Urteil des BPatG vom 17.11.2004

BPatG (marke, klasse, telekommunikation, computer, dienstleistung, verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, beschwerde, verkehr, gefahr)

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 147/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 300 73 489
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 17. November 2004 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin
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Grabrucker, der Richterin Fink und der Richterin am Amtsgericht stVDir.
Dr. Mittenberger-Huber
beschlossen:
1.
Das Deutsche Patent- und Markenamt wird angewiesen die
Löschung der Marke 300 73 489 für die Dienstleistung „Tele-
kommunikation“ anzuordnen.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 1. März 2001 veröffentlichte Eintragung der Marke 300 73 489
für die Waren und Dienstleistungen
Rechenmaschinen, Computer, Datenverarbeitungsgeräte; Telekommunika-
tion; Ausbildung
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wurde Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 396 26 494
CYTRON
eingetragen am 17. Oktober 1996 für die Waren der Klasse 9
Geräte der Unterhaltungselektronik sowie deren Teile, soweit in
Klasse 9 enthalten, insbesondere Radios, Autoradios, Schallplat-
tenspieler, Kassettenrekorder, Videokameras und -rekorder, CD-
Player, Tonbandgeräte, Ton- und Bildaufzeichnungs-, Übertra-
gungs-, Verstärkungs- und Wiedergabegeräte, Lautsprecher, Fern-
sehgeräte, Videospiele (zum Anschluß an ein Fernsehgerät), Vi-
deokassetten (bespielte und unbespielte), Antennen, Radiorekor-
der, Projektoren, Equalizer, Mikrofone, Bildschnittgeräte; elektroni-
sche Datenverarbeitungsgeräte, Computer sowie deren Teile und
Computer-Peripheriegeräte, einschließlich Spielcomputer, Heim-
computer, Festplatten, Monitore, Dateneingabe- und -ausgabe-
geräte, Drucker, Druckerschnittstellenumwandler, Terminals,
Schnittstellenkarten, Disketten, CD-Roms, Laufwerke aller Art
(extern und intern), Speichermodule und -systeme (extern und in-
tern), Hauptplatinen, Computereinsteckteile, auf Datenträgern ge-
speicherte Programme, Modems, Computerspiele sowie Kabel, Ka-
belklemmen, Steckverbinder, Stecker, Batterien, Akkumulatoren
und Netz- sowie Ladegeräte für vorgenannte Waren; elektrische
Haushaltsgeräte, soweit in Klasse 9 enthalten, insbesondere
Staubsauger, Bügeleisen, Folienschweißgeräte, Personen- und Kü-
chenwaagen.
Widerspruch mit Beschluss vom 8. Mai 2002 zurückgewiesen. Im Gesamteindruck
bestehe weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht Zeichenähnlichkeit.
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Auch wenn man davon ausgehe, dass die angegriffene Marke allein durch den
Wortbestandteil „vtron“ geprägt werde, sei eine Verwechslungsgefahr zu vernei-
nen. Der übereinstimmend in den Vergleichszeichen enthaltene Bestandteil
„TRON“ sei als verkürzter Hinweis auf „Elektronik“ in einer Vielzahl von Marken
der Klasse 9 enthalten und deshalb als verbraucht und kennzeichnungsschwach
anzusehen. Er könne daher keine Verwechslungsgefahr begründen. Wegen der
Kennzeichnungsschwäche dieses Bestandteils richte der Verkehr besondere Auf-
merksamkeit auf die jeweiligen Anfangsbuchstaben „V“ und „CY“, die deutliche
Unterschiede aufwiesen. Als kennzeichnungsschwaches Element komme „TRON“
auch nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie in Betracht.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung weist sie darauf
hin, dass die beiderseitigen Waren „Rechenmaschinen, Computer, Datenverar-
beitungsgeräte“ identisch seien. Hinsichtlich der von der angegriffenen Marke er-
fassten Dienstleistung „Telekommunikation“ bestehe enge Ähnlichkeit mit den Wi-
derspruchswaren „Ton- und Bildaufzeichnungs-, Übertragungs-, Verstärkungs-
und Wiedergabegeräte; elektronische Datenverarbeitungsgeräte, Computer sowie
deren Teile und Computerperipheriegeräte“ der Widerspruchsmarke. Der Verkehr
sei daran gewöhnt, dass Hardware und Kommunikationsdienstleistungen von ein
und demselben Unternehmen angeboten würden. Es gebe sowohl Hardwareher-
steller, die zugleich Serviceleistungen im Bereich der Telekommunikation anböten
als auch Provider, deren Angebot Telefone, Modems und Server umfasse. Der
Bestandteil „tron“ der Widerspruchsmarke sei keinesfalls kennzeichnungs-
schwach. Eine beschreibende Bedeutung im Sinne von „Elektronik“ lasse sich we-
der in Wörterbüchern und Lexika noch im Internet ermitteln. In der grafischen
Gestaltung des angegriffenen Zeichens erkenne der Verkehr ohne weiteres den
verfremdeten Anfangsbuchstaben „C“. Für den Zeichenvergleich stünden sich da-
her „Cvtron“ und „Cytron“ gegenüber.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß die Zurückweisung der Beschwerde.
