Urteil des BPatG vom 23.10.2003

BPatG (marke, benutzung, arzneimittel, liste, zpo, beurteilung, verwechslungsgefahr, verwendung, kennzeichnungskraft, beschränkung)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 52/02
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. Oktober 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 396 28 389
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgericht unter Mit-
wirkung des Vorsitzenden Richters Kliems sowie der Richterin Sredl und des Rich-
ters Engels auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2003
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 27. Juni 1996 angemeldete und nach Beschränkung im Wider-
spruchsverfahren nunmehr für
"Aus Artischocken gewonnene pharmazeutische Erzeugnisse so-
wie Präparate für die Gesundheitspflege, nämlich solche für die
Behandlung von Verdauungsbeschwerden (dyspeptische Be-
schwerden), besonders bei funktionellen Störungen des ableiten-
den Gallensystems"
eingetragene Marke 396 28 389
CYNARETTEN
hat die Inhaberin der älteren, am 22. Dezember 1989 angemeldeten und am
1. November 1990 für
"Arzneimittel"
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eingetragenen Marke 1 167 029
Widerspruch erhoben.
Im Verfahren vor der Markenstelle hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die
Benutzung der älteren Marke bestritten. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen
durch die Widersprechende hat sie in ihrem Schriftsatz vom 8. März 1999 "die Be-
nutzung der Widerspruchsmarke als Exportmarke für ein Hämorrhoiden- und Ve-
nenpräparat anerkannt".
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2001 hat die Markenstelle für Klasse 5 durch ei-
ne Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Die Mar-
kenstelle geht von der Benutzung der Widerspruchsmarke für "ein Venen- und Hä-
morrhoidenpräparat" als Exportmarke aus. Diese Ware falle unter den für die Wi-
derspruchsmarke geschützten Begriff "Arzneimittel", der als Oberbegriff jedoch zu
weit sei. Anerkannt werden könne lediglich die Benutzung entsprechend der
Hauptgruppen des Arzneimittelverzeichnisses "Rote Liste", nämlich für Hämorrhoi-
denmittel der Hauptgruppe 47 und Venenmittel der Hauptgruppe 83. Diese Waren
seien auf Grund unterschiedlicher Zusammensetzung, Wirkungsweise und An-
wendungsgebiete mit den von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruch-
ten Waren nur entfernt ähnlich. Bei normaler Kennzeichnungskraft und einem nor-
malen Schutzumfang der älteren Marke sei ein geringer Markenabstand ausrei-
chend, um Verwechslungen zu vermeiden. Dieser werde durch die jüngere Marke
eingehalten. Dabei richteten sich die Waren der jüngeren Marke sowohl an Fach-
kreise wie auch an Endverbraucher, während die Waren der Widerspruchsmarke
im Inland lediglich etikettiert und verpackt würden und damit nur der inländische
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Fachverkehr wie Exporteure, aber auch Pharmazeuten mit ihnen befasst seien.
Dadurch käme nur ein Teil des Fachverkehrs mit den Waren in Berührung, der
wegen seiner besonderen Fachkenntnis seltener zu Verwechslungen neige. Eben-
so wirke der in der angegriffenen Marke enthaltene Hinweis "Cynar" auf den in Ar-
tischocken enthaltenen Wirkstoff "Cynarin" Verwechslungen entgegen. Für die Be-
urteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr stehe der angegriffenen Mar-
ke "CYNARETTEN" der Wortbestandteil "CIRCANETTEN" der älteren Wort-Bild-
Marke gegenüber. Wegen der im Bereich der Pharmazie gebräuchlichen En-
dung "-ETTEN", der einen Hinweis auf die Tablettenform gebe, reichten die Unter-
schiede am stärker beachteten Wortanfang der Vergleichswörter aus, um die Mar-
ken auseinander zu halten. Da auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit der Wortbe-
standteile zu verneinen sei, sei der Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
den Beschluss der Markenstelle vom 12. Dezember 2001 aufzu-
heben und die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen.
Zur Begründung führt die Widersprechende aus, dass die Benutzung der Wider-
spruchsmarke für ein Hämorrhoiden- und Venenpräparat glaubhaft gemacht wor-
den sei. Die Beschränkung auf die genannten Hauptgruppen der "Roten Liste"
stimme jedoch nicht mit der sog. erweiterten Minimallösung überein, da diese vor-
aussetze, dass das benutzte Arzneimittel unter einen Oberbegriff einzuordnen sei.
