Urteil des BPatG vom 06.11.2001

BPatG (marke, bestandteil, beschwerde, verwechslungsgefahr, gefahr, kennzeichnungskraft, zeichen, benutzung, abstand, gesamteindruck)

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 191/00
_______________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die international registrierte Marke 635 089
BPatG 152
10.99
- 2 -
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 6. November 2001 unter Mitwirkung des Richters Albert als Vorsit-
zenden, der Richterin Friehe-Wich und des Richters Schwarz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Inhaberin der international registrierten Marke 635 089
begehrt für diese Schutz in Deutschland für "vêtements, chaussures, chapellerie".
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Inhaberin der prioritätsälteren Marke
eingetragen unter der Nr 2 005 451 für "Ober- und Unterbekleidungsstücke für Da-
men, Herren und Kinder, auch gestrickt und gewirkt, aus Pelz, Leder oder Lederi-
mitationen; Sport- und Badebekleidungsstücke, Bademäntel, Hemden, Blusen,
Nachtwäsche, Strumpfwaren; Miederwaren, nämlich Mieder, Korsetts, Korseletts,
- 3 -
Hüfthalter, Strumpfhaltergürtel sowie Büstenhalter; Kopfbedeckungen, Krawatten,
Hals-, Schulter-, Kopf- und Einstecktücher, Taschentücher aus textilem Material,
Handschuhe; Sonnenschirme, Regenschirme, Spazierstöcke; Lederwaren, näm-
lich Gürtel, Taschen, Geldbörsen, Brieftaschen aus Leder und Lederimitationen;
Bett- und Tischwäsche; textile Handtücher und Badetücher, auch als Frottierwa-
ren".
Die Markenstelle für Klasse 25 IR hat der international registrierten Marke zu-
nächst wegen dieses Widerspruchs den Schutz verweigert. Auf die Erinnerung der
Markeninhaberin wurde der Erstbeschluß aufgehoben und der Widerspruch zu-
rückgewiesen. Auch im Hinblick auf einander gegenüberstehende teilweise identi-
sche Waren halte die angegriffene Marke zur Widerspruchsmarke einen eine mar-
kenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen ausschließenden Abstand ein.
Die jüngere Marke werde nicht auf ihren Bestandteil "EAGLE" verkürzt, denn in ihr
bildeten beide Wortbestandteile einen einheitlichen Gesamtbegriff, bei dem regel-
mäßig mit einer Verkürzung auf eines der einzelnen Elemente nicht zu rechnen
sei. In der konkreten graphischen Ausgestaltung der Marke werde die Einheit der
Wortfolge "BLUE EAGLE" sogar besonders betont. Der Gesamteindruck der ange-
griffenen Marke werde daher nicht von einem einzelnen Markenbestandteil ge-
prägt; dementsprechend sei es nicht zulässig, allein das Wort "EAGLE" der Wider-
spruchsmarke gegenüberzustellen.
Beim Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit zeige die jüngere Marke wegen
des weiteren Bestandteils "BLUE" sowohl in klanglicher als auch in bildlicher Hin-
sicht eine von der Widerspruchsmarke völlig abweichende Prägung. Die Unter-
schiede in Markenlänge, Vokal- und Silbenfolge seien so deutlich, daß die ange-
sprochenen Verkehrskreise die Marken sicher auseinanderhielten, zumal dem Pu-
blikum sich der Sinngehalt "Blauer Adler" der jüngeren Marke ohne weiteres er-
schließe, was - wie in bildlicher Hinsicht auch die graphische Ausgestaltung - der
Gefahr von Verwechslungen zusätzlich entgegenwirke.