Mit Telefax vom 13. September 2004 hat sie mitgeteilt, dass im Hinblick auf einen
zügigen Verfahrensabschluss Bereitschaft bestehe die Marke „aus der Klasse 09
rauszunehmen. Die Wort-/Bildmarke VTRON reduziert sich also nur noch auf die
Klasse 38 und 42.“ Falls für die Klasse 09 eine Ersatzklasse gewählt werden
könne, bitte sie um Aufnahme der Klasse 35 in das Waren- und Dienstleistungs-
verzeichnis.
Die Widersprechende hat auf dieses Schreiben mitgeteilt, dass sie von einer Be-
schränkung auf die Klassen 38 und 41, und nicht wie angegeben, auf die Klasse
42 ausgehe.
Zur Frage der Ähnlichkeit von Telekommunikationsdienstleistungen und elektroni-
schen Geräten wurde den Beteiligten das vom Senat ermittelte Rechercheergeb-
nis übersandt.
II.
Die nach § 165 Abs. 4 iVm § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat
teilweise Erfolg. Die Marke 300 73 489 ist für die Dienstleistung „Telekommunika-
tion“ zu löschen, weil insoweit für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen
besteht (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
1. Die Markeninhaberin hat das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis mit Tele-
fax vom 13. September 2004 wirksam auf die Dienstleistungen „Telekommunika-
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tion; Ausbildung“ eingeschränkt (§ 48 Abs. 1 MarkenG). Der Verzicht auf die Wa-
renklasse 9 ergibt sich aus der Formulierung die Marke aus dieser Klasse „raus-
zunehmen“. Bei der fehlerhaften Angabe der verbleibenden Klassen mit 38 und
42, anstatt wie richtig 38 und 41, handelt es sich um ein offensichtliches Schreib-
versehen, dass der Wirksamkeit der Teilverzichtserklärung nicht entgegensteht.
Unwirksam ist hingegen die Austauscherklärung bezüglich der Klasse 35. Maß-
geblich für den Schutzgegenstand und den Zeitrang der Marke ist das am Anmel-
detag eingereichte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis. Nach Einreichung der
Anmeldung kann das Verzeichnis nur nach Maßgabe der §§ 39 Abs. 1, 48 Abs. 1
MarkenG eingeschränkt, nicht hingegen erweitert oder ausgetauscht werden (vgl.
BGH GRUR 1988, 377, 378 – Apropos Film; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl.,
§ 39 Rn 5; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl. 2003, § 39 Rn 8).
2. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfas-
send zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurtei-
lungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit
und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen,
dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch
einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kenn-
zeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st.
Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Nach diesen
Grundsätzen muss im vorliegenden Fall für die Dienstleistung „Telekommunika-
tion“ die Verwechslungsgefahr bejaht werden.
3. Bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs alle
das Verhältnis der Waren und Dienstleistungen kennzeichnenden Umstände zu
berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere die Art, der Verwendungszweck und
die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander
ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Eine Ähnlichkeit ist dann anzunehmen,
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wenn das angesprochene Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgebli-
chen Waren- und Dienstleistungsgebiet der Fehlvorstellung unterliegt, dass Ware
und Dienstleistung aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen
stammen (EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 – Canon; BGH GRUR 2004, 241, 243 –
GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 – Canon II; GRUR 1999, 586, 587 – White Lion).
3.1. Hinsichtlich der Widerspruchswaren ist von der Registerlage auszugehen, da
die Einrede der Nichtbenutzung nicht erhoben worden war. Zwischen der von der
angegriffenen Marke erfassten Dienstleistung „Telekommunikation“ und den
Waren „elektronische Datenverarbeitungsgeräte, Computer; Modems; auf Daten-
trägern gespeicherte Programme“ im Verzeichnis der Widerspruchsmarke besteht
Ähnlichkeit.
Unter den Dienstleistungsbegriff der Telekommunikation fallen u.a. auch Mobil-
funk-, Festnetz- und Internetdienste. Nach der vom Senat durchgeführten Recher-
che und den von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen umfasst das
Leistungsangebot von Providern und Festnetzanbietern neben den Telekommuni-
kationsdienstleistungen häufig ergänzende Geräte und Softwareprogramme als
Zusatzleistung, wie etwa Modems, Router, Server, Virenschutz- und sonstige Si-
cherheitsprogramme. Die Kennzeichnungspraxis für diese Zusatzprodukte ist un-
terschiedlich. Einerseits werden sie unter einem Fremdkennzeichen angeboten,
z.B. „Mit AOL wird alles besser – FRITZ! High End DSL Modem gratis + McAfee
Firewall gratis + G-Data Virenschutzgratis” – Werbeanzeige Connect Heft 9/2004,
andererseits auch unter eigenem Kennzeichen, z.B. „High End Server STRATO
AG“ –
Sicherheitspaket“ – Postwurfsendung Oktober 2004; „Arcor: Vergünstigte Aus-
stattung inklusive. Auf Wunsch erhalten Sie zu Ihrem Anschluss komfortable
Hardware zum Vorzugspreis. Zum Beispiel: WLAN-Router, DSL-Modem“- Werbe-
anzeige. Daneben sind auch Kombinationen fremder und eigener Produkte üblich,
z.B. „STRATO HighEnd-Server – Bei allen HighEnd-Servern inklusive: CONFIXX
Professional 3.0 oder VISAS Professional 2.3, Profi-Software Adobe GoLive CS
und Photoshop“- Werbeanzeige; „1&1: Webcam Logitech inklusive mit neuer 1&1
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EasyCam-Software – Werbeanzeige c’t Heft 17/2004; STRATO – NETGEAR Mo-
dem, Extras inklusive: Spam- und Virenschutz“ – Werbeanzeige c’t Heft 17/2004.
