Urteil des BPatG vom 27.09.2001

BPatG: unterscheidungskraft, form, kennzeichnung, markierung, gestaltung, patent, herkunft, unternehmen, farbe, bedürfnis

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 315/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 56 911.1
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 26. August 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Winkler und der Richter Baumgärtner und Kätker
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Marken-
stelle für Klasse 7 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
27. September 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 15. September 1999 unter An-
gabe „Sonstige Aufmachung; Farbige Eintragung mit folgenden Farben: grün,
silber“ die nachfolgend dargestellte Marke angemeldet worden, wobei in der
Originaldarstellung das am unteren Ende des Handgriffs angeschraubte Teil in
grüner Farbe dargestellt ist:
siehe Abb. 1 am Ende
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Der Anmeldung ist eine Markenbeschreibung beigefügt worden. Diese lautet:
„Markenschutz wird beansprucht für eine am Griffboden einer Farbspritzpistole
angeordnete grüne Markierung. Die Markierung hat etwa die Form eines Plätt-
chens und ist von unten sowie von mindestens drei Seiten sichtbar. Sie ist etwa
3 – 10 mm stark und hat seitliche Abmessungen von etwa 10 – 20 mm. Son-
stige, auf der Abbildung der Farbspritzpistole erkennbare Angaben und Gestal-
tungsmerkmale sind nicht Bestandteil der Marke“.
Mit Beschluss vom 27. September 2001 hat die Markenstelle für Klasse 1 durch
ein Mitglied des Patentamts die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle werden erhebli-
che Teile des Verkehrs das Kennzeichen gar nicht wahrnehmen. Selbst wenn
es doch wahrgenommen werde, stelle es für den Verkehr keine Kennzeichnung
dar. Angesichts des Detailreichtums von Farbspritzpistolen mit bisweilen auch
farbigen Verkleidungsteilen sei es unwahrscheinlich, dass das an einer unauf-
fälligen Stelle angebrachte Plättchen als Besonderheit wahrgenommen werde.
Im Übrigen sei eine Kennzeichnung von Farbspritzpistolen durch Anbringung
farbiger Plättchen am Griffboden nicht üblich, so dass diese vom Verkehr nicht
als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der
sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die angemeldete Marke schutzfähig sei, da
ersichtlich kein Freihaltungsbedürfnis vorliege und die Anforderungen an die
Unterscheidungskraft minimal seien. Da der beteiligte Verkehr nahezu aus-
schließlich aus Fachverkehrsteilnehmern, vor allem Lackierern, bestehe und
dieser jedes Detail an einer Farbspritzpistole wahrnehme, werde er das grüne
Plättchen am Griffboden, dem keine technische Funktion zukomme, ohne Wei-
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teres wahrnehmen. Im Hinblick auf das der Anmelderin mitgeteilte Ergebnis
einer Senatsrecherche und einer Verbandsanfrage gehe sie davon aus, dass es
sich bei der angemeldeten Marke um eine herstellertypische und herkunftshin-
weisende Kennzeichnung handelt und sogar eine Verkehrsdurchsetzung nach
§ 8 Abs. 3 MarkenG, auf die es nicht ankomme, belegt sei.
Der Senat hat Auskünfte bei folgenden Verbänden eingeholt:
Deutsches Lackinstitut GmbH, Maler- und Lackiererinnung München Stadt und
Land, Hauptverband Farbe Gestaltung Bautenschutz, Europäische Gesellschaft
für Lackiertechnik e.V.
Wegen des Inhalts der Auskünfte und weiterer Einzelheiten wird auf den Ak-
teninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist begründet.
Die angemeldete Marke erfüllt die Voraussetzungen der Markenfähigkeit unter
Berücksichtigung der Grundsätze, wie sie vom Europäischen Gerichtshof und
vom Bundesgerichtshof entwickelt worden sind. Sie ist auch unterscheidungs-
kräftig und nicht freihaltungsbedürftig, so dass ihrer Eintragung gemäß §§ 33
Abs. 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
oder 2 MarkenG entgegenstehen.