Zwar käme dabei die Hauptgruppe in Betracht. Das für die Widerspruchsmarke
benutze Arzneimittel falle allerdings unter verschiedene Hauptgruppen der Roten
Liste, deren gemeinsamer Oberbegriff "Arzneimittel" sei. Daher liege Warenidenti-
tät mit den Präparaten der jüngeren Marke vor. Selbst wenn aber von den Haupt-
gruppen 47/83 der "Roten Liste" ausgegangen werde, sei von einer zumindest
normalen Warenähnlichkeit auszugehen. Eine mögliche gemeinsame betriebliche
Herkunft, die Übereinstimmung der Vertriebsart, des Verwendungszweck, der Nut-
zung und der wirtschaftlichen Bedeutung führten eher zur Annahme eines hohen
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Ähnlichkeitsgrades. Der Widerspruchsmarke weise keine beschreibenden Anklän-
ge auf und werde benutzt. Somit sei ihr eine erhöhte Kennzeichnungskraft zuzubil-
ligen. Die Marken stünden sich in klanglicher wie in schriftbildlicher Hinsicht ver-
wechselbar ähnlich gegenüber. Bei einer möglichen Aussprache des "Y" in der
jüngeren Marke wie "i" stimmten die Vokalfolge "i-a-e-e", die Anzahl der Silben
und die Anfangssilbe "CI-" überein. Nach dem schriftbildlichen Vergleich seien die
prägenden Elemente "C" am Anfang und das doppelte "T" am Wortende identisch.
Der Unterschied von 11 gegenüber 12 Buchstaben falle bei längeren Wörtern
nicht ins Gewicht.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
In der Sache hat sie sich schriftlich nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung
vom 23. Oktober 2003 hat sie erstmals erklärt, dass sie die mit Schriftsatz vom
2. Mai 1998 im Verfahren vor der Markenstelle erhobene Nichtbenutzungseinrede
auch weiterhin als gültig ansehe. Insbesondere habe sie durch die im Schriftsatz
vom 8. März 1999 enthaltene Formulierung "Die Benutzung der Widerspruchsmar-
ke für ein Hämorrhoiden- und Venenpräparat wird anerkannt" die Nichtbenut-
zungseinrede nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG für den Zeitraum von fünf Jahren
vor der jetzt zu treffenden Entscheidung nicht ausschließen oder zurücknehmen
wollen. Sie habe lediglich anerkennen wollen, dass der Benutzungseinrede für ei-
nen bestimmten Zeitraum genüge getan worden sei.
Die Widersprechende hat diesem Verständnis widersprochen und ausgeführt,
dass aufgrund der Erklärung im Schriftsatz vom 8. März 1999 die Benutzung der
Widerspruchsmarke in zeitlicher Hinsicht allgemein und ohne Einschränkung als
Exportmarke für die Hämorrhoiden- und Venenpräparate anerkannt worden sei.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Vergleichsmarken keine
Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
1)
MarkenG im Rahmen der Integrationsfrage nach den Grundsätzen der erweiterten
Minimallösung eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Hämorrhoiden- und
Venenmittel (Arzneimittel der Hauptgruppen 47 bzw 83 der Roten Liste) unterstellt,
wobei die Inhaberin der älteren Marke unabhängig von deren tatsächlicher Benut-
zung nicht auf bestimmte Darreichungsformen oder Wirkstoffe oder auf eine Re-
zeptpflicht, die nach der Eintragung im Warenverzeichnis nicht besteht, be-
schränkt ist (vgl hierzu BPatGE
41, 267, 270 - Taxanil/Taxilan; BPatG
GRUR 2001, 513, 515 – CEFABRAUSE / CEFASEL; Ströbele/Hacker, MarkenG,
7. Aufl, § 26 Rdn 203; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 25 Rdnr 25). Eine Be-
nutzung der Widerspruchsmarke für andere Präparate – insoweit besteht die
Nichtbenutzungseinrede unbestritten fort – ist nicht geltend gemacht worden.
a)
neimittel" kann dagegen nicht anerkannt werden.
