Urteil des BPatG vom 03.06.2004

BPatG: beschreibende angabe, dienstleistung, unterscheidungskraft, eugh, internet, hardware, datenverarbeitung, programm, markt, bindungswirkung

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 202/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 301 55 282.7
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 3. Juni 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems so-
wie der Richterin Sredl und des Richters Engels
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe:
I.
Die Bezeichnung
Callserver
ist am 17. September 2001 zur Eintragung in das Markenregister für die Dienst-
leistung „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ angemeldet wor-
den.
Nach Beanstandung der Anmeldung nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG und
Stellungnahme der Anmelderin hierzu hat die Markenstelle für Klasse 42 des
Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 13. Juni 2002 durch einen
Beamten des gehobenen Dienstes die Markenanmeldung zurückgewiesen.
Die angemeldete Bezeichnung sei ein Fachbegriff aus der Telekommunikations-
technik mit der Bedeutung „ISDN-Anrufmonitor mit integriertem, zeitgesteuerten
Anrufbeantworter und Telefonie-Funktionalität“ gemäß der beigefügten Internet-
Recherche. In Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen werde schlag-
wortartig zum Ausdruck gebracht, dass diese für Callserver bestimmt seien. Damit
fehle der angemeldeten Bezeichnung die Unterscheidungskraft; außerdem be-
stehe ein Freihaltungsbedürfnis für Mitbewerber. Die Berufung auf vergleichbare
Voreintragungen greife nicht durch.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin gemäß § 165 Abs 4 Mar-
kenG mit dem Antrag (sinngemäß),
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den Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 vom 13. Juni 2002
aufzuheben und die angemeldete Marke zur Eintragung zuzulas-
sen.
Die zurückgewiesene Bezeichnung sei lexikalisch nicht nachweisbar und stelle
keinen Fachbegriff, sondern eine phantasievolle Kombination zweier englischer
Begriffe dar. Die von der Markenstelle mit dem Beschluß übermittelte Google-Re-
cherche beziehe sich bis auf eine Ausnahme auf die Anmelderin selbst. Ein allge-
meiner Sprachgebrauch lasse sich aus dem Internet im Zusammenhang mit der
Präsentation des Softwareprodukts der Anmelderin auch nicht ableiten. Vorsorg-
lich werde hierfür ein Sachverständigengutachten angeboten. Die Anmeldung
werde auch verkannt, wenn es in der Begründung des angefochtenen Beschlus-
ses auf Seite 3 oben heiße, dass die beanspruchte Dienstleistung eine spezielle
Dienstleistung für die Hardware Callserver sei, denn mit der angemeldeten Marke
werde ausschließlich ein EDV-Programm und keine Hardware bezeichnet. Die an-
gemeldete Marke sei somit ebenso unterscheidungskräftig wie die als schutzfähig
angesehenen Marken „Baby-dry“, „Slow Food“, „BRAVO“ und „B-2-alloy“.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat ist mit der Markenstelle
der Ansicht, daß § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG der Eintragung der angemel-
deten Bezeichnung entgegenstehen, da sie für die angemeldete Dienstleistung
eine beschreibende Angabe darstellt, der jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Das Wort „Callserver“ besteht aus einer Kombination der aus der englischen
Sprache stammenden Wörter „call“ für „rufen, anrufen; Anruf“ und „server“, das ei-
nen Computer-Server bezeichnet. Im Zusammenhang mit der beanspruchten
Dienstleistung „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ kann der
Begriff zum Ausdruck bringen, daß das Programm für einen Server bestimmt ist,
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der Anrufe verarbeitet, indem er sie speichert oder umleitet, wie dies auch durch
die Internet-Seite der Anmelderin nahegelegt wird. In diesem Sinn werden auch
die angesprochenen allgemeinen deutschen Verkehrskreise die Wortkombination
verstehen, denn die einzelnen Begriffe des angemeldeten Wortes gehören (mitt-
lerweile) zum Grundwortschatz der englischen Sprache, abgesehen davon, daß
Englisch auf dem vorliegenden Dienstleistungsbereich Fachsprache ist und beide
Begriffe auch in die deutsche Alltagssprache eingegangen sind, wie zB die Wörter
callcar, callcenter, call-by-call oder Server zeigen. Im Zusammenhang mit dem
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung ergibt sich die beschrei-
bende Bedeutung des Wortes Callserver als „Anruf-oder Ruf-Server“.
Dabei erscheint die Bezeichnung als sprachübliche Wortzusammensetzung, wie
auch die Beispiele „call forwarding“ (Anrufumleitung), „call identification“ (Anrufer-
kennung), „call pickup“ (Anrufübernahme), „call repeater“ (Anrufwiederholer), „call
sign“ (Anrufsignal) oder „call time“ (Anrufzeit, Verbindungsdauer) zeigen (vgl
hierzu Fachwörterbuch der EDV-Fachbegriffe, 30.000 Stichwörter, Verlag Markt
und Technik, S. 44). In diese Aufstellung reiht sich die Bezeichnung „Callserver“
ohne weiteres ein. Daß diese in einem Wort geschrieben wird, kann die Eintra-
gungsfähigkeit nicht begründen. Ein solches Merkmal wird vom Verkehr nicht als
besondere, mit einem betrieblichen Herkunftshinweis verbundene Auffälligkeit
wahrgenommen.
