Urteil des BPatG vom 19.07.2000

BPatG: unterscheidungskraft, verkehr, form, computer, lese, patent, gestaltung, wortmarke, nachhilfeunterricht, verbraucher

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 183/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 13 077.2
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 19. Juli 2000 durch die Vorsitzende Richterin Winkler, Richter
Dr. Fuchs-Wissemann und Richterin Klante
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für
Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
4. April 2000 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung
"Emaillearn"
für
Lehr-, Unterrichts- und Informationsmaterial in Form von Dis-
ketten, CDs, CD-Roms, Audio- und Videokassetten oder an-
derer Datenträger, soweit in dieser Klasse enthalten; Lehr-,
Unterrichts- und Informationsmaterial in Druckform, soweit in
Klasse 16 enthalten; schulischer Lese-, Rechtschreib- und
Rechenunterricht; Schülerkurse, insbesondere Förderunter-
richt, Nachhilfeunterricht, Hausaufgabenhilfe, Sprachkurse,
Examensvorbereitungen, Computer- und Informatikkurse,
pädagogischer Unterricht aller Art; Konzepte zur Anwendung
und Durchführung individuell abgestimmter Lernmethoden
für den Lese-, Rechtschreib- und Rechenunterricht auch für
Legastheniker; Lese-, Rechtschreib- und Rechenunterricht
mit Hilfe elektronischer Medien; Schülerkurse, insbesondere
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Förderunterricht, Nachhilfeunterricht, Hausaufgabenhilfe,
Sprachkurse, Examensvorbereitungen, Computer- und Infor-
matikkurse über Internet; Erstellen von Programmen für die
Datenverarbeitung, Softwareentwicklung, zur Durchführung
der vorgenannten Dienstleistungen
zur Eintragung als Marke angemeldet worden.
Nach vorausgegangener Beanstandung hat die Markenstelle für Klasse 41 die
Anmeldung mit Beschluß vom 4. April 2000 durch eine Beamtin des höheren
Dienstes wegen des Eintragungshindernisses des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu-
rückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Markenwort "Emaillearn"
setze sich aus dem Begriff "Email" sowie dem englischen Wort "learn" (lernen),
das zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehöre, zusammen und bilde
den Gesamtbegriff "lernen bzw erlernen mittels elektronischer Verwendung von
Mitteilungen". In diesem Sinne werde die Bezeichnung von den Verkehrskreisen,
insbesondere von jenen, die sich für die elektronische Datenkommunikation inte-
ressierten, auch aufgefaßt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem
Antrag,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Sie macht geltend, schon die Annahme der Markenstelle, "E" stehe für "elektro-
nisch", sei nicht gerechtfertigt. Zudem führe erst die weitere Auslegung, bei der
der Computer einbezogen werde, zu einer verständlichen Aussage. Demgemäß
sei der angemeldeten Bezeichnung kein für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zuzu-
ordnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug ge-
nommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig (§ 66 Abs 2 und 5 MarkenG) und be-
gründet, da § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG der Eintragung der angemeldeten Be-
zeichnung nicht entgegenstehen.
"Emaillearn" fehlt nicht die zur Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft im
Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Danach ist Unterscheidungskraft die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer
Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügi-
gen Maßstab auszugehen, dh, jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht
aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (Amtliche Begründung zum Regie-
rungsentwurf, BlPMZ 1994, Sonderheft S 64). Der Verkehr nimmt ein als Marke
verwendetes Zeichen in aller Regel so auf, wie es ihm entgegentritt, und unter-
zieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise. Kann der Wortmarke kein für
die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender
beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst
nicht um ein so gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, daß es vom Verkehr
- etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur
als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen
tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die
Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehlt (BGH WRP 2000, 741
mwN "Logo").
Für die Beurteilung der Schutzfähigkeit ist nicht von der Bezeichnung
"E-mail learn" auszugehen, die entsprechend der üblichen Bezeichnung "E-mail"
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gebildet sein soll. Ob eine derart gebildete Wortmarke schutzunfähig wäre, ist
unerheblich, denn zur Feststellung der Schutzunfähigkeit ist allein auf die gewähl-
te schriftbildliche Gestaltung abzustellen (BGH GRUR 1991, 136, 137 "NEW
MAN"). In der angemeldeten Form "Emaillearn" ist wegen der Zusammenschrei-
bung die Bezeichnung "E-mail learn" nicht mehr ohne weiteres erkennbar. Viel-
mehr führt die konkrete Schreibweise von dieser - möglicherweise schutzunfähi-
gen - Bezeichnung weg und vermag deshalb den Eindruck einer phantasievollen
Marke zu erwecken. Gerade weil nur die Schreibweise "E-mail" üblich und dem
Verkehr vertraut ist (wie auch zB "E-Cash", "E-Commerce") und zudem ohne
Zwischenraum noch der weitere Bestandteil "learn" angefügt ist, wäre eine
analysierende Betrachtungsweise der angemeldeten Form durch die
angesprochenen Verbraucher erforderlich, um hierin einen Sachhinweis zu sehen.
Damit ist die Marke noch hinreichend phantasievoll, um als Betriebskennzeichen
zu wirken.
Hieran vermag der klangliche Eindruck, den die Marke möglicherweise dadurch
erweckt, daß bei mündlicher Benennung die Zusammenschreibung nicht erkenn-
bar wird, nichts zu ändern. Denn der Schutzversagungsgrund mangelnder Unter-
scheidungskraft kann dem Zeichen nur in der Form entgegengehalten werden, in
der es die Anmelderin beansprucht, also in der gewählten schriftbildlichen Gestal-
tung. Da die Anmelderin Schutz nicht für eine zeichenmäßige Verwendung von "E-
mail learn", sondern nur in der Schreibweise "Emaillearn" begehrt, beschränkt sich
grundsätzlich der Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung auf diese
konkrete Verwendungsform (BGH GRUR 1989, 425, 427 f "Herzsymbol"; 1991,
137 "NEW MAN").
Darüber hinaus steht auch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG der Eintragung von "Emaillearn" nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift
sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben
bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der
Menge, der Bestimmung, des Wertes, des Ursprungsortes oder der Zeit der Er-
zeugung dienen. "Emaillearn" ist, wie oben dargelegt, keine beschreibende An-
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gabe, allenfalls eine Abwandlung davon. § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG erfaßt nur be-
schreibende Angaben, nicht aber ihre Abwandlungen (Amtliche Begründung zum
Regierungsentwurf, aaO, S
64; Althammer/Ströbele, MarkenG, 5.
Aufl, §
8
Rdn 106).
Nach alledem war der Beschwerde der Anmelderin der Erfolg nicht zu versagen
und der angefochtene Beschluß aufzuheben.
Winkler Dr.
Fuchs-Wissemann
Klante
Ko/Hu