Es würde zu einer unangemessenen Ausweitung des Schutzbereichs der älteren
Marke führen, wenn das Warenverzeichnis einen weiten Oberbegriff wie hier "Arz-
neimittel" enthält und im Kollisionsfall für die Bemessung des Schutzbereichs von
einer fiktiven rechtserhaltenden Benutzung im gesamten weiten Warenbereich
ausgegangen wird, obwohl die Marke tatsächlich nur für ein spezielles Präparat
verwendet wird. Um die Interessen der Beteiligten angemessen zu berücksichti-
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gen, findet die sogenannte "erweiterte Minimallösung" Anwendung (vgl BPatG
Mitt 1979, 223 – Mastu; BPatG GRUR 1995, 488, 489 - APISOL/Aspisol; vgl hier-
zu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 26 Rdnr 212 mwN). Danach ist
maßgeblich, inwieweit es unter Berücksichtigung der gebotenen wirtschaftlichen
Betrachtungsweise und dem berechtigten Interesse der Markeninhaberin, nicht
ungebührlich in ihrer geschäftlichen Bewegungsfreiheit eingeengt zu werden, ge-
rechtfertigt ist, den Kreis der zu berücksichtigenden Waren (Dienstleistungen) über
das konkrete Produkt hinaus auch auf solche Waren (Dienstleistungen) auszudeh-
nen, die der Verkehr gemeinhin als zum gleichen Warenbereich (Dienstleistungs-
bereich) gehörend ansieht. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, wonach für weite Oberbegriffe des Verzeichnisses ausge-
hend von der konkret benutzten Ware bzw Dienstleistung die Bildung von Unter-
gruppen gefordert wird, für welche sodann eine rechtserhaltende Benutzung fest-
gestellt werden kann (so BGH MarkenR 2001, 371, 376 - ISCO - für das Lö-
schungsverfahren wegen Verfalls; vgl auch BGH WRP 2001, 1447, 1449 – Ich-
thyol - zu § 14 Abs 2 Nr 2 MarkenG; vgl hierzu auch Ströbele/Hacker, MarkenG,
7. Aufl, § 26 Rdn 217 mwN; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 25 Rdnr 25).
b)
Senat nicht.
Zwar hat das Oberlandesgericht Köln in der von der Widersprechenden herange-
zogenen Entscheidung "DONA/PROGONA" (GRUR 2002, 264) für ein Löschungs-
verfahren nach § 49 MarkenG ausdrücklich in Abkehr von der für das Wider-
spruchsverfahren entwickelten Spruchpraxis des Bundespatentgerichts sowie ab-
weichend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für das Löschungsver-
fahren die rechtserhaltende Benutzung einer Arzneimittelmarke für ein bestimmtes
Arzneimittelpräparat auf den Oberbegriff "Arzneimittel" bezogen und demzufolge
einen Teillöschungsanspruch wegen Nichtbenutzung mit der Begründung verneint,
dass bei einer Arzneimittelbezeichnung de facto nie die Möglichkeit bestehe, ver-
schiedene Medikamente mit verschiedenen Indikationen unter derselben Marke im
- 8 -
Markt anzubieten, jedenfalls soweit es sich um eine Fantasiebezeichnung hande-
le. Deshalb erfordere der Erhalt der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Mar-
keninhabers auch die Möglichkeit, Konkurrenzunternehmen daran zu hindern,
identische Marken für andere Arzneimittel mit anderen Indikationen zu verwenden.
Andernfalls werde der Markeninhaber in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit
nachdrücklich und ungebührlich eingeengt.
Der Senat hält demgegenüber die Beurteilung der Benutzungslage nach der sog.
