Urteil des BPatG vom 10.06.2010

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 71/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 307 32 948.8
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 10. Juni 2010 durch die Richterin Winter als Vorsitzende, den Richter
Paetzold und die Richterin Hartlieb
beschlossen:
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Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I .
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung
Audiosensogramm
Das Waren-/ Dienstleistungsverzeichnis lautet:
„Tonträger; Ausbildung und Unterricht im Bereich Psychologie,
Heilkunde, Alternativmedizin; Dienstleistungen eines Psychologen,
Dienstleistungen eines Heilpraktikers, alternativmedizinische
Dienstleistungen.“
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, weil die
Marke beschreibend auf eine Diagnosestellung durch Sensogramm im Hörbereich
hinweise. Der Bestandteil „Audio-“ (lateinisch: ich höre) werde im Zusammenhang
mit dem Hören und der Tontechnik verwendet; der weitere Markenbestandteil
„Sensogramm“ sei ein Fachbegriff der Audiologie für eine Methode zur Anpassung
von Hörgeräten; die Hörwahrnehmung werde dargestellt. Mit der Marke werde
damit auf die Bestimmung der Tonträger sowie der Dienstleistungen hingewiesen.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen ist er der
Auffassung, dass das Wort „Audiogramm“ sich auf das Hörvermögen beziehe,
aber keinerlei Bezug zu beanspruchten Waren/Dienstleistungen aufweise; der
Begriff „Sensogramm“ werde in völlig unterschiedlichen Bereichen verwendet und
weise damit keinen klaren Bedeutungsgehalt auf, jedenfalls keinen mit beschrei-
bendem Bezug zu hier maßgeblichen Produkten/Dienstleistungen. Damit ergäbe
sich auch für die Gesamtbezeichnung kein beschreibender Bedeutungsgehalt.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des
Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Be-
Audiosensogramm
gung ausgeschlossen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zei-
chen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die
Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeich-
neten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR
2006, 229, 230 [Nr. 27 ff.] - BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 [Nr. 18]
- FUSSBALL WM 2006; GRUR 2008, 710 [Nr. 12] - VISAGE; GRUR 2009, 411
[Nr. 8] - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 [Nr. 11] - Willkommen im Leben;
GRUR 2009, 952 [Nr. 9] - DeutschlandCard). Keine Unterscheidungskraft kommt
zunächst Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen,
der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und
ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Anga-
ben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unter-
scheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR
2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] - DeutschlandCard).
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Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Anga-
ben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienst-
leistung zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender
Bezug zu der betreffenden Ware oder Dienstleistung hergestellt wird (BGH GRUR
2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 411 [Nr. 9] - STREETBALL;
BGH GRUR 2009, 949, 951 [Nr. 20] - My World). Die Eignung, Produkte ihrer Her-
kunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu,
die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder
einer bekannten Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden
Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2006, 850, 854
- FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] - DeutschlandCard). Nach
diesen Grundsätzen muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.
Das aus der lateinischen Sprache stammende Markenelement „audio“ ist in ent-
sprechend gebildeten Fremdwörtern ein Wortbildungselement mit der Bedeutung
„Gehör, Hör-, Ton-“ und wird in diesem Sinn in Begriffen wie „Audiologie“ (Teilge-
biet der Medizin, das sich mit Funktion und Störungen des Gehörorgans befasst),
„Audiometrie“ (Verfahren zur Prüfung der Gehörfunktion) oder „Audiogramm“
(Darstellung der Hörschwelle) verwendet, die Eingang in die deutsche Sprache
gefunden haben (vgl. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. S. 160). Im
Bereich der Tontechnik bzw. Tonwiedergabe gibt es Begriffe wie „Audiotechnik“
oder „Audioanlage“.
Mit dem aus dem Lateinischen stammenden Wort „sensus“ wird das Empfin-
dungsvermögen eines bestimmten Sinnesorganes bezeichnet (vgl. Duden
Fremdwörterbuch a. a. O. S. 1230; Duden, Wörterbuch medizinischer Fach-
begriffe, 8. Aufl. S. 711). Daraus hergeleitet wird „Senso-“ als Wortbildungsele-
ment verwendet, wenn es um die Sinnesorgane oder das Sinnesempfinden geht;
mit dem Begriff „Sensomotorik“ wird das Zusammenspiel von Empfindungen und
Bewegungsabläufen bezeichnet, „sensorisch“ bedeutet „die Aufnahme von Sin-
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nesempfindungen betreffend“ (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O. S. 1229,
1230). Ein „Sensor“ ist ein elektronischer Fühler zur Messung physikalischer
Größen (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O. S. 1229).
