Urteil des BPatG vom 26.02.2007

BPatG: verkehr, verwechslungsgefahr, bestandteil, kennzeichnungskraft, wiedergabe, aufmerksamkeit, verbraucher, gesundheit, firma, ware

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 148/04
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
26. Februar 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
08.05
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betreffend die Marke 302 43 808
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
GRIPPOPRET
ist am 21. Januar 2003 für die Waren und Dienstleistungen
"pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie
Präparate für die Gesundheitspflege, soweit in Klasse 05 enthal-
ten"
unter der Nummer 302 43 808 in das Markenregister eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 8. September 1960 für die
Waren
"Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Ge-
sundheitspflege, pharmazeutische Drogen"
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eingetragenen Marke 740 021
GRIPPOSTAD
deren Benutzung bereits im Verfahren vor der Markenstelle bestritten worden ist.
Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung Unterlagen in
Form von Verpackungen, Beipackzetteln, Werbematerial (Videokassette), Kopien
aus der "Roten Liste" sowie eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsfüh-
rers der "A… GmbH" vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluss vom 16. August 2004 den Widerspruch mangels bestehender Ver-
wechslungsgefahr zurückgewiesen.
Die Frage nach einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke könne
offen bleiben. Denn auch unter Zugrundelegung der Registerlage, wonach die Wa-
ren sich auf identischen Waren begegnen könnten, sowie einer durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, von der mangels entgegenstehen-
der Anhaltspunkte auszugehen sei, halte die angegriffene Marke einen ausrei-
chenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein. Denn verwechslungsmindernd
wirke sich nicht nur aus, dass der Verkehr beim Erwerb von Waren, die Einfluss
auf die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden haben können, eine gewis-
se Sorgfalt anwende, sondern vor allem auch, dass der übereinstimmende und in
aller Regel stärker beachtete Wortbeginn "GRIPPO" auf das Anwendungsge-
biet "Grippe" hinweise. Dieser Bestandteil sei daher kennzeichnungsschwach, so
dass der Verkehr auch die jeweils zweiten Wortteile "PRET" bzw. "STAD" verstärkt
beachten werde. Diese wiesen aber keine Gemeinsamkeiten auf, so dass Ver-
wechslungen klanglicher Art ausgeschlossen werden könnten. Daran ändere auch
nichts, dass der Bestandteil "STAD" der Widerspruchsmarke einen Hinweis auf die
Firma der Widersprechenden enthalte, da der Verbraucher bei pharmazeutischen
Produkten schon aus Sicherheitsgründen keine Bestandteile weglasse. Ein Fir-
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menhinweis könne auch dann als Unterscheidungsmerkmal dienen, wenn der wei-
tere Bestandteil beschreibend und damit kennzeichnungsschwach sei.
Eine schriftbildliche Ähnlichkeit sei aufgrund der typischen Umrisscharakteristik
von "-PRET" gegenüber "-STAD" ausgeschlossen. Bei handschriftlicher Wiederga-
be oder Wiedergabe in Normalschrift verfüge die angegriffene Marke durch das
"P" über eine weitere Unterlänge, die der Widerspruchsmarke fehle und durch das
"T" über eine Oberlänge. Die Widerspruchsmarke hingegen verfüge durch "T" und
"D" über zwei Oberlängen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 16. August 2004 aufzuheben und die
angegriffene Wortmarke "GRIPPOPRET" zu löschen.
Eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit der Marken in klanglicher und schrift-
bildlicher Hinsicht sei gegeben. Denn angesichts der übereinstimmenden Lautfol-
ge "GRIPPO-", bei der es sich um eine fantasievolle, originelle und einprägsame
Abwandlung des Begriffs "Grippe" handele, die durch ihren Fantasieüberschuss
besonders einprägsam sei und die sich zudem am ohnehin stärker beachteten
Wortanfang befände, reichten allein die Unterschiede in der im Gegensatz zum
originellen Wortanfang kurz und abgehackt klingenden und daher nicht zur Eigen-
prägung geeigneten weiteren Wortbestandteilen "stad" bzw. "PRET" nicht aus, um
die Zeichen im Verkehr sicher auseinander zu halten. Dies gelte umso mehr, als
die Widerspruchsmarke über eine durch den Umfang ihrer Benutzung erworbene
gesteigerte Kennzeichnungskraft verfüge, wie die als Anlagen MBP 1 - MBP 4
überreichten Umfrageergebnisse belegten. Die unter der Marke "GRIPPOSTAD"
vertriebenen Produkte hätten einen Bekanntheitsgrad erreicht, der nur noch von
wenigen anderen Produkten in diesem Warensegment übertroffen werde. Zudem
sei auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des sog.