Berücksichtigt man, dass Router und Server unter den von der Widerspruchs-
marke erfassten Oberbegriff „elektronische Datenverarbeitungsgeräte, Computer“
fallen, ist angesichts dieser Kennzeichnungsgewohnheiten davon auszugehen,
dass ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise Telekommuni-
kationsdienstleistungen und die Waren „elektronische Datenverarbeitungsgeräte,
Computer; Modems; auf Datenträgern gespeicherte Programme“ demselben Un-
ternehmen zuordnet, wenn sie unter identischem Kennzeichen angeboten werden.
3.2. Zu den von der Widerspruchsmarke erfassten Geräten der Unterhaltungs-
elektronik und Computerperipheriegeräte besteht hingegen nur eine entfernte
Ähnlichkeit. Sie können zwar ebenfalls bei der Inanspruchnahme von Telekom-
munikationsdienstleistungen Verwendung finden, stehen aber mit diesen in kei-
nem unmittelbaren Sachzusammenhang. Insbesondere hat der Senat insoweit
nicht feststellen können, dass solche Geräte nach der bisherigen Branchenübung
von Telekommunikationsdienstleistern angeboten werden.
4. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr geht der Senat von einer durch-
schnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Anhaltspunkte für
eine Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils „tron“ sind nicht ersichtlich. Als
Abkürzung ist „TRON“ für den hier maßgeblichen Warenbereich zwar als Befehl
der Programmiersprache „Basic“ belegt, hat aber für die verfahrensgegenständli-
chen Waren insoweit keine unmittelbar beschreibende Bedeutung
(http://de.wikipedia.org/wiki/Tron). Die Annahme einer Schwächung der Kenn-
zeichnungskraft durch Drittzeichen setzt eine erhebliche Zahl benutzter Drittzei-
chen voraus, die der Senat nicht feststellen konnte (Ingerl/Rohnke Markengesetz
2. Aufl 2003, § 14 Rn 359; Ströbele/Hacker aaO § 9 Rn 316).
5. Unter Berücksichtigung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit und der
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die jüngere
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Marke nicht den erforderlichen Abstand ein, um die Gefahr von Verwechslungen
auszuschließen. Dabei ist die Markenähnlichkeit anhand des Gesamteindrucks
nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen. Für die Annahme einer Ver-
wechslungsgefahr genügt es in der Regel, wenn die Zeichen in einer Hinsicht ähn-
lich sind (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 779, 782 – Zwilling/Zweibrüder). Bei der
Feststellung des Gesamteindrucks von Wort-/Bildmarken ist dabei von dem Erfah-
rungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil
er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH GRUR
2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT). Für den Zeichenvergleich stehen sich daher
der Wortbestandteil „vtron“ der angegriffenen Marke und die Widerspruchsmarke
„CYTRON“ gegenüber. Trotz der deutlichen Unterschiede im Schriftbild aufgrund
der unterschiedlichen Anfangsbuchstaben besteht bei klanglicher Wiedergabe
Zeichenähnlichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei mündlicher Benennung
der Vergleichszeichen sowohl eine deutschsprachige als auch eine englischspra-
chige Aussprache in Betracht kommt, weil auf dem einschlägigen Waren- und
Dienstleistungsgebiet englische Begriffe und Abkürzungen weit verbreitet sind. Die
angegriffene Marke kann daher mit „Vautron“ bzw. „Witron“ benannt werden, die
Widerspruchsmarke mit „Citron“ bzw. “Ceitron”. Es kann daher nicht ausgeschlos-
sen werden, dass sich bei klanglicher Wiedergabe die Bezeichnungen „Witron“
und „Citron“ gegenüberstehen. Insoweit ist wegen der geringen Unterschiede in
den Anfangslauten „w“ und „c“ die Gefahr von Verwechslungen gegeben.
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6. Für eine Kostenauferlegung bestand keine Veranlassung (§ 71 Abs.
1
MarkenG).
Grabrucker Fink
Richterin Dr. Mittenberger-Huber
ist in Urlaub und kann daher nicht
unterzeichnen.
Grabrucker
Cl