Urteil des BPatG vom 07.11.2001

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BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 202/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 398 15 878.9
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 7. November 2001 unter Mitwirkung des Richters Kraft als Vorsitzen-
dem sowie des Richters Reker und der Richterin Eder
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Wort-Bild-Marke
siehe Abb. 1 am Ende
für die Waren
"Mineralwasser, alkoholfreie Getränke"
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unter der Nummer 398 15 878.9 am 14. Mai 1998 eingetragen worden.
Gegen die Eintragung dieser Marke richtet sich der Löschungsantrag der Antrag-
stellerin. Sie vertritt die Ansicht, die Angabe "PUR AQA" stelle eine unmittelbar
beschreibende Angabe dar, da sie lediglich darauf hinweise, daß es sich bei den
so bezeichneten Waren um "reines Wasser" handle. Vor allem in der Werbespra-
che werde "pur" in zunehmendem Maße als allgemeines Wertversprechen einge-
setzt. "Aqa" werde vom Verkehr gerade auch im Hinblick auf die Waren als "Aqua"
und somit als lateinischer Name für Wasser verstanden. Die Bezeichnung "reines
Wasser" sei eine unmittelbar beschreibende Angabe und damit nicht geeignet,
herkunftsunterscheidend zu wirken. Eine phantasievolle graphische Gestaltung
der Marke sei nicht erkennbar.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Lö-
schungsantrag zurückgewiesen. Die angegriffene Marke sei keine unmittelbar be-
schreibende Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Ausgangspunkt der Beur-
teilung sei der Gesamteindruck. Einem Freihaltebedürfnis stehe hier aber schon
die phantasievolle graphische Gestaltung entgegen. Zudem sei das Wort "AQA"
allein nicht freihaltebedürftig, auch wenn es erkennbar eine Abwandlung des
schutzunfähigen Begriffs "AQUA" sei. Die angegriffene Marke sei auch unter-
scheidungskräftig, denn der Gesamteindruck, in den auch die graphische Gestal-
tung einzubeziehen sei, sei geeignet, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in
herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen. Hinzu komme die Verfremdung
des Begriffs "AQUA".
Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit der Beschwerde. Die an-
gegriffene Marke sei als unmittelbar beschreibende Angabe freihaltebedürftig und
nicht unterscheidungskräftig. Der Verkehr werde die Wortfolge ohne weiteres da-
hingehend verstehen, daß die mit der Marke versehenen Getränke ausschließlich
reines Wasser enthielten. Damit weise die Marke einen konkreten Warenbezug
auf. Das bei der Schreibweise von "AQA" vergessene "U" falle sprachlich nicht ins
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Gewicht. Die Fremdspachigkeit des lateinischen Wortes stehe der Eignung zur
Sachbezeichnung ebenfalls nicht entgegen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den angegriffenen Beschluß der Markenabteilung 3.4. des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 15. September 1999 aufzu-
heben und die Löschung der Marke 398 15 878.9 anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß die angegriffene Marke eine ausreichende Unterschei-
dungskraft aufweise. Auch ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht. Diesem stehe be-
reits die phantasievolle graphische Ausgestaltung der Marke entgegen. Zudem sei
der Zeichenteil "AQA" lexikalisch nicht nachweisbar und sehr phantasievoll.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der angegriffenen Marke standen
weder im Zeitpunkt ihrer Eintragung noch im Zeitpunkt der Entscheidung Eintra-
gungshindernisse im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG entgegen (§ 50
Abs 1 Nr 3, § 50 Abs 2 MarkenG).
Bei der angegriffenen Marke handelt es sich nicht um eine Angabe, die im Verkehr
zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeich-
nung sonstiger Merkmale der Waren dienen kann (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Zu
den nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossenen Anga-
ben zählen allerdings nicht nur die ausdrücklich aufgeführten, sondern auch sol-
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che, die für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise
irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Wa-
ren selbst beschreiben (BGH GRUR 1998, 813 – CHANGE; BlPMZ 1999, 410 –
FOR YOU) und die überdies entweder bereits im Eintragungszeitpunkt als Sach-
angabe benutzt worden sind oder zum jetzigen Zeitpunkt so benutzt werden (§ 50
Abs 2 Satz 1 MarkenG) oder deren Benutzung als Sachaussage aufgrund konkret
feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (BGH GRUR
1995, 408 – PROTECH). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Lö-
schungsantrag keinen Erfolg haben.