Gegenstand der Marke ist eine farbige Aufmachungsmarke. Aus dem Zusam-
menhang der Angaben zur Markenform, der Darstellung und der Beschreibung
lässt sich entnehmen, dass Schutz für eine Markierung in Form eines grünfar-
benen Plättchens begehrt wird, das innerhalb einer Bandbreite bestimmter Ab-
messungen an stets gleichbleibender Stelle von unterschiedlichen Farbspritzpi-
stolen (im Beispiel in silbergrau dargestellt) angebracht wird und eine Art Pro-
duktbeiwerk darstellt. Solche Aufmachungen, die teilweise auch sogenannten
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Positionsmarken zugeordnet werden, sind bisher als grundsätzlich markenfähig
im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG angesehen worden (vgl. BPatG, Senatsbe-
schluss v. 8. Juli 2003, 33 W (pat) 208/01 – Aufmachungsfarbmarke grün/grün,
zur Veröffentlichung vorgesehen; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 3,
Rdn. 85 mwN., der solche Marken offenbar nicht als sonstige Markenform i.S.d.
§ 12 MarkenV, sondern als herkömmliche Bildmarke einordnen will). Eine sol-
che Marke ist in Form der Abbildung eines Beispiels in Verbindung mit einer
konkretisierenden Beschreibung i.S.d. § 8 Abs. 1 MarkenG grafisch darstellbar.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete
Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Ab-
solute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der
Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht
entgegen.
Die angemeldete Marke weist die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die
einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-
dungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber sol-
chen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 413,
414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; MarkenR
2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maß-
stab auszugehen, was unterschiedslos für alle Markenformen gilt (vgl. BGH
GRUR 2002, 538 – grün eingefärbte Prozessorengehäuse). Kann einer farbigen
Warenaufmachung kein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund ste-
hender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich
bei ihr nicht um eine nur dekorative Gestaltung, so dass sie vom Verkehr stets
nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es
keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass einer als Marke verwendeten farblichen
Warenaufmachung die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterschei-
dungskraft fehlt (BGH a.a.O.).
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Weder die Markenstelle noch der Senat haben tatsächliche Anhaltspunkte dafür
ermitteln können, dass die Anbringung eines farbigen Plättchens am Griffboden
von Farbspritzpistolen vom Verkehr als reine Beschreibung einer verkehrswe-
sentlichen Eigenschaft dieser Waren angesehen wird. Ein an dieser Stelle an-
gebrachtes Plättchen erfüllt weder einen technischen Zweck noch stellt es im
Verkehr einen Hinweis auf irgendwelche verkehrswesentlichen Eigenschaften
dar. Soweit die Anmelderin in eigenen Veröffentlichungen damit wirbt, dass am
Griffboden angebrachte austauschbare farbige Plättchen dem jeweiligen
Lackierer die Möglichkeit zur individuellen farblichen Kennzeichnung bieten,
mag dies zwar ein Ausstattungsmerkmal ihrer Farbspritzpistolen sein, was für
sich genommen durchaus gegen die Unterscheidungskraft sprechen kann.
Dennoch mangelt es der Marke dann nicht an Unterscheidungskraft, wenn der
Verkehr darin nicht nur ein Ausstattungsmerkmal, sondern zugleich auch einen
Hinweis auf die betriebliche Herkunft aus einem bestimmten Betrieb sieht, etwa
weil das Ausstattungsmerkmal vom Verkehr als charakteristisch für dieses Un-
ternehmen angesehen wird. Dies ist hier offenbar der Fall, denn nach dem Er-
gebnis der Verbandsumfrage ist mehreren der befragten Verbände bzw. Innun-
gen und Institute bekannt, dass (nur) die Anmelderin bestimmte Pistolenmo-
delle mit farbigen Plättchen ausstattet, so dass anhand dieses Merkmals ein
Rückschluss auf den Betrieb des Herstellers möglich sei. Im Übrigen ist die
Austauschbarkeit nicht Gegenstand der Anmeldung, da in den Anmeldeunterla-
gen nur ein grünes Plättchen aufgeführt ist.
