Urteil des BPatG vom 12.07.2010

BPatG: schutzwürdiges interesse, beschreibende angabe, begriff, eugh, unterscheidungskraft, holz, verkehr, anpreisung, mitbewerber, wand

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 83/09
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
12. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 013 809. 2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. April 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell
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beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Register für die folgenden Waren und
Dienstleistungen der Klassen 19, 27 und 35
„Klasse 19:
Baumaterialien (nicht aus Metall); Platten, Leisten, Stangen und
Tafeln (nicht aus Metall) für Bauzwecke; Holzwaren, nämlich
Bauholz, Nutzholz, Bretter (Bauholz), Schnittholz, Sperrholz; Holz-
werkstoffe, nämlich Holz (geformt, pressbar, teilweise bearbeitet);
Holz oder Holzwerkstoffe enthaltende Spanplatten, Pressplatten
und Faserplatten für Bauzwecke bestimmt; Boden-, Wand- und
Deckenverkleidungen nicht aus Metall für Bauzwecke; Holz oder
Holzwerkstoffe enthaltende Fussbodenbeläge, soweit in Klasse 19
enthalten; Parkettplatten und -tafeln; Holz oder Holzwerkstoffe
enthaltende Profil- und Fussleisten für Bauzwecke; furnierte Holz-
platten mit Melaminoberfläche für Bauzwecke;
Klasse 27:
Bodenbeläge (Oberböden); Wand- und Deckenverkleidungen für
Einrichtungszwecke aus Holzwerkstoffen (soweit in Klasse 27 ent-
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halten); Laminatpaneele, Hochdrucklaminate und direkt verpresste
Laminate als Bodenbeläge;
Klasse 35:
Präsentation von Waren in Kommunikationsmedien für den Einzel-
und Großhandel; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu
Präsentations- und Verkaufszwecken; Zusammenstellung der vor-
bezeichneten Waren in den Klassen 19 und 27 (ausgenommen
deren Transport) für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und
Erwerb dieser Waren zu erleichtern“
ist die Wortmarke
Dynamic
Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
zurückgewiesen. Der Begriff „Dynamic“ weise im Zusammenhang mit den be-
anspruchten Baumaterialien und Bodenbelägen auf eine schwungvolle und
lebhafte Optik bzw. Gestaltung und/oder eine fortschrittliche, moderne, innovative
Beschaffenheit des Designs bzw. der Funktionsweise der fraglichen Waren hin.
Bezüglich der beanspruchten Dienstleitungen bringe „Dynamic“ lediglich zum
Ausdruck, dass die Dienstleistungen mit Energie und Tatkraft erbracht werden
und/oder eine gewisse Fortschrittlichkeit und Modernität aufwiesen. Bei der
angemeldeten Marke handle es sich somit um ein allgemeines, für das Publikum
ohne weiteres verständliches Werteversprechen. Das Markenwort werde von den
angesprochenen Verkehrskreisen deshalb nur als werbemäßige Anpreisung der
von der Anmelderin angebotenen Waren und Dienstleistungen verstanden, nicht
jedoch als betrieblicher Herkunftshinweis. Ob der Marke darüber hinaus auch
noch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne
bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
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Gegen diese Zurückweisung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und trägt
zur Begründung vor, bei dem englischsprachigen Begriff „Dynamic“ handle es sich
um eine mehrdeutige Angabe, die für die beanspruchten Waren und Dienst-
leistungen keinerlei beschreibenden Aussagegehalt beinhalte. So zeichneten sich
die fraglichen Produkte gerade durch statische Eigenschaften aus und auch im
Hinblick auf die maßgeblichen Dienstleistungen ergebe sich keinerlei beschrei-
bender Bezug des Begriffs „Dynamic“. Es bedürfe vielmehr mehrerer analysie-
render Zwischenschritte, um von dem Begriff „Dynamic“ auf die vom Amt
unterstellten Begriffsbedeutungen zu gelangen. Auch die Markenstelle habe im
Rahmen ihrer Zurückweisungsentscheidung dem Markenwort eine Vielzahl unter-
schiedlicher Bedeutungsgehalte zuordnen müssen, um einen produktbezogenen
Zusammenhang konstruieren zu können. Eine solche zielgerichtet analysierende
Betrachtungsweise sei jedoch unzulässig. Der angemeldeten Marke stehe das
Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG somit nicht entgegen, zumal an die
notwendige Unterscheidungskraft keine hohen Anforderungen zu stellen seien,
sondern bereits eine geringe Unterscheidungskraft ausreiche, die das Markenwort
in jedem Fall aufweise. Da der Begriff „Dynamic“ für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen keine beschreibende Angabe darstelle, bestehe auch kein Be-
dürfnis der Mitbewerber, das Markenwort frei verwenden zu können, denn unter
das so genannte Freihaltebedürfnis fielen nur eindeutig beschreibende Angaben.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin gerügt, dass die von der
Markenstelle angesprochenen Internetbelege dem Beschluss nicht angefügt
gewesen seien. Der Senat hat der Anmelderin daraufhin diese Nachweise sowie
weitere Recherchebelege im Termin übergeben und ihr eine Schriftsatzfrist zur
Stellungnahme bis zum 15. Juni 2010 nachgelassen. In ihrem Schriftsatz vom
3. Juni 2010 hat die Anmelderin daraufhin zu den fraglichen Belegen ausgeführt,
diese zeigten lediglich eine Verwendung des Wortes „dynamisch“ als inhaltsleere
Werbephrase, der das Publikum keinerlei unmittelbaren, konkreten Sachbezug
entnehmen könne. Eine Verwendung als eindeutiges Werteversprechen sei darin
nicht zu erkennen. Auch vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des
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Europäischen Gerichtshofs könnte der angemeldeten Marke somit keine abso-
luten Schutzhindernisse mehr entgegengehalten werden, wie sich dies vor allem
aus der Entscheidung „Vorsprung durch Technik“ ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich des
Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2010 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Eintragung der angemeldeten
Marke steht bereits das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ent-
gegen.