- 4 -
Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsge-
fahr lägen nicht vor. Hiergegen spreche schon, daß dem Markenwort "EAGLE" in
der jüngeren Marke keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion zu-
komme. Des weiteren seien für die Bildung entsprechender Serienzeichen auf Sei-
ten der Widersprechenden keine Anhaltpunkte vorhanden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, in Anbe-
tracht der vorhandenen Warenidentität und erhöhter, mindestens aber durch-
schnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene
Marke keinen die Gefahr von Verwechslungen ausschließenden Abstand ein. In
der jüngeren Marke trenne die Darstellung des Adlers die beiden Begriffe "BLUE"
und "EAGLE", so daß die Wortbestandteile keinen einheitlichen Gesamtbegriff
darstellten. Der Bildbestandteil verstärke das Wort "EAGLE", so daß dieser Begriff
das Zeichen präge, und zwar sowohl in begrifflicher, in bildlicher als auch in klang-
licher Hinsicht. "EAGLE" sei darüber hinaus Stammbestandteil einer Vielzahl von
Marken der Widersprechenden, so daß auch deshalb der Verkehr die jüngere
Marke dieser zuordnen werde.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke begehrt die Zurückweisung der Beschwer-
de. Sie bestreitet die Benutzung der Widerspruchsmarke. Weiter meint sie, zwi-
schen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe trotz teilweise identi-
scher Waren keine Verwechslungsgefahr. Die Widerspruchsmarke weise unter-
durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Es gebe eine Vielzahl von Marken mit
dem Bestandteil "EAGLE", die in Deutschland für Waren der Klasse 25 geschützt
seien, was dafür spreche, daß es sich um eine verbrauchte Wortbildung von gerin-
ger Originalität handele. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde we-
der durch das Wort "EAGLE" noch durch einen anderen einzelnen Bestandteil so
stark geprägt, daß dieser die weiteren Bestandteile verdränge. Die Wortkombina-
tion "BLUE EAGLE" sei auffällig und einprägsam, so daß keine Veranlassung be-
stehe, das einsilbige Adjektiv "BLUE" wegzulassen, und auch die bildliche Darstel-
lung in der Mitte des Zeichens sei nicht zu vernachlässigen.
- 5 -
Die Widersprechende hat hinsichtlich des Nichtbenutzungseinwands auf ihre be-
reits im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Benutzungsunterlagen Bezug
genommen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hatte bereits 1997 im Verfahren vor der
Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten; nachdem deren In-
haberin einerseits darauf hinwies, daß die Benutzungsschonfrist zu diesem Zeit-
punkt noch nicht abgelaufen war, andererseits jedoch Benutzungsunterlagen vor-
legte, hat sie seinerzeit die Einrede mangelnder Benutzung nicht aufrechterhalten.
Das Widerspruchsverfahren gegen die beschleunigt eingetragene Widerspruchs-
marke endete am 12. Januar 1993.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil die jüngere Marke auch in An-
betracht möglicher (teilweiser) Warenidentität einen die markenrechtlich erhebli-
che Gefahr von Verwechslungen mit ausreichender Sicherheit ausschließenden
Abstand zur Widerspruchsmarke einhält, so daß die Voraussetzungen des § 9
Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht vorliegen.
Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die
miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähn-
lichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen er-
faßten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH
GRUR 1998, 922, 923 – Canon; MarkenR 1999, 236, 239 – Lloyd/Loints), wobei
bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken auf einen durchschnittlich infor-
mierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen
ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstlei-
stungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999, aaO, RdNr 26).
- 6 -
Hinsichtlich der für die jüngere Marke beanspruchten Waren "chaussures" konnte
die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, weil Schuhwaren im Waren-
verzeichnis der Widerspruchsmarke nicht enthalten sind und nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs (BlPMZ 1999, 32 – JOHN LOBB), der sich der Se-
nat anschließt, Schuhwaren und Bekleidungsstücke unähnlich sind. Hinsichtlich
der weiteren Waren war zu berücksichtigen, daß die Widersprechende bereits auf
den seinerzeit noch unzulässigen Nichtbenutzungseinwand im Verfahren vor der
Markenstelle Unterlagen vorgelegt hat, die die Benutzung der Widerspruchsmarke
jedenfalls für Herrenoberbekleidung (T-Shirts, Oberhemden, Hosen), Kinderober-
bekleidung (Jeans) und Damenoberbekleidung (Sweatshirts) hinreichend glaub-
haft machen. Diese Waren sind identisch mit den von der jüngeren Marke erfaßten
"vêtements"; hinsichtlich der Waren "chapellerie" besteht Ähnlichkeit.
Es kann dahinstehen, ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, wie
die Markeninhaberin meint, eingeschränkt ist. Denn auch bei Annahme normaler
Kennzeichnungskraft reicht der Abstand der angegriffenen Marke zur Wider-
spruchsmarke aus, auch in Anbetracht möglicher Warengleichheit die Gefahr von
Verwechslungen mit ausreichender Sicherheit auszuschließen.