Eine Verwendung der geschützten Kennzeichnung als beschreibende Angabe hat
die Markenabteilung weder für den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen
Marke noch für den Zeitpunkt ihrer Entscheidung ermittelt; auch der Senat hat in-
soweit keine Feststellungen zu treffen vermocht. Von einem zum Eintragungszeit-
punkt oder auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihalte-
bedürfnis kann deshalb nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegen Anhalts-
punkte dafür vor, daß in Zukunft eine Benutzung der Marke als Sachangabe erfol-
gen wird. Die angegriffene Marke besteht aus zwei Wortelementen und einem
Bildelement. Das Wortelement "PUR" stammt ursprünglich aus der lateinischen
Sprache, ist jedoch vollständig in die deutsche Sprache eingegangen und bedeu-
tet soviel wie "rein, unverfälscht, lauter, unvermischt" bzw "nur, bloß, nichts als,
glatt" (Duden, Fremdwörterbuch, 5. Aufl, S 650). Das Wort "AQA" gibt es als sol-
ches weder in der deutschen noch in einer bekannten Fremdsprache. Der Wortteil
"PUR AQA" der angegriffenen Marke ist deshalb insgesamt eine Zusammenstel-
lung eines deutschen und eines Phantasiewortes und damit ohne konkret waren-
beschreibenden Inhalt.
Auch soweit der Wortteil "AQA" als "aqua" gelesen wird liegt insgesamt keine be-
schreibende Sachangabe vor. Dabei können nach dem neuen Markenrecht beste-
hende Bedenken zur früheren Rechtsprechung über die Abwandlung von be-
schreibenden Angaben (Althammer/Ströbele, MarkenR, 6. Aufl, § 8 Rdnr 150 f,
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60) dahingestellt bleiben. Auch unter Zugrundelegung der Möglichkeit, daß der
Wortteil der angegriffenen Marke als "pur aqua" verstanden wird, vermittelt er
nämlich keinen konkret warenbeschreibenden Inhalt. Das Wort "aqua" stammt aus
der lateinischen und damit aus einer toten Sprache. Bereits dies spricht für seine
Schutzfähigkeit. Zudem ist es nicht als eigenständiges Wort in die deutsche Spra-
che eingegangen. Das Wort "aqua" gibt es in der deutschen Sprache allenfalls in
Wortzusammenstellungen wie "aqua dest(illata), Aquakultur, Aquaplaning" (Du-
den, aaO, S 76). Soweit das Wort "aqua" also in der deutschen Sprache verwen-
det wird, geschieht dies in feststehenden Wortzusammensetzungen, bei denen
das Wort "aqua" vorangestellt wird. Beides ist bei der angegriffenen Marke nicht
der Fall. Die Zusammenstellung der beiden Wortelemente "PUR" und "AQA" ent-
spricht damit nicht einem in der deutschen Sprache geläufigen Ausdruck und ist
sprachunüblich gebildet. Zudem ist das Eigenschaftswort "pur" in der falschen
grammatikalischen Form ("pures aqua"). Damit ist bereits die konkrete Art der
Wortzusammenstellung nicht als beschreibende Angabe geeignet und mithin nicht
freihaltebedürftig.
Ebenso wenig kann den Wortelementen der angegriffenen Marke sowohl im Zeit-
punkt der Eintragung als auch der Entscheidung jegliche Unterscheidungskraft im
Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft
im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden
Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt
zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis
zu überwinden, zumal der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Re-
gel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Be-
trachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer (Wort-)Marke kein für die bean-
spruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zuge-
ordnet werden und handelt es sich auch nicht um ein so gebräuchliches Wort der
deutschen oder einer sonst im Inland geläufigen Sprache, das vom Verkehr –
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etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung (BGH WRP
1998, 495 – Today) – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke
verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unter-
scheidungskraft fehlt (BGH MarkenR 1999, 349 – YES).
Hiervon ausgehend kann dem Wortteil der angegriffenen Marke die erforderliche
Unterscheidungseignung weder für den Zeitpunkt der Eintragung noch für den der
Entscheidung abgesprochen werden. Eine warenbeschreibende Sachaussage, die
auf bestimmte Eigenschaften der in Frage stehenden Waren selbst Bezug nimmt,
stellt die Wortfolge "PUR AQA" – wie bereits festgestellt wurde - nicht dar. Ebenso
wenig handelt es sich hierbei um eine gebräuchliche Wortfolge der Alltagssprache,
die der Verkehr infolge einer entsprechenden Verwendung in der Werbung nur als
eine schlagwortartige Aussage versteht.
Bei der angegriffenen Marke kommt hinzu, daß sie bildlich ausgestaltet ist. Die
beiden Wörter "PUR" und "AQA" sind mit einem kontrastfarbenen Rechteck un-
terlegt und durch eine horizontale, doppelte und ineinander verschlungene Wel-
lenlinie in der Mitte voneinander getrennt. Damit trägt die bildliche Ausgestaltung
dazu bei, der Marke insgesamt ein herkunftsunterscheidendes Gepräge zu geben.
Gründe dafür, einem Verfahrensbeteiligten die Kosten des Verfahrens aus Billig-
keitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG), liegen nicht vor.
Kraft Reker Eder
prö
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Abb. 1