Angaben oder Zeichen, wie das englische Wort „Dynamic“, sind nach § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie dazu dienen
können, im Verkehr relevante Produktmerkmale zu beschreiben (vgl. EuGH
GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 – BIOMILD; BGH GRUR 2008, 900, Rdn. 12 –
SPA II, m. w. N.). Ausgeschlossen sind insoweit auch Angaben, die zwar in der
jeweils einschlägigen Fachterminologie noch nicht nachweisbar sind, deren
beschreibender Aussagegehalt aber so eindeutig und unmissverständlich her-
vortritt, dass sie zur Produktbeschreibung dienen können (vgl. EuGH GRUR 2004,
680, 681 Rdn. 35, 36 – BIOMILD; sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG,
9. Aufl., § 8 Rdn. 335 m. w. N.). Dadurch soll dem Allgemeininteresse an der
freien Verwendbarkeit solcher Bezeichnungen Rechnung getragen und der Ver-
bleib eines ausreichenden Gestaltungsspielraums für die Mitbewerber sicher-
gestellt werden. Zu diesem Zweck erfasst der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG nicht nur ein von vornherein festgelegtes, abschließend definiertes
Spektrum von Produkteigenschaften, sondern alle Merkmale, die im geschäft-
lichen Verkehr mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen von Be-
deutung sind. Deshalb können unter dieses Schutzhindernis auch durchaus
Angaben fallen, die in ihrem Aussagegehalt eine gewisse Unschärfe aufweisen
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oder noch keine exakten begrifflichen Konturen erlangt haben (vgl. nochmals BGH
a. a. O., Rdn. 14 ff. – SPA II). Anhaltspunkte, ob ein Merkmal verkehrswesentlich
sein kann, lassen sich insbesondere aus den jeweils einschlägigen Branchen-
gegebenheiten gewinnen. Auch wenn es für die Annahme eines Freihaltungs-
bedürfnisses i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keineswegs entscheidend ist, ob
eine Angabe bereits tatsächlich beschreibend genutzt wird (vgl. EuGH MarkenR
2010, 85, 89, Rdn. 52, 56 – Prana Haus; EuGH GRUR 1999, 723, 726, Rdn. 37 –
Chiemsee), spricht deshalb die Nachweisbarkeit einer solchen Verwendung ein-
deutig für ein schutzwürdiges Interesse der Wettbewerber an ihrer freien Ver-
wendbarkeit.
Fremdsprachige Begriffe unterliegen dem Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG nur dann, wenn die beschreibende Bedeutung der Marke von den
inländischen Verkehrskreisen ohne Weiteres erkannt wird oder wenn die Mit-
bewerber das Markenwort für den Import/Export bzw. für den inländischen Absatz
zur ungehinderten beschreibenden Verwendung benötigen. Insoweit sind nicht nur
die allgemeinen Endverbraucher, sondern stets auch die am Handel mit den
fraglichen Waren beteiligten Fachkreise zu berücksichtigen, die über besonders
qualifizierte Sprachkenntnisse verfügen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413,
Rdn. 24, 26, 32 – Matratzen Concord/Hukla). Da das englische Wort „Dynamic“
weitgehende Übereinstimmungen mit seinem deutschsprachigen Pendant auf-
weist, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sowohl die ange-
sprochenen Endverbraucher als auch die genannten Fachkreise das Markenwort
in seinem naheliegendsten Bedeutungsgehalt „dynamisch“ verstehen werden.