Im übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es sich bei der an-
gemeldeten Marke um eine lediglich dekorative Gestaltung handeln könnte,
was im Hinblick sowohl auf die Art der Waren als auch auf die Stelle, an der
sich das Plättchen befindet, ungewöhnlich wäre.
Schließlich vermag der Senat der Markenstelle auch nicht darin zu folgen, dass
das Plättchen, etwa wegen des angeblichen Detailreichtums von Spritzpistolen
oder der Anordnung am Griffboden, dem Verkehr gar nicht auffallen wird. Als
Abnehmer von Farbspritzpistolen kommen weitgehend nur Fachverkehrsteil-
nehmer aus der Lackiertechnik und Heimwerker, also fachlich interessierte Per-
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sonen in Betracht. Nach den Ergebnissen der Senatsrecherche und der Ver-
bandsumfrage gibt es außerdem nur sehr wenige Hersteller von Farbspritzpi-
stolen. Angesichts eines so übersichtlichen Marktes ist zu erwarten, dass der
fachlich versierte Verkehrsteilnehmer einen Überblick über die verschiedenen
Designs von Farbspritzpistolen hat und ihm auch Gestaltungsmerkmale auffal-
len, die für Laien vergleichsweise unauffällig wirken. Bei dieser Sachlage kön-
nen hier auch die Bedenken des Europäischen Gerichtshofs, die dieser hin-
sichtlich der Unterscheidungseignung von Farben geäußert hat (GRUR 2003,
604 – Libertel), als ausreichend ausgeräumt angesehen werden. Im Übrigen hat
der Senat auch keine Hinweise dafür auffinden können, dass Farbspritzpistolen
so komplex aufgebaut sind, dass man von einem Detailreichtum sprechen
könnte, was erst recht aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer gelten wird. Unter
diesen Umständen vermag der Senat das Vorliegen eines Eintragungshinder-
nisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht festzustellen.
Es sind auch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die
die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur
Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen
Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienst-
leistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienst-
leistungen dienen können. Eine solche Merkmalsangabe käme im Hinblick auf
die bei der Senatsrecherche aufgefundenen eigenen Veröffentlichungen der
Anmelderin allenfalls insofern in Betracht als sich die Marke quasi selbst als
Ausstattungsmerkmal beschreiben könnte, nämlich als Vorrichtung, mit der die
Anwender ihre Farbspritzpistolen bestimmungsgemäß mittels austauschbarer
farbiger Plättchen nach selbstgewählten Kriterien kennzeichnen können (z.B.
Zugehörigkeit zu bestimmten Lackierern eines Betriebes, Bestimmung der Pi-
stole ausschließlich für bestimmte, z.B. wasserlösliche Farben, usw.), wenn-
gleich dies, wie ausgeführt, nicht Gegenstand der Marke ist.
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§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist jedoch (einschränkend) im Hinblick auf seinen im
Allgemeininteresse liegenden Zweck auszulegen, wonach beschreibende An-
gaben von jedermann, insbesondere von den Mitbewerbern, frei verwendbar
sein sollen und ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allge-
meinheit an ihrer freien Verwendbarkeit widersprechen würde (vgl. Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8, Rdn. 217). Läßt sich eine beschrei-
bende Verwendung nur durch die Anmelderin selbst feststellen, noch dazu in
einer für ihn charakteristischen und zugleich herkunftshinweisenden Form
(s.o.), ohne dass tatsächliche Anhaltspunkte für ein Bedürfnis anderer Ver-
kehrsteilnehmer an der freien Verwendung feststellbar sind (etwa entspre-
chende Verkehrsgepflogenheiten oder rein beschreibende Verwendungen
durch weitere Mitbewerber oder wenigstens eine beachtliche Anzahl von
Abnehmern), so rechtfertigt dies nicht die Feststellung eines Eintragungshin-
dernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Winkler Baumgärtner Kätker
Cl
Abb. 1