erweiterten Minimallösung auch für den vorliegenden Fall für angemessen und
sieht auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben auf dem Arzneimit-
telgebiet keinen Anlass, die Benutzung der Marke für einzelne Arzneimittel als
rechtserhaltend für den im Warenverzeichnis enthaltenen Oberbegriff "Arzneimit-
tel" insgesamt anzuerkennen (vgl hierzu Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 25
Rdnr 25, 26, 27 mwN und § 49 Rdnr 28 ff, der sich im Kollisionsverfahren sogar
für die Anwendung einer strengen Minimallösung ausspricht, für das Löschungs-
verfahren nach § 49 MarkenG dagegen die Maximallösung nicht für ausgeschlos-
sen ansieht). Denn dies würde zu einer unangemessenen Ausweitung des Schutz-
bereichs einer Marke nicht nur im Verletzungs-, sondern auch im Widerspruchs-
verfahren führen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich der Schutzbereich einer
Marke ohnehin nicht auf den Bereich ihrer konkreten Benutzung und auch nicht
auf den nach den oben genannten Kriterien der erweiterten Minimallösung ermit-
telten weiteren Bereich (insbesondere Arzneimittel-Hauptgruppen der Roten Liste)
beschränkt, sondern nach Maßgabe des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bzw § 14 Abs 2
Nr 2 MarkenG sowie unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren
Marke erheblich darüber hinaus gehen kann. Die Auffassung des OLG Köln er-
scheint auch nicht durch die Bestimmungen des Arzneimittelrechts für die Verwen-
dung von Arzneimittelkennzeichnungen geboten, wie sie zB in §§ 8, 10 AMG ins-
besondere im Hinblick auf das Arzneimittelkennzeichnungsrecht und die einge-
schränkte Verwendung identischer oder ähnlicher Zeichen im Arzneimittelzulas-
sungsverfahren bestehen. Schränkt der Anmelder den beantragten markenrechtli-
chen Schutz nicht den arzneimittelrechtlichen Bezeichnungsvorschriften entspre-
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chend ein, sondern wählt er – wofür verschiedene Gründe wie zB die Ausnutzung
der Benutzungsschonfrist mit einem weiten Schutzumfang oder eine beabsichtigte
Verwendung der Marke als Zweit- oder Dachmarke sprechen können – einen wei-
ten Oberbegriff, so unterliegt die Marke nach Ablauf der Benutzungsschonfrist
gleichwohl dem für die Beurteilung einer rechtserheblichen Benutzung geltenden
allgemeinen Grundsätzen.
Insbesondere hält der Senat die Annahme, der Markeninhaber könne andernfalls
die Verwendung identischer Marken von Konkurrenzunternehmen für indikations-
verschiedene Präparate nicht verhindern und sei in seiner geschäftlichen Bewe-
gungsfreiheit ungebührlich eingeengt, auch für rechtlich unzutreffend. Der Inhaber
einer zB für Antirheumatika benutzten Marke muss es keineswegs hinnehmen,
dass - wie das Oberlandesgericht Köln meint - andere Unternehmer unter dieser
oder einer auch nur verwechselbar ähnlichen Marken zB einen Hustensaft oder
ein Bluthochdruckmittel vertreiben. Denn der Schutzbereich einer Marke ist nicht
- wie schon ausgeführt - auf identische Waren beschränkt. Er erstreckt sich viel-
mehr - je nach Ähnlichkeit der Marken und Kennzeichnungskraft der älteren Mar-
ke - gegebenenfalls über einen weiten Warenähnlichkeitsbereich, der ohne weite-
res verschiedene Arzneimittel unterschiedlicher Indikationen erfasst (vgl zur Wa-
renähnlichkeit unterschiedlicher Arzneimittel BPatGE
44, 1 – Korodin;
GRUR 2001, 513 – CEFABRAUSE / CEFASEL; BGH GRUR 2000, 603 – Ke-
tof/ETOP; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 14 Rdnr 489 mwN), und kann im
Falle des § 9 Abs 1 Nr 3, § 14 Abs 2 Nr 3 MarkenG sogar über den Ähnlichkeits-
bereich der Waren bzw Dienstleistungen hinausgehen. Auch ist der Markeninha-
ber nach dem geltenden Arzneimittelrecht nicht gehindert, seine Marke als Zweit-
marke für eine weite Produktpalette von Präparaten mit unterschiedlichsten Indika-
tionen zu verwenden, wie dies regelmäßig zB bei sog. Dachmarken der Fall ist
(vgl hierzu BGH WRP 2001, 1447, 1449 – Ichthyol). Die Verwendung ein und der-
selben Arzneimittel-Marke für verschiedene Präparate entspricht auch gängiger
Praxis.