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Serienzeichens gegeben, da der Verkehr aufgrund des gemeinsamen Stammbe-
standteil "GRIPPO" die angegriffene Marke der Widersprechenden als Inhaberin
der Widerspruchsmarke zuordnen werde. Die Widersprechende unterhalte auch
eine entsprechende Markenserie (Anlage MBP 5). Sie sei auch erfolgreich gegen
Dritte vorgegangen, die sich an ihre Markenserie "GRIPPO" anhängen wollten. So
sei z. B. auf den Widerspruch der Widersprechenden die Markenanmeldung
303 32 210 "Gripposan" vollständig gelöscht worden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Da es sich bei "GRIPPO" um einen beschreibenden und damit kennzeichnungs-
schwachen Bestandteil handele, könne die Übereinstimmung darin nicht kolli-
sionsbegründend wirken. Der Verkehr werde vielmehr die deutlich voneinander
abweichenden Bestandteile "STAD" bzw. "PRET" verstärkt beachten, so dass eine
unmittelbare Verwechslungsgefahr ausscheide, zumal auch die von der Wider-
sprechenden eingereichten Unterlagen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung der jünge-
ren Marke nicht belegten. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide ebenfalls
aus, da eine Zeichenserie mit dem Bestandteil "GRIPPO" nicht existiere. "GRIP-
PO" sei auch wegen seiner Kennzeichnungsschwäche und der Anlehnung an das
Indikationsgebiet "Grippe" nicht als herkunftshinweisender Stammbestandteil ge-
eignet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse und
Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg,
da zwischen den Vergleichsmarken auch nach Auffassung des Senats keine Ver-
wechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Die aufgeworfenen Benutzungsfragen können dabei ebenso dahinstehen wie die
Frage nach einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Denn
auch wenn man im Hinblick auf das Vorbringen der Widersprechenden zur intensi-
ven Benutzung und Marktstellung der Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kenn-
zeichnungskraft und einen entsprechend erweiterten Schutzumfang der Wider-
spruchsmarke für solche Waren unterstellt, die im Identitätsbereich oder zumin-
dest einem engeren Ähnlichkeitsbereich zu den Waren der angegriffenen Marke
liegen, scheidet eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr trotz der da-
nach an den Markenabstand zu stellenden sehr strengen Anforderungen aus. Als
maßgebliche Verkehrskreise sind dabei neben dem Fachverkehr vor allem auch
Endverbraucher zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich nicht auf einen sich nur
flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informier-
ten, verständigen und aufmerksamen Verbraucher abzustellen ist, dessen Auf-
merksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein
kann (vgl. BGH MarkenR 2002, 124 – Warsteiner II; EuGH MarkenR 2002, 231
- Philips/Remington) und der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine
gesteigerte Aufmerksamkeit beimisst (vgl. BGH GRUR 1995, 50 – Indorektal/Indo-
hexal).
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der
Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist,
dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie ei-
ner analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, Mar-
kengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 152).
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Dem übereinstimmenden Wortanfang "GRIPPO" kann dabei entgegen der Auffas-
sung der Widersprechenden auch bei Berücksichtigung strenger Maßstäbe wegen
seines ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Sinngehalts kein entscheiden-
des Gewicht für die Begründung einer Verwechslungsgefahr beigemessen wer-
den. Denn "GRIPPO" weicht zwar im Endbuchstaben von der glatt beschreiben-
den und nicht unterscheidungskräftigen Sachangabe "Grippe" ab, woraus eine ge-
wisse Verfremdung und wohl auch Kennzeichnungskraft folgt, doch bleibt der Indi-
kationshinweis deutlich erkennbar.
Auch wenn solche Wortbestandteile trotz ihrer Kennzeichnungsschwäche bei der
Prüfung des maßgebenden Gesamteindrucks der Zeichen nicht gänzlich unbe-
rücksichtigt bleiben dürfen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8.
Aufl., §
9
Rdnr. 214), ist eine Verwechslungsgefahr grundsätzlich zu verneinen, wenn sich
die Gemeinsamkeiten der Vergleichsmarken im Wesentlichen auf schutzunfähige
oder kennzeichnungsschwache Elemente der älteren Marke beschränken (Ströbe-
le/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 214). Aber auch in tatsächlicher Hin-
sicht tragen solche kennzeichnungsschwachen Bestandteile nicht entscheidend
zur Unterscheidung der Kennzeichnungen bei. Vielmehr wird der Verkehr in sol-
chen Fällen die nachfolgenden Wortbestandteile stärker beachten und diese nicht
als bloße Endbestandteile, sondern als für die Identifikation und Kennzeichnung
der Produkte wesentliche Bestandteile ansehen.