Dem Argument der Anmelderin, die angemeldete Marke sei lexikalisch nicht
nachweisbar und stelle keinen Fachbegriff dar, woraus die Eintragungsfähigkeit
folge, kann sich der Senat nicht anschließen. Auch Wortzusammensetzungen, die
als solche nicht lexikalisch nachweisbar sind, erfüllen nicht ohne weiteres die
Anforderungen an die Unterscheidungskraft (vgl BGH GRUR 2001, 1151 – markt-
frisch; BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK), wenn es sich um eine sprachübliche,
wenngleich auch möglicherweise neue Begriffsbildung mit unmittelbar beschrei-
bendem Waren- oder Dienstleistungsbezug handelt. Abgesehen davon, daß Ein-
zelwörter in vielfältiger Kombination zusammengesetzt werden können und durch
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ihre Aufnahme der Umfang von Lexika oder Wörterbüchern bei weitem gesprengt
würde, ist die Anwendung des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht auf Angaben im
Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG beschränkt, da das gesetzliche Eintragungs-
hindernis fehlender Unterscheidungskraft nicht auf das Vorliegen bestimmter ob-
jektiver Markmalsangaben, sondern auf die Verkehrsauffassung abstellt. Insoweit
ist es nicht entscheidungserheblich, ob sich aus dem Internet ein allgemeiner
Sprachgebrauch ableiten liesse, so daß es auf ein von der Anmelderin angebote-
nes Sachverständigengutachten nicht ankommt. Auch ist die rechtliche Differen-
zierung der erforderlichen Unterscheidungskraft einer Angabe nach dem Grad des
an dieser Angabe bestehenden Freihaltungsbedürfnisses unzulässig (vgl Strö-
bele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 8, Rdnr 64; EuGH GRUR 1999, 723 – Chiem-
see). Diese Auffassung teilt auch der EuGH. Nach der „Biomild“-Entscheidung (vgl
EuGH GRUR Int. 2004, 410) bleibt die bloße Kombination von Wortbestandteilen,
von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen be-
schreibt, für diese Merkmale auch dann beschreibend, wenn es sich um eine
sprachliche Neuschöpfung handelt. Die bloße Aneinanderreihung solche Be-
standteile, die keine ungewöhnliche Änderung in syntaktischer oder semantischer
Hinsicht enthält, kann danach nur zu einer Bezeichnung führen, die ausschließlich
aus Angabe oder Zeichen besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkma-
len der genannten Waren oder Dienstleistungen dienen können (vgl auch EuG
GRUR Int. 2002, 751 – CARCARD; GRUR Int. 2004, 324 – ROBOTUNITS). Die-
ser Auffassung entspricht im übrigen auch die neuere Rechtsprechnung des BGH
zur Frage der Unterscheidungskraft (vgl BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice).
Daß Hardware-Komponenten nicht Gegenstand des Dienstleistungsverzeichnis-
ses sind, steht der Bewertung der angemeldeten Bezeichnung als beschreibende
Angabe nicht entgegen. Eine Marke ist auch dann von der Eintragung ausge-
schlossen, wenn sie nur ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienst-
leistungen bezeichnet, wenn sie also – auf den vorliegenden Fall bezogen – zum
Ausdruck bringt, daß die Dienstleistung des Erstellens der fraglichen EDV-Pro-
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gramme für einen Einsatz in einem Anruf-Server bestimmt und geeignet ist (vgl
EuGH GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT).
Eine eventuell begriffliche Unbestimmtheit kann die Eintragungsfähigkeit ebenfalls
nicht begründen (vgl BGH BlPMZ 2000, 331 – Bücher für eine bessere Welt). Ab-
gesehen davon, die sich hier eine solche Unbestimmtheit allenfalls auf den kon-
kreten Inhalt des EDV-Progrmms und seine speziellen Funktionen beziehen
könnte, kann dieser Umstand nicht dazu führen, einer allgemein gehaltenen be-
schreibenden Sachangabe nur deshalb Markenschutz zu gewähren, weil kein fest
umrissener Sachbezug erkennbar wäre.
Soweit die Anmelderin auf eingetragene bzw geschützte Wörter bzw Wortkombi-
nationen wie „Baby-dry“, „Slow Food“, „BRAVO“ und „B-2-alloy hinweist, rechtfer-
tigt dies nicht die Eintragung auch der vorliegenden Anmeldung. Abgesehen da-
von, daß die Vergeichbarkeit dieser Entscheidungen hier zumindest fraglich ist,
weil sie sich zB mit dem Problem der Schutzfähigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 3 Mar-
kenG (vgl EuGH NJW 2002, 2085 – BRAVO) oder dem des Unternehmenskenn-
zeichens im Sinne von § 5 MarkenG befassen (vgl OLG München GRUR-RR
2002, 230 – Slow Food) oder auf besondere Bezeichnungsgewohnheiten auf dem
betreffenden Warengebiet abstellen (vgl BGH GRUR 2002, 884 – B2-alloy), kön-
nen selbst gleichlautende Markeneintragungen keine Bindungswirkung entfalten
(vgl BGH GRUR 1999, 420 – K-SÜD; EuG MarkenR 2002, 600 – ELLOS für die
GMV; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 8, Rdnr 259 ff mwN).
Die Beschwerde konnte danach keinen Erfolg haben.
Kliems Engels Sredl
Na
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