- 10 -
Abgesehen davon kann die Entscheidung des OLG Köln für den vorliegenden Fall
auch deswegen nicht herangezogen werden, weil es dort im Zusammenhang mit
einer Löschungsklage um die Beschränkung des Schutzrechts mit Wirkung erga
omnes und nicht um die Beurteilung der Benutzungslage und die Bestimmung des
Schutzumfangs mit Wirkung inter partes ging. In diesem Sinn differenziert jeden-
falls Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 49 Rdnr 28 ff, wenn im Zusammenhang
mit Einwänden, die gegen die Anwendung der sog. erweiterten Minimallösung
auch im Löschungsverfahren vorgebracht werden, zwischen der Bemessung des
für die Zukunft zu erhaltenden Umfangs der unternehmerischen Bewegungs- und
Entscheidungsfreiheit im Rahmen eines Löschungsverfahrens nach § 49 Abs 3
MarkenG einerseits und der hier relevanten Festlegung des durch die Markenbe-
nutzung erfassten Waren- und/oder Dienstleistungsbereichs im Rahmen des § 43
Abs 1 Satz 3 MarkenG zur Bestimmung des Schutzumfangs der Marke in einem
konkreten Kollisionsverfahren andererseits unterschieden wird. Allerdings wird
dort eine Durchbrechung des "Gleichlaufs von Schutzbeschränkung und Lö-
schungsreife" für problematisch angesehen. Für das Kollisionsverfahren wird so-
gar eine strengere Beurteilung der Benutzungslage im Gegensatz zur Rechtspre-
chung des BGH und die Anwendung der strengen Minimallösung vertreten (vgl In-
gerl/Rohnke aaO, § 25 Rdnr 27 für das Verletzungsverfahren).
Das Argument der Inhaberin der angegriffenen Marke, es handele sich wegen der
Beschränkungen, die das Arzneimittelgesetz Inhabern von Marken im Zusammen-
hang mit der Zulassung ihrer Arzneimittelkennzeichnungen auferlege, hinsichtlich
der weiteren unter den Oberbegriff "Arzneimittel" fallenden Präparate um eine ge-
rechtfertigte Nichtbenutzung im Sinne des § 26 Abs 1 MarkenG (vgl hierzu BGH
GRUR 2000, 890 – IMMUNINE / IMUKIN), greift deshalb nach Auffassung des Se-
nats ebenfalls nicht durch. Die Möglichkeit, Markenschutz für einen weiten Ober-
begriff zu beanspruchen, gewährt einen unternehmerischen Entscheidungsspiel-
raum bezüglich des tatsächlichen Einatzbereichs der Marke im Rahmen der beste-
henden gesetzlichen Kennzeichnungsvorschriften. Daraus folgt nach Ablauf der
Benutzungsschonfrist jedoch kein Anspruch, dass über eine von vornherein nur
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beabsichtigte oder objektiv mögliche Benutzung für eine bestimmte Ware hinaus
auch eine rechterhaltende Benutzung für die nach der Registerlage eingetragenen
Warenoberbegriffe unter dem Gesichtspunkt einer berechtigten Nichtbenutzung
fingiert wird.
2)
Markenstelle unbeschränkt und pauschal am 2. Februar 1998 erhobenen Benut-
zungseinrede und einer erneuten Glaubhaftmachung einer Benutzung der Wider-
spruchsmarke bedürfen daher keiner Entscheidung durch den Senat. Er sieht sich
jedoch veranlasst, darauf hinzuweisen, dass nach seiner Auffassung die Wider-
sprechende aufgrund der im Schriftsatz vom 8. März 1999 enthaltenen Erklärung
"Die Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Hämorrhoiden- und Venenpräpa-
rat wird anerkannt" davon ausgehen konnte, dass die Benutzungseinrede für das
fragliche Präparat nicht mehr aufrechterhalten werde. Aus der im Widerspruchs-
verfahren durchaus üblichen Formulierung, die Benutzung für eine spezielle Ware
werde "anerkannt", ist für den Inhaber der älteren Marke, aber auch für den Senat
nicht oder jedenfalls nicht hinreichend erkennbar, dass hiermit nur in tatsächlicher
Hinsicht ein Zugeständnis nach § 288 ZPO in dem Sinne verbunden sein sollte,
dass nur die Benutzungstatsachen - zudem begrenzt auf den bis zur Erklärung
maßgeblichen Zeitraum nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG - außer Streit gestellt
