfassungs-Einrichtung durch. Eine weitere
Funktion der Vergleichsschaltung CC, insbesondere eine Extremwertkontrolle, ist
im Beschreibungstext und in den Ansprüchen nicht erwähnt. Sie ergibt sich auch
nicht ohne weiteres aus der Fig 5.
Die FR 2 502 570 zeigt und beschreibt eine Servolenkung, bei der eine Torsions-
erfassungseinrichtung mit einem optischen Sensor verwendet wird, vgl insb S 4
Z 31 ff iVm den Figuren. Das von einer Lichtquelle 56 ausgesandte Licht wird
durch zwei Blenden 58 und 59 geleitet, die jeweils mit einem der gegeneinander
begrenzt verdrehbaren Teile 13 und 14 der Lenksäule verbunden sind. Die Licht-
signale werden von zwei nebeneinander angeordneten optischen Sensoren 57
empfangen und einem Differenzverstärker 72 und einer Sicherheitsvergleichs-
schaltung 73 zugeleitet, deren Ausgangssignale in einem Synchron-Modulator 70
weiterverarbeitet werden. Eine zusätzliche Extremwertkontrolle ist auch hier nicht
erwähnt.
Gleiches gilt für die DE 32 11 748 A1, die eine elektrisch angetriebene Lenkvor-
richtung offenbart, vgl insb Anspruch 1 iVm den Figuren. Dabei liefert eine Torsi-
onserfassungs-Einrichtung zwei betragsgleiche, entgegengesetzt gerichtete Aus-
gangssignale, vgl insb Anspruch 5. Diese Ausgangssignale werden lediglich in ei-
ner Vergleichseinrichtung 33 ausgewertet und einer Steuerschaltung des Servo-
motors 5 zugeführt, vgl insb S 11 Abs 2 iVm Fig 4.
Die US 4 415 054 betrifft eine Servolenkung, von der die Beklagte in ihrer Patent-
anmeldung ausgegangen ist. Dabei erzeugt eine Torsions-Erfassungseinrich-
tung 12 nur ein einziges Signal, das von einem Hall-Effekt-Sensor 60 an der Lenk-
säule ermittelt wird, vgl insb Sp 3 Z 61 bis Sp 4 Z 14 iVm Fig 7. Folgerichtig findet
hier kein Signalvergleich statt und dementsprechend auch keine vergleichende
Extremwertkontrolle.
Die übrigen Entgegenhaltungen kommen dem Streitgegenstand nicht näher und
haben daher in der mündlichen Verhandlung zu Recht keine Rolle mehr gespielt.
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b) Verfahren gemäß Patentanspruch 10
Im Unterschied zum Hauptantrag ist das auf die Vorrichtung zurückbezogene
Verfahren zur Steuerung einer Lenkvorrichtung gemäß Patentanspruch 10 des
Streitpatents nach dem Hilfsantrag 1 zusätzlich durch die Schritte des erteilten
Patentanspruchs 12 gekennzeichnet. Demnach umfasst das im Hauptantrag ab-
gehandelte Verfahren zusätzlich die Bestimmung,
wann durch das Steuersignal eine starke Lenkhilfe gefordert wird,
die Überprüfung, ob die geforderte starke Lenkhilfe durch das zweite elektrische
Torsionssignal (B) gerechtfertigt ist,
sowie eine Sperrung der Lenkhilfe-Einrichtung, wenn die Überprüfung ergibt, dass
eine zu starke Lenkhilfe gefordert wird.
Inhaltlich wird damit lediglich die Wirkungsweise der vorstehend abgehandelten
Vorrichtung nur mit andern Worten beansprucht. Nachdem bereits nachgewiesen
wurde, dass die entsprechende Vorrichtung durch den in Betracht gezogenen
Stand der Technik nicht nahegelegt ist, gilt dies selbstverständlich auch für deren
Wirkungsweise.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Behandlung des weiteren Hilfsantrages.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO,
der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709
ZPO.
Dr. Schwendy
Küstner
Bork
Schuster
Bülskämper
Pr