Der Begriff „dynamisch“ ist zum einen als Werteversprechen bzw. werbeübliche
Anpreisung einer entsprechenden, d. h. durch besonderen Schwung und Energie
gekennzeichneten Erbringung von Dienstleistungen sowie als Hervorhebung eines
„dynamischen“ Unternehmungsgeists (vgl. hierzu Duden – Deutsches Univer-
salwörterbuch, 6. Aufl., 2006 [CD-ROM]) seit langem gebräuchlich und den
angesprochenen Verbrauchern in diesem Sinne bekannt. Nach den Feststel-
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lungen der Markenstelle und des Senats wird der fragliche Begriff darüber hinaus
aber u. a. auch im geschäftlichen Verkehr zur Produktbeschreibung der hier
einschlägigen Waren verwendet, die sich unter die Oberbegriffe „Baumaterialien“
und „Bodenbeläge“ einordnen lassen. So wird etwa die Optik eines Industrie-
parketts aus Eiche als „modern und dynamisch“ beworben, die Ausstrahlung von
Holzböden als „Urban dynamisch“ sowie die optische Wirkung von Bodenbelägen
aus unterschiedlichen Materialien als „Subtil, dynamisch, glänzend“, „ästhetisch,
sinnlich, dynamisch“ oder „Dynamisch und einladend“ beschrieben. Des Weiteren
finden sich Hinweise auf die „dynamische Ader“ eines Parketts oder die dyna-
mische Wirkung eines Laminats. Entsprechende Belege wurden der Anmelderin in
der mündlichen Verhandlung übergeben und mit ihr erörtert. Wenn die Anmelderin
diesen Nachweisen entgegenhält, sie zeigten lediglich eine Verwendung des
Wortes „dynamisch“ als inhaltsleere Werbephrase, der das Publikum keinen
unmittelbaren Sachbezug entnehmen könne, lässt sie unberücksichtigt, dass der
Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keineswegs nur Zeichen
erfasst, die abschließende Rückschlüsse auf konkrete Waren- oder Dienst-
leistungsmerkmale ermöglichen. Ebenso wie Angaben, zu deren Bedeutungs-
gehalt sich noch keine exakte, einhellige Auffassung entwickelt hat, können auch
Begriffe mit einer gewissen Unschärfe diesem Schutzhindernis unterfallen (vgl.
BGH a. a. O., Rdn. 14 ff. – SPA II). Der Anmelderin ist zwar darin zuzustimmen,
wenn sie sinngemäß geltend macht, das Wort „Dynamic“ bzw. sein deutsch-
sprachiges Pendant „dynamisch“ vermittelten letztlich keine exakt definierbare
Merkmalsbeschreibung der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleis-
tungen. Solche eher allgemein gehaltenen Angaben kommen als verbraucher-
orientierte Sachinformationen jedoch umso mehr in Betracht, als sie unter Werbe-
und Marketinggesichtspunkten häufig in besonderem Maße geeignet sind, ein
wenn auch nicht präzises, dafür aber weit gefasstes Merkmalsspektrum zu
umschreiben. Es entspricht deshalb dem allgemeinen Werbestandard, zur
Anpreisung von Produkten und Serviceleistungen derartige Begriffe zu verwen-
den. In diesem Sinne ermöglicht es das Markenwort „Dynamic“ den ange-
sprochenen Verbrauchern, sofort und ohne weiteres Nachdenken einen unmit-
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telbaren, sachbezogenen Zusammenhang zu den hier verfahrensgegenständ-
lichen Waren und Dienstleistungen herzustellen. Die mit einer – wie im vor-
liegenden Fall – allgemein gehaltenen Umschreibung als „“ verbundene
begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme einer beschreibenden Sachangabe
somit nicht entgegen (vgl. hierzu BGH GRUR 2009, 952, Rdn. 15 –
DeutschlandCard).
Als merkmalsbeschreibende Angabe steht der angemeldeten Marke daher bereits
das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Bei dieser Sach-
und Rechtslage kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob ihr zudem die
erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abzusprechen
ist. Aus diesem Grund erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der von der
Anmelderin besonders hervorgehobenen Entscheidung „Vorsprung durch Technik“
(vgl. EuGH GRUR 2010, 228) und dessen Ausführungen zu den maßgeblichen
Kriterien für die Prüfung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus Wer-
beslogans bestehen.
Die Beschwerde war zurückzuweisen. Die beantragte Rückzahlung der Be-
schwerdegebühr kam vorliegend nicht in Betracht, da es selbst bei Annahme einer
Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin an der erforderlichen Kausalität
zwischen Verfahrensfehler und der Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung
fehlen würde.
Vorsitzender Richter Stoppel
ist urlaubsbedingt an der
Unterzeichnung gehindert.
Martens
Martens
Schell
Me