werden, die Einrede als solche, nämlich als Verteidigungsmittel im Sinne von
§ 146 ZPO aber aufrecht erhalten bleiben sollte. Will die Inhaberin der jüngeren
Marke nur einzelne oder sämtliche Benutzungstatsachen hinsichtlich einzelner
oder aller Waren bzw Dienstleistungen unstreitig stellen (§ 138 ZPO) oder aus-
drücklich zugestehen (§ 288 ZPO), so hält der Senat es nach den Grundsätzen ei-
ner am erkennbar erklärten Willen (§§ 133 ff BGB) und am wohlverstandenen Inte-
resse des Erklärenden auszurichtenden Auslegung prozessualer Willenserklärun-
gen (vgl Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl, Einl III Rdn 16; BGH NJW 2001, 3789 mwN)
für erforderlich, dass dies in der Formulierung zum Ausdruck kommt und nicht in
Widerspruch zu der Formulierung „anerkennen“ steht. Jedenfalls sähe der Senat
sich bei einem anderen Verständnis wegen unzureichender Eindeutigkeit der Er-
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klärung veranlasst, zur Vermeidung einer überraschenden Entscheidung einen
Beschluss jedenfalls nicht ohne entsprechenden Schriftsatznachlass (§ 283 ZPO)
zugunsten der Widersprechenden zu erlassen (s hierzu auch BGH WRP 2003,
1115 – MINKAS / Minka).
3)
zeichnisses so aus, dass die im Verfahren vor der Markenstelle vorgenommene
Beschränkung bezüglich des Anwendungsbereichs "...nämlich solche für die Be-
handlung von ..." nicht nur auf die "Präparate für die Gesundheitspflege", sondern
auch auf die "aus Artischocken gewonnenen pharmazeutischen Erzeugnisse" be-
zogen ist. Von dieser Sachlage ist die Inhaberin der angegriffenen Marke in der
mündlichen Verhandlung ebenfalls ausgegangen. Wenn die Markeninhaberin die
mit dem Wort "nämlich" eingeleitete Beschränkung nur auf eines der beiden Wa-
renbereiche hätte erstrecken wollen, hätte sie dies durch eine andere, deutliche
Formulierung zum Ausdruck bringen müssen.
Somit sind bei der Frage der Ähnlichkeit der Waren Präparate unterschiedlicher
Indikationsgebiete zu beurteilen. Mittel zur Behandlung von Verdauungsbeschwer-
den einerseits und Venen- und Hämorrhoiden-Präparate andererseits stehen sich
zwar in keinem ganz engen Ähnlichkeitsverhältnis gegenüber. Der Senat kann an-
dererseits aber auch keinen nur geringen Ähnlichkeitsgrad feststellen, sondern
geht angesichts der Umstände von einem mittleren Grad der Warenähnlichkeit
aus (vgl BPatGE 44, 1 – Korodin; GRUR 2001, 513 – CEFABRAUSE / CEFASEL;
BGH GRUR 2000, 603 – Ketof/ETOP).
Bei der Beurteilung der Warensituation ist zu berücksichtigen, dass entgegen der
Auffassung der Markenstelle nicht überwiegend vom Fachverkehr auszugehen ist,
der mit den Marken und den damit versehenen Waren in Berührung kommt. Zwar
wird die Widerspruchsmarke als Exportmarke benutzt, so dass insoweit lediglich
die Mitarbeiter der Widersprechenden und unter Umständen der Exportfirma sowie
Pharmazeuten und deren Fachpersonal mit ihr Kontakt haben. Dieser Umstand
- 13 -
führt allerdings nicht dazu, dass der Kreis der Verkehrsbeteiligten auf diese Perso-
nen beschränkt werden darf. § 26 Abs 4 MarkenG privilegiert eine Exportmarke le-
diglich im Zusammenhang mit Benutzungsfragen. Im übrigen ist sie wie eine In-
landsmarke zu behandeln.
Da nach der Fassung der jeweiligen Warenverzeichnisse die Präparate keiner Re-
zeptpflicht unterliegen, sind die allgemeinen Verbraucherkreise uneingeschränkt
zu berücksichtigen. Dabei legt der Senat das vom EuGH entwickelte Verbraucher-
leitbild zugrunde, das auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und
verständigen Durchschnittsverbraucher abstellt (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG,
7. Aufl, § 9 Rdnr 156 mwH) und geht mangels anderweitiger Anhaltspunkte von ei-
ner durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus.