Die weiteren Wortbestandteile "STAD" und "PRET" weisen hingegen kaum Über-
einstimmungen auf. Sie unterscheiden sich in klanglicher Hinsicht so deutlich,
dass auch unter Berücksichtigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer
zeitlicher Abfolge erfolgenden Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufi-
gen undeutlichen Erinnerungsbildes (vgl. dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239
- Lloyd/Loints) ein sicheres Auseinanderhalten beider Marken jederzeit gewähr-
leistet ist.
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Die von der Widersprechenden in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage,
ob der Verkehr in dem Bestandteil "STAD" einen Hinweis auf die Firma der Wider-
sprechenden erkennt, kann offen bleiben, da sie vorliegend für die Beurteilung ei-
ner die Gefahr von Verwechslungen begründenden Markenähnlichkeit ohne Be-
deutung ist.
Denn abgesehen davon, dass kein Regelsatz besteht, wonach der Verkehr die
Waren in einem Gesamtzeichen nicht nach der Herstellerangabe unterscheidet,
sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kenn-
zeichnung richtet (vgl. BGH GRUR
1997, 897 –
IONOFIL; 2002, 342
- ASTRA/ESTRA PUREN) und gerade bei vergleichbar gebildeten Marken im Arz-
neimittelbereich Unternehmenskennzeichen angesichts des mehr oder weniger an
einen INN angelehnten produktkennzeichnenden Markenteils häufig der einzige
oder der eigentlich kennzeichnende Bestandteil sind (vgl. dazu BPatG PAVIS
PROMA 25 W (pat) 191/02 v. 4. Mai 2006 - Pantohexal/PANTO; Ströbele/Hacker,
Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 283), könnte eine kollisionsbegründende Bedeu-
tung des übereinstimmenden -
aber kennzeichnungsschwachen - Bestand-
teils "GRIPPO" nur dann in Betracht gezogen werden, wenn nicht nur "STAD" in
der Widerspruchsmarke, sondern auch "PRET" in der angegriffenen Marke weitge-
hend in den Hintergrund treten würde. Davon kann jedoch nicht ausgegangen
werden. Bei dem Bestandteil "PRET" der angegriffenen Marke handelt es sich we-
der um ein Unternehmens- noch um ein sonstiges Herstellerkennzeichen, so dass
eine Aufteilung in Hersteller- und Produktbezeichnung insoweit von vornherein
ausscheidet. Vielmehr wird der Verkehr die angegriffene Marke als einheitliches
Markenwort wahrnehmen, so dass es dann auch aus diesem Grunde an einer die
Gefahr von Verwechslungen begründenden Markenähnlichkeit fehlt.
In schriftbildlicher Hinsicht halten die beiden Marken ebenfalls in jeder verkehrs-
üblichen Wiedergabe aufgrund der deutlich abweichenden Konturen der Worten-
den "PRET" bzw. "STAD" einen hinreichenden Abstand ein, wobei die angegriffe-
ne Marke insbesondere bei Wiedergabe in Kleinbuchstaben (auch handschriftlich)
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eine zusätzliche Unterlänge bei dem ersten Buchstaben von "PRET" aufweist.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungs-
gemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Be-
zeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Heben sich somit beide Marken klanglich wie schriftbildlich in unverwechselbarer
Weise voneinander ab, vermag in einer Gesamtschau der im Rahmen des § 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG maßgeblichen Gesichtspunkte auch eine durch umfangrei-
che Benutzung möglicherweise gesteigerte Bekanntheit der Widerspruchsmarke
den geringen Ähnlichkeitsgrad der Marken nicht zu kompensieren, so dass die
festgestellten Unterschiede in der Zeichenbildung ausreichen, um eine unmittelba-
re Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzei-
chens kommt ebenfalls nicht in Betracht, da "GRIPPO" aufgrund seiner Kenn-
zeichnungsschwäche grundsätzlich vom Verkehr nicht als herkunftshinweisender
Stammbestandteil angesehen wird. Die von der Widersprechenden behauptete
Markenserie wird durch die Anlage MBP 5 nicht belegt, da dort nur Marken mit
dem Bestandteil "Grippostad", nicht jedoch mit einem Stammbestandteil "Grippo"
enthalten sind. Auch die Marke 1 139 068 "GRIPPO-STAS" rechtfertigt nicht die
Annahme einer Markenserie, da über die Benutzung dieser Marke nichts bekannt
ist. In der "Roten Liste" ist ein Präparat unter dieser Bezeichnung nicht enthalten.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass
(§ 71 Abs. 1 MarkenG).
gez.
Unterschriften