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist bei dem Vergleich der Marken
aus der jüngeren Marke nicht allein der Bestandteil "EAGLE" zu berücksichtigen.
Denn bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich auf den je-
weiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen abzustellen;
der Schutz eines einzelnen aus einer Kombinationsmarke herausgelösten Ele-
ments ist dem Markenrecht fremd. Allerdings kann einem einzelnen Bestandteil ei-
nes Zeichens besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft bei-
gemessen werden, so daß bei einer Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem
so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (vgl BGH
BlPMZ 1996, 415, 416 – Sali Toft; 1998, 524 – ECCO II). Ein solcher Fall liegt ent-
gegen der Ansicht der Widersprechenden hier jedoch nicht vor. Die Vergleichs-
marken sind im Gesamteindruck deutlich unterschiedlich.
- 7 -
In bildlicher Hinsicht ist dies offensichtlich. Denn die angegriffene Marke besteht
anders als die Widerspruchsmarke nicht nur aus einem, sondern aus zwei Wortbe-
standteilen, und sie weist - anders als das ältere Zeichen, dessen graphische Ge-
staltung sich in einer Umrahmung und mehreren unterschiedlich langen parallelen
Strichen erschöpft - zusätzlich zu den Worten auch einen Bildbestandteil auf. Ins-
gesamt erscheint die jüngere Marke somit bei optischer Wahrnehmung deutlich
länger als die Widerspruchsmarke. In klanglicher Hinsicht ist von einer Verkürzung
des angegriffenen Zeichens auf den Bestandteil "EAGLE" in einem rechtserhebli-
chen Umfang nicht auszugehen, da die Wortkombination "BLUE EAGLE" eine Ein-
heit bildet, die kurz, leicht auszusprechen und leicht zu merken ist, so daß nicht er-
sichtlich ist, warum der Verkehr einem der Wortbestandteile eine solche Bedeu-
tung beimessen sollte, daß er darüber den anderen vernachlässigt. Auch in klang-
licher Hinsicht stehen einander also mit "BLUE EAGLE" einerseits und "EAGLE"
andererseits zwei Marken deutlich unterschiedlicher Länge gegenüber, so daß mit
Verwechslungen auch insoweit nicht zu rechnen ist. In begrifflicher Hinsicht ist zu
berücksichtigen, daß die beiden Wortbestandteile einen leicht erkennbaren ein-
heitlichen konkreten Gesamtbegriff bilden (vgl hierzu BGH BlPMZ 197, 198 –
White Lion), so daß auch insoweit mit einer Vernachlässigung des Bestand-
teils "BLUE" nicht zu rechnen ist.
In mittelbarer Hinsicht liegt ebenfalls keine Verwechslungsgefahr vor. Zwar hat die
Widersprechende geltend gemacht, Inhaberin mehrerer Marken mit dem Bestand-
teil "EAGLE" zu sein. Diese Marken sind aber sämtlich erkennbar anders gebildet
als die angegriffene Marke. Die bei der Prüfung der assoziativen Verwechslungs-
gefahr zu berücksichtigenden fachlich orientierten oder zumindest interessierten
Verkehrskreise (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 RdNr 212),
die detaillierte Überlegungen anstellen und über eine beachtliche Branchenkennt-
nis verfügen, werden deshalb die jüngere Marke nicht dem Unternehmen der Wi-
dersprechenden zuweisen, zumal es einige entsprechend dem angegriffenen Zei-
chen gebildete Marken für Waren der Klasse 25 gibt, deren Inhaberin nicht die Wi-
dersprechende ist (zB Gold Eagle, Black Eagle, American Eagle, Twin Eagle, Red
- 8 -
Eagle, Green Eagle, German Eagles). Daß die englische Entsprechung für die Fir-
menbezeichnung "Adler" der Inhaberin der Widerspruchsmarke "Eagle" wäre, be-
deutet nicht, daß deshalb "Eagle" mit der Firmenkennzeichnung der Widerspre-
chenden gleichzusetzen wäre. Denn der Verkehr ist nicht daran gewöhnt, daß Fir-
mennamen in eine Fremdsprache übersetzt als Firmenkennzeichnung benutzt
würden.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG.
Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Albert Schwarz Friehe-Wich