4)
Anforderungen zu stellen, denen die jüngere Marke jedoch gerecht wird.
Vergleicht man die Marken unter gleichwertiger Berücksichtigung aller Elemente
der Widerspruchsmarke, können Verwechslungen wegen der zusätzlichen Be-
standteile der älteren Marke wie den chinesischen Schriftzeichen und dem weite-
ren Wortbestandteil "New" in jeder Hinsicht ausgeschlossen werden.
Aber auch wenn die Widerspruchsmarke überwiegend verkürzend mit dem
Wort "Circanetten" benannt und in klanglicher Hinsicht von einer den Gesamtein-
druck der Marke prägenden und selbständig kollisionsbegründenden Bedeutung
dieses Bestandteils ausgegangen wird (vgl hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG,
7. Aufl, § 9 Rdnr 434), kommen nach Auffassung des Senats Verwechslungen in
entscheidungserheblichem Umfang mit der jüngeren Marke nicht in Betracht. Hier-
zu trägt bei, dass die übereinstimmende Endung "-ETTEN" auf dem vorliegenden
Warengebiet häufig, insbesondere als Anspielung auf die Tablettenform der Arz-
neimittel, verwendet und vom Verkehr auch so verstanden wird, so dass den – zu-
dem regelmäßig eher beachteten - Wortanfängen noch größere Bedeutung zu-
- 14 -
kommt. Die Lautfolgen "Cynar-" bzw "Circa-" weisen insoweit ausreichend deutli-
che Abweichungen klanglicher Art auf, was auch durch begriffliche Anklänge an
den Artischocken-Wirkstoff "Cynarin" bzw das Wort "circa" als Merkhilfen unter-
stützt wird.
Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden von der ständigen Rechtspre-
chung des Bundesgerichthofs (vgl BGH GRUR 2002, 167, 170 - Bit/Bud; BGH
GRUR 2002, 1067, 1069 – DKV / OKV) abweichen und den Erfahrungssatz, dass
der Verkehr beim Zusammentreffen von Wort- und Bildelementen in der Regel
dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeu-
tung beimisst, nicht nur auf die klangliche Verwechslungsgefahr, sondern auch auf
die Prüfung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr anwenden wollte, ist vorlie-
gend eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Nach Auffassung des Senats ist in-
soweit durchaus zu berücksichtigen, dass die bildliche Wahrnehmung und die
Erinnerung des Verbrauchers kognitive Prozesse sind (anders als zB maschinelles
Scannen), die die gleichzeitige Aufnahme des klanglichen Charakters wie auch
des Schriftbildes ebenso wenig ausschließen (vgl hierzu auch Ströbele/Hacker,
MarkenG, 7. Aufl, § 9, Rdnr 172; Rdnr 434) wie eine bildliche Orientierung an ein-
zelnen prägenden Elementen eines Kombinationszeichens, was im Einzelfall zu
untersuchen ist (vgl auch EuG GRUR Int 2003, 243, 245 – Matratzen Concord;
EuG GRUR Int 2003, 237, 242 – ILS/ELS; BPatGE 22, 93, 95 – MARC/MARS;
eingehend auch EuG GRUR Int 2003, 247, 249 – miss fifties).
Auch wenn deshalb die Gegenüberstellung des Wortes "Circanetten" mit der jün-
geren Marke in schriftbildlicher Hinsicht als allein kollisionsbegründend in Betracht
kommen kann, ist eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Auch im bildlichen
Vergleich erweisen sich die Wörter "Circanetten" und "CYNARETTEN" in jeder üb-
lichen Schreibweise als noch hinreichend verschieden, weil die Konturen der
Buchstabenfolge sowohl bei handschriftlicher als auch bei maschinenschriftlicher
Wiedergabe abweichen und die Unterschiede am jeweiligen Wortanfang zu erken-
nen sind. Hier setzt sich der Buchstabe "i" mit einem Punkt in der jüngeren Marke
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deutlich von dem Buchstaben "y" des Wortes "CYNARETTEN" in der älteren Mar-
ke ab.
Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit zutreffende
Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Engels Sredl