Der Begriff „-gramm“ weist in Wortzusammensetzungen auf eine Darstellung oder
Abbildung hin (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O.); ein „Diagramm“ ist die grafi-
sche Darstellung von Daten, Sachverhalten oder Informationen, ein „Piktogramm“
ist ein Bildsymbol.
Das Wort „Sensogramm“ wird, worauf der Anmelder zutreffend hinweist, in unter-
schiedlichen Bereichen verwendet, stets aber im Zusammenhang mit grafischen
Darstellungen von Messungen, wie der Aufruf des Begriffs „Sensogramm“ im In-
ternet bei der Suchmaschine „Google“ zeigt. So heißt es zum Beispiel in einer
Untersuchung zur DNA: „Das Ergebnis einer Reihe solcher Messungen zeigt das
Sensogramm in Abbildung 23“ (vglosit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn-
=973166282&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=973166282.pdf). Ein Hörge-
rätehersteller bietet bei der Anpassung eines Hörgerätes im Rahmen einer
Hörschwellenmessung ein Sensogramm an (vgl. den vom Erstprüfer übersandten
Nachweis aus dem Internew.innovativ-in.de/p.2858.htm). Im Bereich
der Audiopädagogik wird zur Nutzung optimaler technischer Hilfen auf ein
Sensogramm Bezug genommen (vgl. http://www.usz.ch/non_cms/orl/ci-zentrum-
/Assets/images/veranstaltungen/cifobi_2009/Audiopaedagogik.pdf,
dort
S. 21).
Ferner wird das Wort „Sensogramm“ im Zusammenhang mit der Darstellung von
Wahrnehmung durch die Sinnesorgane verwendet. In einem Bericht über
Lebensmittelpräferenzen ist die Komplexität der sinnlichen Wahrnehmung in
einem „Sensogramm“ dargestellt (vgaw-hamburg.de/volltexte-
/2007/321/pdf/ern_y_526.pdf, dort S 6). Zur Prüfung der emotionalen Wirkung
einer Marke bietet, worauf sich schon die Markenstelle bezogen hat, ein
Marketing-Unternehmer
die
Aufstellung
eines
Sensogramms
an
(vgl.
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Insgesamt stellt sich die angemeldete Bezeichnung damit als Hinweis auf in einem
Sensogramm dargestellte Messungen im Bereich „Audio“ dar, sei es Audiotechnik
oder das Gehör betreffend.
Mit Bezug auf das beanspruchte Waren-/Dienstleistungsverzeichnis, das Ober-
begriffe verwendet, ergibt sich für die Ware „Tonträger“ die zur Beschreibung be-
eignete Sachaussage, dass zum Nachweis der Tonqualität eine in einem Sen-
sogramm dargestellte Messung erfolgt ist. Die Dienstleistungen der Klassen 41
und 44 können derartige Darstellungen von Messungen im Gebiet „Audio“ (Gehör)
zum Gegenstand haben, was für Heilkunde, Alternativmedizin, Dienstleistungen
eines Heilpraktikers und alternativmedizinische Dienstleistungen ohne weiteres
nahegelegt ist. Dies gilt entgegen der Auffassung des Anmelders aber auch für
den Bereich der Psychologie, deren Anwendungsgebiet unter anderem das Ge-
sundheitswesen und damit auch das Gebiet von Hörorganschäden sein kann, zum
Beispiel im Bereich der Audiopädagogik angeboten bei Hörschäden von Kindern
(vgl.
l/ci-zentrum/Assets/images/veranstaltungen-
/cifobi_2009/Audiopaedagogik.pdf, dort S 4). Die Durchführung und Darstellungen
von Messungen im Gebiet „Audio“ (Gehör) kann demzufolge auch das
Dienstleistungsangebot eines Psychologen umfassen.
Die Markenstelle hat die angemeldete Marke nach alledem zu Recht von der Ein-
tragung ausgeschlossen.
Winter
Paetzold
Hartlieb
Cl